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MR – 279 (Campi)

Ω

Die Grabinschrift ist nicht erhalten

Eine historische Abbildung zeigt folgende Inschrift:

Hier ruht
Antonia Campi
geb: Miklasiewiećź aus Lublin
Kai:Kön:Kammersëngeriñ in Wien.


In ihr entschlief
eine treue Gattinn,
eine zärtliche Mutter,
eine hochgeachtete
Künstlerinn!


Sie endete
auf einer Durchreise
in München
die Reise des Lebens
am
Iten October MDCCCXXII.
um jenseits zu
singen
im Chore der Engel.

Ω

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Antonia Campi (vh)

Miclacewicz (gb)

* 10.12.1773 (Lublin)
† 1.10.1822 (München)
Sängerin

Antonia Campi.

(Breslau 1820.)

Aus früher Kindheit kenn’ ich Deinen Nahmen
und Deinen Ruhm, Du große Sängerin,
Denn alle die aus fremden Landen kamen,
Erhoben Dich, des Liedes Meisterin;
Wie lange schon entzücken die Gesänge
Die Dir entschweben der Bewundrer Menge?

Und heute noch, wie in der Jugend Blüthe
Voll Anmuth und voll Lieblichkeit erklingt
Dein Silberton, der innig zum Gemüthe
Aus dem er kam, unwiderstehlich dringt.
Ja wie’s dem Phönix wundersam gelinget,
So hast Du Dich, Antonia, verjünget.

Das sind der Kunst unendliche Gewalten!
Wer in des ew’gen Ruhmes Tempel drang,
Der stirbt nicht mehr! Die Musen selber halten
Geebnet ihm den ird’schen Künstlergang.
Oh viva viva prima Donna rara!
Apoll mit Dir, Du bist die größ’re Mara.

Allgemeine musikalische Zeitung (17.10.1821)

Berlin. Uebersicht des September. Drey Sängerinnen aus Wien haben in diesem Monate uns angenehme musikalische Stunden verschaft. Die erste war die kaiserlich königliche erste Hof Kammer und Hof-Opernsängerin Mad. Antonie Campi. Sie sang in den beyden am 7ten und 15ten von der Generalintendantur veranstalteten Concerten; im ersten eine Scene und Cavatine von Bianchi, eine Bravourarie von Gyrowetz, eine Scene und Arie mit Chören von Caraffa und Variationen von Riotte über die Romanze aus Joseph in Aegypten, und im zweyten eine Szene und Arie von Paer, eine Arie mit der von Hrn. Semler gespielten obligaten Bratsche von Morlacchi, eine Szene und Cavatine von von S. Mayr, und Bravour-Variationen mit Chor über das Thema: God save the King, mit deutschem Text von Berner.

Auch trat sie am 28sten als Constanze in Mozart’s Zauberflöte, beydemal in dem diesen Monat wieder eröffneten und neu im Innern restaurirten Opernhause auf. Sie entwickelte durch ihre vollen und weichen Mitteltöne, da die tiefen nicht bedeutend stark und die hohen dünn, aber noch bis zum dreygestrichenen E rein und angenehm sind; auch bewunderte man den unübertrefflichen Triller, das schöne Staccato, die vollkommenen Coloraturen und Passagen, das ausgebildete Portamento, die Schwingung des Tons durch verschiedene Nuancen von forte und piano, den chromatischen Lauf, die unübertreffliche Zartheit, Innigkeit, Lieblichkeit und Nuancirung ihres Gesangs. Wir haben Hoffnung, sie noch länger hier zu hören.

Die zweyte war Dem. Marie Therese Sessi […] Die dritte war Dem. Mariane Kainz […]

Allgemeine musikalische Zeitung Nr. 42. 17. Oktober 1821.

Allgemeine musikalische Zeitung (17.7.1822)

Der vorige Reichstag, und vorzüglich der Aufenthalt Sr. Maj. des Kaisers und Königs während demselben in Warschau war Ursache, dass fast zu gleichen Zeit drey berühmte Sängerinnen bey uns erschienen.

Mad. Campi aus Wien, die hier zuerst auftrat, erhielt außerordentlichen Beyfall, und fand auch die grössten Vortheile, wozu der Umstand nicht wenig beytragen mochte, dass sie eine Polin von Geburt ist. Eine Arie mit unterlegtem polnischem Texte: ich begrüsse dich, theures Vaterland etc. war das erste, was die vortrug. Sie gab drey Concerte und trat als Amenaide in Tancred von Rossini auf.

