Ω
Familiengrab
Gedon
Lorenz
24.11.1844 – 27.12.1883
Mina
7.2.1849 – 3.10.1929
Anmerkung: Im Jahr 2018 wurde die Inschriftentafel erneuert.
In der vorangegangenen Version war Mina Gedon nicht aufgeführt:
LORENZ
GEDON
* 1844
† 1883
Ω
Gedon, Lorenz; 24.11.1844 (München) – 27.12.1883 (München); Architekt und Bildhauer
Gedon, Mina (vw); 7.2.1849 – 3.10.1929 (München); Architektens- und Bildhauers-Witwe
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* 24.11.1844 (München)
† 27.12.1883 (München)
Architekt und Bildhauer
Nur auf diesem Wege.
Todes-Anzeige.
Freunden und Bekannten mache ich hiedurch die schmerzliche Anzeige von dem Hinscheiden meines innigstgeliebten Gatten,
Lorenz Gedon.
Er entschlief nach schwerem Leiden sanft und ruhig heute früh halb sechs Uhr.
München, den 27. December 1883.
Mina Gedon,
geb. Boeheim.
Die Beerdigung findet auf dem südlichen (alten) Friedhof Samstag den 29. December, Nachmittags 3 Uhr, statt. Der Trauergottesdienst wird Montag den 31. ds., früh 9 Uhr, in der St. Bonifaciuskirche abgehalten.
Allgemeine Zeitung Nr. 360. München; Freitag, den 28. Dezember 1883.
(Lorenz Gedon †.) Der Bildhauer und Architekt Lorenz Gedon ist heute Morgen um halb sechs Uhr im 40. Lebensjahre einem langwierigen, schweren Leiden erlegen. Seit zwei Jahrzehnten einer der Unseren, hat der nun Verstorbene durch seine Leistungen im decorativem Fache, als Bildhauer und Architekt, sich in die Reihen Münchener Berühmheiten gestellt. Wo es irgend galt, zu großen Festlichkeiten Räume künstlerisch auszuschmücken, da ward Gedons Name zuerst genannt; noch die letzte Internationale Kunstuasstellung im Glaspalaste hatte ihr Vestibul von seinem Geiste und von seiner Hand geschmückt. Die Summe des künstlerischen Schaffens Gedons zu ziehen, dessen Name mit dem hiesigen Kunstleben, mit der Blüthe Münchens und seinen Festen eng verknüpft ist, müssen wir einer berufeneren Feder überlassen.
Allgemeine Zeitung Nr. 360. München; Freitag, den 28. Dezember 1883.
Nekrologe.
Lorenz Gedon †. Am 27. Dez. 1883 morgens halb sechs Uhr entschlief sanft und ohne Schmerzen, nachdem er über ein Jahrzehnt an unheilbarem Wangenkrebs, den er von seinem Vater ererbt, gelitten, der Bildhauer Lorenz Gedon, im kaum begonnenen 40. Lebensjahre.
Lorenz Gedon ward am 24. November 1844 in München geboren und erlernte zunächst das Tischlergewerbe, bezog aber später die dortige Akademie und widmete sich der Bildhauerkunst, trieb dann daneben die Malerei und warf sich schließlich, die Malerei ganz aufgebend, auf die Architektur. Aber weder Plastik, noch Malerei, noch auch Architektur war sein Hauptfach. In den beiden erstgenannten Künsten schuf er nichts, was sich über das Niveau des Gewöhnlichen erhob, und seine Bauten, wie das vielbesprochene Haus des Grafen Schack, die Fassaden des sogen. Eymannsberger- und des Ruedererhauses, sowie der Umbau des Hotels Bellevue mit dem wunderlichsten aller Portale, sämtlich in München, lassen zwar ein schönes Talent, aber auch einen unleugbaren Mangel an solidem Studium erkennen, das eben nie durch Talent ersetzt werden kann. In einem Fache aber war Gedon fast unerreichbar: in der Dekoration. Galt es die Inscenirung eines Künstlerfestes, die Ausschmückung irgend eines Festraumes, da schuf er, unterstützt von einer übersprudelnden Phantasie, Hervorragendes. So ward er für die Dekoration des deutschen Kunstsalons der Weltausstellung des Jahres 1878 in Paris mit Recht mit Lob überhäuft und durch die Ausstattung des deutschen Saales in der Wiener internationalen Kunstausstellung zum eigentlichen Bahnbrecher auf diesem Felde. Nannte er sich scherzhafterweise dann und wann den »Reichstapezierer«, so lag darin ein gutes Korn Wahrheit. Glaubte man doch die Kraft des geistvollen Dekorateurs seit Jahren nirgendwo entbehren zu können. Schade nur, daß solche Arbeiten ihrer Natur nach in der Regel nur vorübergehende sind! Seine letzte Schöpfung dieser Art war die Dekorirung des neuen Lokals der Künstlergesellschaft Allotria, zu deren Gründung Gedon den ersten Anstoß gegeben hatte. Gedon und seine Freunde verlangten, als die Wiener Weltausstellung in Aussicht stand, in einer stürmischen Versammlung der Münchener Künstlergenossenschaft einen Kredit für die Dekoration gewisser Münchener Ausstellungsgegenstände, gegen welchen Antrag der damalige Genossenschaftsvorstand Conrad Hoff nicht ohne Heftigkeit sprach, indem er solche Dinge als »Allotria« bezeichnete. Dies Wort griff nun die Partei Gedons auf, konstituirte sich als geselliger Verein und es dauerte nicht lange, so gab dieser Verein, dank der Rührigkeit und Energie Gedons, in den meisten Künstlerangelegenheiten den Ausschlag.
Großen Einfluß übte Gedon auch auf das Münchener Kunstgewerbe aus, das ihm manche fruchtbare Idee und zahlreiche mitunter geistreiche Entwürfe verdankt. Er war ein echtes Münchener Kind, voll Begeisterung für seine Vaterstadt, geraden Sinnes, unter Umständen von göttlicher Grobheit, ein warmherziger Künstler, ein liebevoller Gatte und Vater, in seinem furchtbaren körperlichen Leiden ein Held, ein treuer Freund, ein guter Kamerad. Friede seiner Asche!
Carl Albert Regnet.
Carl Albert Regnet: Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst Nr. 15. 24. Januar 1884.
P. Auktion Gedon. Am 17. Juni soll in München der Verkauf von Lorenz Gedons, – des so früh Verstorbenen – Sammlung beginnen. Die Versteigerung wird im Atelier des Künstlers durch Heberle aus Köln geschehen, welcher soeben den prächtig ausgestatteten Katalog (Verlag von Georg Hirth in München) versandt hat. Das Atelier Gedons war seit einer langen Reihe von Jahren für jeden Kunstfreund, der München besuchte, ein Hauptanziehungspunkt: hier fand man stets mannigfache Anregung in der köstlichen Umgebung, im Umgang mit dem lebensfrohen Künstler. Noch wenige Monate vor seinem Tode zeigte er einigen Besuchern des Münchener Kunstgewerbe-Kongresses seine Schätze, freilich schon mit dem Gefühl des unabwendbaren nahen Endes. Und welche Schätze! Gedon hat – ein echter Künstler – niemals systematisch gesammelt: was er fand, war es schön oder paßte es in irgend einen Winkel seiner Räume, er kaufte es, gleichgiltig, ob es sich irgend einer Gruppe seines Besitzes einfügte, oder ob es einzeln dastand und einzeln blieb. Dadurch hat die Sammlung etwas durchaus Individuelles bekommen, sie ist gleichsam ein getreues Abbild seiner Persönlichkeit geworden.
