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ML – 280·281 (Kaulbach)

Ω

WILHELM KAULBACH
GEB. D. 15. OCT. 1804, GEST. D. 7. APRIL 1874.
JOSEFINE KAULBACH
GEB. D. 11. SEPT. 1809, GEST. D. 3. APRIL 1896.

Liegestein

HERMANN KAULBACH
25.7.1846 – 9.12.1909
SOPHIE KAULBACH
GEBORENE SCHROLL
21.12.1850 – 23.11.1920

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Hermann von Kaulbach

* 26.7.1846 (München)
† 9.12.1909 (München)
Akademieprofessor und Genremaler

Illustrirtes Unterhaltungs-Blatt (1889)

Hermann Kaulbach
(Mit Porträt auf Seite 81.)

Der treffliche Künstler, dessen Porträt wir den Lesern auf Seite 81 vorführen, Professor Hermann Kaulbach in München, ist der einzige Sohn des großen Wilhelm v. Kaulbach und am 26. Juli 1846 geboren. Der Vater wollte ihn nicht Maler werden lassen, sondern Hermann sollte Medicin studiren, und erst als ihm Piloty auf Grund einiger ihm vorgelegter Studienköpfe das Zeugniß ausstellte, daß er unverkennbar eine hohe künstlerische Begabung besitze, gab der Vater seinen Widerstand auf und liest den Sohn gewähren. Dieser trat nun 1867 in die Schule Piloty’s ein und begann hier gleichzeitig und im Wetteifer mit Defregger, Kurzbauer, Gysis, Rosenthal u. A. seine künstlerische Laufbahn. Sein grosses Gemälde »Mozart’s letzte Tage« (1874) errang ihm in Wien einen Preis und schuf dem jungen Maler einen eigenen künstlerischen Namen neben demjenigen, welchen er von seinem berühmten Vater geerbt hatte. Seither hat Kaulbach eine Reihe von hervorragenden Geschichts- und Genrebildern geliefert, so z. B.: »Sebastian Bach bei Friedrich dein Großen«, »Voltaire als Paris«, »Lucretia Borgia« und »Die Krönung der heiligen Elisabeth«. Sein letztes schönheitsvolles, poetisches Bild »Unsterblichkeit« hat der Prinz-Regent von Bayern aus seiner Privatschatulle ankaufen lassen und der Münchener Pinakothek zum Geschenk gemacht. Gleichzeitig erhielt der Künstler den Professortitel. Hermann Kaulbach hat sich auch als Illustrator in seinen Kompositionen für die »Gustav Freytag-Gallerie« und den »Kartons« zu den beliebtesten Opern hervorgethan. Sein Grundzug ist der Idealismus, dabei verbindet er mit reicher Gestaltungsgabe und Phantasie, mit großartiger Konzeption und feiner Charakterisirung ein hervorragendes Talent für Farbe.

Illustrirtes Unterhaltungs-Blatt No. 11. Wöchentliche Beilage zum Darmstädter Tagblatt. Darmstadt, 1889.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Kaulbach Hermann, von, 1846 (München) – 1909, Genremaler und Akademieprofessor; Sohn von Wilhelm von K. und Schüler von K. von Piloty ist Hermann von K. Schöpfer lieblicher romantischer Genrebilder.

Hauptwerke: Mozarts letzte Tage, Krönung der hl. Elisabeth durch Kaiser Friedrich II., An der Grabstätte des Freundes, Unsterblichkeit, Das Ende vom Lied, Deine Seele wird ein Schmerz durchdringen; seine vielen Kindergenres (Hänsel und Gretel, Bilder aus dem Kinderleben, Güll-Illustrationen) sind inhaltlich und koloristisch reizvoll.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.

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Josefine von Kaulbach (vw)

Sutner (gb)

* 11.9.1809
† 3.4.1896 (München)
Kunstmalers-Witwe

Münchener Nachrichten (28.7.1875)

Aus Kaulbach’s Nachlaß.

Wenn ich diesen Stoß kleiner Lichtbilder nach Art eines Kartenspiels auf den Tisch vor mir aufstreife, grüßen mir einige Figuren daraus so traulich entgegen, daß ich sie einzeln zu genauer Betrachtung in die Hand nehmen muß, bevor ich nach den übrigen greife, um auch ihnen die schickliche Rücksicht angedeihen zu lassen.

Vor allen ist es aber das Bildniß von Kaulbach’s Braut, das mich durch einen eigenen Zauber gefangen nimmt. Zunächst durch den Zauber der Lieblichkeit, dann aber durch den weit stärkeren der persönlichen Erinnerung. Mit der scharfen Bestimmtheit seiner ersten Manier hat sie Kaulbach im Profil hingezeichnet, ein sinnendes und sinniges Mädchen, in dessen noch jungfräulich schwebenden Zügen sich schon die charaktervolle Hausfrau ankündigt. Der Kopf, von einem schlanken Hals anmuthig getragen, blüht aus einer üppigen Krause hervor; die Haare sind hinten hoch hinaufgesteckt, während sie vorne, aus einem glattgestrichenen Scheitel hervorquellend, als Locken in die Wangen hereinfallen. Einen leisen Zug von Koketterie und von auflösender Milde tragen die an der Schläfe vom Scheitel sich lostrennenden Haare in das Gesicht hinein; aber die ungebändigten Triebe im Nacken und der wie ein Federchen sich krümmende Haarbüschel über der Stirn – eine reizende Verhöhnung des glättenden Kammes – bezeugen das Eigenwillige, das Unbezähmbare, welches auf dem Grunde einer jeden tüchtigeren Natur lebt, ja das man geradezu als die Ursache ihres Daseins betrachten kann. Das Kleid, ein anliegender Ueberrock mit weiten Aermeln, ist geschlossen, und als einziger Schmuck hängt auf der Brust ein kleines Kreuz an schmalem Bändchen. Die Haare denke man sich dunkel und weich, die Haut bräunlich, sammtartig, mit durchschimmerndem Roth, die vollen Augen braun…

Nun wird mir aber das Bild unruhig, und die Gestalt tritt, unter dem schauenden Auge wachsend und wachsend, lebensgroß aus dem Rahmen, regt und bewegt sich, athmet und spricht. Die schöne frauenhafte Erscheinung, deren Gegenwart selbst den Wildesten bändigt! Eine hohe, schlanke Gestalt, so zart und schmiegsam, daß man, meint, ein jeder Lufthauch müsse sie beugen – und doch wir gerade und vornehm weiß sich dieser Wuchs zu tragen! Wie sie schwebenden Ganges kommt und geht, schön bewegt mit leeren und mit vollen Händen, stets weiche Linien beschreibend und im Ganzen die Bewegung doch voll Charakter. Etwas sanft Gebietendes liegt in ihrem Auftreten und ihrem lächelnden Ernst, vermag Niemand zu widerstehen. Sie hat eine eigene Art, Alles in Anmuth zu kehren, ja das sonst Entstellende zur Würde zu adeln, wie sie denn, als sie ihren Sohn unter dem Herzen trug – Kaulbach hat sie so porträtirt – ein Bild mütterlicher Hoheit gewährte. Die schärfste Probe auf den Gehalt einer Frauennatur, nämlich, wie sie dem anpochenden und eintretenden Alter begegnet, hat Frau Kaulbach mühelos und glänzend bestanden; auch ihm ging sie mit Anmuth entgegen, und das Alter hat ihren Gruß erwidert. Die weißen Flocken in ihren Haaren erscheinen nicht anders als wie die Blüthen einer andern Jugend.

