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MR – SP – 1 – 21 (Dahn · le Gaye)

Ω

ANTOINETTE LE-GAYE
GEB. SCHÄFFER
1784 – 1833
CONSTANZE DAHN
GEB. LE-GAYE
K. B. HOFSCHAUSPIELERIN
1814 – 1894
LUDWIG DAHN
K. B. HOFSCHAUSPIELER
1843 – 1898

Ω

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Constanze Dahn (gs)

le Gaye (gb)

* 14.6.1814 (Kassel)
† 26.3.1894 (Landhaus am Chiemsee)
Schauspielerin

Der Bayerische Landbote (22.10.1836)

An Constanze Dahn.

Es sehnt der Geist aus den Alltagsgestalten,
Die flüchtig nur und leer vorüberschweben,
Nach einem Bild, das Kunst, Natur und Leben
In reinster Kraft soll dem Gefühl entfalten.

Solch' edles Bild mit lieblichen Gewalten
Seh'n wir in Wahrheit sich vor uns erheben:
Ein Meisterbild, wie wenig es gegeben
Und wenige sich Lieb' und Ruhm erhalten!

O wandle fort, du holde Meisterin,
Es leitet Dich die Bahn zum schönen Ziele;
Ein Zauberhauch weht sanft aus Deinem Spiele

Und führet mild uns zur Begeist'rung hin;
Er zeigt Natur und Kunst, die Hohe, Reine,
Verwehend alles Schwache und Gemeine.

G. F. N.

Der Bayerische Landbote N. 296. München; Samstag, den 22. Oktober 1836.

Biographisches Taschenbuch deutscher Bühnen-Künstler und Künstlerinnen (1837)

Constantie Dahn geb. Le Gaye, königl. bayrische Hofschauspielerin.

Ihr Vater war Kapellmeister in Cassel, zur Zeit des Westphälischen Königreichs und nachher in Braunschweig. Constantie Le Gaye wurde am 12ten Juni 1814 in Cassel geboren. Schon früh zeigte sie ein bemerkenswertes Talent für die Schauspielkunst. Im siebenten Jahre trat sie in Braunschweig in Kinderrollen auf. Viele Stücke, die für die ehemals berühmte Leotine Fay in Paris geschrieben waren, wurden übersetzt, und Constantie Le Gaye trat mit großem Beifalle darin auf. Interessant ist es auch, daß sie mit Leotine Fay im Aeußern große Aehnlichkeit hatte.

Im Jahre 1825 kam Constantie Le Gaye nach Hamburg, wo sie auch in Kinderrollen mit großem Beifalle auftrat. Sie verließ Hamburg wieder, um im Düsseldorfer Theater unter dem Direktor de Rossi zu wirken. Mit dieser Gesellschaft ging sie auch nach Aachen, wo sie als Rafaele (in dem Raupachschen Stücke) und in mehreren andern Rollen viel Aufsehen machte.

Im Jahre 1830 wurde sie wieder nach Hamburg engagiert, und trat mit großem Beifall als »Hannchen« im Wollmarkt auf. Ihre erste Rolle im eigentlichen Fache jugendlicher Liebhaberinnen war »Pfeffer-Rösel« die sie sehr oft hinter einander mit großem Beifall spielte.

Im Jahre 1833 heiratete sie Fr. Dahn, mit dem sie nach München ging, wo sie mit glänzendem Erfolge Gastrollen gab. Seit dem April 1834 ist sie mit ihrem Gatten bei dem Münchener Hoftheater angestellt, wo sie im Besitz der bedeutendsten Rollen im Fache jugendlicher Liebhaberinnen ist. Hier nun hat sich das Talent der jungen Künstlerin auf glänzende Weise entfaltet. Leontine Fay, die in Paris in Kinderrollen so großes Aufsehen machte, ist nachher nur eine Copie ihres großen Vorbilds, der Dem. Mars, geworden. Für Constantie Dahn war es ohne Zweifel ein Vortheil, daß sie kein solches Vorbild hatte, und ihre Kräfte frei entwickelte. Allerdings verleitete dieser Umstand sie anfangs zu manchen Uebergriffen, zu einer gewissen stürmischen Hast im Vortrage, Fehler, die sie jedoch bald selbst erkannte und beinahe gänzlich abgelegt hat, wie sie überhaupt im steten Fortschreiten begriffen ist, und bereits eine bedeutende Stufe in der Kunst erreicht hat.

Sie gehört jetzt unstreitig zu den vorzüglichsten Künstlerinnen Deutschlands. Sie ist in München der Liebling des Publikums, und zeichnet sich aus durch ihre Leistungen in der Tragödie wie im Lustspiel.

L. v. Alvensleben (Hrsg.): Biographisches Taschenbuch deutscher Bühnen-Künstler und Künstlerinnen; Zweiter Jahrgang; Fischer & Fuchs. Leipzig, 1837.

Münchner Tagblatt (8.2.1838)

An
Constanze Dahn als Yelva.
(Dienstag den 6. Februar.)