Seine vielfachen Beziehungen als Bildhauer und Architekt brachten Gedon mit allen Kreisen in Berührung, warfen ihn in der Welt umher, nicht bloß auf den breiten Straßen, welche die Menge wandelt, sondern auch auf wenig bekannten oder gänzlich unbekannten Wegen. Dort suchte er, fand er, rettete er: manches Stück ist durch seinen Kennerblick ans Licht gefördert, in seinem Wert erkannt, vor Untergang bewahrt. So enthält denn die Sammlung eine reiche Fülle vortrefflicher Stücke, vielfach Arbeiten von höchster Schönheit und größter Seltenheit. Alle Epochen künstlerischen Schaffens, vom frühen Mittelalter an bis in die Empire-Zeit hinein, sind durch Kunstwerke vertreten. Kaum ist es möglich, irgend eine Gruppe als besonders wertvoll hervorzuheben. Der vortrefflich gearbeitete Katalog ermöglicht auch denjenigen, denen es nicht vergönnt gewesen, noch bei Lebzeiten des Meisters einen Blick in seine schönen Räume zu werfen, sich ein Bild von der Sammlung zu machen, er ist zugleich geeignet, dies Bild auch späteren Zeiten zu erhalten. In ganzer Schönheit wird der Besitz des Künstlers nochmals allen Kunstfreunden während der Tage vom 14.–16. Juni vorgeführt werden: Rudolf Seitz, der langjährige Freund des Verstorbenen, hat den künstlerischen Nachlaß in den Atelierräumen in überaus geschickter Weise aufgestellt. Eine Schilderung dieser Aufstellung giebt Friedrich Schneider im Vorwort des Kataloges, wo er dem Verblichenen warme Worte als Nachruf widmet. Mit ihm wird jeder Kunstfreund die Sammlung nicht ohne Schmerz ihrer Auflösung entgegengehen sehen; sicherlich wird aber ein großer Teil der Schätze, die hoffentlich zum größten Teil in öffentlichen Besitz übergehen, den Namen des früheren Besitzers dauernd erhalten und noch späten Geschlechtern Kunde geben von dem Kunstsinn, dem Wirken und der Sammlung Lorenz Gedons.
Auktionskataloge
Catalog der nachgelassenen Kunstsammlungen des Bildhauers und Architekten Lorenz Gedon in München; Kunsttöpferei, Glas, Arbeiten in edlem und unedlem Metall, Elfenbein, Emaille, Holz und Stein, Bucheinbände, Erzeugnisse der Textilindustrie, Waffen, Gemälde usw. Versteigerung in München den 17.–21. Juni durch J. M. Henerle (Lempertz’ Söhne) aus Cöln. 125. S. 1257 Nummern. Mit vielen Illustrationen. 4°. Verlag von Georg Hirth in München. Kleine Ausg. ohne Lichtdruck Mk. 2.-. Grosse Ausg. mit Lichtdrucken Mk. 10.-.
Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst Nr. 34. 5. Juni 1884.
Vorwort.
Jede Sammlung trägt etwas von der Eigenart ihres Besitzers an sich: kleine, engherzige Ansichten treten darin ebensowohl zu Tag, wie ein vornehmer, von Liebe und Begeisterung getragener Sinn. So spiegelt die Sammlung Gedon’s im besten Sinn den Geist, der sie in’s Leben gerufen und darüber gewaltet hat. Sie ist nicht das Ergebniss systematischen Sammeleifers; sie umschliesst nicht förmlich ausgebaute Einzelheiten und bevorzugt nicht besondere Richtungen, Schulen oder Länder: sie ist vielmehr das Ergebniss von Bestrebungen, welche einen Theil der Lebensaufgabe des Künstlers ausmachten.
Lorenz Gedon (geboren 12. November 1843 zu München, ebendaselbst gestorben 27. December 1883) wurde schon als junger Bildhauer, an der Hand der alten Meister, mit Geist und Form des deutschen Mittelalters vertraut; dieser ersten Liebe blieb er zeitlebens treu und wenn er sich auch später der jüngeren Kunstrichtung mehr zuwandte, so verliess er desshalb die ältere nicht und handhabte ihre Formen dauernd mit wahrster Empfindung und Sicherheit. Lernen und Sammeln, Schaffen und Erhalten gingen bei Gedon Hand in Hand und die folgenden Blätter legen Zeugniss ab für die seltene Gunst, womit sein Streben auf dem Gebiete des Sammelns gekrönt ward.
Sein Leben spielte inmitten einer reichen Thätigkeit ab. Die grossen Ateliers und die Wohnräume waren angefüllt mit den redenden Zeugen alter Kunstthätigkeit. Wie er selbst unter den anregenden Eindrücken seiner Sammlung lebte und wirkte, so waren die Räume seines Künstlerheims eine Schule des Geschmackes für Viele, die empfindenden und lernbegierigen Sinnes dahin kamen. Mit Gedon’s Hingang haben die alten trauten Werkstätten nun freilich eine durchgreifende Veränderung erfahren müssen. Indess sollte die Sammlung, die von seinem Künstlergeiste getragen war, nicht zerbröckeln, ohne nochmals von dem Geschmacke ihres Begründers und ihrer eigenen Schönheit Zeugniss abzulegen. Gedons Freund, Rudolf Seitz, hat den vielgestaltigen Reichthum in den grossen Atelierräumen zu einem herrlichen Gesammtbilde vereinigt. Wie in der scheidenden Sonne das Licht des Tagesgestirns nochmals zum vollen Glanze sich vereint, so bietet die Gedon’sche Sammlung in ihrer letzten Aufstellung einen Anblick wie nie zuvor. Es ist der würdigste Trauerschmuck, welchen der Freund dem früh verschiedenen Genossen bereiten konnte, indem er die ganze Fülle dessen, was Gedon’s Besitz umfasste, in einer solchen Uebersicht vereinigte.
Beim Eintritt empfangt uns ein weiter Saal, in dessen Mitte die Schreine mit den Edelmetall-Geräthen und mit den herrlichen Gläsern und Krügen aufgerichtet sind. Um diese Kunstheiligthümer reihen sich, gruppenweise geordnet, die einzelnen Abtheilungen. Mit vornehmer Breite entfalten sich Gobelins über den weiten Durchlässen. Gegen die nördlichen Fenster hängen ehrwürdige Fahnen, den Raum mit farbigem Lichte überfluthend; darunter die Bamberger Domfahne mit dem Bilde Heinrich’s II. und Kunigunden’s. Die Fenster sind mit vielfach gewundenem Eisenwerke des 17. und 18. Jahrhunderts vergittert. Dem Eingang gegenüber baut sich ein reizend gegliederter gothischer Altar der Syrlin’schen Schule auf mit einer vorzüglichen in Holz geschnittenen Gruppe der Madonna und Mutter Anna mit dem Christuskinde und mit Heiligenfiguren, Engeln und Wappen aufs Reichste geschmückt. Roccocoschranken umschliessen den Vorraum. — Nebenan hängt auf einem Prachtteppich ein Tafelbild der Massys’schen Richtung und darunter ein in Holz geschnitztes, vergoldetes Roccocorähmchen von der höchsten und geschmackvollsten Ueppigkeit und mit eminenter Technik gearbeitet.
An kostbaren Truhen, Instrumenten und Stoffen vorbei wenden wir uns zu einem traulichen Erker, darin geschlagene Schüsseln und Leuchter in Gelbmetall in reicher Menge aufgestellt sind. Am Wandpfeiler haben zwischen zierlichem Schrankwerk die mächtigen Zinnkrüge und Innungshumpen ihren Platz gefunden. Reiches Zinngeräth, worunter viele Prachtstücke, auch Schüsseln von Briot und Enderlein, bedeckt die Flächen. An den freien Wänden treten in den wuchtigen Formen der Spätrenaissance und des Barock eichene Thürrahmen mit ihren Verdachungen heraus, neben welchen sich eine feingegliederte Kanzel mit Escheneinlagen aufbaut, die mittels alter Verglasung zu einem reizenden Auslug umgestaltet ist. Ein Gobelin mit grossen historischen Motiven, alte Portraits und biblische Bilder der niederländischen Schule schliessen gegen die Holzdecke ab.
Werfen wir nun noch einen Blick auf die in diesem Saale aufgestellten goldenen und silbernen Geräthe, Krüge und Gläser so finden wir eine Vereinigung der kostbarsten und edelsten Kunstgegenstände, deren Anzahl und Reichthum viele Museen mit Neid erfüllen könnte. Da ist vor Allem der berühmte silbermontirte Cocosbecher, eine Eule darstellend, dessen reizvolle Technik das Auge des Kenners auf sich zieht. Ihm schliessen sich circa 20 Becher und Kannen in allen möglichen Formen und Grössen getrieben, ciselirt und gravirt an. Das in der That eines Jamnitzers würdige Pulverhorn, welches Lossow mit eben so viel Liebe wie Verständniss in seiner Zeichnung wiedergegeben hat, und der silberne Dreifuss einer Schale repräsentiren die besten Goldschmiedearbeiten der Renaissanceperiode. Nicht weniger interessant sind die kirchlichen Geräthe, wie Kelche, Reliquienbehälter und Rauchfass in dieser Abtheilung, welche noch eine Menge der reizendsten Schmuckgegenstände, Anhänger, Gürtelketten, Agraffen, Dosen, Medaillen u. s. w. enthält.