Ich war noch ein grüner Junge, als mir das Glück ward, Frau Josephine Kaulbach, die damals im Anfange der Dreißiger-Jahre stehen mochte, zum erstenmale zu sehen. Es war in München an einem Sonntag Vormittags, um die Zeit der letzten Messe, und von allen Thürmen scholl Glockengeläute. Ich zog eben die Klingel an dem Kaulbach’schen Hause, als mir die Hausfrau selbst aus der Thür entgegentrat, einfach und geschmackvoll gekleidet, ein Gebetbuch in den Händen und eben im Begriffe, zur Kirche zu gehen. Sie begrüßte freundlich lächelnd den blutjungen Gast und lud ihn ein, im Hause oder Garten zu weilen, bis sie von der Andacht zurückkehre. Frömmigkeit steht den Frauen so wohl und ich schaute der prunklosen Kirchengängerin, bevor ich die Thür hinter mir ins Schloß warf, eine Weile verstohlen und mit Wohlgefallen nach. Haus und Garten, die mir mit den Jahren so vertraut wurden, empfingen mich mit einer gewissen Feierlichkeit; sie mutheten mich wie Kunstwerke an, die »jeden Zeugen irdischer Bedürftigkeit ausgestoßen«. Zwei hübsche Kinder – wie wir sie auch in den Photographien aus Kaulbach’s Nachlaß sehen – belebten das stille Haus: Johanna, die Aeltere, mit den schaulustigen meergrünen Augen und die sinnige scheue Marie mit den hochaufgebundenen dunklen Zöpfen; der trotzige Dickkopf Hermann und die sanfte blonde Josepha – die letztere verschweigt uns der Nachlaß – waren noch nicht geboren. Frau Kaulbach’s Verkehr mit ihren Kindern, nach Bedarf bald streng, bald sanft, ist mir als ein anmuthiges Bild im Gedächtniß haften geblieben. Das rechte Salz aber brachte erst Kaulbach selbst in die Haushaltung herein; neben die Grazie stellte er die Energie, neben die frauenhafte Weichheit des Denkens Schärfe seines Geistes. Man mußte ihn freilich näher kennen, um ihn nach der ganzen Fülle seiner Natur zu schätzen. Damals zeigte er nicht mehr die vollen Formen, wie sie ein in jungen Tagen, mit unverkennbarem Hinblick auf Rafael’s Selbstbildniß, gezeichnetes Porträt aufweist; die Haare fielen ihm nicht mehr voll auf die Schultern herab und weggenommen war der dämmernde Schleier, der das Auge des Jünglings umhüllte. Stürmische Leidenschaften hatten ihn mittlerweile geschüttelt, Lebenserfahrungen voll Bitterniß waren über ihn gekommen und zumal der künstlerische Ehrgeiz hatte ihn mager gemacht. Seine schlanke Gestalt erschien leise gebeugt, und sein geschmälertes Gesicht wurde von den energischen blauen Augen beherrscht. Er trug falsche Haare, und die Locken, die kunstbegeisterte Damen sich von ihm erbaten, schnitt er, wie er lachend erzählte, von ausgedienten Perrücken ab. Es war die Zeit, wo er, neue Bahnen suchend, mit dem vollen Aufgebote seiner Kraft an der »Zerstörung Jerusalems« arbeitete und nebenher zur Abspannung des Geistes seine Zeichnungen zu »Reineke Fuchs« entwarf.

Wie seine Kunstübung war sein Gespräch; es bewegte sich zwischen hochfliegenden philosophisch-historischen Gedanken und der grausamsten Persiflage der Wirklichkeit und Gegenwart. Er konnte Menschen zerreiben, als ob sie mürbe Sandsteine wären, und sein Sarkasmus schonte keine Höhe. Nur selten erschloß er die weicheren Seiten seiner Natur; es war fast, als ob er sich jeder sanfteren Regung schämte. So konnte man ihn damals sehen: melancholisch, voll Menschenverachtung, mit sich selbst und der Welt unzufrieden, von einem maßlosen Ehrgeiz gequält. Erst als er seine künstlerischen Ziele erreicht hatte, erst als er, dem Glücke im Schooße sitzend, in seinem Ruhme sich sonnen konnte, stiegen freundlichere Geister aus seiner Seele auf, schloß er, soweit sein polemischer Geist es erlaubte, seinen Frieden mit der Welt. Nun erst konnte er, mit souveräner Ironie über die Köpfe der Menschen weg- und wie über sich selbst hinausfliegend, die Frage stellen und die Antwort geben, die ihm ein guter Bekannter nothdürftig in Reime gefaßt:
Menschen, Götter und Vieh, Was hat euch am besten gefallen? Den Menschen vergaß ich nie, Und hab‘ mich ergötzt an Allen.

Das jugendliche Selbstporträt Kaulbach’s in seinem Nachlaß ist das Gegenstück zu dem Bildniß seiner Braut. So haben sich diese jungen Menschenkinder im Leben begegnet, als solche haben sie einander geliebt. Es war in München, und Kaulbach hat nicht vergessen, auf dem Porträt seiner Braut das Wahrzeichen der Mönchsstadt, das sogenannte »Münchener Kindel« anzubringen, einen kleinen Kuttenträger, der gleich einem heiteren Wegweiser die beiden Arme von sich streckt. Nicht ohne lange und schmerzliche Kämpfe errang sich Kaulbach seine Frau. Sie war ein Münchener Bürgerskind aus realistischem Hause und er nur ein Künstler, von seiner Phantasie zehrend, ohne gesichertes Einkommen. Sie hielten aber so treu zusammen, und namentlich das Mädchen stand so fest in ihren Schuhen, daß der Widerstand der Alten zuletzt gebrochen wurde. Die beiden Brautleute trugen eine Welt voll Liebe und Zukunft mit sich herum, und da mochte es wenig auf sich haben, wenn einmal auf einem Spaziergange, den sie machten, Kaulbach von seinem Schneider gemahnt wurde, er möchte doch den Rock, den er da trage, endlich bezahlen. Kaulbach erzählte später oft von diesem schnöden Ueberfall des Kleiderkünstlers und versicherte dabei, indem er hellauf lachte, daß er vor seiner Braut in den Boden hätte sinken mögen. In der Art und Weise, wie Frau Kaulbach bei dieser Erzählung schaute und lächelte, lag alle Freude und alles Leid ihrer Liebe und ihrer Ehe. Kaulbach hat eine treue Seele an ihr gefunden, ein Weib, das ihn liebte und verehrte, wie den einzigen Mann dieser Welt; er war neben den Kindern ihre vornehmste Sorge und mit bitterem Gram hat sie ihm die Augen zugedrückt. Auch er fühlte tief den Werth dieser Frau, wenn es auch manchmal den Anschein nahm, als ob er, der für weiblichen Reiz so sehr empfängliche Mann, dessen Geschäft ja das Schöne war, sich zeitweilig von ihr entfernen könnte; aber das Heimweh befiel ihn bald, und da hielt ihn weder die Zauberin Circe noch die göttliche Nymphe Kalypso fest. Er konnte sich seiner Frau nicht erwehren, sie ging ihm nach bis in seine Bilder hinein, und die Kinder kamen mit ihr. Was man als gut erkannt, auch als schön erkennen zu müssen, das übt eine Gewalt über Gemüth und Phantasie, der nicht zu entrinnen ist. Dieses Gute und Schöne war Frau Kaulbach für ihren Mann, sein Schutz- und Trutzengel, der ihm das Haus heimlich machte und widrige Einflüsse von der Schwelle wehrte.

Wenn ich nun weiterblättern will in Kaulbach’s Nachlaß, wenn ich die Kompositionen zur »Sündfluth«, die »Sachsenschlacht«, die »Vier Evangelisten« vor mich hinlege, so sehe ich nur mit halbem Auge und aus dem Gedränge von Gestalten steigt mir immer wieder Kaulbach und seine Frau, umgeben von ihren Kindern, auf. Und dann fällt mein Blick von den Bildern hinweg in das Leben und ich muß der vereinsamten Frau gedenken, welcher Kaulbach den großen Schmerz angethan, vor ihr zu sterben. Ich meine in der Ferne schluchzen zu hören. Meine Gedanken gehen auf die Wanderschaft und im Geiste kehre ich in dem gastlichen Haus in der Gartenstraße zu München wieder ein. An der langen Tafel im unteren Gelaß ist ein Gewühl von Menschen – Männer, Frauen und Kinder. Das sind die Töchter des Hauses, die Schwiegersöhne, die Kindskinder. Oben an der Tafel sitzt eine schöne greise Frau, welcher blühende Enkel die Thränen von der Wange küssen. Sie lächelt zwischen Schmerz und Freude. Ich habe diese Frau schon gesehen und ich kenne ihre Gedanken, ohne daß ich sie erst darum befrage. (N. Fr. Pr.)

Münchener Nachrichten Nr. 209. München; Mittwoch, den 28. Juli 1875.

Münchner Neueste Nachrichten (5.4.1896)

Statt besonderer Anzeige.
Todes-Anzeige.

Heute Morgens 10 Uhr verschied sanft und schmerzlos nach kurzem Krankenlager unsere liebe Mutter

Frau Wilhelm von Kaulbach
im 87. Lebensjahre.

München, den 3. April 1896.

Die tieftrauernd Hinterbliebenen.

Die Beerdigung findet am Sonntag den 5. April Nachmittags halb 5 Uhr auf dem südlichen (alten) Friedhofe statt. Der Gottesdienst wird am Mittwoch den 8. April Vorm. 10 Uhr in der St. Ludwigspfarrkirche abgehalten.

Münchner Neueste Nachrichten No. 161. Sonntag, den 5. April 1896.

Münchner Neueste Nachrichten (8.4.1896)

Lokales.
München, 7. April.

