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PETER v. WINTER
HOFKAPELLMEISTER
U. KOMPONIST
* 1754 † 1825
ANNA WINTER
KAPELLMEISTERS W.
* 1758 † 1827
Tafel
PETER VON WINTER
KOMPONIST UND
HOFKAPELLMEISTER
ZU MÜNCHEN
GETAUFT 28.8.1754 IN MANNHEIM
GESTORBEN 17.10.1825 IN MÜNCHEN
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* 28.8.1754 (Mannheim)
† 17.10.1825 (München)
Kapellmeister und Komponist
München, den 18. Oktober. Gestern Nachmittags um 5 Uhr starb dahier im 71. Jahre seines Alters an Entkräftung, der königl. Kapellmeister Herr Peter von Winter, Ritter des Civilverdienstordens der baierischen Krone, nachdem Er der Kunst in einer langen Reihe von Jahren zahlreiche in ganz Europa mit dem ausgezeichnetsten Ruhme gekrönte Meisterwerke geliefert, sich um die Bildung junger Kunsttalents die größten Verdienste erworben und 48 Jahre 6 Monate glücklich an der Seite einer Gattin verlebte, die den Verblichenen in tiefester Trauer beweint.
Eos 166. Zeitschrift aus Bayern. Mittwoch, den 19. Oktober 1825.
Bazar.
Biographien.
Peter von Winter.
Die Redaktion des Beobachters für Deutschland und Bayern hat die schöne patriotische Idee aufgefaßt, von Zeit zu Zeit biographische Notitzen über bayerische Künstler in ihr viel verbreiteres »Conversations:Blatt« vom 27. Februar aufzunehmen.
Ich schmeichle mir daher nicht vergebens, daß diese kleine Skizze, als ein frischer Lorbeerzweig auf das Grab unsers einst so ausgezeichneten Tonkünstlers, des königl. Hofkapellmeisters Peter von Winter eine freundlich gefällige Aufnahme finden werde.
Derselbe, Sohn eines churpfälzischen Leibgardistens wurde zu Mannheim im Jahr 1755 geboren, und mir glücklichen vielversprechenden Anlagen ausgestattet, schon im Jahr 1705 als Violinist bei dem damals durch seinen Künstlerflor im In- und Auslande hochberühmten Hoforchester angestellt.
Eine unwiderstehliche Neigung für Kompositionskunst gewann ihm das Wohlwollen des gelehrten Abts Vogler, von welchem er die erste Anweisung im Generalbaß und Contrapunkt erhielt.
Seine höhere Weihe in die Mysterien der Kunst empfing er von dem k. k. Kapellmeister Salieri in Wien. Bald glänzte er als ein schimmerndes Gestirn im Reiche der Harmonie. Die gebildetsten Nationen unsers Welttheils huldigten im Verlaufe eines halben Jahrhunderts seinem glanzvoll emporstrebenden Talente.
Er schrieb ausser unzähligen Konzerten für alle hiefür geeignete Instrumente, Ballet-Musiken, Simphonien, für München, Wien, Prag, Venedig, Neapel, Mailand, London und Paris zwei und dreißig große Opern. Alle wurden mit ausgezeichnetem Beifall gekrönt; sie erwarben ihm einen europäischen Ruf.
Der große Kenner und mächtige Beschützer der Künste, der Kaiser Napoleon ließ ihm während seines Aufenthaltes in München im Jahr 1809 nach Anhörung der Oper, das unterbrochene Opferfest, als Anerkennung seiner Verdienste für die Tonkunst eine werthvolle goldene Dose mit dem Inhalt von zweihundert Napoleonsd'or überreichen.
Von den Königen von Neapel und von Sachsen, wie von mehreren fürstlichen Häusern, erhielt er ähnliche prachtvolle Geschenke; von der früher verstorbenen Kaiserin von Oesterreich für die Composition der Oper Colmal von Collin einen Ring mit Solitair-Brillanten im Werthe von 2000 fl.; und am Tage seiner fünfzigjährigen Dienstes-Feier von dem allerhöchstseligen König Max Joseph den Civil-Verdienstorden der bayerischen Krone.