Was durch der Dichter immer reges Streben
Uns auf der Welt der Bühne ist erschienen,
Versinnlichend als Bilder da zu dienen
Der bunten Welt, der Dinge all' im Leben:

Weißt Du mit Kraft und Wahrheit uns zu geben,
Das Wort der Lust, der Trauer Schmerzesmienen,
Daß wir als hellen Glanzstern deutscher Bühnen
Im neuen Lichte stets Dich seh'n erheben.

Der Freud' und Leiden wechselnde Gefühle
Bewundern wir in Deinem stummen Spiele:
Die wahre Kunst bedarf der Sprache nicht;

Dieß fühlen wir gerührt und mit Entzücken,
Wenn reizend wir als Yelva Dich erblicken,
Und unser Dank Dir freudig Kränze flicht.

Münchner Tagblatt Nro. 39. Donnerstag, den 8. Februar 1838.

Münchner Tagblatt (9.6.1838)

Hiesiges.

In der vortrefflichen Spezereihandlung des Herrn Birnböck in der Rosengasse sind ausgezeichnete Cigarren, welche den Namen »Constanze-Cigarren« tragen, zu haben. Dieselben sind mit gelber Seide umschlungen, und führen diesen Namen, der liebenswürdigen Schauspielerin Mad. Constanze Dahn zu Ehren. Gleichwie ihre Kunst himmlisch ist, so steigt der Rauch zum Himmel empor, erinnernd, daß man auch sie zum Himmel erheben müsse. Jeder gebildete und das Theater besuchende Raucher wählt nur Constanze-Cigarren. Die gelbe Seide trägt die Farbe eines Kleides der Mad. Dahn und ist ein Zeichen des Haßes aller feindseligen Kritik.

Münchner Tagblatt Nro. 158. Samstag, den 9. Juni 1838.

Münchner Tagblatt (14.11.1839)

An Madame Constanze Dahn, als Fee Cheristane,
bei der letzten Aüfführung des Verschwenders.

Mildleuchtend, wie von heil'gem Schein umflossen,
Der Anmuth hehres Bild, so strahltest Du!
Von seel'ger Liebe holdem Band umschlossen,
Der Blume gleich — zum Leben erst entsprossen,
Stillkehrend jener fernen Heimat zu!

So hat Dein Geist sich kühn emporgeschwungen,
Entfesselt dieser Erde nicht'gem Tand!
Dein Streben Dir das schöne Ziel errungen,
Das Deine Seele mächtig stets umschlungen,
Und Deine Kunst den Sternen neu verwandt!

W. St...r.

Münchner Tagblatt Nro. 314. Donnerstag, den 14. November 1839.

Münchener Tagblatt (6.5.1843)

An Constanze Dahn.

So sah'n wir Deiner Muse freundlich Walten,
Die wir so lange sehnsuchtsvoll vermißt,
Vor unsern Blicken wieder sich entfalten,
Von unsrem Jubel froh und laut begrüßt!
Ja Deine Muse, deren ächte Weihe
Sie zeigte und bedeutsam jetzt aufs Neue,
Daß Kunst nur mit Natur vereint, entzückt.

Hier ist kein eitles, mühevolles Streben,
Wie Du Dich gibst, so bist Du ganz und wahr;
Nicht der Coquette Preis willst Du erstreben,
Das Leben, die Natur ist Dein Altar.
Was Du empfindest, wir empfinden's wieder,
Du gibst uns ja nur eigenes Gefühl;
Der großen Meister Dichtung, ihre Lieder
Versteh'n wir wahrer, tiefer durch Dein Spiel.

D'rum wie Dein Spiel durch Wahrheit uns begeistert,
Das Leben und Geschick uns treulich malt,
Wie Du Dich unsrer Herzen hast bemeistert
Durch Deiner Worte fliegende Gewalt:
So möge Dir die süße Gunst der Musen
Fortan erblühen ewig frisch und jung;
Du trägst den Zauber in dem eignen Busen:
»Begeistern kann nur die Begeisterung«

München am 29. April 1843.

--r.

Münchener Tagblatt Nro. 125. Samstag, den 6. Mai 1843.

Augsburger Tagblatt (14.1.1844)

An Mad. Constanze Dahn als »Parthenia.«

Wie Zauberglanz aus süßem Mährchenlenze
Umduftet uns Dein zartes Minnespiel;
Für eine Welt des Staubes fast zu viel
Sind solcher Liebe holde Maienkränze.

Dein Haupt umschlingen bunte Elfentänze,
In tiefster Seele schlummert das Gefühl:
Du lösest es, Du kennst sein hohes Ziel,
Trägst es begeistert an die Sternengrenze.

Du sprichst ein Wort, und alle Götter schweben
Im Dionysosjubel aus den Höhen,
Und opfern Nektar von des Pindus Reben!

Wenn Dichter so und Künstler sich verstehen,
Dann gibt's Gebilde aus dem schönsten Leben,
Und glorreich kann man die Vollendung sehen.

W...th.