Beerdigung. Im südlichen Friedhof wurden am Ostersonntag Nachmittag halb 5 Uhr die sterblichen Ueberreste der Wittwe des vormaligen Direktors der Akademie der bildenden Künste Wilhelm v. Kaulbach, Frau Josefa v. Kaulbach zur letzten Ruhe gebettet. Unter den zahlreichen Leidtragenden, die dem reich mit Blumen und Kränzen geschmückten Sarge das Geleite zu dem geschmackvoll dekorirten Grabe gaben, befanden sich Minister Freiherr v. Crailsheim, Mitglieder der Akademie der bildenden Künste, der Künstlergenossenschaft, der Sezession und viele A. m. Die Verstorbene hatte als letzten Willen kundgegeben, daß an ihrem Grabe von einer größeren Rede etc. Umgang genommen werden solle. Diesem Wunsche Rechnung tragend, verrichtete der amtirende Geistliche nach kurzer Erwähnung der edlen Eigenschaften der Heimgegangenen nur die üblichen Gebete. Unter der Unzahl von Kränzen ist besonders ein von Sr. k. Hoh. dem Prinz-Regenten gespendeter hervorzuheben.

Münchner Neueste Nachrichten No. 163. Mittwoch, den 8. April 1896.

Münchner Neueste Nachrichten (10.4.1896)

Josefine v. Kaulbach,
geb. 15. September 1809, gest. 3. April 1896.

Selten war es einer Frau vergönnt, in so hohem Alter durch den Zauber ihrer Persönlichkeit, durch die Art, wie sie empfand, sprach und — zuhörte, alte und junge Freunde an sich zu fesseln, stets einen Kreis von Menschen um sich zu versammeln, denen es eine Quelle der Freude und Erquickung war, sie aufzusuchen und bei ihr zu weilen. Und diese Frau war von bescheidenster bürgerlicher Herkunft. Vor 86 Jahren, als Kind einfacher Bürgersleute, Posamentirer, geboren, erhielt die kleine Josefine Suttner eine für damalige Begriffe sehr gute Erziehung. Nachdem sie die deutsche Schule am Anger besucht hatte, kam sie in ein Institut, wo sie Handarbeiten und Französisch von einer Französin erlernte, deren Mann als Tambourmajor in den russischen Feldzug gegangen und niemals von dort zurückgekehrt war. Als Josefine 16 Jahre alt war, mußte sie der Mutter behilflich sein, indem sie in dem kleinen Lädchen unter den »finsteren Bögen« am Marienplatz Bänder und Knöpfe an die Kunden verkaufte. Dort war es auch, wo der Student Lassaulx, der spätere geistreiche Philosoph und Freund der Familie, das junge Mädchen zuerst sah und dann seinen jungen Freund Wilhelm Kaulbach veranlaßte, an dem Laden vorbeizugehen, um das schöne Gesicht sich anzusehen. Die Gänge des jungen Künstlers wurden häufiger, und es erwuchs daraus stilles Einverständniß und — zunächst heimliche — Verlobung.

Als endlich nach siebenjähriger Brautschaft, in der es an Hindernissen und Kämpfen nicht gefehlt hatte — die Eltern der Braut verweigerten u. A. ihre Zustimmung deshalb, weil der junge, arme Künstler weder Frack noch Uhr besitze — das Paar verbunden war, errang die junge Frau unter des Künstlers Leitung, in der engsten und lebendigsten Theilnahme an den Kämpfen, die er in Kunst und Leben zu bestehen hatte in jahrelangen Bestrebungen und Studien, jene ungewöhnliche Geistes- und Herzensbildung, die sie so sehr über das Niveau der Durchschnittsfrauen erhob. Die Studien, denen Kaulbach für seine großen historischen Arbeiten oblag, hat sie getreulich und unermüdlich getheilt, indem sie ihm bis in ihr späteres Alter halbe Nächte lang vorlas. Im regen Verkehr mit bedeutenden geistreichen Menschen lernte sie sich mit Anmuth und Würde benehmen und fand immer Gelegenheit, zu lernen und sich zu bilden. Dabei besaß Frau v. Kaulbach ein Pflichtgefühl, eine Selbstbeherrschung in der Sorge um den Gatten, die etwas Großartiges hatten. So hat sie in seltener Aufopferung nur für den Gatten gelebt, gedacht und gearbeitet; ihr ganzes Denken, Empfinden und Thun ordnete sie seinem Wohle unter und fand dabei ihr größtes Glück und ihre Befriedigung.

Während sie so durch die geistige Beschäftigung mit den Problemen, die ihren Gatten erfüllten, durch das Besprechen fortwährend ihre Bildung erweiterte, hatte sie als Hausfrau Pflichten der ungewöhnlichsten Art zu erfüllen. Von der Zeit an, wo der Künstler sich durch die Erwerbung des Monten'schen Hauses an der Gartenstraße (jetzt Kaulbachstraße) ein für damalige Verhältnisse schönes und komfortables Heim schuf, wurde eine großartige Gastfreundschaft entfaltet. Jahrzehnte lang war dieses Haus der Sammelpunkt des ganzen geistigen Lebens von München. Es verkehrten da frenndschaftlich alle bedeutenden Männer mit ihren Familien. Da waren von Zierden der Universität: Thiersch, Bluntschli, Liebig, Bischoff, Sybel, Pettenkofer, Jolly, Carriere, Staatsrath Hermann, Maurer; von Musikern: Lachner und die damals noch jungen Wüllner, Scholz, Rheinberger, Wilhelm Speidel mit seinem begabten Bruder, dem Aesthetiker Ludwig; die Dichter: E. Geibel, Heyse, Bodenstedt, der alte Jugendfreund E. Förster; von Künstlern: Schwind, Ramberg, Piloty, F. Dietz, F. Dürck; dann der junge Perfall, damals noch Jurist, jetzt Generalintendant. Das waren so ungefähr die regelmäßigen Sonntagsgäste, die sich unter dem Namen »Die Sonntagskinder« als heitere und seßhafte Gesellschaft konstituirten und gelegenlich der silbernen Hochzeit durch ihre künstlerischen Beiträge der Hausfrau eine Festgabe in Gestalt des »Sonntagskinder-Album« spendeten, das noch jetzt in der Familie hochgchalten wird. Neben diesen regelmäßigen Gästen sind auch die Wandervögel zu erwähnen. Darunter vor Allem Fr. Liszt mit Fürstin Witgenstein und seinem Gefolge von Anbeterinnen, der liebenswürdige Märchendichter Andersen, L. Asher, der geistvolle Hamburger Maler, der viele Jahre lang »auf einige Tage« kam, um dann Monate lang als Gast des Hauses zu weilen.

Eine besondere Episode bildete der Besuch von Jenny Lind in den vierziger Jahren, die anläßlich eines mehrwöchigen Gastspieles Wochen lang im Hause wohnte. Auch Bettina v. Arnim hat als Gast in diesem Hause geweilt. In den sechziger Jahren wurde es stiller. Kaulbach zog sich mehr von großer Geselligkeit zurück, und von da an und auch nach seinem 1874 erfolgten Tode konzentrirte sich die Gastlichkeit des Hauses auf einen kleineren Kreis alter und neuer Freunde, zu denen sich zuweilen auch illustre Freunde gesellten.

Frau v. Kaulbach war eine schöne, stolze und doch unendlich gütige Frau, und machte in ihrer äußeren Erscheinung einen merkwürdig imposanten Eindruck, der noch erhöht wurde durch die vornehme Art, sich zu geben, welche wohl nur zu oft als Hochmuth ausgelegt wurde. Sie verstand es, ohne viel Worte zu machen, herb und kalt zu scheinen, konnte aber im nächsten Augenblick durch ihre sanfte Güte, ihr mildes Wesen und ihre klassische Ruhe alle Welt entzücken. Ihre größte Freude war es, für Andere wirken und sorgen und ihnen Liebes und Gutes erweisen zu können. In der Krankenpflege war sie unübertrefflich und beinahe jeden Sommer hatte sie irgend einen kranken Gast von der Bekanntschaft oder Verwandtschaft im kleinen Fremdenhäuschen an der Königinstraße wohnen, wo er sich in Frau v. Kaulbachs herrlicher Pflege noch vollends erholte.

Im Jahre 1870/71 zeichnete sie sich durch segensreiche Thätigkeit aus, indem sie an der Spitze mehrerer Vereine stand, und besonders eine Verloosung von Autographen zum Besten der Verwundeten in's Werk setzte. All' ihre Zeit und Thätigkeit opferte sie diesem schönen Werke, welches von großem Erfolge gekrönt war; damals wurde sie durch einen bayerischen und einen preußischen Orden ausgezeichnet.