In seinen zahllosen Kirchen-Musiken, in seinen geistlichen Cantaten herrscht durchgehends ein frommer, zur Andacht begeisternder Styl, voll Würde, und Erhabenheit. Sein Requiem und seine Pastoral-Messe sind schon längst anerkannte Meisterwerke.
Getreu seinem angenommenen Systeme, daß nur tief durchdachter Plan, Ordnung und Klarheit, und eine der vorherrschenden Empfindung in Beziehung auf den Text angemessene Deklamation (was die Italiener caratterizzar la parola nennen), allein auf Herz und Gefühl mächtig zu wirken vermögen, war die Behandlung seiner Instrumentirung stets sinnreich, glänzend, zweckmäßig angebracht, und dem sich frei und ungebunden emporschwingenden melodienreichen Gesange, fern von aller Ueberladung untergeordnet.
Nie nach dem sonderbaren Ruhme strebend, seine Compositionen als greulich originell, und Entsetzen erregend schön gepriesen zu hören; vermied er es, durch Absurdität und Verworrenheit zu gefallen. Weder sinnenbetäubender Lärm, nicht die Kanonschläge der türkischen Trommel, noch der rasselnde chinesische Tamtam wurden je von ihm, aus dem Grundsatze in Anwendung gebracht, daß Alles, was unangenehme, widerliche Empfindung errege, das ästhetische Gefühl verletzen müsse.
Der verdienstvolle königl. Hof- und National-Theatersänger Mittermayer; die lieblichste Myrrha und der herzlichste Benjamin die längst verstorbene Regina Lang, und die zu früh der Kunst entrissene vortreffliche Sängerin Klara Vespermann sind nebst vielen andern ausgezeichneten Subjekten aus seiner Schule hervorgegangen.
Mit Herausgabe seiner als vollendetes praktisches Werk allgemein anerkannten Singschule in vier Bänden beschloß er seine artistische Laufbahn.
Leider scheint nunmehr dieser verdienstvolle Meister so ganz und gar vergessen, seinem Vaterlande und seinen Mitbürgern entfremdet geworden zu seyn.
Zerstreut, und dem Staube überlassen, liegen seine Werke, dem Tageslicht entzogen, in finstern unzugänglichen Behältnissen.
Mit dem letzten Hauche seines der Kunst geweihten Lebens verklangen auch die letzten Töne seiner melodienreichen Gesänge in den Hallen der Tempel, in den Theatern. Nur in dem stillen Andenken seiner wenigen noch lebenden Freünden lebt er noch fort.
Conversationsblatt für Deutschland und Bayern Nr. 79. München; Mittwoch, den 2. April 1834.
Peter von Winter.*)
*) Aus dem demnächst erscheinenden umfassenden, nach archival. Quellen bearbeitetem Werke »Geschichte der Oper in München.« Wir dürfen diese Lebensskizze wohl als die erste vollständige bezeichnen. D. Red.
An der Mauer des alten Münchener Friedhofes, rechts oben, unfern der Arkaden, steht ein in Form einer antiken Lyra gestaltetes Monument. Hier, unter dem mit Immergrün und Rosen bepflanzten Grabeshügel ruht der Componist des »Unterbrochenen Opferfestes«, des »Labyrinth's,« »Tamerlan's« und noch vieler anderer Opern, die einst den Ruhm ihres Schöpfers durch Europa trugen; und doch bedürfen die in diesem Sinne dem Denksteine eingegrabenen Worte:
»Eine Grabschrift unserm Winter? Wandrer, Nein!
Was Europa weiß, verkünde nicht erst dieser Stein.«
für die Mehrzahl der Epigonen gewissermassen einer Erläuterung.
Der einst so hochgefeierte Meister ward allzurasch vergessen, seine einst in London und Paris, in Wien und Berlin mit Beifall gegebenen Opern sind alle – das »Opferfest« etwa ausgenommen – vom Repertoire unserer Bühnen verschwunden; nicht volle 50 Jahre genügten, den Ruhm eines Tonsetzers verblassen zu machen, dessen reich und freundlich schaffendes Talent seinem Namen und seinen Werken gewiß keinen geringen Platz unter den Meistern der Tonkunst sichert – um so mehr gebührt ihm ein Blatt ehrender Erinnerung hier, in der Geschichte der Münchener Oper, für welche er lange, mit hohem Erfolge und treuem Eifer thätig war.