Bei den nebenan in geschmackvollster Weise aufgestellten Krügen und Gläsern fällt das Auge sofort auf einen braun glasirten Raerener Krug, der als wahres Monument unter seinen Genossen in der Höhe von 60 Centimeter aufragt. Mit schönster hellbrauner Glasur vereinigt er eine Schärfe in seinen geschmackvollen Wappenverzierungen und der oben umlaufenden Hohlkehle, die ihn zu einem Prachtstück ersten Ranges macht. Ihn umgeben kleinere aparte und seltene Krüge der verschiedensten Art und eine Anzahl deutscher, niederländischer und italienischer Gläser, deren edle Formen uns wohl schon auf den van der Helst’schen Bildern niederländischer Schützenmahlzeiten oder auf den Stillleben de Heems begegnet sind.
Links vom Eingang öffnet sich auf der Höhe der Estrade ein Prachtportal aus gewundenen, mit Weinlaub verzierten Säulen in glänzendem Barock. Dazwischen spannt sich in massigem Faltenwurf ein reicher Stoff. Durch das stylvoll gegliederte, gothische eiserne Thor treten wir in einen tonnengewölbten gothischen Saal. In farbigem, durch gemalte Glasscheiben hervorgerufenen Dämmerlichte umfängt uns der anheimelnde Raum. Abgefasste Sparren gliedern, mit charaktervollen eisernen Rosetten befestigt, die Längenachse der schlicht vertäfelten Decke, in der Naturfarbe des Holzes. Gothisches Chorgestühl zieht sich rechts an den Wänden hin und mittelalterliche Geräthe der seltensten Art fesseln den Blick.
Ein eiserner Topfhelm des 13. Jahrhunderts, ein Todtenschild von 1322 und ein rother Heroldsrock mit weissem Astkreuz sind zu einer Trophäe vereinigt. Daneben steht ein tadellos erhaltener gothischer Doppelschrank mit reichem Zinnenschluss und vollständigem Beschläge. Gothische Gobelins und Holzschnitzereien bedecken die Wände und vorzügliche Holzfiguren, unter welchen eine Statue des hl. Benedikt von edelstem Ausdruck und höchster technischer Vollendung hervorragt, sind längs derselben aufgestellt.
Nach links umwendend erblicken wir eine lauschige Ecke, ein gothisches Studierstübchen, dem Gehäuse ähnlich worin uns Dürer seinen hl. Hieronymus schildert. Bunte Scheiben, mit dem Wappen Willibald Pirkheimers, dämpfen das Licht, das über romanische Manuscripte, alte Buchbände und frühes Tintenzeug auf dem Studiertisch gleitet. Vor demselben steht, wie eben von dem Besitzer verlassen, einer jener kaum auffindbaren frühitalienischen, mit Elfenbein eingelegter Scheerenstühle, ein sogenanntes Certosini-Möbel. Den Hintergrund bilden ein kleiner höchst interessanter gothischer Gobelin »wie der Fuchs den Gänsen predigt, Bücherkästen, Hausgeräthe, Holzschnitzereien und kunst- wie kulturhistorische Merkwürdigkeiten verschiedenster Art. Nur schwer trennt man sich von diesem gemüthlich anheimelnden Raum, dessen stimmungsvoller Zauber eine fesselnde Kraft ausübt. An einem kostbaren gothischen Tisch mit verschiedenfarbigen Holzintarsien vorbei, erblicken wir eine vornehme Madonnenstatue aus Stein mit Spuren von Bemalung, die sich in antikisirender Form von einem Baldachin abhebt, der aus gothischem, mit goldenen und silbernen Ornamenten durchwirkten Sammt hergestellt ist. In dem dunklen Seitengrund der Halle stehen riesige gothische Sakristei-Truhen mit wuchtigen Beschlägen, Sculpturen kirchlicher Art, ein gewaltiges byzantinisches Kreuzbild und so manches, was sonst nur in den seltensten Fällen im Schatten alter Kirchenräume sich vereinigt findet.
Nach der entgegengesetzten Seite der Ausstellung uns wendend, sehen wir zunächst in einem kleineren Mittelraume die Wände mit farbenprächtigen, goldgestickten alten japanischen Seidentapeten bedeckt. Reizende Wappensculpturen in Stein sind ringsum aufgestellt und eine Schweizer Brunnensäule mit reichster Hochreliefschnitzerei der besten Renaissancezeit ist selbst in beschädigtem Zustand noch ein glänzendes Zeugniss des Geschmackes und der Technik.
Im nächsten Saal wird das Auge durch eine erlesene Zahl kostbarer Eisengeräthe gefesselt. Frühe Werkzeuge von schönster Zeichnung und Durchführung, herrliches Kleingeräth, wie jenes Glöckeleisen zum Spitzenkrausen (das im Catalog irrthümlich als Lockeneisen bezeichnet ist), getriebene und geschnittene Prachtstücke der Schmiedekunst erwecken gleichmässig Staunen und Bewunderung. Geschick und Geschmack theilen sich hier in der That in das Lob. Ueberhaupt bietet die hier ausgebreitete Sammlung an Eisengeräthen die Fülle an prachtvollen Leistungen. Die gothische Zeit ist mit einer Anzahl der herrlichsten Schlossbleche, Ringe, Thürklopfer u. s. w. vertreten. Renaissance und Barock, sowie die Spätzeit glänzen in einer Folge vorzüglicher Stücke. Die wuchtigsten Schlösser und Angeln wechseln mit meisterlich behandelten Zierstücken.
Die Wandflächen sind hier mit Gobelins, holzgeschnitzten Wappen, Stammbäumen und ernstblickenden Bildnissen geschmückt. Die ganze Schlusswand wird durch ein prächtiges, wahrhaft monumentales Schrankmöbel der Spätrenaissance eingenommen. Die Glaskasten in diesem Saale bergen neben einer Menge herrlicher Bucheinbände in Silber und Leder, kostbarster Waffen, Lederarbeiten und Stoffe ein vollständig erhaltenes Hemd aus der Zeit Holbeins mit ebenso reich wie geschmackvoll gesticktem und gefälteltem Kragen und Manchetten, geradezu ein Unicum. Unter den hier noch eingereihten kleineren Holzschnitzereien befindet sich ein Lüstreweibchen, in der Zeichnung eines Hans Holbein würdig und von einer Ausführung, welche der Zeichnung vollständig entspricht.
In den rückwärts liegenden Zimmern umziehen mit Ahorn vertäfelte Wandbekleidungen die Wände, an welchen Truhen und Schränke, reizvoll geschnitzt und in vielfarbigen Holzarten eingelegt, aufgestellt sind. Was überdies die Zeit an Gefässen und Geräthen, Instrumenten und Spielen zum gesellschaftlichen Zeitvertreib besass, ist hier in zum Theil kostbaren Stücken vertreten.
Der Bedeutung nach nicht an letzter Stelle, sondern nur mit Rücksicht auf den Ort ihrer Aufstellung sind hier die Stein-Skulpturen zu erwähnen, welche in dem Hofe gegen Süden vereinigt sind. Wir treffen dabei auf eine Menge der feinsten Bauglieder (theilweise vom Ulmer Dom) aus der früheren wie aus der Zeit des Barock. Jeder Rest bezeugt noch, dass es der Mühe werth gewesen, ihn vor dem Untergang zu bewahren, und so sind in der That die Steine noch redende Zeugen für Gedon’s richtige Empfindung.
Nicht ohne Schmerz sehen wir die Sammlung Gedon’s nunmehr ihrer Auflösung entgegengehen. Die Erinnerung an ihre Bestände wird zwar in der folgenden Aufzählung, welche durch die künstlerischen Beigaben Heinrich Lossow’s, Fritz August Kaulbach’s und Rudolf Seitz’ einen erhöhten Werth erhält und für deren weitere Ausstattung Gedon’s langjähriger Freund Dr. Georg Hirth pietätvoll bemüht war, erhalten bleiben. Die einzelnen Stücke aber gehen nunmehr hinaus in die Welt und nicht wenige werden sogar dauernd das Gedächtniss Gedon’s in ihre neue Heimath verpflanzen. Ohne Gedon’s Sammeleifer wären die wenigsten Gegenstände an der Stelle, wo sie jetzt vereinigt sind: ihm gebührt darum die Anerkennung und der Dank dafür, dass er sie der Verborgenheit entzogen und auf den Leuchter gestellt hat. Jetzt, wo sie wieder zerstreut werden, ist ihre Zukunft gesichert; ja noch mehr, sie werden Samenkörnern gleich eine neue Aussaat für Sinn und Geschmack an der Kunst der Vorzeit sein. Und in diesem Gedanken sei der Sammlung das Geleite gegeben: selbst in ihrer Auflösung wird es an fruchtreichem Gewinn nicht fehlen, der in Gedon’s Thätigkeit als Sammler wurzelte.