Bezeichnend sowohl für die ihr bis in das hohe Alter verbliebene Begeisterungssähigkeit und Lebhaftigkeit, wie für die unabhängige, energische Art, mit der Frau v. Kaulbach von ihrem Empfinden Zeugniß ablegte, ist folgende Episode aus den unvergeßlichen Tagen von Fürst Bismarcks letztem Münchner Aufenthalt (1892). Mit jugendlicher Kraft ruhte sie nicht eher, bis sie ihn endlich auf dem Bahnhof sehen und sprechen konnte. Es war ein ergreifendes Bild, als die schöne alte Frau sich vor dem Fürsten beugte und sagte: »Durchlaucht, bevor ich sterbe, möchte ich Ihnen noch die Hand küssen!« Dieser aber lachte und erwiderte: »Nein, Frau v. Kaulbach, das machen wir Beide ganz anders" — sprach's und gab ihr zu ihrem höchsten Erstaunen einen kräftigen Kuß auf den Mund.

Ebenso verlor sie aber auch bis in die letzten Zeiten nicht die Fähigkeit, über das Niedrige und Verächtliche gerechten Zorn zu empfinden und ihn kräftig zu äußern. Ist es doch erst wenige Wochen her, daß das durch Zufall in ihre Hände gekommene Buch eines bekannten Kunstschriftstellers, in welchem sie Unwahrheiten und Unrichtigkeiten aus früheren Tagen über den Charakter ihres Gatten fand, von ihrer kräftigen Hand geschleudert, in eine Zimmerecke flog.

Würdevoll, harmonisch und vornehm, wie sie gelebt hatte, ist Josefine v. Kaulbach gestorben. Ist es auch zunächst der Name Kaulbach, der bei der Kunde von ihrem Tode das Interesse der Gebildeten auf ihre Person lenkt, so hängt es nur mit ihrer durch Geist und Charakter bedeutenden Persönlichkeit zusammen, wenn ihr Hinscheiden nicht nur von Kindern und Enkeln, sondern von einem großen Kreise befreundeter Menschen als schwerer Verlust beklagt wird.

Münchner Neueste Nachrichten No. 168. Freitag, den 10. April 1896.

Coburger Zeitung (16.4.1896)

Vermischtes.

Die Wittwe Wilh. Kaulbachs ist hochbetagt in München gestorben. Sie wurde als Kind einfacher Eltern geboren und half später unter den »Finstern Bögen« ihrer Mutter Bänder verkaufen. Durch ihre außergewöhnliche Schönheit erregte sie das Interesse der jungen Künstler, die damals unter König Ludwig I. in München thätig waren, unter ihnen der 22jährige Wilh. Kaulbach, der bald die Anmuth und Harmonie ihres Wesens erkannt hatte. Er verlobte sich mit ihr und nach siebenjähriger Brautzeit und langwierigen Kämpfen konnte er sie endlich als seine Gattin heimführen. In seinem Umgang und im Verkehr mit bedeutenden Männern lernte die junge Frau sich in jeder Hinsicht vervollkommnen und ihr Name wurde neben dem seinen in bewundernder Verehrung genannt. In sorgenvollen Zeiten stand sie ihrem Gatten als hochgesinnte Frau zur Seite, und wer in den Kreis ihres Hauses eintreten durfte, hat das bleibende Andenken an eine Stätte des anregendsten geselligen Verkehrs und echt deutschen Familienlebens mit sich fortgenommen. In seltener geistiger und körperlicher Frische war sie in ihrem Greisenalter von unzähligen Freunden, von Jung und Alt umringt, die bei ihr ein reges Interesse und Theilnahme für Alles fanden, was im innern und äußern Leben vorging.

Coburger Zeitung No. 89. Donnerstag, den 16. April 1896.

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Wilhelm von Kaulbach

* 15.10.1805 (Arolsen/Hessen-Nassau)
† 7.4.1874 (München)
Historienmaler

Artistisches München im Jahre 1835 (1836)

Kaulbach, Wilhelm, ward im Jahre 1805 zu Arolsen, im Fürstenthume Waldeck, geboren. Sein Vater, ein Goldschmid, ertheilte ihm den ersten Unterricht im Zeichnen. Er genoß denselben bis zu seinem 16ten Jahre, in welchem er die Düsseldorfer Akademie besuchte.

Direktor v. Cornelius und Professor Mosler ließen sich vorzüglich seine Ausbildung angelegen seyn. Im Jahre 1826 berief ihn Cornelius nach München, um im Odeon eines der Deckengemälde: »Apollo unter den Musen« auszuführen. Nachher malte er in den Arkaden des Hofgartens die vier Flußgötter, und zeichnete die Cartons zu der Bavaria und einigen andern allegorischen Figuren; ferner malte er in dem Palais Sr. Hoheit des Herzog Max einen Tanzsaal mit 16 Darstellungen aus der Mythe des Amor und der Psyche.

Hierauf ward ihm der ehrenvolle Auftrag, in dem Thronsaale Ihrer Majestät der Königin 12 Bilder aus Klopstoks Herrmanns-Schlacht und Herrmanns-Tod, und 4 aus dessen Oden auszuführen. Für den anstoßenden Salon zeichnete er 18 größere und kleinere Compositionen aus Wielands Werken. In dem Schlafsale Ihrer Majestät der Königin malte er 42 Gemälde aus Göthes sämmtlichen Dichtungen.

Außer diesen Arbeiten und andern Zeichnungen verfertigte er im Auftrage des Hrn. Geheimenraths v. Klenze einen Carton zu einem Oelgemälde, welcher eine Geisterschlacht zwischen den Römern und Hunnen zum Gegenstand hat.

Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.

Neues allgemeines Künstler-Lexicon (1838)

Kaulbach, Wilhelm, Zeichner und Maler, wurde 1805 zu Arolsen im Fürstenthume Waldeck geboren, und von seinem Vater, einem Goldschmiede, in den Anfangsgründen der Zeichenkunst unterrichtet. In seinem 16. Jahre besuchte er die Akademie in Düsseldorf, und hier war es besonders Direktor von Cornelius und Professor Mosler, welche den Jüngling auf seiner Bahn mit Sorgfalt leiteten. Auch von der Natur reichlich mit Talenten ausgestattet, machte jetzt Kaulbach bald glänzende Fortschritte, und gegenwärtig kann man ihn zu den geistvollsten Künstlern Deutschlands rechnen.

Er hatte schon in Düsseldorf einige sehr gelungene Proben seines trefflichen Talentes gegeben, worunter wir Maria mit dem Kinde und zweien musicirenden Engeln, in einer Kirche Westphalens, erwähnen; im Jahre 1826 berief ihn aber Cornelius nach München, wo jenem damals durch König Ludwig sein glänzender Wirkungskreis angewiesen wurde, und Kaulbach’s erste Arbeit in dieser Stadt war die Darstellung des Apollo unter den Musen, an der Decke des grossen Saales im k. Odeon. Der Künstler löste seine Aufgabe zu voller Zufriedenheit, und hierauf wurde er mit andern Künstlern zur Ausführung der geschichtlichen Fresken in den Arkaden des königl. Hofgartens berufen. Hier malte er die vier colossalen Figuren der Flussgötter, übertraf sich aber in der herrlichen allegorischen Gestalt der Bavaria, welche als die schönste unter den allegorischen Figuren jener Arkaden zu bezeichnen ist.

Von den historischen Gemälden ist daselbst keines sein Werk, solche aber führte er in dem herrlichen Pallaste des Herzogs Maximilian in Bayern aus. Im Tanzsaale sind von ihm die 16 Darstellungen aus der Mythe des Amor und der Psyche gemalt, anmuthsvolle Gestalten. Hierauf nahte die Zeit, in welcher König Ludwig im neuen Residenzbaue den Künstlern eine wichtige Aufgabe stellte, deren Lösung in Darstellung von Denkmälern zweier wichtiger Nationen, der deutschen und der griechischen, bestand. Die Compositionen aus den griechischen Dichtern, welche in strengem Style ausgeführt werden mussten, wurden dem berühmten Schwanthaler anvertraut, an den Darstellungen aus den deutschen Dichtern versuchten aber mehrere Künstler ihre Kräfte; in einem Gebiete, welches mehr an das Romantische gränzt, als jenes, welches Schwanthaler zu bebauen hatte.