Mad. Sessi sang nur in zwey Concerten, gefiel im ersten, besonders in der Scene aus Romeo und Julie ebenfalls ungemein, und wollte sich noch in Scenen hören und sehen lassen; allein durch ein Missverständniss in Rücksicht der ferneren Preiserhöhung, unterblieb dies.

Dieselbe Ursache entfernte uns auch Mad. Campi, die aber das Glück hatte, von Sr. Maj. mit einem Fermoir, mit Brillanten besetzt, beschenkt zu werden, obschon für diessmal Se. Maj. nicht im Theater waren.

Mad. Catalani, die ihre Superiorität besonders durch die Erzwingung einer noch grössern Preis-Erhöhung der Plätze beurkunden wollte und der es nicht gelang, trat nicht öffentlich auf; sie entzückte ihre Verehrer durch ihren Gesang nur in ihrer Wohnung, und in einigen Privat-Gesellschaften.

Allgemeine Musikalische Zeitung Nr. 29. 17. Juli 1822.

Flora (5.10.1822)

Miszellen

Mit dem Gefühle des innigsten Bedauerns vernahmen alle Freunde des Gesanges den schnellen Tod der ersten k. k. Hofsängerin Mad. Campi, welche erst seit kurzer Zeit in München angekommen war, gleich erkrankte, und bei uns das Ziel ihrer irdischen Bestrebungen finden sollte. Sie starb am 1. October Abends 7 Uhr an einem Entzündungsfieber. Schmerzlich tönt uns wieder der bange Klageton entgegen, daß auch das Schöne vergehen müsse, und daß des Sängers und des Mimen Gebilde oft nur zu frühe unwiederbringlich uns entschwinden. Ja, Alle werden dieses tief mit uns empfinden, welchen das Glück zu Theil ward, den Gesang dieser so ausgezeichneten Künstlerin in früherer Zeit, ja selbst noch vor einigen Jahren bei ihrer Anwesenheit in München zu bewundern. Ausgestattet von der Natur mit dauerhafter Gesundheit und kräftiger Körper-Beschaffenheit, so wie mit einer herrlichen, in allen Lagen umfangreichen, wohlklingenden Stimme, die besonders zu einer ungewöhnlichen reinen Höhe gesteigert werden konnte, entzückte sie in Vereinigung mit einem höchst ausdruckvollen imponirenden Vortrage, welcher eine seltne Größe von Kunstausbildung erreichte, ganz Europa, und erwarb sich den wohlverdienten Ruhm, mit einer Sesst und Catalant, das Kleeblatt der ersten Sängerinnen unsrer Zeit, vollenden zu dürfen. Wohl sind ihre Zauberklänge jetzt verschwunden, auf ewig sind die Lippen geschlossen, denen oft ein ätherischer Strom begeisternder Melodien entquoll. Sie, die Schöpferin dieser mächtigen, uns erfreuenden Töne, liegt in der kalten Gruft; doch in der warmen Brust derer, die sie entzückte, lebt das schöne Andenken uud die Erinnerung so mancher herrlichen Stunde fort, und diese lebhafte Theilnahme ist der letzte, aber der schönste Zweig zu dem unverwelklichen Lorbeerkranze, den ihr die Mitwelt um die Schläfe wand. Die Chöre der deutschen und italienischen Oper sangen Ihr bei ihrer gestrigen Beerdigung ein Grablied.

Flora Nro. 159. München; Samstag, den 5. Oktober 1822.

Flora (11.10.1822)

Theater-Anzeige.

Danksagung.

Vom tiefsten Schmerze durchdrungen, erfülle ich die traurige Pflicht, allen verehrlichen Mitgliedern der k. Hofkapelle und der k. Hoftheater, welche durch ihre Gegenwart bei dem Begräbniße meiner Frau und dem für ihr Seelenheil statt gehabten Gottesdienste eine so lebhafte Theilnahme an ihrem Dahinscheiden, als eine ehrenvolle Würdigung ihrer Kunst bewiesen, mit gerührtem Herzen meinen innigsten Dank abzustatten. Der Verklärten haben Sie durch diese schöne Auszeichnung zum ewigen Andenken den letzten Lorbeerkranz gewunden, mir aber wurde dadurch aufs Neue die Größe meines unersetzlichen Verlustes fühlbar.