Paul Peter Winter ward im Jahre 1755 in Mannheim geboren, woselbst sein Vater im kurfürstlichen Hofdienste stand. Des Knaben früh hervortretendes Talent und innerste Neigung zur Musik bewog die Eltern, ihn dieser Kunst zu widmen, er ward dem berühmten Violonisten Wilhelm Cramer zum Unterrichte übergeben und machte in kurzer Zeit solche Fortschritte, daß er bereits im Jahre 1764 als Eleve in die damals hochberühmte Hofcapelle seiner Vaterstadt aufgenommen werden konnte. Concertberichte aus damaliger Zeit rühmen des jungen Winter kräftiges, großartiges Spiel, mit jedem Auftreten konnte der jugendliche Virtuose sich gesteigerten Beifalls und allseitiger Bewunderung erfreuen Erfolge, die ihm indeß nicht genügten; ihn drängte es, der in ihm wohnenden Schöpfungskraft durch verschiedene Compositionsversuche Ausdruck zu geben, allein trotz des damaligen so reichen musikalischen Lebens in Mannheim wollte es ihm nicht gelingen, einen ihm zusagenden Führer in die Geheimnisse harmonischer Kunst zu finden, er blieb sich mit seinen Studien selbst überlassen.
Nicht ohne Einfluß auf seine Bestrebungen mag der Umgang mit dem 1771 zum erstenmale nach Mannheim gekommenen Abt Vogler gewesen sein – allein eine förmliche Schule bei jenem berühmten Meister der Theorie machte Winter nicht durch; es ist dies, abgesehen von der angeblichen öfteren Ablehnung Winter's in dieser Beziehung, bei Verfolgung seines ganzen Entwicklungsganges und seiner Compositionsreife undenkbar und unglaublich. Indeß waren eine Sinfonie in D, publicirt in der Sammlung der Mannheimer Tonschule und die Musik zu den Ballet's »Piramus und Thisbe« und »Dido« als die ersten Früchte seines unermüdlichen Strebens erschienen.
Die Musik zu den Ballets componirte Winter als Orchesterdirector des neuerrichteten Marchand'schen Theaters, und dieser Wirkungskreis zunächst war es, der sein Talent für dramatische Musik reifte und kräftigte; hier lernte er bei Aufführung jener reizenden französischen Operetten den Werth und die Wirkung schöner, fließender Melodien kennen, hier machte er sich zuerst mit den Geheimnissen und Effecten der Theatermusik vertraut – in dieser seiner damaligen Stellung ist der Keim seines späteren erfolgreichen Wirkens und Schaffens zu suchen.
Da traf im Jahre 1778 den größten Theil der Mannheimer Capelle die Versetzung nach München; unter denen, welche dem Kurfürsten Carl Theodor in die neue Residenz folgten, befand sich auch Winter, dessen Talent den damals in München weilenden, für Theater und Musik begeisterten Männern, wie Frh. v. Binder, Babo, Carl Reger, Braun u. A. nicht lange verborgen blieb. Angeregt durch diese Freunde erneuerte Winter mit doppeltem Eifer seine Thätigkeit; bereits 1779 kamen die Melodramen »Leonardo und Blandine,« »Cora und Alonzo,« und »Armida« mit Winter's neu componirter Musik auf die Bühne und aufgemuntert durch den ihm deßfalls gespendeten Beifall, schrieb er noch in demselben Jahre die Musik zu fünf großen Ballet's (Heinrich IV.; Tod Hectors; Inez de Castro; der französische Lustgarten; bayer. Lustbarkeiten.). An die Composition seiner ersten Oper »Helena und Paris« wagte sich Winter im Jahre 1780; sie ward im gleichen Jahre aufgeführt und beifällig aufgenommen, dagegen machte er mit der ebenfalls 1780 componirten und in Scene gesetzten Oper: »Bellerophon,« Text von Binder, wenig Glück. Die Musikkener warfen ihm unverschämte Plünderung Gluck'scher Motive vor, auch die Wohlwollenderen fanden, daß er einem großen Stoffe noch nicht gewachsen sei. Indeß, die Bahn war gebrochen; ihn trieb es jetzt, sich auswärts umzusehen; Wien, damals die Capitale der musicalischen Welt war das Ziel dieses ersten Ausfluges. Salieri, bei Hof und in der Musikwelt hoch in Ansehen stehend, nahm Winter freundlich auf; dem Umgange mit diesem großen Meister, seinen Lehren und Anweisungen dankt Winter die feinere künstlerische Politur – vor Allem aber die Kunst, für die menschliche Stimme zu schreiben, wie er selbst sein Leben lang oft und dankbar ausgesprochen hat. Bekannt ist Salieri's Frage, als Winter ihm einige seiner Compositionen vorgeleqt hatte »ob er das Münchener Orchester auch mitgrbracht habe?