Kaulbach hat bei dieser Arbeit ein besonderes Talent bewiesen, das sich zwischen der Antike und dem Romantischen frei bewegen konnte. Ihm wurden die Darstellungen aus Klopstock, Göthe und Wieland zu Theil. Der Bildercyklus in den Gemächern des königlichen Herrscherpaares gehört überhaupt zu den glänzendsten, welche je in’s Daseyn traten, und mehrere Künstler fanden da Gelegenheit, ihre Namen mit Ruhm auf die Nachwelt fortzupflanzen. Wir nennen noch J. von Schnorr, Folz, Hiltensperger, Neureuther, Hermann, Gassen, Olivier etc. Kaulbach malte im Thronsaale der Königin 12 Bilder aus Klopstock’s Hermanns-Schlacht und Hermanns Tod, 4 aus dessen Oden. Für den anstossenden Saal zeichnete er 18 grössere und kleinere Compositionen aus Wieland’s Werken, und im Schlafsaale der Königin malte er 42 Gemälde aus Göthe’s Dichtungen. Ein eigener Wegweiser von Dr. Förster gibt über die Gemälde der k. Residenz Aufschluss. Nach Vollendung dieser Arbeit ging Kaulbach an eine neue grossartige Schöpfung. Eine ausgezeichnete Composition verdankt dem geheimen Rath von Klenze ihre Entstehung; nämlich die Geisterschlacht der Hunnen und Römer, in welcher sich ausserordentliche Lebhaftigkeit und Reichthum der Phantasie offenbaret. Der Gegenstand ist ergreifend, in vier grosse Hauptmomente zusammengefasst. Hoch oben in der Luft ist der Kampf der beiden Völker, der Todesschlaf der noch nicht erwachten, und das Erwachen anderer auf der Erde zu schauen, und endlich die Klage des Ganzen, die sich wie ein entsetzlicher Schrei des Jammers von der Erde erhebt. Ausführlicheres über diese grossartige Composition s. Kunstblatt 1834 No. 79.

Ein durch Wort und Kupferstich bekanntes Werk dieses Künstlers ist die Darstellung eines Narrenhauses, mit jenen Unglücklichen, die in ihrem Wahne ein unendlich trauriges Bild gewähren. Der Künstler hat hier das verwirrte Getriebe des menschlichen Geistes mit einer Wahrheit dargestellt, die zur Bewunderung auffordert. H. Merz hat dieses Narrenhaus in Kupfer gestochen und Guido Görres hat geistreiche Erläuterungen dazu geliefert, nebst Ideen über Kunst und Wahnsinn. Das Kupfer ist in qu. roy. fol. und der Text in 8., München 1835.

Eine andere durch Kupferstich bekannte Composition von Kaulbach stellt Egmont und Klärchen nach Göthe dar. Merz hat dieses Werk 1836 als Vereinsgeschenk gestochen. Das Original ist in der k. Residenz. Auch die übrigen Darstellungen jenes reichen Bilderkreises werden bald vollständig in Abbildung vorliegen, und damit auch Kaulbach’s Compositionen. Sein neuestes Werk ist ein Carton von bedeutendem Umfange, die Zerstörung Jerusalems vorstellend. Kaulbach entwickelt auch in diesem Bilde ungewöhnliche Gedankenfülle und eine Kraft des Ausdruckes, welche zur Bewunderung hinreisst. Ein hochtragischer Gedanke weht durch das Ganze. Kaulbach ist immer gross und geistreich, ein ächter Künstler, von der Natur selbst dazu bestimmt. Zur genauen Verständigung des Bildes von der Zerstörung Jerusalems hat Kaulbach Erläuterungen drucken lassen, wo auf acht Seiten jene biblischen Stellen vereiniget sind, nach welchen der Künstler seine Darstellung gegeben hat. Oben erscheinen auf Wolken die vier Propheten Jesaias, Jeremias, Ezechiel und Daniel als Spruchverkündiger über das halsstarrige Volk, dessen Herz verstockt blieb bei ihren Warnungen. Die sieben Engel schweben mit flammenden Schwerdtern als Vollzieher des göttlichen Strafgerichtes nieder, und links vom Beschauer hat die Bedrängniss, die Qual des Hungers, die Verzweiflung, welche der Matrone aus Bethezob den eigenen Säugling morden lässt, den höchsten Grad erreicht. Die Anführer der Juden, Johannes von Gischala und Simon, des Giora’s Sohn erscheinen in der Ruhe der Unmacht, in der Kälte und Gleichgiltigkeit des in Verbrechen erstarrten Gemüthes. Sie, die die menschlichen und göttlichen Gesetze mit Füssen traten, des Heiligen höhnten, dem Gotte fluchten, der sie verlassen, hatten die furchtbare Erfüllung beschleuniget. Trotz der hartnäckigsten Verteidigung musste die Stadt unterliegen, und das alte Heiligthum, das Titus so gerne gerettet hätte, fiel in Schutt zusammen. Der Tempel steht in Flammen, und Vespasian’s Sohn zieht von der andern Seite des Bildes über die zerbrochenen Mauern ein. In der Mitte des Bildes feiern die Römer unter Posaunenschall ihren Sieg, und an heiliger Stätte ist bereits der Legionsadler erhöht. Der hohe Priester, festlich geschmückt, ist durch den Fall des Volkes und seines Heiligthums zum Gespötte geworden, und er gibt sich den Tod, Zu seinen Füssen sitzen und liegen Leviten mit ihren Harfen und andern Geräthen. Verstummt sind die Lieder und nur die Thräne ist geblieben. Im Vorgrunde rechts zieht eine Christenfamilie aus der Stadt. Aus dem Gefässe der Gnade, dem heiligen Gral, den Engel tragen, strahlt ihnen das Geheimniss ihres Glaubens, und himmlischer Frieden ist mit ihnen. Gegenüber wird der ewige Jude von drei Dämonen aus der Stadt gejagt, der Repräsentant des jetzigen Judenthums. Dieses Werk, das gegenwärtig nur im Carton vorhanden ist, wird Kaulbach für die Fürstin Radczivill in Oel ausführen.

Die oben erwähnte Hunnenschlacht besitzt der grosse Kunstbeschützer Graf von Raczinsky, und der Kupferstecher Thäter hat es für den zweiten Theil von dessen Geschichte der neueren deutschen Kunst in Kupfer gestochen. Für dasselbe Werk hat Heinzmann eine andere grossartige Composition von Kaulbach lithographirt, nämlich den Verbrecher aus verlorner Ehre. Beide Blätter sind in fol. Für den Grafen Raczinsky hat Kaulbach noch ein anderes Gemälde in Arbeit, Beduinen vorstellend, wie sie sich auf ihrer Wanderung anschicken, auf einen Löwen Jagd zu machen. Dann müssen wir noch einer Sammlung von Zeichnungen erwähnen, welche Kaulbach zum Stiche für eine Prachtausgabe von Göthe’s Faust gefertiget hat. F. von Cotta will zu Göthe’s sämmtlichen Werken eine solche malerische Ausschmückung bewerkstelligen, und auch den grossen Schiller auf gleiche Weise ehren. Kaulbach wird dazu die Hand bieten. Einem Künstler wie Kaulbach kann es auch nicht an Auszeichnung fehlen. Der König Ludwig von Bayern ernannte ihn 1837 zum Hofmaler, und als solcher lebt er gegenwärtig in München. Er erhielt um dieselbe Zeit auch einen Ruf als Professor nach Dresden, welchem er aber seine ehrenvolle Stellung in München vorzog.

Dr. Georg Kaspar Nagler: Neues allgemeines Künstler-Lexicon oder Nachrichten von dem Leben und Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter etc. Bearbeitet von Dr. G. K. Nagler. München, 1838.

Aus dem Münchner Kunst- und Künstlerleben (20.7.1841)

In ziemlich abweichender Weise äußert sich die Kunstthätigkeit Kaulbach’s. Wenn die bisher genannten Künstler vornehmlich mit dem Bilderschmuck öffentlicher bauten und somit mit der Lösung einer gegebenen Aufgabe beschäftigt sind, so scheint es Kaulbach vorzuziehen, in seinem Atelier zu bleiben und den wechselnden Eingebungen seiner Muse zu folgen.

In einem großen Wiesengarten der S. Annavorstadt, nahe dem englischen Park, ganz abgesondert von Wohngebäuden, steht ein ziemlich beträchtliches Haus, ohne obere Stockwerke, mit hohem weiten Saal und mehreren Nebenzimmern; Weinreben ranken sich vor der Thüre zur Laube und Waldbäume bilden ein schattiges Bosquet.

In diesem Hause, das die Huld des Königs dem Künstler als Werkstatt überlassen, findet man ihn vom frühen Morgen bis späten Abend mit Entwerfen und Ausführen von Gemälden und Zeichnungen beschäftigt, umgeben von einer Anzahl jüngerer Künstler, die unter seiner Leitung ihre Studien machen. So groß der Saal ist, so ist er doch mit Cartons und Bildern, mit Gypsabgüssen und Gewändern, mit Pflanzen und Vögeln, mit Waffen und Geräthen mancher Art so erfüllt, daß man sich fast beengt fühlt.

Was den meisten Fremden, die ihn besuchen, in die Augen fällt, sind die Studien und Bilder in Oelfarben; da dergleichen und in dieser Weise bei unsern Historienmalern nicht gefunden werden. Kaulbach’s großes Talent, die Natur in ihren Formen aufzufassen und wiederzugeben, hat ihn auch nicht verlassen, als es galt, diese durch Farben mehr zu beleben: er hat einen feinen und edlen Farbensinn.