Mainz, im Mai 1884.
Dr. Friedrich Schneider.
Dr. Friedrich Schneider: Vorwort aus dem Catalog der nachgelassenen Kunst-Sammlungen des Bildhauers und Architekten Lorenz Gedon in München, 1884.
Gedon: Lorenz G., Bildhauer und Architekt, geboren am 12. November 1843 zu München, als der Sohn eines Tändlers und Auctionators, † am 27. December 1883. Ein günstiger Zufall führte den Knaben frühzeitig zu dem Bildhauer Jos. Otto Entres (geb. am 13. März 1804 zu Fürth, † am 18. Mai 1870 in München), wo sein angeborener Sammeleifer förderliche Nahrung fand und die Pietät für alle Erzeugnisse der alten Kunst gepflegt wurde. Entres war ein umsichtiger Kenner altdeutscher Holzsculptur, er hatte die Gabe, Verständniß und Empfindung dafür auch bei Anderen in gleichfühlender Weise zu wecken. Im Besitze einer auserlesenen Sammlung vorzüglicher Schnitzwerke, welche er mit größtem Eifer auf fortwährenden Reisen und mit Aufwand aller seiner Mittel zusammengebracht hatte, legte er, wie ehedem Francesco Squarcione in Padua, dieses kostbare Material seinen zahlreichen Schülern als Bildungsmittel vor, ließ sie danach copiren und wußte, obwol ihm das Wort nicht willig und wohlgefügt vom Munde ging, die innere Gluth der Begeisterung erwärmend in Andere überströmen zu lassen. Dabei war Entres obwol im innersten Herzen, wie ehedem Fr. Hoffstadt (geb. 1802 zu Mannheim, † am 7. September 1846 zu Aschaffenburg), dem Spitzbogenstil mit patriotischem Eifer zugethan, doch gegen die Producte anderer Perioden nie ungerecht; er ließ jeder Zeit ihr Gutes und zog alles zur nützlichen Erklärung, Beleuchtung und Gegenwirkung gerne in sein Bereich. Was ihm für seine Zwecke erreichbar und dienlich schien, sammelte er, wenn nicht zu bleibendem Besitz, doch zu Tausch und Weitererwerb brauchbar, und speicherte diese Schätze durch sein ganzes Haus, bis er endlich, altersmüde und krank, alles auf einen Schlag in einer Riesenauction (1868) wieder auflöste und zerstreute, wobei er freilich, unfähig sich davon zu trennen, einen Theil seiner Lieblinge wieder zurücknahm. In dieser artistischen Atmosphäre und Vorschule saß G. fünf Jahre: sie bildeten das Programm zu seiner weiteren Thätigkeit; sein folgendes Schaffen und Sammeln ward dadurch bedingt und erhielt seine Richtung. Dann ging G. (um 1862) auf kurze Zeit zu dem gewandten Holzbildhauer Joh. Petz (geb. am 16. Mai 1818 zu Lermoos, † am 7. März 1880 in München), der sich indessen damals, weniger als Plastiker thätig, einer gewaltigen Baulust hingab und wohnliche Häuser aus der Erde entstehen ließ, um selbe gleich wieder für neue Projecte loszuschlagen. Auch diese Erfahrung machte sich G., wenn auch in ganz anderer Weise, später nutzbar, hielt aber, da nichts Neues zu lernen war, hier nur kurze Zeit aus, ebenso in der Mayer'schen Anstalt und bezog dann die Akademie, um unter der Leitung des Professor Max Widnmann in die Schönheit der Antike eingeführt zu werden. Der krausköpfige Kunstjünger, welcher durch sein eigenwilliges Kennen und Können seine bisherigen Lehrherren und Arbeitgeber, bei denen er »in Condition« gestanden, überrascht und piquirt hatte, brachte neben allerlei, den akademischen Anfängern meist mangelnden, praktischen Vorkenntnissen, eine unverwüstliche Zuversicht mit und trotz den fühlbarsten Lücken ein juveniles Selbstbewußtsein, welches seine jungen Freunde enthusiastisch mit sich riß. G. aber hatte den glücklichen Vorzug, daß er den beim Ringkampf um die höchsten Ideale unvermeidlichen Zwiespalt zwischen Wollen und Ausführung nicht katzenjämmerig auf seine Umgebung wirken ließ, sondern sich trotz aller Niederlagen, mit ungeschwächtem Eifer immer wieder begeisterte. Es brannte in ihm ein ungezügeltes Feuer, wie zur Zeit der »Sturm- und Drang-Periode« unserer Litteratur, es blitzte und kochte über, es sprudelte, quoll und dampfte, oft hexenküchenmäßig, koboldartig, titanisch. Daß für Philister, Zwerge und andere ruhige Erdenbewohner der Verkehr mit angehenden Titanen, welche sich gerade am wenigsten durch Höflichkeit auszuzeichnen gewillt sein sollen, von jeher nicht immer erquicklich und erfreulich war, liegt auf platter Hand.
Während seines Aufenthaltes an der Akademie fertigte G. viele Entwürfe, von denen nur Weniges in die Oeffentlichkeit kam, erst 1866 brachte er einen schön modellirten »Barbarossa« (etwa drei Viertel Lebensgröße), an welchem besonders der durchgebildete Kopf auffiel, in den Kunstverein, auch den originellen Pokal für den akademischen Gesangverein (Zeichnung dazu in der sogen. Maillinger-Sammlung) und hatte die Kühnheit, bei der Concurrenz um das Nationaldenkmal für den König Maximilian II. mit Hähnel, Kreling, Widnmann, Brugger, Zumbusch und Schilling die Wette zu wagen. Sein Project blieb unvollendet, da G. bei dem inzwischen (1866) ausgebrochenen Kriege seiner Militärpflicht genügen mußte, zeigte aber schon die ganze decorative Kraft und Tendenz des jungen Plastikers, welcher mit Beseitigung des seither unentbehrlichen architektonischen Aufbaues, auf einem nur aus etlichen Stufen bestehenden Sockel eine von Löwen gezogene Quadriga erdachte, von welcher der Herrscher, von der allegorischen Gestalt des »Friedens« geführt, seinen hochherzigen Willen dem Volke verkündet, während die Personificationen des Handels, der Industrie, Wissenschaft und Wohlfart in zwei Hälften dem seltsamen Gefährte ihr Geleite gaben. Die Hauptgruppe (wobei der König die linke Seite einnahm) war ebenso klar gedacht, wie das Damen-Cortege mit den Löwen unvermittelt und ohne Linienwirkung einherwimmelte, so daß das Ganze wohl bei einem mit malerischem Detail vorüberrauschenden Festzuge eine überraschende Wirkung erzielen, nicht aber bei einem stabilen Denkmal den imposanten Eindruck behaupten konnte, welcher der monumentalen Plastik in erster Reihe zukommt. G. bewies damit, wie überhaupt mit der Mehrzahl seiner Schöpfungen, eine eminente Begabung zur decorativen Improvisation – einer seiner getreuesten hat ihm zutreffend den humoristischen Beinamen eines »Reichstapezierers« aufgebracht –, bei welcher ebenso das architektonische wie das plastische und malerische Element gleichmäßig zur Sprache gelangt und dem Auge des dilettirenden Betrachters ein höchst angenehmer, geradezu fascinirender Reiz bereitet wird, ohne daß jedoch weder ein Baukünstler, noch ein Bildner oder Maler als Fachmann dadurch bleibend befriedigt werden könnte.
Vom »Altdeutschen« ausgehend, durch die Antike wandernd, wurde G. auf seiner artistischen Entwicklung naturgemäß in die damals wieder zu Ehren kommende »Renaissance« getrieben, welche indessen, wie überhaupt ein Theil der Münchener Schule, zum unnationalen Barock- und übermüthigen Rococo- und »Zopf«-System hinüberneigte und alsbald mit dem hochnäsig-leeren »Empire«-Stil liebäugelte, woraus die völlige Willkür der neuesten »Jugend« entsproßte. G. fühlte das Dilettantische dieses geistreichen Geflunkers und den Mangel des historischen Ernstes und tieferen Studiums in dieser »modernen« Richtung; ihm mangelte nicht der gute Wille, wol aber die Geduld und Zeit, welch letztere nur zu freigebig und verschwenderisch mit lustiger Kneipgenialität nutzlos und unwiederbringlich verplempert wird.