Mit der wiederholten Versicherung des Dankes und der Hochachtung empfehle ich mich und die Entseelte in Ihr wohlwollendes Andenken.

München, den 9. October 1822.

Gaetano Campi,
Tonkünstler.

Flora Nro. 162. München; Freitag, den 11. Oktober 1822.

Morgenblatt für gebildete Stände (16.10.1822)

Korrespondenz-Nachrichten
München, Ende September.

Die berühmte Wiener Sängerin, Mad. Campi, liegt hier krank darnieder, und die Aerzte geben wenig Hoffnung. Sie kam vor zehn Tagen hieher, um, wie es heißt, bey unserer, Mitte dieses Monats wieder ihre Wirksamkeit beginnenden, italienischen Oper Engagement zu suchen.

Morgenblatt für gebildete Stände Nro. 248. Mittwoch, den 16. Oktober 1822.

Allgemeine musikalische Zeitung (23.10.1822)

NACHRICHTEN.

Nekrolog.

Madame Campi, die bekannte geachtete Sängerin, ist nicht mehr. Sie kam um die Mitte des Septembers in hiesiger Stadt an, dachte wohl daran, im Erinnern des vor einigen Jahren hier geernteten Beyfalles, neue Lorbeeren zu pflücken, wurde aber von einem Entzündungsfieber ergriffen, und fand statt derselben — ihr Grab. Sie wurde ehrenvoll in öffentlicher Feyer den 5ten October zur Erde bestattet. Chöre der hiesigen Musikvereine hatten sich dabey versammelt, um einen von Hrn. Stunz componirten Trauergesang anzustimmen. Der Schmerz des tiefgebeugten anwesenden Gatten, der schnelle unerwartete Glückeswechsel ergriff die Herzen. Ein feierliches Todtenamt in der Kathedralkirche schloss diese Auftritte der Trauer.

Allgemeine musikalische Zeitung No. 43. 23. Oktober 1822.

Allgemeine musikalische Zeitung (26.10.1822)

Antonia Campi, k. k. Hofopern-Sängerin, gestorben im October 1822.

Über den Tod dieser berühmten, und durch ihre grosse Kunst ausgezeichneten Sängerin haben wir hiermit den Freunden der Kunst sowohl, als besonders den vielen in Wien befindlichen Verehrern der Verblichenen, folgende nähere Nachrichten übergeben wollen.

Nachdem die Künstlerinn mit ihrem Gatten in München, wohin bey einer vorhabenden Kunstreise ihr Weg sie zuerst geführt, dem Anscheine nach wohlbehalten angekommen war, befiel sie plötzlich, wahrscheinlich die Folge einer während der Reise sich zugezogenen Erkältung, eine so heftige Lungenentzündung, dass die Kunst der herbeygerufenen Ärzte sowohl, als die sorgfältigste Wartung und Pflege an der Heftigkeit der Krankheit scheiterte, und die wirklich unvergessliche Künstlerinn zum Leidwesen der Münchner-Kunstwelt verschied.

Der hohe Stand von Bildung, welcher an dieser kunstliebenden Stadt von jeher bemerkt wurde, zeigte sich auch in dem hohen Grade von Theilnahme, welchen dieser für die Kunst und den zurückgebliebenen Gatten empfindliche Verlust in den Herzen aller Fühlenden wirklich erregt hat.

Der Leichnam der gefeyerten Sängerinn wurde am 4. October auf eine höchst feyerliche Art zur Erde bestattet, indem die Intendanz der königlichen Theater, alle Mitglieder der deutschen und italienischen Oper, alle Professoren der Musik, und eine grosse Menge ausgezeichneter Personen und Einwohner Münchens denselben zu Grabe begleiteten, und ihre ungeheuchelte Trauer über den zu frühen Verlust einer so berühmten Sängerinn zu erkennen gaben.

Der betrübte Gatte suchte der Abgeschiedenen Andenken dadurch zu verewigen, dass er für ihre dort ruhenden Gebeine ein immer bleibendes, eigenes Grab stiftete. Da aber die Landesgesetze das Eigenthum eines Grabes nur für den Zeitraum von zwanzig Jahren gestatten, so widmete derselbe ein Capital, dessen Zinsen in zwanzig Jahren immer wieder den Kaufschilling aufs neue darbiethen, zu diesem Entzwecke.