Die Brustbilder römischer Modelle, ein Hirtenknabe der Campagna, und neuerdings einige lebensgroße Porträtgestalten hiesiger Künstler beurkunden hinlänglich diese weit entwickelte Fähigkeit. Zwei der letztgenannten Bilder sind dem Künstlerzug von 1840 in München entnommen, der Ritter Schellenberg nämlich (Heinlein) und ein Falkonier, und gehören dem König von Bayern. Wahrheit, d. i. Natürlichkeit, aber in großen Zügen, erscheint hier und bei einem dritten Gemälde von gleicher Größe, einem ungarischen Edelmann, als Hauptmotiv. Für letzteren, einen Herrn Istvan v. Pronay, der unter seiner Leitung sich für die Historienmalerei ausbildet und in einem Carton, dem Tode des gegen die Türken oftmals siegreichen Feldherrn Johann Hungady, Vaters von Matthias Corvinus, ein glückliches Talent zeigt, hat Kaulbach das oftgenannte Gemälde aus Goethe’s fünfter Elegie gefertigt, das als Geschenk v. Pronay’s, das neuerrichtete Museum in Pesth zieren wird, sobald die für den Kupferstecher Felsing angefangene Zeichnung danach fertig seyn wird. (Eine verkleinerte Copie findet man in der neuesten Ausgabe von Goethe’s Werken.)

An dem großen Carton, der Zerstörung Jerusalems, hat Kaulbach im Laufe des Winters ein gut Theil gearbeitet. Außer der Gruppe der geretteten Christen ist noch die der untergehenden Leviten, des Hohenpriesters und seiner Familie und einiger beuteführenden Römer vollendet worden. Ueber die letztliche Bestimmung dieses Gemäldes, das unter den würdigsten Denkmalen der Kunst unserer Tage in oberster Reihe genannt werden muß, ist noch nichts entschieden. Keinesfalls eignet es sich – der Größe und selbst der Auffassung wegen – für Oelmalerei; hier tritt Frescomalerei in das angestammte Recht, und wohl sollte ihm die Wand eines Palastsaales oder besser noch die Vorhalle einer Kirche zur Aufnahme gewährt werden.

Vielfältig ist auch Kaulbach beschäftigt mit Zeichnungen in kleinem Format, die zu Illustrationen poetischer Werke dienen. So hat die neue und die neueste Ausgabe von Goethe’s Werken eine beträchtliche Zahl Compositionen seiner Hand; so die von Schiller; so fertigt er eine Reihenfolge von Zeichnungen zum Reinecke Fuchs, in denen der humoristische Geist des Originals neue und volle Blüthen treibt; so hat er endlich zu dem Kalender, zu welchem, wie oben erwähnt, Cornelius das Titelblatt gegeben, die Monate in länglichen Vignetten geliefert, Gruppen von Kindern, in denen sich der Charakter der jedesmaligen Zeit auf heitre und unbefangene Weise ausspricht.

Aus dem Münchner Kunst- und Künstlerleben. Kunstblatt No. 57. Dienstag, den 20. Juli 1841.

Die bildende Kunst in München (1842)

Wilhelm Kaulbach.

Es muß für einen großen Meister ein angenehmes Gefühl seyn, wenn er sieht, daß sein Beispiel durch That und Wort so lebendig auf seine Schüler wirkt, daß ihr Geist, von dem seinigen geweckt, in freien Schöpfungen sich entfaltet und endlich in selbsteigenen Bahnen zu einem immer höheren Ziele strebt: denn er hat den schlummernden Funken geweckt, gefördert und genährt. So mag sich auch Cornelius dieses seines ehemaligen, anerkannt geistreichsten, Schülers rühmen und freuen, der mit einer außerordentlichen Schöpferkraft und mit durchdringendem Verstande stets das Charakteristische aufzufassen und in kräftigen, harmonisch geordneten Gestalten und Gruppen darzustellen versteht, und mit Leichtigkeit und Anmuth sich jetzt im Gebiete der lyrischen und dramatischen darstellenden Poesie bewegt, dann mit hohem Schwunge in der epischen Weise sich ergeht.

Er ist geboren am 15. Oktober 1804 zu Arolsen im Fürstenthume Waldeck, wo sein Vater als Goldschmid ansäßig war, mit dem er jedoch später nach Mühlheim an der Ruhr übersiedelte. Dieser hatte sich, von den Stürmen während jener kriegerischen Zeit umhergeworfen, mit Eifer in manchen Erwerbszweigen und auch in der Kunst versucht, die er mit Leidenschaft liebte, und sich namentlich in der Stempelschneidekunst und im Miniatur-Malen eine ungemeine Geschicklichkeit erworben, und seine Gemälde, obgleich nicht bedeutend, machten auf den Sohn einen tiefen Eindruck, daß er sich unter des Vaters Aufsicht und Leitung, jedoch ohne andauernden, geregelten Unterricht, der Kunst zuwendete. Bei dem Wechsel der Zeitverhältnisse aber und der daraus entspringenden, oft mißlichen Lage der Eltern gerieth der fähige Knabe in Zwiespalt mit dem, was eigentlich als Lebensberuf zu wählen, und er wollte sich schon der landwirtschaftlichen Laufbahn widmen; als der entschiedene Wille des Vaters, der die wahre Anlage seines Sohnes und den schlummernden Genius erkannte, ihn ganz für die Kunst in seinem sechzehnten Jahre gewann.

Von diesem Augenblicke an übte sich der Jüngling mit rastloser Thätigkeit im Zeichnen, in mancherlei Entwürfen und im Malen, und bezog bald darauf die Akademie in Düsseldorf, wo er zuerst im Zeichnen nach der Antike, der Perspektive und dem lebenden Modelle unter der Leitung des Professors Mosler unabläßig vorwärts strebte, und, obgleich mit Entbehrungen aller Art kämpfend, und schon früh durch Unterricht sich den nöthigen Lebensunterhalt verschaffend, im Kurzen ausgezeichnete Fortschritte machte und sich allmählig immer tiefer in den Geist seines Lehrers Cornelius versenkte, welcher der Akademie vorstand. Schon in seinen ersten Versuchen, einigen schlecht bezahlten Kirchenbildern, zeigte sich das Streben nach gediegener Zeichnung und charakteristischer Auffassung des gewählten Gegenstandes, um in Haltung und markigen Umrissen das innere Wesen desselben offenbar zu machen. Als er dort den Auftrag erhielt, die zum Irrenhause in Düsseldorf gehörige, kleine Kirche mit Blumengehängen und schwebenden Engelfiguren zu schmücken, hatte er Gelegenheit, die unglücklichen Irren in den mannichfaltigsten Abstufungen und Ausdrücken des Wahnsinnes zu beobachten, was einen tiefen Eindruck auf ihn machte, daß die Vorstellung davon ihm stets lebendig blieb und er sich gedrungen fühlte, diese Gestalten mit dem Stifte aufs Papier zu bringen, um seine Phantasie von diesen Vorstellungen zu befreien.

Im Jahre 1826 wurde er von Cornelius, der indessen als Vorstand der k. Akademie nach München gegangen war, hieher berufen, um das Deckengemälde im neuerbauten Odeon »Apollo unter den Musen« in Fresko auszuführen, und andere Entwürfe für die Arkaden des Hofgartens vorzubereiten. Nach denselben wurden auch die vier Flußgötter: der Rhein, die Donau, der Main und die Isar, so wie eine Bavaria, von anderen Künstlern ausgeführt. Die Gestalten sind großartig und schön gedacht und zeigten sein ausgezeichnetes Talent für Charakteristik, das sich auch in den allegorischen Figuren, den Sinnbildern des Reichthumes und der Weisheit, offenbarte.