Zu den schönsten Leistungen zählt wol der »triumphirende Ritter Georg«, womit G. eine Preisaufgabe der Akademie 1868 löste; eine verkleinerte Wiederholung (gegossen von Herzner und ciselirt von Halbreiter), kam 1872 in Besitz des Prinzen Otto. Dann modellirte G. 1869 verschiedene Büsten (noch 1882 eine Richard Wagner's) und concentrirte seine Kraft auf allerlei Gewerbliches, wie die reichen Zimmereinrichtungen für Baron Todesco, den baulustigen Major v. Lutz, Atelier und Bibliothek für die Gräfin Arco-Valley u. dergl., entwarf zur Feier des Sieges bei Sedan eine nicht sehr glückliche, schlotterige »Germania« und inscenirte die glänzende Trophäe vor der Akademie beim Einzug unserer Truppen (1871), eine ganz virtuose Leistung seiner Decorationsgabe; zeichnete Grabdenkmale, modellirte Figuren zu den Oefen von Hauberrisser's neuem Rathhaus, arbeitete mit bei den ebendaselbst errichteten Gedenktafeln zur »Erinnerung an die im deutsch-französischen Feldzug gefallenen Münchener« (diese Gedenktafeln im Atrium des neuen Rathhauses sind entworfen von G. Hauberrisser, ausgeführt von Steinmetzmeister Weigl, die Trophäen und Kränze modellirte Gedon, A. Halbreiter besorgte den Bronzeguß), zauberte Häuserfacaden mit decorativen Figuren und Sculpturen, darunter leitete er auch die Erweiterung und den Umbau des Hauses für den Grafen v. Schack (jetzt mit der berühmten Galerie Eigenthum des Kaisers Wilhelm II.), eine Arbeit, welche 1872–1874 durchgeführt wurde. Das Publicum blieb stutzig, die Kritik, wenn auch nicht so »einstimmig verurtheilend« wie der Berichterstatter in Lützow's »Zeitschrift« (IX, 238), doch mehr als rückhältig mit dem von anderer Seite nur zu beifällig gespendeten Lobe. Der Tadel, daß G. über die einfachsten Regeln der Statik doch gar zu kühn sich weggesetzt habe, ist gewiß nicht unbegründet. G. sei, so hieß es beiläufig, ohne Frage ein bedeutsames Talent, aber es fehle ihm am künstlerischen Wissen und am richtigen Gefühl für das Maaß des Erlaubten; vor allem thue ihm Studium noth, denn alle Begabung ersetze nicht dasselbe u. s. w.
Andere Bauten, welche G. gleichfalls facadirte, z. B. das Palais der Herren Schön und Heyl in Worms, die Villa Meggendorfer, das Eymannsberger Haus am Rindermarkt, des Bankiers Ruederer am Marienplatz und das Hotel Bellevue (mit dem schwerfälligen, völlig unvermittelten Portal), auch die unausgeführten Projecte zum Kunstgewerbehaus in München und Berliner Reichstagsgebäude tragen fast alle mehr oder minder die angedeutete Signatur. Bei aller Hochachtung für Gedon's Talent, sein Wollen und Können, muß man doch gegenüber seiner architektonischen Thätigkeit einige Reserve beobachten. Als G. aus dem Leben schied, war der Künstler weiter gereift, aber noch nicht fertig; bei seinem rastlosen Arbeitsdrang hätte er sich wohl noch mannichfaltig geklärt und geläutert. Er war eine zu ehrliche und gesunde Natur, als daß ihn diese theatralische Effecthascherei in die Länge befriedigt hätte. Der Schwerpunkt seiner Verdienste fällt überhaupt nicht in die Architektur. Seine decorative Begabung verleitete ihn zu Mißgriffen. Diese, häufig ganz unnationale, aus allen Stilarten gemischte, mit der sogenannten »Renaissance« getriebene Willkür, erinnert an die kauderwälsche Sprachmengerei und Wortverwilderung, welche inmitten des XVII. Jahrhunderts unsere Litteratur überfluthete; eine solche Confusion ziemt aber nicht als geistiger Ausdruck eines neuerstandenen Volksbewußtseins. Ein Schriftsteller, welcher heut zu Tage in der Sprache des Philander von Sittewald, im Schwulste eines Daniel Lohenstein oder Hoffmann von Hoffmannswaldau und Christoffel von Grimmelshausen schreiben wollte, würde keinen Leser und Zuhörer finden. Aber im Bereiche der Kunst verlangt man von uns Bewunderung für solche äquivalente Mißgriffe. Glücklicher war G. im Gebiete der decorativen Sculptur und Einrichtung einzelner Säle, z. B. im fürstlichen Schlosse zu Dessau, insbesondere aber in seinen Erzeugnissen für das Kunstgewerbe, obwol auch hier eine fieberhafte, prickelnde Unruhe und Hast fast alle seine Schöpfungen, selbst die sogenannte »Hubertus-Uhr« durchzittert. Es war, als hetze eine dräuende Ahnung der ihm gesetzten kurzen Spanne Zeit den Künstler vorwärts und weiter, der mit einem von staunenswerther Leichtigkeit unterstützten Fleiße das Verschiedenartigste ergriff. Während seine rastlose Phantasie an Ueberraschungen arbeitete, behielt er noch genügende Fonds, um gleichsam spielend, jene decorativen Inscenirungen auf den Ausstellungen zu Paris, Wien und München und bei unzähligen anderen Anlässen zu arrangiren, in welchen er sein Ingenium bekundete in glänzendster Weise, die freilich das Mißliche hat, daß sie augenblicklich viel angestaunt und bewundert, gleich der Kunst des Mimen und Virtuosen, wieder verschwindet und verduftet und nur in verblaßter Erinnerung bei den Zeitgenossen ein kurzes Fortleben genießt. Hier war G. am größten. Für diese opferwilligen Leistungen verdiente er reichlich Dank und Bewunderung, auch in Form von Ordensauszeichnungen, und Decorationen von Baiern, Preußen, Oesterreich und Frankreich erfolgten, ohne daß jedoch der Künstler darauf absonderlich geachtet oder davon Gebrauch gemacht hätte. Sein Name gewann durch diese Expositionen den universell-populären Klang, welcher rückwirkend seinen plastischen Erzeugnissen zu statten kam.
Es wäre wirklich eine Pflicht der Pietät, alle diese oft nur in den flüchtigsten Umrissen hingeworfenen Skizzen und Ideen in den uns heute zur Reproduction verfügbaren Mitteln wiederzugeben und in einem die gewöhnliche Form weit überbietenden Album zu publiciren. Auch die Mißgriffe und Irrungen eines solchen Genius sind lehrreich und bei richtiger Betrachtung gewinnbringend. Einzelnes hat die »Zeitschrift des Münchener Kunstgewerbevereins« gelegentlich abgebildet, z. B. einen »Lustre und Wandarm« (1877, Tafel 31), ein »Lesepult« (1878, Tafel 16), die von Professor Dr. Sepp eines eigenen Vortrags gewürdigte »Hubertus-Uhr« (1881, Tafel 38), welche als Ehrengeschenk der Stadt München für das VII. Deutsche Bundesschießen gereicht wurde (modellirt von L. Gedon und J. v. Kramer, ausgeführt in Bronze und Silber von Karl Winterhalter, gewonnen von Al. Dandl in Landshut; aufgestellt bei der Internationalen Kunstausstellung 1883), der »Kaminaufsatz« im großen Saale des Münchener Kunstgewerbehauses (1882, Tafel 7) und die schöne »Thüre« für den Prachtbau des Commerzienrathes Heyl zu Worms (ausgeführt von J. v. Kramer und L. Bierling), (1884, Tafel 1). Ein ähnliches Thor erwarb aus Gedon's Nachlaß Dr. Hirth für sein in der Louisenstraße, nächst den Propyläen gelegenes Familienhaus, zu dessen Einrichtung G. die Hauptdirective gegeben hatte.
Von König Ludwig II. wurde G. vielfach bei Ausschmückung des Linderhofes und Chiemseeschlosses mit Aufträgen betraut, insbesondere bei der Anfertigung des berühmten Prachtwagens (vgl. Lützow's Zeitschrift 1873, VIII, S. 14), dessen ornamentaler und figürlicher Theil beinahe ganz aus Gedon's Hand hervorging. Seltsamerweise soll eine Fahrt in demselben, insbesondere durch die erschütternde Gegenwirkung des rückwärts angehängten Posaunenengels nicht zu den Freuden des Lebens gehören.