Hierdurch werden kommende Zeiten nie in die empfindliche Verlegenheit gerathen, in welcher sich oft die Welt befindet, wenn sie die Stelle, welche die sterblichen Reste eines durch seine hohe Schöpferkraft unsterblich gewordenen Genius umschliesst, aufzusuchen vergeblich bemüht ist.

Das Loos des grossen Künstlers im Gesange, so wie aller Virtuosität scheint auf den ersten Anblick desselben zu betrauern, weil von seinem Werk nur der Nachhall übrig bleibt, aber gross sind oft die Folgen, welche das Leben eines durch seine Kunst ausgezeichneten Sterblichen hinterlässt.

Alle imponirenden grossen Erscheinungen in diesem Gebiethe äussern eine so unwiderstehliche Macht, einen so entschiedenen Einfluss auf ihre Mitwelt, dass das Vortreffliche, das eigenthümliche, welches die an dem hochbegabten Individuum bewundert, in den Herzen der Zeitgenossen eine geistige, bleibende, nie verwelkende Wurzel fasst, aus welcher in der immer fortschreitenden und Neues gebährenden Zeit, durch neue Impulse emporstrebender Geister, stets schöne und duftende Blüthen für die Kunstwelt emporspriessen.

Eben so wird die treffliche Schule, welche den Gesang der Signora Campi in vielfacher Beziehung immer zu einem Muster erhob, und deren schöne Anwendbarkeit sich nicht allein bey so vielen dramatischen Vorstellungen in unserm Gefühle ein bleibendes Andenken verschaffte, sondern auch durch Unterricht in die Masse der Künstler und Dilettanten überging – in vielfach ausstrahlenden Zweigen, besonders aber in Wien, dem festen Wohnorte der Verbliebenen, sich verewigt finden.

Ihr grosses Portamento, ihr musterhafter Triller, ihre auserordentliche, Bewunderung erregende Geläufigkeit, ihr gewagtes und doch sicheres Spiel mit den gefahrvollen Klippen des hohen Soprans, ihre feste und reine Intonation – diess sind Vorzüge, welche von Jedermann, Kenner oder Liebhaber, an der Künstlerinn einstimmig bewundert wurden, deren Verlust in ihrer Individualität wir lange schmerzlich empfinden werden.

Mozart’s Zauberflöte darf den Tod der Künstlerinn ernstlich betrauern, eben so wie Donna Anna und Lodoiska, Constanze und mehrere grosse Charaktere des gesungenen Dramas ihren Verlust schmerzhaft fühlen werden. Jedes Theater aber wird oft den frommen Wunsch hegen, dass die keine Anstrengung scheuende Bereitwilligkeit, die grössten Theils gesunde und mit Unpässlichkeiten sehr wenig behaftete Natur der abgeschiedenen Sängerinn, auf seine noch lebenden Individuen, als ein unveräusserliches Legat erblich übergehen möge.

Manche Städte Deutschlands, besonders Dresden und Leipzig, sahen die verblichene Sängerinn in ihrer frühsten Jugendperiode, als Mitglied der italienischen, von Guardasoni dirigirten Oper, Prag wird sie nie vergessen. Pohlens grosse Städte feyern ihr Andenken auf die innigste Weise, aber Wien besonders betrauert ihren Verlust.

Wir fügen das in München bey ihrem Begräbnisse verfasste Gedicht bey.

Grablied (1822)

bey der Begräbnissfeyer der k. k. österr. ersten Hof-Kammer- und Hofopern-Sängerinn
Antonia Campi.

Gedichtet von Reger, in Musik gesetzt von Hartmann Stenz,
abgesungen den 4. October 1822 in München.

1.
Hier über stillen Gräbern weilet
Der Geist der Unvergänglichkeit;
Dahin mit raschen Fluthen eilet,
Im trüben Lauf der Strom der Zeit.

2.
Des Todes Engel ist dem Frommen
Kein Schreckensbothe, wenn er winkt:
Herab als Freund sieht er ihn kommen,
Und seines Lebens Schaale sinkt.

3.
Zu früh der Künstler Bahn entrückte
Auch Sie des Schicksals strenge Hand,
Die jüngst noch eine Welt entzückte,
Die Sängerinn aus fernem Land.

4.
Und unsrer Wehmuth Klagethöne
Verhallen heut zu ihr hinab:
Doch Himmelan schwingt sich das Schöne;
Nur Irdisches umschliesst das Grab.