« Dieser Wink war genügend; Winter entsagte seit jener Zeit der »Orchesterschreiberei« und eignete sich unter Salieri's Aegide jene Schönheit der Form, jene Kunst der musicalischen Rhetorik, endlich die Klarheit in melodischer Führung und Harmonisirung an, welche ihm lange Zeit den Beifall des Publicums und der Kenner sicherten. Eine schwache Seite bei alledem war geblieben. Winter war niemals Contrapunktist; wer an Mozart's, Cherubini's, Boieldieu's und anderer großer Meister auch in ihren Opernwerken so herrlich entfaltete Kunst des Contrapuncts denkt, kann nicht umhin, den Mangel derselben bei dem melodisch und harmonisch so reich begabten Winter doppelt zu beklagen, denn das in seinen Werken allerdings nicht selten vorkommende »contrapunctliche Wetterleuchten« beweist deutlich, daß Winter selbst gefühlt haben muß, was seine »schwache Seite« sei. Der Gelegenheit beraubt, in seiner Jugend deßfalls gründliche Studien zu machen, war es dem in den Tagen seiner ersten Erfolge mit reichem Beifall gekrönten jungen maestro gerade nicht zu verargen, wenn er über dem Schaffen reizender Melodieen das trockene Studium vergaß, in späterer Zeit aber, als auch er die Nothwendigkeit contrapunctischer Bildung erkannt hatte, ließ sich das Versäumte nimmer nachholen.
Mit bereichertem Wissen und gereifter Einsicht nach München zurückgekehrt, schrieb Winter im Jahre 1788 für eines der großen Concerte einen Psalm, welche Composition sich derart des Beifalles zu erfreuen hatte, daß sie ihm die Charge als Capellmeister eintrug, zugleich mit dem Auftrage: für den nächsten Carneval die italienische Oper »Circe« zu componiren. Winter entsprach diesem schmeichelhaften Auftrage sofort. Die Musik war fertig, Alles zur möglichst prächtigen Inscenirung der Oper vorbereitet – als durch die unerwartete Entfernung des Hofes aus München die Aufführung erst hinausgeschoben wurde und später nach des Kurfürsten Rückkunft bei dessen Erklärung »er wolle fortan keine italienische Oper mehr« gänzlich unterblieb. Indeß kam auf dem Haustheater des Grafen v. Törring-Seefeld »Jery und Betely« und die vom genannten Grafen verfaßte Travestie »Medea« mit von Winter componirter Musik im Beisein des ganzen Hofes mit entschiedenem Beifall zur Darstellung. (1789.)
Im Jahre 1791 reiste Winter nach Italien, brachte in Neapel die Oper »Antigone,« in Venedig aber »Catone in Utica« und »il Sacrificio di Creta« zur Aufführung (Für Venedig schrieb Winter außerdem: »fratelli rivali« und »Belisa« beide in München componirt und 1794 in Venedig aufgeführt.) und componirte nach seiner Rückkehr in München die Opern: »Psyche« nach Moliere und »der Sturm« nach Shakspeare, beide ohne günstigen Erfolg. Im Jahre 1794 schloß er mit dem Impresario der kaiserlichen Bühnen in Wien, Baron Braun, einen Contract zur Lieferung neuer Opern. So entstanden nacheinander: »Das unterbrochene Opferfest,« Gedicht von Huber (1795); der 2. Act zur Oper »die Pyramiden,« Text von Schikaneder. [Der 1. Act ward von Gallus componirt] (1797 23. Octbr.) endlich »das Labyrinth«, als zweiter Theil der Zauberflöte, Text von Schikaneder (1798.)