In dem Palaste des Herzogs Max von Bayern führte er selbst nach seinen Entwürfen sechzehn Bilder aus der schönen Mythe »Amor und Psyche« aus, in welchen er sich als denkenden Künstler bewährte, der die zartesten Gefühle des menschlichen Herzens belauscht und sie mit naiver Anmuth auszudrücken versteht. Darauf übertrug ihm der König für den Königsbau, zwölf Bilder aus Klopstocks Hermannsschlacht in Wachsfarben und eine Reihenfolge von Darstellungen aus den Dichtungen Wielands, Göthes und Schillers in Fresko auszuführen, und er entwarf danach die Cartone für die Bilder dreier Säle und führte die für zwei Säle allein aus. Besonders gelungen, sowohl in Hinsicht der Auffassung und Darstellung überhaupt, als auch durch glückliche warme Farbengebung sind jene aus Wielands Musarion und Göthes Faust. Da zeigte sich seine Fertigkeit, mit wenigen Figuren und Hilfsmitteln den Gegenstand schnell verständlich für jeden Beschauer zu bezeichnen, und ich erinnere nur an Musarion. Im ersten Bilde sitzt der zürnende, mürrische Philosoph, welcher der Liebe und dem heiteren Leben entsagen will, in einen weiten Mantel bis über den Kopf verhüllt und sich auf einen Stock stützend, in düstere Gedanken versunken; rechts und links auf Gestellen ein Amor, der eine bricht den Bogen entzwei, der andere schüttet die Pfeile aus dem Köcher; Beide zeigen in ihren Mienen Trauer und Unwillen. Im zweiten Bilde sucht die Geliebte den Flüchtigen, der sich von ihr abwendet, festzuhalten, zu versöhnen; ein schwebender Amor hat seine Blumenketten um ihn geworfen und will ihn zurückziehen, ein anderer, vor ihn gestellt, ihn auf seiner Flucht zu hemmen. Aber im dritten Bilde ist die Versöhnung erfolgt, der Mürrische zeigt sich liebevoll, zärtlich, und hält die Geliebte umschlungen, die sich an ihn schmiegt. Von den zwei schwebenden Amoren entflammt der Eine die verlöschende Flamme der Lampe, der Andere bringt Rosen und Früchte in einem Korbe herbei. – Eben so tief und anmuthig gedacht und ausgeführt sind die Bilder aus Göthes Dichtungen.

Wurde der Künstler durch die Lösung dieser schönen lyrischen Aufgabe gewissermassen selbst zum lyrischen Dichter, der die tiefen und zarten Akkorde jeder Gemüthsstimmung in Bildern zu versinnlichen wagte; so übte er sich damals schon im Stillen unabläßig thätig an epischen Darstellungen, den Kriegsscenen im Sachsenlande, jenem großen Kampfe zum Sturze des Heidenthums und zur Verbreitung der christlichen Religion; die entworfenen Skizzen zu einer ganzen Reihenfolge von Bildern aus jener wichtigen Zeit sind äußerst lebendig charakteristisch aufgefaßt.

Zu gleicher Zeit überließ er sich dem freien Spiele der Erholung und zeichnete mit Bleistift in zwei Gruppen eine ausgesuchte Anzahl seiner jüngeren Kunstgenossen, wahre Ebenbildnisse, die sprechend ähnlich sind, so zwar, daß in Jedem der eigenthümliche Ausdruck seines Geistes, vom Kopf bis zum Fuß die Gebärde, ja die Laune und Angewöhnug treu wiedergegeben ist, und jede Gestalt kenntlich in Stellung, Ruhe oder Bewegung, und selbst in Nebendingen höchst bezeichnend vor den Beschauer tritt. In dieser Weise sind auch die Bildnisse seiner Eltern und Schwestern, seines Lehrers Cornelius, der dieses Porträt selbst für das ihm ähnlichste erklärt hat, so wie Klenze's und Anderer ausgeführt.

Klenze war es, der eine Aufgabe für den Künstler fand, durch deren herrliche Lösung er sich entschieden über seine jüngeren Kunstgenossen erhob, und wie plötzlich als selbstständig in eigenthümlicher Wirksamkeit dastand. Das war dieHunenschlacht, über deren meisterhafte Auffassung und Ausführung die öffentliche Meinung aller wahren Künstler und Kunstverständigen im Süden und Norden von Deutschland entschieden hat, und Berlin, wohin das Bild für den Grafen Raczinsky kam und welches Gelegenheit genug hatte, die weiche Anmuth der Düsseldorfer Oelgemälde zu beschauen, war erstaunt über den großartigen Gegenstand und die Ausführung Kaulbachs, der sich dadurch den ersten Meistern anreihte und dadurch wieder bewies, wie kühn das Genie seine Bahn zu verfolgen wisse. Die einfache Fabel des Bildes, welches Braun in Braun in einer Länge von 20 und einer Höhe von 17 Schuh ausgeführt wurde, ist diese: die Hunen kamen gegen Rom, die Einwohner dieser Stadt zogen gegen sie aus und sie schlugen miteinander eine furchtbare Schlacht, welche drei Tage und Nächte währte, bis endlich Alle miteinander erschlagen waren. Aber der gegenseitige Haß beseelte selbst noch die Geister, daß sie keine Ruhe fanden; sie (kehrten in die Körper zurück und) erneuten den Kampf in der Luft. Dieser furchtbare luftige Kampf ist nun im Bilde dargestellt und mit solcher Lebendigkeit gegeben, daß der Beschauer vor Antheil, den er daran nimmt, vergißt, daß diese Menschengestalten, nicht bloße Schattenbilder, nicht in der Luft streiten können. Das Bild beschreibt einen Halbkreis; auf dem Durchmesser im Vordergrunde des Kreises liegen in mannichfaltigen, herrlich geordneten Gruppen umher die Erschlagenen, Römer und Hunen, beide verschieden an Gestalt und Waffen, Männer in der vollen Jugendkraft und Greise, selbst Frauen, und an dem entblößten Busen der Einen liegt das todte Kind, das keine Nahrung mehr gefunden hat. Im Hintergrunde der Wahlstatt ist Rom sichtbar. Todtenstille herrscht noch in der Mitte des Vordergrundes, aber gegen die beiden Endpunkte dieser Linie hin, wo der Halbkreis emporsteigt, beginnt das Todte vom Schlummer zu erwachen, wie schlaftrunken erheben sich die Gestalten, greifen nach den Waffen, die Einen werden geweckt, Andere schweben zu beiden Seiten schon empor, links die Römer, rechts die Hunen, in Wehr und Waffen Theil zu nehmen am großen Entscheidungskampfe, der in furchtbarer Wuth begonnen hat, daß die Ersten, die aneinander geriethen, in einem Knäuel verschlungen, durch die gegenseitige Last niedergedrückt, zur Erde zu fallen scheinen, im Falle selbst noch einander mordend. Aber hoch im Bogen heran stürmen neue Schaaren, Attila kommt, getragen hoch auf dem Schilde von Hunen und schwingt die zermalmende Geißel. Ihm entgegen aber thürmt, wie ein Gebirg, das niederzustürzen und ihn mit den Seinen zu zermalmen droht, die Schaar der christlichen Römer; hoch herein schaut siegend das Kreuz, das von mehreren Jünglingen emporgehalten wird und der christliche Feldherr schwebt zur Entscheidung des Sieges herbei, unterstützt und gleichsam emporgeflügelt von zwei kräftigen Jünglingsgestalten. In solch lebendiger Weise ist dieser Kampf geschildert, und hat, in Kupfer von Thäter gestochen, den Ruhm Künstlers weithin verbreitet.

Beinahe zu gleicher Zeit, als die schön ausgeführte Skizze dieses Bildes ausgestellt wurde, zu Anfang des Jahres 1835, erschien endlich das Narrenhaus, gestochen unter Amslers Leitung von Merz, das zum Theil jene unglücklichen Gestalten schilderte, welche der Künstler einst geschaut, zum Theil mit tiefer Einsicht in eigener Erfindung die bis zum Wahnsinn gesteigerte Leidenschaft in ihren eigenthümlichen Aeußerungen auffaßte und wiedergab. Das Bild machte einen gewaltigen, erschütternden Eindruck, es erfüllt den Beschauer mit Bewunderung, aber auch zugleich mit innigem Mitleid. In einem geräumigen Hofe, über dessen Mauer man in eine kahle Gegend sieht, sind die Unglücklichen, um freie Luft zu schöpfen, versammelt, bewacht von dem phlegmatischen Aufseher, der die Peitsche, die jetzt in seiner Rocktasche ruht, zu handhaben versteht und, ungerührt über die mannichfachen Aeußerungen des Wahnsinnes, seine Pfeife raucht. Hier rechts im Bilde sitzt mit versteinertem Antlitz, in dem sich Liebe und Verzweiflung spiegeln, die Kindesmörderin, und herzt einen in Windeln gewickelten Holzklotz; weiterhin der hagere, über einem Buche tiefsinnig brütende Gelehrte; der verrückte Held mit dem hölzernen Schwerte und offener Brust scheint seine Ruhmesthaten zu erzählen, dort will sich der Weiberhasser den Umarmungen einer üppigen Buhlerin und einer liebkosenden Alten entziehen und entfliehen; der Ehrgeizige, den Hochmuth zum Wahnsinn führte, ein neuer fanatischer Glaubensprediger mit dem hölzernen Kreuze in der Hand, daneben eine Jungfrau, deren edles Angesicht wir nur im Profile sehen, im stillen Schmerze die Hände gefaltet, das lange Haar vom Nacken heraufgestrichen und lose mit einem Kamm auf den Scheitel zusammengehalten über das Gesicht herabsinkend.