5.
Was sterblich ist wird einst zu Staube,
Der Geist wird seinen Schöpfer seh’n.
Erhebe uns, o heil’ger Glaube!
Wir werden jenseits aufersteh’n.

6.
Diess Leben ist ein Traum hienieden,
Nur Trug und Täuschung unser Loos:
Lass Herr der Welten deinen Frieden
Uns finden in der Wahrheit Schooss.

Allgemeine musikalische Zeitung Nr. 86. 26. Oktober 1822.

Abend-Zeitung (29.10.1822)

Correspondenz-Nachrichten.
Aus München.

Die treffliche Sängerin Campi, im Gasthofe zum schwarzen Adler dahier angekommen, um Gastrollen zu geben, ist durch eine todesgefährliche Brustkrankheit an das Lager gebunden.*)

*) Sie ist am 1. Oct. gestorben.

Abend-Zeitung 259. Dienstag, den 29. Oktober 1822.

Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften (1835)

Campi, Madame Antonia, Kaiserl. Oesterreichische Cammer- und Hof-Opernsängerin in Wien.

Sie war aus Polen gebürtig, kam ums Jahr 1785 als erste Sängerin zu der italienischen Operngesellschaft des Guardasoni, welche damals abwechselnd in Prag und Leipzig spielte, und heirathete hier bald darauf den bei dieser Gesellschaft befindlichen italienischen Baßsänger Campi; ihr Familienname aber ist bis jetzt nicht bekannt geworden.

Im Jahre 1787 schrieb der unvergeßliche Mozart in Prag eigens für sie die Parthie der Donna Anna in der Oper »Don Juan«, welche auch ihrer ausgezeichnet schönen, milden und weichen Stimme vollkommen angemessen war, und in welcher sanften und sentimentalen Rolle sie sich überall glänzenden und dauernden Beifall erwarb. So widmete sie ihr Talent und ihren Fleiß den Bewohnern Prag’s und der Börse des Theaterunternehmers Guardasoni viele Jahre hindurch mit großer Aufopferung, und wurde demohngeachtet von letzterem schlecht belohnt und keineswegs anständig behandelt.

Dieserhalb verließ sie Prag im Jahre 1801 und ging nach Wien, wo sie als erste Sängerin an Schikaneder’s Theater an der Wien angestellt wurde und sich ebenfalls den wohlverdienten Beifall des Publicums zu erhalten wußte. Zu Anfang des Jahres 1818 kam sie in Wien als erste Sängerin zum Hof-Opern-Theater und wurde 1820 zur Kaiserl. Cammersängerin ernannt.

Im Herbst 1818 gab sie Gastrollen in Leipzig, wo sie die ältern Freunde der dasigen Oper, deren Mitglied und schönste Zierde Madame Campi vor mehr als 20 Jahren gewesen war, mit Achtung und großer Erwartung empfingen; aber mit Bewunderung und lebhaftester Freude sahen sie ihre Erwartungen in gewisser Hinsicht noch übertroffen.

Die Frische ihrer Stimme, die nun einmal der Blüthezeit des Lebens vorbehalten ist – diese kaum abgerechnet, fand man an der trefflichen Künstlerin noch all die Vorzüge, mit welchen sie früher ihre Zuhörer so oft entzückt hatte, und eine wahrhaft bewundernswürdige Geübtheit, Fertigkeit und Geschicklichkeit, für die auch das Allerschwierigste nicht nur ausführbar, sondern leicht scheint, war noch hinzugekommen. Jedoch wünschte Jedermann, wie auch früher schon in Prag und Wien, daß sie sich, besonders in Mozart’s Musik, durch ihre große Kehlgeläufigkeit nicht zu so zahllosen, und noch weniger zu ganz harmoniewidrigen Verzierungen hinreißen ließe.

Nicht geringern Beifall ärndtete sie hierauf in Dresden ein, so wie im Herbst 1819 in Frankfurt a. M., München und Stuttgart. Die Anmuth der Jugend hatte sie verlassen, die Blüthe der äußern Form, welche auf den Bühnen unserer Tage oft über Gebühr geschätzt wird, war verwelkt, und dennoch wußte diese Frau durch den Zauber ihres Gesanges jedes dafür empfängliche Gemüth zu fesseln.