Augsburger Tagblatt No. 14. Sonntag, den 14. Januar 1844.

Der Sammler (1844)

An Constanze Dahn,
als Königin Christine in »Monaldeschi«.

(Eingesandt.)

So kann kein Dichter Charaktere schildern
Im kühnsten Schwung der regsten Phantasie;
Solch' tiefe Wärme giebt den besten Bildern
Der kunstgeübte Malerpinsel nie:
Wie Du erfaßt Christinens ganze Seele
In Stolz und Liebe, in der Launen Spiel;
Daß nicht Ein Zug an Trefflichkeit ihr fehle,
An ihren Mängeln keiner sey zu viel.

Du selber wich'st dem treugegeb'nen Bilde,
Warst Gustav Adolphs große Tochter ganz,
Die Schöne, Hochverständ'ge, Milde,
Die Edelste in Schwedens Franenkranz.
Doch dieser Reitze herrliches Entfalten
Gar oft durch Stolz und eitle Schwäche litt;
Nicht selten auch im süßen Zauberwalten
Sich zierdelos die Leidenschaft verrieth.

Du warst ein Bild des reizenden Ergebens,
Wenn Liebe Dich in süßen Banden hielt;
Die Schreckgestalt des stolzen Widerstrebens
Von Eitelkeit und Eifersucht umspielt;
Denn als gesprungen Deiner Leier Seiten,
Aus deren Silber Dir nur Liebe klang:
Da wußtest Du den Rachestrahl zu leiten.
Daß er in's Leben des Verräthers drang.

Wenn Schwache Dich zu richten sich vermessen,
Und wenn von Neidern Deine Kunst verkannt;
Der Kenner kann der Perle Werth ermessen,
Und er nur schätzet richtig den Demant.
Du warst Christine einzig und vollendet;
Drum kümm're Dich manch' hohle Kritik nicht:
Das Aug' schaut nicht die Sonne, das geblendet!
Die lahme Hand schreibt ihr kein Lobgedicht.

Der Sammler Nro. 9. 1844.

Münchener Punsch (1.7.1855)

Artistisch-literarischer Theil.

Unsere verehrte Künstlerin Frau Constanze Dahn, deren häufige Beschäftigung in neuerer Zeit das Publikum mit Vergnügen wahrnimmt, macht sich auch in anderer Weise der Kunstanstalt nützlich: durch Heranbildung neuer Talente. So debütirte unter ihren Auspizien diese Woche Frln. Gresbach als »Leonie« in dem geistreichen Lustspiel »Damenkrieg«. Die Anfängerin, welche ein schönes Organ besitzt, und in ihren gewandten Bewegungen sogleich die tüchtige Schule erkennen läßt, fand reichen Beifall.

Münchener Punsch Nro. 26. Sonntag, den 1. Juli 1855.

Die Deutsche Schaubühne (1861)

Frau Constanze Dahn ist eine »denkende Künstlerin« im guten Sinne des Worts, ohne den etwas zweideutig gewordenen Nebenbegriff, den man heutzutage oft mit diesem Ausdruck zu verbinden pflegt, wenn man einem Schauspieler, den man ohne Schamerröthen [1] nicht loben kann und doch nicht tadeln will, oder dem man den Pelz waschen möchte, ohne ihn naß zu machen, dieses Epitheton beilegt, gewöhnlich um seine tödtende Langweiligkeit und Trockenheit zu bemänteln. Bei Frau Constanze Dahn dominirt der Verstand; das Gefühl aber findet sich nur in schwachen Anklängen, oft auch fehlt es gänzlich. Ueberall deshalb, wo Reflektion den Kern der Rolle bildet, wird Frau Constanze Dahn Lorbeern ernten, während anderer Seits in den Gefühlsmomenten man zwar ihrem schauspielerischen Talente Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, aber kalt bleiben wird. So ist sie vortrefflich als alte Fadet (»Grille«), Elisabeth (»Graf Essex«) und ähnlichen, weniger gelungen dagegen als Gräfin von Autreval (»Frauenkampf«) u. dgl.

[1] Zwar nur allzu häufig sucht man auch dies bei der Kritik vergeblich, und wie Hamlet seiner Mutter, kann man den Vertretern der Presse, wenigstens den Winkelschreibern, oft genug vorwurfsvoll zurufen: »Schaam, wo ist dein Erröthen?«

Die Deutsche Schaubühne. Organ für Theater und Literatur. Redigirt von Dr. Teodor Mehl. Hamburg; 1861.

Der Bayerische Landbote (3.1.1863)

Erklärung.

Ein vielfach verbreitetes Gerücht wirft mir vor, daß Ich die Rolle der »Elisabeth« in Maria Stuart abgelehnt oder nur aus fingirten Gründen wieder abgesagt habe. Ohne der Quelle dieser mir peinlichen Nachrede nachspüren zu können, erkläre ich dieselbe einfach für durchaus unwahr. Ich war bereit fragliche Rolle meiner Pflicht gemäß und mit größter Freude bei dieser Veranlassung zu spielen, wurde aber durch einen heftigen Krampfhusten genöthigt, unter Vorlage bestätigender Zeugnisse meines Haus- und des k. Hoftheater-Arztes, der k. Hoftheater-Intendanz anzuzeigen, daß ich von Freitag, den 26. bis einschließlich Dienstag, den 30. d. Mts., also vier Tage, dienstunfähig sei.