Die Zeichnung der Charaktere, welche der Künstler hier darstellte und welche seine Phantasie lange mochten beschäftigt haben, so wie das Studium Hogarths, dem er eine geraume Zeit besondere Theilnahme widmete, blieb nicht ohne Einfluß bei dem Entwurfe jener Reihenfolge von Bildern, die er nach Schillers Erzählung »der Verbrecher aus verlorner Ehre« ausführte, in welchen die Charaktere an Hogarths satyrische Gestalten erinnern.

Jene beiden Bilder, die Hunenschlacht und das Narrenhaus, lenkten die Aufmerksamkeit der Kunstkenner und Freunde im hohen Grade auf ihn, und im Frühjahre 1837 erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Professor an die neu sich gestaltende Akademie der Künste in Dresden, den er jedoch ablehnte, worauf ihn der König von Bayern zum Hofmaler mit einem Gehaltsbezuge ernannte, so daß er nun ganz in München eingebürgert wurde.

Für die Cotta'sche Kunsthandlung fertigte er mit großer Sorgfalt vier und zwanzig Entwürfe für Göthes Faust, so wie mehrere zu Reinecke Fuchs, welche in Stahl gestochen wurden und wieder die ungemein lebendige Charakterschilderung des Künstlers, namentlich im Satyrischen, beurkunden.

Während dieser gewissermassen Erholungsarbeiten gedieh der Entwurf der großen epischen Darstellung der Zerstörung Jerusalems durch Titus, welcher welthistorische Moment mit Kraft und Lebendigkeit von ihm aufgefaßt wurde und eine gewaltige Wirkung auf das Gemüth des Beschauers äußert. Er sieht sich mitten in die Stadt, mitten in die furchtbarste Handlung, den Augenblick der Eroberung und des Untergangs des jüdischen Reiches versetzt: es ist die Vollziehung des lange und oft vorher verkündeten göttlichen Gerichtes! Oben in einer Glorie schweben auf Wolken die großen Propheten, welche den Untergang der Stadt geweissagt, ihre Bücher, in welchen die Weissagungen enthalten sind, emporhaltend; als Vollzieher des göttlichen Strafgerichtes schweben sieben Engel mit flammenden Schwertern, gleichsam die Anführer der in der Offenbarung Johannis bezeichnten sieben Engelschaaren hernieder. Was diese nun als strafende Geister bringen, zeigt sich unten in der Stadt: der Gräuel der Verwüstung! Der Anführer der Juden, vor dem Tempel in halsstarriger Verzweiflung noch dem Gerichte Hohn sprechend, Einige schon auf den Eingangsstufen wie von dem Blitzstrahl des göttlichen Gerichtes daniedergestürzt; dieser Scene gegenüber Titus als Triumphator mit seinen Heerschaaren über die gestürzten Mauern einziehend. Schon ist der Altar erstürmt, entweiht, die Römer verkünden mit Posaunen von ihm herab ihren Sieg; am Fuße desselben ermordet sich der Hohepriester, in Mitte seiner Familienglieder, seiner Söhne und Gattin und den Leviten, die ermordet oder in Verzweiflung umher liegen; die Töchter Jerusalems werden von den Siegern hinweggeschleppt, die Mütter haben im scheußlichen Wahnsinne des Hungers so eben ein Kind zur Speise getödtet; Ahasverus wird links von den Rachegeistern aus der Stadt getrieben, während auf der entgegengesetzten Seite die ersten Christen, in einer herrlichen Gruppe vereint, unter Lobgesängen, von Engeln beschützt, die Stadt verlassen. Diese vielen, für die Einheit der Handlung und eine schnelle und wirksame Auffassung beinahe zu vielen Gruppen, deren jede für sich ein Ganzes und eine tief bezeichnende Episode im großen Bilde darstellt, sind mit ausgezeichneter Charakteristik der dargestellten Handlung ausgedrückt und jede fesselt den Blick auf eigene Weise. Der Entwurf soll in einem großen, gegen 18 Fuß hohen und 20 Fuß breiten Bilde in Oel ausgeführt werden.

Um die dazu nöthigen Farbenstudien zu machen, da der Künstler bei der neueren Richtung der Kunst auf beinahe ausschließliche Freskomalerei wenig Gelegenheit zur Ausbildung in der Oelmalerei gefunden, und um zugleich die durch so anhaltend fortgesetzte Arbeiten geschwächte Gesundheit in einem milderen Klima herzustellen, reiste er im Herbst 1838 nach Italien, welches er im Jahre 1837 nur auf einem Ausfluge von vier Wochen gesehen. Er begab sich nach Rom, wo er bis zum Junius 1839 verweilte, und zeigte durch die dort ausgeführten Oelbilder, die er nur als Studien betrachtete: mehrere Bildnisse nach dem Leben, unter welchen die halblebensgroße Figur eines Hirtenknaben sich auszeichnet, wie weit es beharrlicher Fleiß und hoher Sinn für Farbengebung bringen könne. Denn er überraschte damit wirklich seine Freunde, sowie seine Gegner, welche ihm häufig zum Vorwurfe machten, daß er noch nichts in Oel ausgeführt. Eine beinahe lebensgroße Gruppe in Oel, die er darauf vollendete, zeigte ihn als vollendeten Oelmaler, der Kraft und Anmuth im wundersamen Farbenschmelz der verschiedenen Töne mit der charaktervollsten Zeichnung zu verbinden weiß. Das Bild »Anakreon mit seiner Geliebten« ist im wahren höheren erotischen Geiste gedichtet, das Geistige mit dem Sinnlichen auf das Schönste verschmolzen, doch so, daß Jenes als das Hauptmotiv und durchaus nichts lüstern Unedles erscheint. Der Dichter, eine schöne kräftig jugendliche, lorberbekränzte Gestalt, sitzt, in dem ganz über die Brust herabsinkenden und den edlen Wuchs so enthüllenden Gewände, auf dem Ruhebette, in der Linken ein Buch, das wahrscheinlich seine eigenen Gedichte enthält, aus welchen er der Geliebten vorlas, und jetzt noch über Einiges sinnt; die Rechte hält die schöne, rosenbekränzte, im glühenden Liebreiz gebildete Freundin sanft umschlungen, die sich zu ihm emporschmiegt, mit ihrer linken Hand sein Kinn berührend, während ihre Rechte nachläßig auf seinem Schooße ruht. Ueber der herrlichen Gruppe heran schweben rechts und links zwei blonde liebliche Amorgestalten, die Eine mit der brennenden, ein magische Licht ausströmenden Lampe, in die er noch Oel zugießt, der Andere mit einer Schale voll Früchte in der Rechten, und unter dem linken Arme noch eine reife schwere Melone herbeibringend.

Während der Ausführung dieses Bildes vollendete er mehrere lebensgroße Bildnisse in Oel, bis in das Einzelnste den Charakter der Person treu auffassend und lebendig wiedergebend und ist jetzt mit der Anordnung zu mehreren größeren, episch-lyrischen Darstellungen beschäftigt: Christus, dem Erlöser, in der Vorhölle; der Befreiung des hl. Grabes durch die Kreuzfahrer, und mit der Zerstörung Jerusalems.

Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Kaulbach Wilhelm, von, 1805 (Arolsen/Hessen-Nassau) – 1878, Historienmaler und Akademieprofessor; dieser Schüler von Cornelius steht seinem Meister inhaltlich (symbolistische Programmalerei) und K. von Piloty koloristisch nach; manchmal ist K. unselbständig (Illustrationen zu Reineke Fuchs) und mit verletzender Ironie (ehemalige Fresken der Alten Pinakothek in München: Peter Arbues); seit 1849 war er Vorstand der Münchner Akademie.

Hauptwerke: in München: Apollo unter den Musen (im ehemaligen Odeon), Amor und Psyche (im ehemaligen Herzog-Max-Palais), Zyklen zu Klopstock, Wieland, Goethe (Residenz), Außenfresken der ehemaligen Neuen Pinakothek (Entwicklung der neueren Kunst), Zerstörung Jerusalems (Ölgemälde in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung), Seeschlacht bei Salamis (Maximilianeum, Karton in Berlin, Skizze in Stuttgart); in Berlin: Fresken im Treppenhaus des Neuen Museums, Turmbau zu Babel, Blüte Griechenlands, Zerstörung Jerusalems, Hunnenschlacht, Kreuzzüge, Reformation, viele Einzelgestalten, Tierfries; in Nürnberg: Otto III. an der Leiche Karls des Großen (Germanisches Museum); von ihm stammen auch Illustrationen zu verschiedenen Dichtern (namentlich Goethe) und zu einem Totentanz (frivol!); K. ist einer der bedeutendsten Historienmaler des 19. Jahrhunderts.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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