Zu Gedon's weiteren Arbeiten zählen viele Grabdenkmale, z. B. für die Familie Seckendorf, Kaulbach (1876) und Riedinger (1881 in Augsburg), das Project zu einem Liebigdenkmal und andere Leistungen, darunter auch der Löwe mit dem bairischen Wappen auf dem Starnberger Salondampfer. Auch das Entstehen des sogenannten Paulusmuseum zu Worms und dessen innere Ausschmückung war Gedon's Werk. Zahllose Zeichnungen für Gewerbemeister, Schmiede, Weber u. a. zu Nutz und Zier des Lebens, zur behaglichen Gestaltung von Wohnräumen lieferte seine immer bereitwillige Gefälligkeit. In seinem Hause und Atelier sammelte er eine kostbare Menge der seltensten Alterthümer, Prunkgeräthe und allerlei subtile Erzeugnisse der Kleinkunst, welche er wieder plötzlich losschlug, um aufs neue mit verdoppeltem Eifer frische Schätze zusammenzutragen – ein eigenes Museum, welches er sorglich zur Sicherung der Zukunft für seine zahlreiche Familie ordnete und bestellte. Sonst war ihm das Geld ein ziemlich gleichgültiges Ding, er hatte kaum einen anderen Begriff davon, als daß es Chimäre sei; es flog herein und hinaus. Seine Meinung sollten auch die Auftraggeber theilen. Nicht selten überschritt er seine Voranschläge und widerlegte so, wenigstens indirect aber gründlich, den herkömmlichen Aberglauben, daß ein Renaissancebau billiger zu stehen komme als die »theuere Gothik«. Wenn es nur gut und schön nach seiner Intention wurde, alles weitere blieb ihm gleichgültig. Deshalb änderte er immer wieder, riß rücksichtslos nieder, bis es seiner Meinung und seiner Ansicht genügte. An sich selbst dachte er nicht. Durchaus selbstlos beim stärksten Selbstgefühl war er seinen Freunden ein Spiegel der Treue, ein Muster und Vorbild des fleißigsten Schaffens, aber auch der fröhlichsten Geselligkeit. Ihnen decorirte er, schon den Tod im Herzen, ihr neues Kneiplocal. Die grünen Gewinde und Kränze hingen noch frischduftig an den Wänden, als ihn das längst mit stoischer Ruhe erwartete Ende von seinen qualvollen Leiden erlöste. In der stillen östlichen Ecke an der Arkadenreihe des südlichen (alten) Campo Santo betteten sie ihn zur letzten Ruhe; ein originelles Denkmal steht darüber. Bei seinem Begräbniß zeigte sich ein Wetteifer von Theilnahme, wie sie außer Franz v. Seitz vordem nur Wenigen erwachsen war (vgl. Nr. 360 d. »Augsb. Abendztg.«, 31. Dec. 1883, und »Münch. Neueste Nachrichten«, 1. Jan. 1884). Gedon's Kunstsammlungen wurden am 18. Juni und den folgenden Tagen 1884 versteigert. Der mit Gedon's Porträt nach F. A. v. Kaulbach und vielen Illustrationen von Lossow, R. Seitz u. a. ausgestattete Katalog, umfaßte 1257 Nummern, welche ein überraschend hohes Resultat ergaben.
Vgl. die Nekrologe von Dr. G. Hirth in Nr. 362 d. Münch. Neuesten Nachrichten, 28. Dec. 1883; Nr. 2 d. »Augsburger Sammler«, 5. Jan. 1884; Beil. 6 d. Allg. Ztg. 1884 und Beil. 67 d. Allg. Ztg., 7. März 1884; Dr. Fr. Schneider im 5. u. 6. Hefte d. »Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins« für 1884; Kunstvereins-Bericht für 1883, S. 63 ff.; Nr. 2116 d. Illustr. Ztg., Leipzig, 19. Jan. 1884; Ludwig Pietsch in Paul Lindau's »Nord und Süd«, Juli 1884 (mit Porträt nach F. Lenbach); Regnet in Lützow's »Zeitschrift« 1884. XIX, 251 ff. – G. Hirth, Franz v. Seitz und Lorenz Gedon. Festrede, München 1884. – Fr. Pecht, Aus meiner Zeit, 1894. II, 246 ff. – Singer 1896. II, 21.
Hyac. Holland.
Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1904.
Gedon Lorenz, 1843 (München) – 1883, Bildhauer; Sohn eines Tändlers, war G. Schüler der Bildhauer J. O. Entres und M. Widnmann und wirkte dann in der Kunst der Neu-Renaissance.
Hauptwerke: Pokal für den Akademischen Gesangverein, Figuren zu den Ofen im neuen Münchner Rathaus, viele Grabdenkmäler im Südlichen Friedhof (u. a. von Familie von Kaulbach), Fassaden der Schack-Galerie und des Hauses des Münchner Kunstvereins; Gs. Kunstschöpfungen werden auch heute noch als geschmackvoll geschätzt.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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Boeheim (gb)
* 7.2.1849
† 3.10.1929 (München)
Architektens- und Bildhauers-Witwe
DAS BILDNIS DER FRAU GEDON
Erinnerung an Leibl von Mina Gedon
Seitdem die Münchner Staatsgalerie das herrliche Bildnis der Frau Gedon von Wilhelm Leibl besitzt, wird soviel über dieses Bild gesprochen und geschrieben und soviel halb Wahres, halb Falsches auch, darüber erzählt, wie dieses Bild, das zuerst Eigentum meines Mannes Lorenz Gedon war, in fremde Hände kam und dann viele Jahre verschollen war, daß es mich schon lange drängt, einmal selbst die Geschichte dieses Bildes zu erzählen, so wie sie in meiner Erinnerung lebt.
Als junge Frau habe ich einem jungen Künstler Modell gestanden — und jetzt ist das berühmteste Leiblbild eben dieses Porträt Leibls — das Bildnis der Frau Gedon, das ihm seinen großen Namen schuf.
Es war im Jahre 1869. Ich war seit einem halben Jahre die Frau des Bildhauers Lorenz Gedon geworden. Wir hatten eine kleine Wohnung in der Schwanthalerstraße; und da war unsere Wohnstube ein Anziehungspunkt für viele junge Künstler, denn mein Mann hatte für diese Stube mit großer Liebe schöne alte Möbel und Bilder auf Streifzügen durch Augsburg und Ulm gesammelt. Begeistert kamen die jungen Künstler, meistens Alters- und Arbeitsgenossen meines Mannes zur Zeit seines Studiums auf der Akademie, um in unserer Wohnstube zu malen.
Und da kam eines Tages auch Wilhelm Leibl, mit Malkasten und Leinwand bewaffnet. Er nahm nach einigen Stunden eine reizende Studie mit sich fort, die wir dann trotz öfteren Fragens danach nie mehr zu Gesicht bekamen.
Ungefähr nach vierzehn Tagen erschien Leibl wieder bei uns, aber nicht mehr um das Stübchen zu malen, sondern mit der Bitte an meinen Mann, die Bewohnerin der Stube malen zu dürfen. Das war für mich ein neues Erlebnis, daß nicht nur meine Wohnstube, sondern auch ich selbst malenswert sei. – Leibl war damals fünfundzwanzig Jahre alt, eine kräftige, gedrungene Athletengestalt. Nach seiner ganzen Art wie er sich kleidete und gab, hätte ich keinen Künstler in ihm vermutet. Er war gerade aus der Akademie ausgetreten und hatte noch kein Atelier.
Mein Gatte, welcher schon auf der Akademie ein großes Interesse für Leibl und seine Begabung hatte, willigte gerne ein, daß er mich male, und versprach Leibl, daß er ihm mit Atelier und allem behilflich sein wolle. Es freute meinen Mann, daß Leibl mit diesem Bilde sein Glück in der Ausstellung machen wollte. Im Bildhaueratelier meines Mannes wurde ein Winkel eingerichtet. Ich freute mich sehr darauf, bei der Entstehung eines Bildes nicht nur als Zuschauerin, sondern als Modell zu dienen.