München, den 31. Dezember 1862.

Constanze Dahn
königliche Hofschauspielerin.

Der Bayerische Landbote No. 3. München; Samstag, den 3. Januar 1863.

Ingolstädter Tagblatt (6.10.1865)

Vermischtes.

München, 4. Okt. Frau Constanze Dahn ist vom 1. d. M. an pensionirt. Seit dem Jahr 1833 war sie ununterbrochen Mitglied unserer Hofbühne und gehörte also zu den wenigen Ueberresten aus der guten alten Zeit des Münchener Theaters, die noch auf uns gekommen sind. In ihrer Jugend war sie berühmt wegen ihrer Schönheit und wegen ihres feinen liebenswürdigen Spieles. Auch die neuere Zeit sah sie noch in Leistungen, die sich sämmtlich durch geistreiche Auffassung, scharfe Consequenz in der Zeichnung und Wahrheit und Noblesse der Darstellung auszeichneten.

Ingolstädter Tagblatt No. 236. Freitag, den 6. Oktober 1865.

Ingolstädter Tagblatt (9.10.1865)

Vermischtes.

Die N. N. bringen folgende Erklärung: »Meinen Freunden und Gönnern, dem Münchener Publikum gegenüber, welches mir während mehr als 30jähriger Dienstzeit bei der hiesigen Bühne stets ein so großes Wohlwollen geschenkt hat, ist es, um Mißverständnissen vorzubeugen, meine Pflicht, bekannt zu geben, daß mir am 1. Octob. und zwar von diesem Tage beginnend von der königl. Hoftheater-Intendanz meine in Ruhestandversetzung zugesendet ward, obwohl ich mich nicht darum beworben und auch keine Angabe eines Grundes erhalten habe. München, 5. Oct. 1865. Constanze Dahn, geb. Le Gaye« — Wir können nur unser lebhaftes Erstaunen und Bedauern darüber ausdrücken, daß man eine so ausgezeichnete Künstlerin, für deren Leistungen das Publikum stets eine so warme dankbare Erinnerung bewahren wird, auf eine so verletzende Weise verabschiedet.

Ingolstädter Tagblatt No. 238. Montag, den 9. Oktober 1865.

Münchener Punsch (15.10.1865)

Kleine Frühstücksplaudereien.

Gestützt auf eine Erklärung der Frau Constanze Dahn, geb. Le Gay, äußern mehrere Blätter ihre Verwunderung, daß es dieser Dame vor ihrer Pensionirung nicht vergönnt gewesen sei, sich dem Publikum in einer Abschiedsrolle noch einmal zu zeigen. Frau Constanze Dahn beherrschte lange Zeit das Repertoire und war einst eine vorzügliche tragische Liebhaberin. Da übrigens beispielsweise auch Härtinger und Pellegrini, gewiß Künstler in des Wortes eminenter Bedeutung, ohne besondere Feierlichkeit von der Arena verschwanden, so scheint das Abschiednehmen überhaupt aus der Mode gekommen zu sein und Frau Constanze Dahn kann sich ihres Theils kaum darüber beklagen. »Starb doch auch Patroklus, und war besser als du!« heißt's im »Homer«.

Münchener Punsch Nro. 42. 15. Oktober 1865.

Unterhaltungsblatt zum Nürnberger Anzeiger (29.10.1865)

Allerlei.

Pensionirung der Frau Constanze Dahn.

Der Münchener Hofschauspielerin Constanze Dahn ist von der Intendanz ihre Versetzung in den Ruhestand angekündigt worden, ohne daß sie darum nachgesucht hätte. Die Genannte, eine geborne Le Gay aus der französischen Schweiz, galt in ihrer Blüthezeit nicht nur für eine der schönsten Frauen, sondern auch für eine der geistvollsten und feingebildetsten Künstlerinnen. Noch bei den Dingelstedt'schen Mustervorstellungen that sie sich glänzend hervor, z. B. als Minna von Barnhelm. In den letzten Jahren übernahm sie das ältere Fach, während ihre Nachfolgerin in jüngeren Partieen die zweite Frau ihres von ihr geschiedenen Gatten, des Heldenspielers Friedrich Dahn, Marie Dahn-Hausmann wurde.

Constanze Dahn ist aus ihrer Ehe Mutter von Prof. Felix Dahn (bekannt als Mitarbeiter an der »Bavaria«), sowie von Ludwig Dahn (am Berliner Hoftheater.)