Mit diesen Opern, besonders mit dem »Opferfeste« hatte Winter nachhaltige Erfolge erzielt. Alle Vorzüge seiner Compositionsweise: reizende Melodie und Harmonie, prächtige Chöre, reiche und doch nie überladene, oder die Singstimmen deckende Instrumentation sind in dieser Oper vereint. In München kam dieselbe am 17. August 1797 zur erstmaligen Aufführung, und erlebte bis zum Jahre 1844 eine große Zahl von Wiederholungen [Die letzte Aufführung dieser Oper fand 1844 zur Namensfeier der regierenden Königin Therese Maj. statt. Die Besetzung war: Mafferu – Pellegrini; Murney – Hr. Diez; Myrrha – Frau Diez; Elvire – Frl. Rettich. Der Etikette gemäß unterblieben damals alle Beifallsbezeigungen; bei der einige Wochen vorher stattgehabten vorletzten Aufführung aber brach das Publicum, hingerissen durch Frl. Rettich's Vortrag der großen Coloraturarie in E, in stürmischen Beifall aus, das herrliche Duett: »Wenn mir Dein Auge strahlet«, von Hrn. und Frau Diez wundervoll vorgetragen mußte wiederholt werden.]; seitdem ruht sie auch hier in Vergessenheit, wiewohl das in dem historischen Concerte der Compositionen bayerischer Capellmeister (27. Febr. 1860) aufgeführte Quintett (Nr. 20 der Part.) den lebhaften Wunsch laut werden ließ, die ganze Oper wieder hören zu können. Für Prag schrieb W. die Oper »Ogus«, und kehrte im Mai 1798 mit Ruhm bedeckt nach München zurück. Er stand jetzt auf der Höhe seiner Künstlerlaufbahn. Im Jahre 1800 schrieb er für München »Maria von Montalban«, eine hier wie auswärts beliebt gewesene, oft gegebene Oper, im Jahre 1803 begab er sich nach London. Hier schrieb er (1803-5) die großen Opern: »Calypso«, »Proserpina«, »Zaire« und eine Reihe von Canzoni und Canzonetten. Mit Ehre und Gold beladen, wandte er sich nun nach Paris, und erhielt nach langen und großen Schwierigkeiten endlich die Erlaubniß, den »Tamerlan« für die große Oper in Musik setzen zu dürfen (1805). Der Erfolg war ein achtungswerther, was für einen bis dahin den Franzosen unbekannten Deutschen nicht wenig heißen will.