Im August 1821 gab sie Gastrollen in Prag, wie im September und October in Berlin, trat auch an beiden Orten in einigen Concerten auf, und bewies auf’s neue, wie sehr sie in ihrer Kunst mit dem Geiste der Zeit fortgeschritten, so wie an Ausdruck und Empfindung gewonnen habe, und daß sie unbestritten zu den ersten Bravour-Sängerinnen ihrer Zeit gerechnet werden müsse. In demselben Jahre 1821 unternahm sie auch eine Kunstreise nach Warschau, wo sie während des Reichstages sowohl in drei Concerten, wie auch als Amenaide in der Oper »Tancred« von Rossini außerordentlichen Beifall erhielt und das Glück hatte, von Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland, Alexander dem Ersten, mit einem kostbaren Brillantringe beschenkt zu werden.

Um die Mitte des Septembers 1822 besuchte sie München wieder, dachte wohl daran, in Erinnerung des vor einigen Jahren daselbst erhaltenen Beifalls, neue Lorbeeren zu pflücken, wurde aber plötzlich von einem Entzündungsfieber ergriffen und fand statt derselben – ihr Grab. Sie starb in München am 30. September 1822 und wurde am 3. October in öffentlicher Feier ehrenvoll zur Erde bestattet, wobei sich Chöre der Münchner Musikvereine versammelt hatten, um einen von Capellmeister Stunz componirten Trauergesang anzustimmen. Der Schmerz des tiefgebeugten anwesenden Gatten, der schnelle unerwartete Glückswechsel ergriff alle Herzen. Ein feierliches Todtenamt in der Cathedralkirche schloß diese Auftritte der Trauer.

Der Umfang der Stimme der Madame Campi wir in deren Blüthezeit sehr bedeutend, von klein g bis ins dreigstr. f, mithin beinahe 3 Octaven. Am schönsten und einander vollkommen gleich waren indeß die Töne vom mittleren bis zum hohen c; die tiefen waren nicht so stark und wohlklingend, und manche der höheren etwas scharf, zuweilen fast kreischend.

Ihre Stimme hatte aber nicht allein eine außerordentliche Kraft, sondern war auch äußerst biegsam, und nicht minder, erfreuete sie durch Deutlichkeit, Bestimmtheit und Reinheit des Vortrags; aber auch ihr Gesang mit halber Stimme war sehr schön. Ihr Triller war überraschend und unübertrefflich; kühn, richtig abgemessen und sehr gleichförmig, was sie öfters durch staunenswerthe Durchführung zeimlich langer Trillerketten bewies. Ihr Tragen des Tones vom leisesten Piano bis zum stärksten Forte war herzergreifend, und die Sicherheit, womit sie sich öfters vom tiefsten Tone bis zum höchsten hinaufschwang, möchte wohl jetzt nur noch wenigen Sängerinnen eigen seyn, wie sie auch überhaupt die größten Schwierigkeiten im Gesange mit seltener Fertigkeit überwand.

Das schönste Staccato, die vollkommenen Coloratouren und das kunstgemäß ausgebildete Portamento wurden überall bewundert. Ihr vibrirender Ton bewies ihre große Uebung in der diatonischen Tonleiter, die chromatischen Scalen führte sie mit großer Präcision aus, und mit vollem Recht mußte man ihr die drei Puncte der alten Singschule: formare, fermare und finire, zugestehen. Ihre belebte Declamation und die ihr eigenthümliche Leidenschaft im Spiele wurde noch bewundert, als sie bereits an Jahren ziemlich weit fortgeschritten war. Bedeutende Theater-Kenntnisse unterstützten sie dabei.

Bei einem Vergleiche zwischen der Catalani und der Campi wurde versichert, daß letztere, bei einer länger erhaltenen und umfangreicheren Stimme, eine weit gründlichere Gesangsmethode, bedeutendere Musikkenntnisse und einen längeren und präciseren Triller habe. Nur zwei Fehler wurden an ihr, als ihren herrlichen Gesang verunstaltend, getadelt. Der eine war: das zu plötzliche Verstärken und gleich darauf eben so jähe Verschlucken der Töne, welches sie oft so sehr übertrieb, daß es, besonders in gebundenen Noten, fast in ein Heulen ausartete. Der zweite bestand darin, daß sie nicht drei Töne nach einander ohne Mordent, Vorschlag oder irgend einen anderen Schnörkel vortrug, und zwar in jedem Zeitmaaße.

v. Wzrd.