Unterhaltungsblatt zum Nürnberger Anzeiger Nr. 44. Nürnberg, den 29. Oktober 1865.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale (1893)

Theodor von Küstner schildert in seinem früher erwähnten Buche unser hochverdientes, ehemaliges Mitglied Constanze Dahn als eine ebenso interessante als schöne Dame, die, als sie in der ersten Jugend nach München kam, an eins der glücklichsten Bilder von Goethe's Mignon mahnte. Ihre Auffassung der Rollen schildert der Intendant als eine sehr geistreiche; ihr Muthwille, ihr Schmerz konnte das weitgestellteste Ziel erreichen, ja sogar manchmal übertreffen.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.

Münchner Neueste Nachrichten (28.3.1894)

Nur auf diesem Wege.

Todes-Anzeige.

Nach schwerem, langem Leiden entschlief im 80. Lebensjahre unsere geliebte Mutter, Grossmutter, Urgrossmutter und Schwiegermutter,

Frau Constanze Dahn,
geborne Le-Gaye,
kgl. bayer. pensionirte Hofschauspielerin.

Um stilles Beileid bitten

München und Breslau, den 26. März 1894,
die tieftrauernd Hinterbliebenen.

Die Beerdigung findet Donnerstag den 28. März Nachmittags 4 Uhr im südlichen (alten) Friedhofe statt.

Münchner Neueste Nachrichten Mo. 142. Mittwoch, den 28. März 1894.

Allgemeine Zeitung (29.3.1894)

Feuilleton.

Constanze Dahn und »Der treue Ulan«.

Als zu Anfang des Jahres 1833 Karl Theodor v. Küstner von Darmstadt nach München berufen wurde, um die Leitung der Münchener Hofbühne zu übernehmen, da wurde, wie Franz Grandauer in seiner zum hunderijährigen Jubiläum des k. Hof- und Nationaltheaters im Jahre 1878 herausgegebenen Chronik desselben anführt, die ohnehin nicht leichte Aufgabe, die den neuen Intendanten erwartete, durch den augenblicklichen Zustand des Künstlerpersonals in hohem Grade erschwert: der treffliche Urban, der Baßbuffo Spitzeder und der Komiker Brandt hatten nicht bloß die Bretter, welche die Welt bedeuten, sondern letztere selber für immer verlassen, Löhle und die Sigl-Vespermann mußten pensionirt werden, die Schechner-Wagen hatte die Stimme verloren und Charlotte v. Hagn ein Gastspiel in Berlin (um des affectirten modernen Ausdrucks uns zu bedienen) »absolvirt«, von dem sie nicht mehr an die Ufer Isar-Athens zurückkehrte. Und so lag denn dem neuen Intendanten außer der Lösung einer Reihe van administrativen und finanziellen Aufgaben auch die nicht minder schwierige der Ausfüllung der Lücken ob, welche Tod, Alter und Schicksal in die Reihen der ersten Kräfte der Hofbühne gerissen. Daß er hiebei, um wieder nach berühmten Mustern zu sprechen, eine »glückliche Hand« und manch »glücklichen Tag« gehabt, daß es ihm gelungen, am Münchener Theaterhimmel Sterne ersten Ranges aufgehen zu lassen, welche der Münchener Hofbühne zuin Theil auf Jahrzehnte hinaus zu Ehr' und Zier gereichten, beweisen die Namen, deren Träger und Trägerinnen er schon in den ersten Jahren seiner Intendanzführung dem Künstlerbestande einverleibt: Friedrich und Constanze Dahn, Ed. Hoppe, H. Schöller und W. v. Hasselt im Jahre 1834, Ed. Sigl im Jahre 1836, Friedrich Diez, Sophie Hartmann (die nachmalige Sopbie Diez), H. Sulzer und El. Urban im Jahre 1837, J. N. Meixner, Friedrich Schenk, Th. Mink im Jahre 1838, Karoline Hetzenecker (die nachmalige Frau v. Mangstl) im Jahre 1839, Adolf Christen und Henriette Rettich im Jahre 1842 u. s. f.