Die (1806) in und für München componirte Oper »der Frauenbund« (Gedicht von Dabo) mußte wegen der im Buche enthaltenen Zweideutigkeiten bald zurückgelegt werden. Auf Bestellung der Kaiserin Therese in Wien schrieb er die Musik zu Collin's »Colmal«; allein noch vor Beendigung der Partitur starb die hohe Frau, und so gelangte diese Oper erst im Jahre 1809 nur zweimal in München zur Aufführung. Im Jahre 1807 widerfuhr ihm die Ehre, nach Paris berufen zu werden, um dort die große Oper »Castor und Pollux« in Musik zu setzen; der Erfolg war ein mäßiger. Für München schrieb er sodann (1811) die Cantate »die Tageszeiten« und (1814) die »Schlachtsymphonie«, ein musikalisches Gelegenheitsspectakelstück. In diesem Jahre ward dem nun 50 Jahre in bayer. Diensten gestandenen Meister der Civilverdienstorden der bayer. Krone überreicht. Eine große Anzahl von Schülern und Schülerinnen zog seit Langem der Ruf Winter's nach München. Unter denen, welche zu seinen Füßen saßen, nennen wir nur die Bettina Brentano. »Die kleine, feine, liebliche Gestalt nun neben dem kolossalen, aus Holz geschnittenen Maestro zu sehen, ist ein ebenso komischer als malerischer Anblick«, schreibt Reichard 1808. Winter hatte in Anbetracht des durch Aufhebung der Klöster und Stifte sehr fühlbar gewordenen Mangels gut geschulter Singstimmen sich seit längerer Zeit entschlossen, talent- und stimmbegabten jungen Leuten Gesangsunterricht zu ertheilen. Wie hart auch dieses Streben angefochten, weich' Gewicht man auch darauf legte, dsß Winter »in dessen Kehle nie ein Ton vorhanden gewesen, der nicht aus einem Conservatorium, sondern aus der Mannheimer Violinschule hervorgegangen sei« unmöglich als Gesanglehrer wirken könne – er wirkte dennoch, und zwar mit zweifellosem Erfolge. Gerade das Werk, zu welchem ihm nach jenen Urtheilen alle Befähigung abgesprochen werden mußte, seine große Gesangschule hat den Ruhm seiner Opern und übrigen Werke überdauert, ist ein von Lehrern wie Schülern des Gesanges hochgeschätztes Compendium, heute noch in tausend Händen, welches seinen Werth durch die Zeit erprobt hat und lange noch erproben wird. Man prüfe jene herrlichen melodiösen Solfeggien seiner »Gesangschule«, um zu begreifen, daß nicht das Patent als »Professor des Conservatoriums« ausschließlich zum Gesangslehrer befähigt. Aus talent- und stimmenlosen Leuten konnte Winter freilich ebensowenig Sänger bilden, als dies ein Crescentini, Bernacchi oder Aprile je vermocht hätte. Clara Metzger, das einfache aber reich begabte Auer Kind, rechtfertigt unsern Winter in dieser Beziehung glänzender als alle Worte der Welt. Mit ihr zog er nach Norden und nach Süden, überall Zeuge ihrer Triumphe; ja ihre Erfolge begeisterten den betagten Meister zu neuer Thätigkeit. Er schrieb für Mailand 1817 »Maometto« und 1818 »I due Vladimire« – Opern, wie aus seinen besten Tagen. Sein letztes Werk für die Bühne schrieb Winter im Jahre 1820. Es war die Operette: »der Sänger und der Schneider«, am 2. Juli zum ersten Male aufgeführt, und bis 1843 oftmals wiederholt. Für die k. Hofcapelle aber blieb Winter bis zu seinem Tode thätig. Eine Unzahl Piecen, für alle möglichen Instrumente componirt, bestimmt für die einzelnen Virtuosen der Capelle, machte seinerzeit die Runde in allen Concertsälen; nicht minder thätig war er für die Kirche – in dieser Compositionsgattung zwar nicht, den Anforderungen des strengen ächt katholischen Styles entsprechend, aber nach seiner Weise auch hier stets melodisch und klar.
Nach einem reichbewegten, vielgefeierten Leben machten sich endlich auch bei Winter die Rechte der Natur geltend. Schon in jenen friedlichen Moment eingetreten, »wo die Götterdämmerung sich verkündet, und traf ihn im September 1825 August Klingemann, wie er schreibt:
»Die sonst kräftige, hohe Gestalt war durch marasmus sen., woran er litt, niedergebeugt, das lebensvolle Antlitz hatte schon mit dem hippokratischen gewechselt, und das geistvolle Auge schaute wie aus tieferer Ferne hervor. Er war im vollen Anzuge und hatte das Bett bisher verschmäht, ja, waltete noch höchst geschäftig in seiner lieben Tonwelt und begleitete den Gesang einer seiner Schülerinnen mit Energie und Präcision am Fortepiano. Dann ging er, im Geiste und Gedanken ungeschwächt, auf die neueste Musik über, zürnte ihrer immer mehr einreißenden Frivolität, ihrer Abweichung von richtiger Declamation und eigenthümlicher Charakteristik. Beim Abschiede drückte er mir die Hand und ich trennte mich von ihm, für diese Welt auf immer. (Klingemann, Kunst und Natur, 3. Bd. p. 157ff.) Einen Monat später, in der Nacht vom 17. auf 18. Oct. entschlief der Meister zum ewigen Schlaf.