In meinem Staatskleide aus heller Rohseide, einen alten Filigranschmuck mit roten Steinen um den Hals, – diesen Schmuck besitze ich noch – mit einem kleinen, grauen Strohhute am Arme, so stand ich da und wartete der Dinge, die da kommen sollten. Die erste Sitzung war, durch meine Schuld, nicht von langer Dauer. Ich erkannte bald, daß das Gemaltwerden keine so leichte Sache sei. Der vertiefte Maler malte und malte, und ich als junge Frau in einer Verfassung, in welcher es schwer ist, lange stille zu stehen, wurde blasser und blasser, so daß es nötig wurde, die Sitzung zu unterbrechen. Leibl war unglücklich und ich beschämt über meine Schwäche. Wir beiprachen, daß die Sache für den nächsten Tag besser eingerichtet werden müsse. Es sollte für Stärkung mit Speise und Trank gesorgt werden, und so ging es wieder frohgemut mit Gatte und Maler und den besten Vorsätzen ins Atelier. Zwei Stunden stand ich ununterbrochen tapfer. Mein Gatte mahnte einigemale, daß ich ausruhen und mich stärken müsse, doch Leibl machte darüber ein so unglückliches Gesicht, daß ich jede Unterbrechung ablehnte. Aber leider mutete ich mir zu viel des Guten zu. Ein plötzlicher schwarzer Nebel vor den Augen, ein Sausen in den Ohren, und ich fand mich in den Armen meines Mannes, der mich gerade noch vor einem Sturze bewahrte. Als ich aus der Ohnmacht wieder erwachte, sah ich ein erschrecktes, aber auch sehr ärgerliches Gesicht und eine tiefe Stimme brummte grollend: Teufel, Teufel! Mein Mann bemühte sich, Leibl den Grund meines Unwohlseins – meiner Zimperlichkeit, wie dieser meinte – zu erklären. Nun stammelte Leibl allerdings mit einigen verlegenen Worten eine Entschuldigung, aber er wäre eben gerade so schön im Zuge gewesen, – und so wunderbar – und deshalb eben: Teufel, Teufel!
Nun war es natürlich Ihr diesen Tag wieder vorbei. Wenn ich mich an diese kleine Szene erinnere, höre ich noch heute dieses sonore: »Teufel Teufel!« Der arme Leibl – jetzt verstehe ich das besser – war so vertieft in seine Arbeit gewesen, nichts anderes gab es für ihn in diesen Augenblicken auf der Welt. Damals war ich aber doch etwas gekränkt, denn zwei Stunden ohne Unterbrechung stille zu stehen, hatte ich doch für eine ganz schöne Leistung gehalten und hatte eher erwartet, ein Lob zu ernten. Es hätte mir aber doch leid getan, die Sitzungen für immer aufzugeben; wäre dies geschehen, so könnte heute niemand das herrliche Bild in der Staatsgalerie bewundern und daran studieren. So tröstete ich schließlich Leibl damit, daß es von Tag zu Tag besser gehen werde, daß er mir aber versprechen müsse, mir hie und da eine kurze Pause zuzugestehen.
In den weiteren Sitzungen, eigentlich müßte ich ja sagen »Stehingen«,ging es nun auch besser. Ich tat mein Möglichstes, mein Lorenz war stets bereit mit Wein und Bratwürsteln und zur rechten Zeit auch mit mahnenden Worten an den Maler. Immerhin bedurfte es großer Geduld von meiner Seite; denn mit Leibls Geduld war es schlecht bestellt. Wenn ich nur ein wenig die Farbe wechselte, blaß oder rot wurde, dann brummte Leibl selbstvergessen unhöflich vor sich hin. Ich glaube, daß er oft vergaß, daß ich ein Mensch von Fleisch und Blut, mit Nerven behaftet und noch dazu eine junge Frau war, die ein Kind unter dem Herzen trug; für ihn war ich einfach das Bild, das seinem Geiste vorschwebte.
Fast nach jeder Sitzung war Leibl unzufrieden mit seiner Arbeit und grollte mit sich und der Leinwand, war nervös und verstimmt, und übermalte am nächsten Tage alles, was am Tage vorher entstanden war. Es ging lehr langsam vorwärts mit dem Bilde. Schließlich konnte mein Gatte sein Atelier nicht mehr zur Verfügung stellen und auch seine Zeit als Behüter und Beschützer nicht mehr opfern, denn seine Arbeiten für den Königswagen Ludwigs II. drängten zur Fertigstellung. So mußte ich mit Leibl umziehen. Heinrich Lossow bot uns sein Atelier an und übernahm gleichzeitig die Beschützerrolle gegen Leibls Künstlereifer. Da gab es manchen Scherz und Lachen von seiten des gewandten Heinrich Lossow über Wilhelm Leibls Verkehr mit Damen. Außerhalb seiner künstlerischen Tätigkeit, im Verkehr mit mir als Mensch, war Leibl ja voll scheuer Ehrerbietung, fast hilflos durch seine zurückgezogene Lebensart; als Künstler aber war er ein Tyrann, so eingefühlt in sein Schaffen, daß ihn die kleinste Störung während der Arbeit zu fast brutalen Äußerungen hinriß. Deshalb weigerte ich mich auch, ihm allein, ohne Schutz, überlassen zu sein. Gott, wie war ich voll Unruhe, wenn es, – was während der langen Zeit, die die Sitzungen noch dauerten, doch ab und zu vorkam, daß ich mit ihm allein blieb!
Drei Monate waren ungefähr dahingegangen! Der Maler aber war mit sich sehr unzufrieden. Öfters wurde das fast fertige Bild verändert und übermalt. Endlich aber, als das Bild, so wie wir es heute kennen, als fertig zu betrachten war, machte mein Gatte mit energischen Worten Schluß. Er war begeistert über das Werk und nannte alle Bedenken Leibls Grübeleien. Ich selbst lernte verstehen, daß das Bild wundervoll gemalt sei, aber ich hörte ganz gerne, wenn man es nicht für absolut ähnlich hielt, sondern offen sagte, daß das Modell hübscher sei, denn ich gefiel mir nicht sehr auf dem Bilde. Mein Spiegel schien mir liebenswürdiger zu sein. Auf jeden Fall war es für mich wirklich Zeit, mich von den Leiblstrapazen auszuruhen. Schmuck und Hut wurden noch zur eingehenden Fertigstellung an einer Gliederpuppe zurückgelassen. Zu dritt im Bunde wanderten wir zu einem kleinen Fest in unsere Wohnung, wo wir froh und erleichtert im Renaissancestübl einen Schmorbraten speisten, den Leibl schon längst für diese Gelegenheit bestellt hatte. Nach einer Woche kam auch das Bild, das Leibl selbst als das Eigentum meines Mannes erklärte, in das selbe Stübchen. Der Platz war schon vorher ausgewählt, und auch ein Rahmen war schon dafür bei einem Ausflug nach Dachau im Gärtnerhäuschen des Schloßgartens gefunden worden.
Nun kommt noch eine heitere, kleine Nachgeschichte. Mein graues Schleierhütchen war ja noch bei Leibl zurückgeblieben und auf dieses Hütchen war ich wirklich stolz. Es war mein Staatshut aus feinem grauem Stroh in Chinesenform, mit einem langen, grauen Schleier garniert. Als Agraffe diente ein Exemplar eines schön präparierten Totenkopfschmetterlings, ein Geschenk von Heinrich Lossow. Ich bat Leibl öfters um meinen Hut, lange ohne Gehör zu finden. Endlich eines Sonntags, ich stand gerade am Fenster, sah ich Leibl durch die Schwanthalerstraße anmarschieren. Er hielt den Hut fest unter den Arm gepreßt, und der Schleier schleppte vergnügt im Staube nach. Als Leibl ihn mir dann mit seinen mächtigen Händen überreichte, sah er ziemlich defekt aus. Wir waren beide betrübt, Leibl noch betrübter als ich, und er stammelte in seiner Art mit tiefer Stimme hilflose Entschuldigungen. Ein lautes Lachen Lorenz Gedons, der ja so gut lachen konnte, befreite uns aus dieser Situation; er richtete vorläufig den Zerstörten mit geschickten Händen etwas zurecht und versprach mir einen neuen Hut, was Leibl sehr beruhigte.
Vier Wochen hing das Bild in unserem Zimmer. Mein Mann freute sich jeden Tag aufs neue darüber. Dann kam es in die Ausstellung im Münchner Glaspalaste, aber es hatte leider damals in München nicht ganz den durchschlagenden Erfolg, den wir erwartet hatten. Da wurde viel gelobt, aber auch viel getadelt, und namentlich hatten diejenigen, die mich kannten, an der Ähnlichkeit zu kritteln.