Nicht bloß gleiches ideales Streben, sondern auch warmherzige Freundschaft und heiterer Lebensgenuß verband das damalige Künstlervölkchen und so kam es, daß ihrer mehrere oft an spielfreien Tagen zusammen Ausflüge in Münchens nächste Umgebung machten. Nachmittags Kaffeepartien an den Ufern des Starnberger- oder Ammersees oder im freundlichen Postgarten zu Ebenhausen zu veranstalten, war ja damals noch nicht möglich, sintemalen das schnaubende Dampfroß, welches heutzutage dahin führt, in München noch nicht zur Welt gekonnnen war. An einem schönen Augusttage des Jahres 1836 nun (es war ein Mittwoch, der dritte des Ernte- oder Sichelmonds) hatten sich wieder ihrer etliche, darunter vor allem das junge Ehepaar Friedrich und Constanze Dahn, Eduard Sigl, Ferdinand Lang (der schon seit 1827 der Münchener Hofbühne angehörte), aufgemacht und eine Partie nach dem isarabwärts unterhalb Föhring gelegenen St. Emmeran unternommen. Zu denselben gesellte sich der mit ihnen befreundete Münchener Dichter Ulrich v. Destouches, welcher Nachmittags in einem Einspänner nachgefahren kam. In heiterster Weise flossen der frohmüthigen Gesellschaft die Stunden dahin, ein munteres Pfänderspiel trug nicht wenig dazu bei, die allgemeine Lust zu erhöhen, und da konnte es wohl nicht anders sein, als daß dem Dichter, welcher von der damals schon hochgefeierten Künstlerin Constanze Dahn mit einer Blumengabe erfreut worden war, zur Aufgabe gemacht wurde, derselben eine poetische Huldigung darzubringen. Er versprach, sein Pfand binnen Jahr und Tag einzulösen, und als der schöne Tag sich seinem Ende zuneigte, da kehrte er, mit einer poetischen Schuld beladen, in seinem einspännigen Vehikel zur Stadt zurück und nahm in demselben auch Constanzens Erstgeborenen, den damals dritthalbjährigen Felix, mit. Nach wenig Monden schon war er seines gegebenen Versprechens quitt geworden: er hatte eine seiner früher schon erschienenen vaterländischen Erzählungen zu einem einaktigen Drama umgedichtet und sandte dasselbe bereits im April des nächstfolgenden Jahres unter dem Titel »Der treue Ulan«, Scene aus dem letzten Völkerkriege, mit einer poetischen Zueignung der Künstlerin zu.

Mit herzlicher Freude hatte Constanze Dahn die Widmung entgegengenommen und veranlaßt, daß die Dichtung auch von der k. Hoftheater-Intendanz zur Aufführung bestimmt wurde, deren erste am 1. Mai des Jahres 1838 stattgefunden hat. Da die Besetzung der Rollen eine vorzügliche war — die Titelrolle Edmund v. Rauchenstein, Ulanen-Officier, spielte Friedrich Dahn, Wolf seinen Diener Racke, das Försterehepaar Alfred und Elsbeth Wille Hr. Mayer und Constanze Dahn —, war auch die Darstellung durchaus gelungen und wurden die Künstler mit dem Dichter am Schlusse durch ehrendsten Beifall und Hervorruf ausgezeichnet. In besonders herzlicher Weise gab Constanze Dahn ihrem freudigen Dank dem Dichter gegenüber Ausdruck. Nicht minder anerkennend sprach sich die Münchener Localpresse über jene Erstaufführung aus. Das Gleiche war der Fall bei den weiteren Aufführungen, die »Der treue Ulan« noch im selben und in dem folgenden Jahre auf der Hofbühne erlebte. Bezüglich einer derselben, der am 9. April 1859 stattgehabten, äußerten sich — in für die damalige Zeit bezeichnender Weise — die »Münchener Lesefrüchte« u. a. folgendermaßen: »Das Losungswort jener begeisterten Jugend von 1813: »Der treue Tod für Vaterland und Liebe«, ist mit aller Wärme in diesem Drama durchgeführt, wie es nur ein Herz konnte, das selbst einmal denselben Schlachtruf mitgefühlt und in heiliger Schwärmerei ein solches Schicksal sich gewunschen. Aber eben darin finde ich die einzige verwundbare Seite dieser Dichtung, darin liegt der Grund, wenn sie nicht eine allseitige Anerkennung findet — denn die ganze Denk- und Gefühlsweise der darin Handelnden liegt uns zu entfernt, — vor allem ist unsre Jugend jene nicht, bei der die großen schönen Ideen jener Zeit fortleben. Sie erloschen mit dem Kriege, der sie hervorgerufen; und leider fehlen unserm erschlafften Zeitalter jene mächtigen Hebel, die das Herz in seiner eigentlichen Kraft sich äußern lassen, — es muß mit all seinem Fühlen, Träumen und Lieben zu Grunde gehen in dem allzu reellen, dürr-praktischen und öd-conversationellen Treiben unsrer Tage. Darum wird jene Sentimentalität nimmer verstanden, die eine frühere Periode für wahres Gefühl erkannte; ein leichtes Lächeln umzuckt unsre Lippen, wenn wir früher in Schmerz verstummt wären, ein Gähnen der Langweile unterbricht die Expectorationen jener Helden, denen wir früher freudig beigestimmt hätten. Ein anderer Geist ist es, der jetzt den Menschen und vor allem die Jugend beseelt, der so eigentlich deutsche Gemüthsreichthum geht verloren und die Vernunft überflügelt alles Fühlen; wir denken schon, ehe wir noch lieben lernten, und nur mit dem Treiben nach Interessen des Tages ersetzen wir ein stilles Suchen nach dem inneren Selbst-Frieden, nach dem Glück des Herzens!«