Winter war von großer, imponirender Statur und soll im Aeußern Händel geglichen haben. Flühzeitig vermählt, überlebte ihn seine Gattin zwei Jahre, seine Kinder waren ihm längst in's Grab vorausgegangen. Im Umgange war Winter derb, allein diese Derbheit ward durch eine gewisse Herzlichkeit ausgeglichen. Man hat ihm Sucht zu Ränken und Intriguen vorgeworfen, und ihn einer allzugroßen Vorliebe für das schöne Geschlecht beschuldigt – beides nicht ohne Grund, wie denn auch die gegen Mozart an den Tag gelegte Leidenschaftlichkeit und Erbitterung einen Schatten auf seinen Charakter wirft. Die Bekanntschaft beider datirt aus dem Jahre 1777 während Mozart's Aufenthalt in Mannheim. Zunächst mag die offen und unverhohlen ausgesprochene Abneigung Mozart's gegen Vogler Winter'n erbittert haben, der in freundschaftlichster Weise an Vogler hing, ja selbst als »einziger Freund und Gesellschafter« des in Mannheim mißliebigen Vogler in gleichzeitigen Berichten geschildert wird – wornach also, abgesehen von der unter Künstlern stets üblichen Rivalität, Winter's gereizte Stimmung gegen Mozart sich erklärt, eine Stimmung, die ihn zu Vorwürfen der ungerechtesten Art, z. B. Mozart habe Händel bestohlen, das Hinauftreiben der Singstimmen verschuldet u. dgl. m., hinriß.
Wie hingegen Mozart über Winter's Charakter urtheilt, mag man bei O. Sohn Bd. Ill p. 145 ff. nachlesen. Ob endlich Winter mit seiner oft geäußerten Abneigung gegen »clavierspielende Operncomponisten« auch Mozart einen Hieb versetzen wollte, wie Manche behaupten, ist nicht recht glaublich. Er wußte so gut, oder besser wie Einer wissen und erkennen, daß weder bei der Conception noch bei der Ausführung der unsterblichen Werke des Größten aller Meister der »Clavierspieler« betheiligt war.
Wenn aber Winter gegen eine gewisse Classe von Componisten, welche ihr Tasteninstrument recht sichtlich in ihre Partituren übertragen, aufgebracht war, so kann man ihm nur beistimmen. Durch diese »Clavierhusaren« ward jene Modulationswuth, jenes Zusammenhäufen der wunderlichsten Accorde und »Effecte« heraufbeschworen, welches in seiner Steigerung bereits zur musikalischen Carricatur geworden ist. Einem nur einigermaßen Bewanderten kann es weder beim Lesen der Partitur, noch beim Anhören eines solchen Orchesterwerkes entgehen, welchen Antheil der Flügel an der Phantasie und Ausführung des Tonsetzers hatte. Accorde und enharmonische Wechselungen, welche in ihrer hastigen, unvorbereiteten Aufeianderfolgung am Fortepiano noch immer ganz plausibel klingen, gestalten sich im Orchester, besonders im Bläserchor zu den mißtönendsten, unerquicklichsten Dissonanzen – wenn daher Winter gegen solche Verkehrtheiten sich erhob, so jatte er zweifellos und mit Recht andere Namen im Sinne, als den des unsterblichen Mozart.
Und nun scheiden wir von unserem Meister. Seine menschlichen Schwächen deckt das Grab. Was er aber als begabter Künstler schuf, wird in gewissen Grenzen immerdar seinen Werth behalten. Mag auch die Bühne dem ewig wechselnden Geschmacke der wechselnden Zeit huldigend, Winter's Compositionen für immer bei Seite legen (ein Schicksal, dem auch Andere unterlagen): die mit dem Staube der Vergessenheit bedeckten Partituren des Meisters enthalten noch viele kostbare Perlen, werth der Beachtung und des Studiums jüngerer Künstler. Der Schilderer musikalischer Entwicklungsgeschichte aber wird nie umhin können, bei Betrachtung jenes Zeitabschnittes vom Tode des großen Mozart an bis zum Beginne der Rossinischen, nun auch für »überwunden« erachteteten Epoche, einer Zahl kleinerer, mit Glück und Geschick in ihrer Zeit und für ihre Zeit wirkender Meister zu gedenken. – Als einen der Ersten unter diesen Meistern zweiten Ranges placirt die Geschichte: Peter von Winter.