Nach Schluß des Glaspalastes mußten wir Leibl das Versprechen geben, ihm das Bild für die Parifer Ausstellung zur Verfügung zu stellen, denn es war eine dringende Einladung aus Paris an ihn ergangen. Mein Gatte konnte sich schwer von dem Bilde trennen. Allerdings handelte es sich für uns nur um eine zeitweise Trennung, denn wir dachten nicht daran, daß es nicht mehr zurückkommen werde. So reiste das Bild im Dachauerrahmen nach Paris; und dann sahen wir es nicht wieder! Der Erfolg Leibls in Paris mit dem Bildnisse der Frau Gedon war größer als in München. Leibl bekam auch ein für die damalige Zeit sehr hohes Angebot und zugleich die Zusicherung der ersten goldenen Medaille, wenn er das Bild einer Privatsammlung, der des Herzogs Tacher de la Pagerie, überlassen wolle. Ich selbst war Fürsprecherin für Leibl; war es doch für den jungen, unbemittelten Maler von größter Wichtigkeit, so anerkannt zu sein und endlich sorglos arbeiten zu können. Als dann zum Schlüsse dringende Telegramme kamen, ging ein kurzes »Ja« zurück. Aber ich schäme mich nicht es zu sagen: es war ein »Ja« mit Tränen!
Leibl kam später, auch als wir schon in das eigene Haus in der Nymphenburgerstraße umgezogen waren, noch viel zu uns. Er versprach, mich noch einmal zu malen: dieses zweite Bildnis wurde aber leider nicht mehr zur Tat, da Leibl ja damals nicht mehr dauernd in München war.
Plötzlich nun nach vielen, vielen Jahren wurde das Bild durch den Kunsthändler Herrn Kommerzienrat Heinemann wieder in seine Heimat nach München gebracht. Er hatte es bei einer Auktion in Paris erworben. Im Kunstsalon Heinemann sah ich es nach so vielen Jahren wieder. Leibl und mein Gatte sind ja schon lange tot. Dann erwarb es die Staatsgalerie, wo es hoffentlich für immer seine Ruhe findet. Ich stehe manchmal, jetzt eine 76jährige alte Frau, davor. Mir hat das Bild wohl am meisten zu erzählen; wir beide tauschen Erinnerungen aus an schöne, anregende Zeiten, da Leibl und Lorenz Gedon noch lebten und in der ersten Blütezeit ihres Künstlertums standen. Auch vieler anderer Freunde denke ich dabei, die nun fast alle schon aus dieser Welt geschieden sind und einer anderen Generation Platz gemacht haben.
Die Kunst für Alle. München, 1925.
Frau Mina Gedon zu ihrem 80. Geburtstag
Als Gattin Lorenz Gedons, des Bildhauers und Architekten, der die Entwicklung des Münchner Städtebilds unter König Ludwig II. und mit seinen Freunden Lenbach und Rudolph Seitz neben dem künstlerischen auch das damalige gesellschaftliche Leben der Stadt wesentlich beeinflußt hat, spielte Frau Mina Gedon dank ihrer anmutigen Weiblichkeit eine Rolle in der alten Münchner Gesellschaft. Sie war die Zierde so manchen Künstlerfestes, wenn sie dort als altniederländische Patrizierin oder als Rittersfrau erschien. Als solche hat sie zusammen mit ihrem Söhnchen, der heute als reifer Mann die künstlerische und gesellschaftliche Ueberlieferung des Hauses Gedon weiterpflegt, Fritz August von Kaulbach in einem seiner ersten Bildnisse festgehalten in all ihrer entzückenden Anmut. Das Bild ist anno dazumal durch Reproduktionen populär geworden, heute allerdings, wie auch manche Bildnisse der schönen Frau, die von Lenbachs Hand stammen, fast vergessen und jedenfalls zurückgedrängt durch Wilhelm Leibls frühestes Meisterwerk, das den internationalen Ruhm seines Schöpfers begründet hat und nach mancherlei interessanten Schicksalen einige Jahre vor dem Weltkrieg bei einer Pariser Auktion wieder aufgetaucht, in scharfem Wettbewerb mit anderen Interessenten von der Münchner Kunsthandlung D. Heinemann erworben und unter grosszügigen Bedingungen dem bayerischen Staat überlassen worden ist. Jetzt gehört es zu den wertvollsten Schätzen der Staatsgalerie am Königsplatz.
Frau Mina Gedon hat einmal in der »Kunst für alle« von den Erinnerungen geplaudert, die dies Bild in ihr wachrief, an das Jahr 1869, da es entstanden ist in monatelanger Arbeit des Künstlers und ebenso dauernder Geduldsprobe des Modells, an dessen körperliche und seelische Widerstandskraft von Leibl in entwaffnender Naivität unerhörte Anforderungen gestellt wurden. Es war das erste Jahr der Gedonschen Ehe, und die junge Frau sah damals Mutterfreuden entgegen. Uebrigens eine echt Münchner Ehe von Anbeginn. Lorenz und Mina waren in den Ruffinihäusern an der Sendlinger »Gaßn« als Nachbarskinder aufgewachsen, in der Peterskirche wurden sie an einem schönen Januartag getraut, und das sich anschliessende Würstel-Frühstück wurde mit den Zeugen Rudolph Seitz und Franz Rathspieler in fröhlichster Laune, hoch über des Alltags Getriebe, eingenommen — in der Türmerstube der Frauenkirche. Eine Künstlerehe wurde daraus, wie sie sein soll. Verständnisvoll waltete die Hausfrau neben dem schaffenden Feuerkopf, hatte auch Sinn für dessen Sammelleidenschaft, die ihn zu einem der besten Kenner und glücklichen Besitzer alter Kunstwerke machte. Noch in sein Sterbezimmer ließ sich Lorenz Gedon eine neuerworbene gotische Säule tragen und seine Frau, der angesichts des Unabwendbaren wirklich nicht froh zumuthe war, musste sich mit dem bereits vom Tode Gezeichneten freuen und zu jeder Handreichung mit fröhlicher Miene über das mächtige Stück, das das Krankenzimmer fast ausfüllte, wegsteigen.
Frau Gedon hat ein gutes Teil des alten München noch erlebt und erzählt gerne davon im Familien- und engeren Freundeskreise. Die Zeiten sind andere geworden und die alte Dame mag manchmal in ihrem gemütlichen Alterstübchen kopfschüttelnd auf das Neue blicken. Und doch ist gerade München die Stadt, wo man am ehesten erkennt, wie Vergangenheit und Gegenwart innerlich verbunden sind, wo man wie damals, als neben Gedon und dem jungen Kaulbach auch der ringende Leibl und sein Kreis sich entfalteten, heute noch Kräfte verschiedenster Art und Richtung sich auswirken sieht. Darum wird die »Gedonmutter« auf ihr langes Leben zurückschauend erkennen: Der tiefste Auftrieb, der sich im Leben dieser Stadt offenbart, ist doch geblieben heute wie damals, und das soll uns Gewähr auch für die Zukunft sein. K. Fr.
Generalanzeiger der Münchner Neuesten Nachrichten Nr. 39. Samstag, den 9. Februar 1929.
Aus dem bayrischen Nachbarlande.
Eine Altmünchener Künstlerfrau gestorben. In München starb im 81. Lebensjahr nach kurzer Krankheit Frau Mina Gedon, die Witwe des bekannten Bildhauers und Erbauers der alten Schack-Galerie. Das Leben Frau Gedons fiel in die glanzvollste Periode des Münchener Künstlertums. Ihr Gatte war schon 1883 gestorben. Auf dem Künstlerfest früherer Zeit erschien Frau Gedon als eine der bekanntesten und reizvollsten Figuren. Berühmt ist das Gemälde, das Fritz August Kaulbach von ihr schuf. Auch Lenbach hat sie wiederholt gemalt. Ein Porträt, das Wilhelm Leibl von ihr malte, begründete den internationalen Ruhm seines Schöpfers. Das Bild erlebte mancherlei Schicksale, tauchte vor dem Weltkrieg in Paris auf und wurde daselbst in einer Auktion in heißem Kampfe von einer Münchener Kunsthandlung ersteigert, die es der bayerischen Staatsgalerie zum Geschenk machte, wo es sich heute befindet. Frau Gedon hinterläßt fünf Kinder, von denen sich mehrere dem Künstlerberuf widmeten.
Salzburger Volksblatt Nummer 228. Freitag, den 4. Oktober 1929.