Dieses Gefühl des »Außer-der-Zeit-liegens« hat wohl auch die k. Hoftheaterintendanz bezüglich dieses vaterländischen Dramolets beherrscht, da sie demselben seit 1839 keine Wiederaufführung mehr gönnte, obwohl dasselbe, nachdem es i .J. 1839 in den von Phil. Joh. Bayer verlegten zwei Bänden »Erzählungen und Gedichte« von Ulrich von Destouches gedruckt erschienen war, auf einer ganzen Reihe von Volks-, Provinz- und Liebhaberbühnen auf lange Zeit hinaus ein beliebtes Repertoirstück geworden und geblieben ist, und obwohl bei der vaterländischen Begeisterung, welche die Jahre 1870/71 durchbraust hatte, vielleicht ein Zurükgreifen auf jene frühere literarische Erscheinung verwandten Inhalts fruchtbaren Boden gefunden hätte. Hat doch selbst den Namen dieses vaterländischen, dieses »Münchener Dichters« die eingangs erwähnte Theaterchronik aufzuführen vergessen. Er ruht freilich schon seit dem 27. Januar 1863 im Grave; seines ”Treuen Ulans« Elsbeth aber, Thaliens einstige würdige Priesterin Constanze Dahn, wird man morgen als actzigjährige Kunstveteranin auf dem gelichen Münchener Friedhofe zur ewigen Ruhe bestatten.

München, am 28. März 1894.

E. v. D.

Allgemeine Zeitung Nr. 86. München; Donnerstag, den 29. März 1894.

Allgemeine Zeitung (30.3.1894)

Bayerische Chronik.

München, 29. März.

Die Beerdigung der ehemaligen k. Hofschauspielerin Frau Constanze Dahn fand heute Nachmittag um 4 Uhr auf dem südlichen Friedhofe statt und gestaltete sich, neben der Trauerkundgebung für die von dem Heimgang der ehrwürdigen Greisin zunächst betroffenen hochgeachteten Familien Dahn und v. Bomhard, zu einer weihevollen Gedenkfeier für die entschlafene große Künstlerin. Die zahlreich erschienenen Verehrer der früheren langjährigen Zierde unsrer Hofbühne, Freunde der Kunst und der Hinterbliebenen — unter ihnen Finanzminister Dr. Frhr. v. Riedel, Generalintendant Frhr. v. Perfall, Generaldirector Professor Possart, die Kunstveteranen Prof. Dr. Härtinger und Professor Richter, die Mitglieder unsrer Hofbühne, Vertreter der Presse und der Literatur — bildeten mit den Generalen und Officieren, die dem Schwiegersohn der Verklärten ihr Beileid bekundeten, eine hochansehnliche Versammlung. Der ältere Sohn, Geh. Rath Prof. Dr. Felix Dahn in Breslau, war leider durch Krankheit verhindert, der Leichenfeier beizuwohnen. Unter den Klängen der von der Capelle des 1. Feld-Artillerie-Regiments gespielten Trauermärsche bewegte sich der Leichenzug an das offene Grab in der Nähe des Denkmals des einstigen Kunstgenossen der Verstorbenen, des unvergeßlichen Rüthling. Der evangelische Geistliche, der die Einsegnung der Leiche vollzog, brachte in seiner Gebächtnißrede auf das reichgesegnete Leben und Wirken der charaktervollen Persönlichkeit auch den hohen sittlichen Gehalt der Kunst und den gewissenhaften Dienst ihrer treuen Priesterin zu würdigem Ausdruck. Nach dem Schlußgebet und Segen ergriff Generaldirector Professor Possart das Wort und gab in einem geistvollen und herzenswarmen Nachruf ein ungemein anziehendes und erhebendes Lebensbild der Künstlerin. Wir hoffen, die treffliche Gedenkrede auf eine hervorragende Vertreterin der vaterländischen Kunst unsern Lesern morgen ausführlich mittheilen zu können.

Allgemeine Zeitung Nr. 87. München; Freitag, den 30. März 1894.

Allgemeine Zeitung (30.3.1894)

Feuilleton.

München, 30. März. Die Grabrede, welche Hr. Generaldirector Possart bei dem gestrigen Begräbnisse der k. Hofschauspielerin Constanze Dahn gehalten hat, lautete wie folgt:

»Schien je ein hold Geschöpf erkoren
Zum Dienst der Kunst, die du erwählt,
So warest du's, der angeboren,
Was hundert Vielbekränzten fehlt:
Der stumme Zauber der Geberde,
Die Stimme, welche Thränen spricht,
Für alles Glück und Weh der Erde,
Der Schrei, der aus dem Herzen bricht.