Baron von Winzingerode: Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst. Stuttgart, 1835.

Österreichische National-Enycyklopädie (1837)

Campi, Antonia, wurde bey Schikander und Zitterbarth 1801 von Prag engagiert, und debutirte bey der Eröffnung des neuerbauten Theaters an der Wien am 13. Juny desselben Jahres. Ihr Vater, Musikmeister in Warschau, war auch ihr erster Lehrer im Gesang, Pianoforte, Violine und Clarinette. Später ehelichte sie in Prag den Bassisten Gaetano Campi, bereiste mit ihm Italien, und bildete ihren Vortrag hauptsächlich nach jenem der berühmten Billington. In Mozart’s letzter Oper: La Clemenza di Tito, sang sie, 1791 noch Anfängerinn, die Servilia; sonst setzte er für sie niemahls eine Note; wohl aber für seine Schwägerinnen, nahmentlich für Mad. Lange die Bravour Arien (der Constanze) in der »Entführung aus dem Serail«, und im »Schauspieldirector«; für Mad. Hofer, nachmahlige Meier, die Königin der Nacht; die Sopran-Parte seiner italienischen Opern: Don Giovanni, Figaro und Cosi fann’ tutti, sind für die Sängerinnen Storace, Cavallieri, Ferrarese und Villeneuve geschrieben. Mehr als ein Decennium später glänzte C. in jenen Compositionen, und bey ihrem Ableben war sie in einem Alter von 56 Jahren. Ihre Stimme blieb unverändert, obwohl sie viele Kinder, ja sogar Drillinge zur Welt gebracht. In ihren letztern Lebensjahren machte sie noch eine Kunstreise, auf welcher sie 1817 in Brünn sang, und dort sehr ausgezeichnet wurde.

Österreichische National-Encyklopädie. Wien, 1837.

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich (1857)

Campi, Antonia (Sängerin, geb. zu Lublin 10. Dec. 1773, gest. zu München 1. Oct. 1822). Sie ist die Tochter des polnischen Tonkünstlers Miklasiewicz [Bei Gräffer und Dlabacz irrig Michalowicz]; früh entwickelte sich ihr musikalisches Talent, so daß sie schon 1788, also im Alter von 15 Jahren Kammersängerin des Königs von Polen war. Später begab sie sich nach Prag, wo sie auf der Prager Bühne mit großem Beifalle sang und sich am 2. Februar 1792 mit dem Sänger Gaetano Campi vermälte. In Wien trat sie zum ersten Male bei der Eröffnung des neuen Schikaneder'schen Theaters an der Wien am 13. Juni 1801 in der Oper »Alexander« als Kiasa, Königin von Indien auf. Die Angabe demnach, die sich in Schladebach, Schilling, Fétis u. a. findet, daß Mozart den Part der Donna Anna für Mad. Campi geschrieben, ist unrichtig. Mozart schrieb diese Rolle für Therese Saporiti. Erst ein Decennium später glänzte sie in den Mozart'schen Opern als Vitellia, Donna Anna, Constanze und Königin der Nacht und war als Bravoursängerin sehr berühmt. In der Folge, als die Verwaltung des Theaters an der Wien mit jener der beiden Hoftheater vereinigt wurde, sang sie abwechselnd an der Wien und im Hofoperntheater. Ihre Stimme blieb noch in späteren Jahren, ungeachtet sie 17 Kinder, darunter 4mal Zwillinge und einmal Drillinge gehabt, klangvoll, und auf einer Kunstreise im J. 1817, einer zweiten im J. 1822 erntete sie, obgleich schon 49 Jahre alt, allgemeinen Beifall. Auf letzterer überraschte sie in München der Tod.

Allgemeine Theaterzeitung von Ad. Bäuerle 1841, Nr. 214 [worin die falschen Angaben, welche über diese Künstlerin in die Oeffentlichkeit gekommen, von ihrem Sohne Jakob Campi berichtigt werden]. — Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 440 und VI. Bd. Suppl. S. 386. — Gerber (Ernst Ludwig), Neues histor.-biogr. Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1812, Kühnel, gr. 8°.) I. Bd. Sp. 619. — Dlabacz (Gottfried Johann), Allg. hist. Künstler-Lexikon f. Böhmen (Prag 1815, 4°.) I. Bd. Sp. 262.