Frz. M. Rudhart.
Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung Nr. 82. Samstag, den 5. April 1862.
Ein hochverdientes Mitglied der Münchener Oper, Capellmeister Peter von Winter, ist am 18. Oktober dieses Jahres (1826) zu Grabe getragen worden. Seine Wirksamkeit als Kapellmeister, Operncomponist und Gesangslehrer an unserer Bühne trug die herrlichsten Früchte und verdient eine weitere Würdigung. Peter von Winter 1754 zu Mannheim geboren, wurde, zwanzig Jahre alt, als Orchesterdirektor für das deutsche Theater in Mannheim engagirt und kam mit Kurfürst Karl Theodor nach München. In diese Jugendperiode fallen diverse Compositionen von Ballets, Cantaten und Melodramen. Erst im Jahre 1782 wurde in München seine erste Oper: »Helena und Paris« gegeben; ihr folgen nun im Laufe seiner ferneren 40jährigen Thätigkeit achtzehn weitere Opern, von denen »Das unterbrochene Opferfest« (1796) die hervorragendste Composition ist. Unter Winters kirchlichen Werken zeichnen sich mehrere Oratorien, Cantaten, ein treffliches Requiem, ein in sehr edlem Stile componirtes Miserere, mehrere Messen und Vespern aus. Von seinen weltlichen Cantaten, die noch höher stehen, als die geistlichen, ist »Timotheus oder die Macht der Töne«, am höchsten zu stellen. In Behandlung des Gesanges war Winter ein Stern erster Größe; seine Schreibweise war der Stimme vollkommen angemessen und beförderte die Bildung derselben auf ausgezeichnete Weise; seine Melodien sind immer fließend und schmeicheln dem Ohr, ohne das Herz leer zu lassen; doch gelang ihm das Anmuthige mehr als das Erhabene. Um aber Winters Verdienste vollkommen zu würdigen, muß noch angeführt werden, daß er, obwohl selbst ohne Stiinme, einer der trefflichsten Gesangsmeister in Deutschland war. Dieser seiner unschätzbaren Eigenschaft verdankt manche Größe unserer Oper ihre Ausbildung und Reife. Kapellmeister Winter war bis in seine letzten Lebenstage hinein thätig und erreichte ein Alter von 72 Jahren.
Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.
Winter Peter, von, 1754 (Mannheim) – 1825, Komponist und Hofkapellmeister; er wurde schon mit 10 Jahren ins Hoforchester seiner Heimatstadt aufgenommen, war in der Komposition Schüler von Abbe Vogler und kam nach kurzem Wirken am Mannheimer Hoftheater mit Kurfürst Karl Theodor nach München, wo er 1788 Hofkapellmeister wurde und sich durch ausgedehnte Studien- und Konzertreisen nach Wien (Unterricht bei Salieri) und Prag, durch Frankreich, England und Italien weiterbildete; W. ist Schöpfer zahlreicher Opern und Singspiele (Das unterbrochene Osterfest, Maria von Montalban, Kantate »Timoteo«) und vor allem kirchlicher Stücke (26 Messen, darunter zwei Pastoralmessen, drei Tedeum, drei Stabat Mater, ein Magnificat und sieben Tantum Ergo; für die evangelische Hofkirche verfaßte er sieben Kantaten und das Oratorium »Der sterbende Jesus«); in der Periode zwischen Mozarts Tod und Beethovens »Fidelio« war W. im Fach der ernsten Oper unstreitig der erste deutsche Komponist (Max Diez), er, ein sehr fruchtbares, aber vielfach nicht besonders reiches Talent, wußte die deutsche Gesangsweise glücklich mit der italienischen Schule zu verschmelzen.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.