Dr. Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Wien, 1857.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Campi Antoinette, geboren am 10. Dezember 1773 in Lublin, war die Tochter des polnischen Tonkünstlers Miclacewicz und vertauschte schon am 2. Februar 1792 ihren polnischen Namen gegen einen italienischen, indem sie sich mit dem bekannten Mozart-Sänger und Buffo der Guardasonischen Truppe in Prag, Gaetano Campi, ehelich verband.

Frühzeitig entwickelte sich ihr musikalisches Talent und sie nahm ihr erstes Engagement bei der erwähnten italienischen Gesellschaft 1785 in Warschau. Mit derselben zog sie gastierend umher und errang, besonders in Prag und Leipzig große Erfolge. 1801 nahm sie als erste Sängerin ein Engagement am Theater a. d. Wien unter Schickaneder an, welche Bühne sie am 13. Juni desselben Jahres als »Kiasa« in »Alexander« betrat. Sie feierte derartige Triumphe an der erwähnten Privatbühne, daß die Hofoperntheater-Direktion auf sie aufmerksam wurde und ihre künstlerische Kraft wünschte. Es kam auch Anfang 1818 zum Engagement. Ihre Erfolge blieben ihr hier wie dort getreu und machte sie sowohl in Wien als auf ihren Gastspielen in Dresden, Frankfurt, München, Stuttgart, Berlin, Warschau etc. geradezu Furore.

Ihre Leistungen wurden den hervorragendsten künstlerischen Darbietungen ihrer Zeit beigezählt. Als 1822 die deutsche Hofoper in Wien aufgehoben wurde und viele der bisherigen Mitglieder mit einer größeren Abfindungssumme verabschiedet wurden, bat sie, man möge sie nicht ganz entlassen, und ihrer wiederholt gerühmten, großen Kunst gedenkend, der sie auch 1820 den Titel einer k. k. österreichischen Kammersängerin verdankte, sie nur dann und wann bei Festlichkeiten singen lassen, um der jüngeren Generation zu zeigen, wie man einst gesungen. Allein diese Bitte wurde ihr, obzwar sie noch immer ausgezeichnet sang und noch immer imstande war, mit den neuen Gesangssternen zu konkurrieren, rundweg abgeschlagen und unweigerlich ihre Entlassung beschlossen.

Tief gekränkt wandte sie sie sich nun nach München, wo sie bei ihrem Gastspiel geradezu Sensation hervorrief. Doch gleich nach der Ankunft erkrankte die Künstlerin und binnen vier Tagen starb sie, am 1. Oktober 1822, an einer Gehirnhautentzündung. Man sagt, daß der kalte Empfang des Münchener Intendanten auf die ohnehin durch ihre Entlassung in Wien tiefgekränkte Künstlerin den schmerzlichsten Eindruck hervorgerufen haben soll.

C. sang musterhaft in der alten italienischen Weise und war eine sogenannte Bravoursängerin. Sie gehörte zu den gefeiertsten Sängerinnen und ist es unmöglich, alle Rollen aufzuzählen, die sie in deutschen und italienischen Opern unter dem Jubel der Zuhörer sang. Der Umfang ihrer Stimme betrug in ihrer Blütezeit volle 3 Oktaven und man stellte sie, hinsichtlich dieser Mittel sowohl als ihrer musikalischen Bildung wegen neben die Catalani, einige erhoben sie sogar in ihrem Enthusiasmus über dieses Weltwunder an Stimme.

Der strenge Castelli meldet von dieser ausgezeichneten Koloratursängerin in seinen »Memoiren«: »Ihre Kehlengeläufigkeit war wirklich wunderbar, sie konnte alles damit machen, was sie wollte, ja selbst wenn sie etwas heiser war, konnte sie noch die schwersten Partien singen; sie besaß keine Brust-, sondern eine etwas spitze Kopfstimme. Gehaltene Töne waren bei ihr weder voll noch schön, aber das musikalische Feuerwerk brannte sie bewunderungswürdig ab. Sie sang den Part der Königin der Nacht in der hohen Tonart, in welcher ihn Mozart ursprünglich schrieb, und das Stakkato klang wie springende Perlen. Mit Virtuosität sang sie auch die Donna Anna im »Don Juan« und die Constanze in der »Entführung«. Jedenfalls gehörte die C. zu den abnormen Kunsterscheinungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Ludwig Eisenberg’s Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert; Verlagsbuchhandlung Paul List; Leipzig, 1903.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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