Constanze Dahn! — Wir stehen am Grabe der geistvollsten bahnbrechenden Künstlerin, welche das zur Neige gehende 19. Jahrhundert dem Münchener Schauspiele geschenkt; Genossin einer Sophie Schröder und eines Eßlair, durchbrach Constanze Dahn mit prophetischem Geist und unfehlbarem Instinct die Traditionen der alten romantischen Schule, welche die Schönheit der Form in Rede und Geberde als die einzige Errungenschaft ihrer Kunst preisen durfte, und, ihrer Zeit um drei Decennien vorauseilend, wurde sie die erste Jüngerin der heutigen modernen Richtung in der Schauspielkunst, welche die ungeschminkte Lebenswahrheit sich zum höchsten Ziele aller Menschendarstellung gesetzt! Was vor wenigen Monaten die jüngere Generation des Münchener Theaterpublicums an einer hochgefeierten ausländischen Künstlerin als nie dagewesen und unerreicht preisen durfte, das hat vor 30 Jahren bereits Constanze Dahn ihren staunenden Zeitgenosten geoffenbart: die Lehre, daß allein der Mensch auf der Bühne auf den Menschen im Auditorium wirkt, und daß die denkbar größten schauspielerischen Eindrücke mit den denkbar einfachsten Mitteln zu erreichen sind! Schauen wir mit Ehrfurcht hinunter auf diesen Sarg: er birgt die Eleonore Duse der deutschen Schauspielkunst! Von Abstammung Französin und geschmückt mit allem Charme und der unnachahmlichen Grazie dieses prädestinirten Schauspielervolkes, Italienerin an Feuer und Leidenschaft und wahrhaft deutsch an Tiefe des Gemüthes, stellte die jugendliche Constanze Dahn, das Fräulein Le Gaye, die ihr angeborenen, charakteristischen Vorzüge dreier Nationen in den Dienst ihrer Kunst. Kaum zur Jungfrau gereift, saß sie zu den Füßen des Altmeisters Goethe, dessen erstes Gretchen sie ward, und so sehr begeisterte das lebensprühende Auge des liebreizenden Geschöpfes den göttlichen Greis, daß er sie zur Erinnerung an diese Stunden im Gewande der Mignon malen ließ. Nun folgte eine Periode unantastbaren Ruhmes für die heranwachsende Künstlerin, die eine Fenella, Yelva, eine Prinzessin im »Tasso« und einen Reigen Shakespeare'scher Frauengestalten schuf, und ein Vierteljahrhundert später sehen wir die bereits hochgereifte Künstlerin in den ersten Münchener Mustervorstellungen noch über sämmtliche blühendere Rivalinnen siegen und mit ihrer Minna von Barnhelm, ihrer Gräfin Orsina selbst den aufsteigenden Stern einer Marie Seebach verdunkeln. Dann, voll Selbsterkeuntniß auf alle jugendlichen Rollen verzichtend, wurde sie mit einem Schlage der erste weibliche Charakterspieler der Münchener Hofbühne; wer erinnert sich nicht, der zurückdenken kann, ihrer alten Fadette in der »Grille«, ihrer Herzogin von Marlborough und ihres Störenfried? Und endlich setzte sie ihrer unbestechlichen Kritik, die sie zügellos und herb an Anderen übte, auch an sich selber die Krone auf: sie machte einen Strich durch das geweihte Blatt ihres Lebens — entsagte der Kunst, der sie nicht mit verminderten äußeren Kräften dienen wollte; still zog sie sich in ihre geliebten Berge zurück. Dort, in der Einsiedelei auf der Höhe von Ernsdorf, an den Ufern des Chiemsees, geborgen durch den schützenden Wald vor den Blicken der Neugierde, lebte sie fortan der göttlichen Natur, der sie in ihrer Kunst immer und ewig zugestrebt, noch in den letzten Jahren reichbeglückt durch die persönliche Huld unsres allgeliebten Prinz-Regenten, der auch ihren Sarg mit dem ersten Kranz geschmückt. Dort lebte sie neidlos und anerkennend gegen Alles, was der junge Nachwuchs an Streben und Leistungen bot, eine echte, hochsinnige Künstlernatur, offenherzig und gastfrei, das Gute fördernd durch Rath und That, bis zu ihrem Tod. Ein vielverkanntes, leidenschaftliches, aber edles Herz, wohl kalt und bitter schlagend gegen ihre Feinde, doch gegen ihre Freunde sommermild. Nun steht es still, dieses heiße Herz; aber nicht für immer, Constanze!

Wenn die Gräber sich bewegen,
Schlag' es wieder uns entgegen!
Bis dahin — Friede deiner Asche!«

Allgemeine Zeitung Nr. 87. München; Freitag, den 30. März 1894.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Dahn Constanze (geborene Le Gaye), geboren am 12. Juni 1814 in Kassel, war die Tochter des französischen Kapellmeisters A. Le Gaye, der s. Z. in Kassel unter König Jerôme angestellt war. Schon frühzeitig entwickelte die Kleine seltene musikalische Begabung, sodaß sie als Wunderkind allgemeine Beachtung fand, und bereits mit sieben Jahren betrat sie als »Donauweibchen« zum erstenmal in Düsseldorf die Bühne.

1824 erschien sie am alten Stadttheater in Hamburg im Lustspiel »Die Puppe« (nach dem Französischen) und alles war von dem für ein zehnjähriges Mädchen bewundernswerten Spiel entzückt. Fünf Jahre später begann sie am neuen Stadttheater, und zwar als jugendliche Liebhaberin, ihre eigentliche Bühnenlaufbahn. Man wußte nicht, sollte man mehr die außerordentliche Schönheit und entzückende Anmut oder das große, seltene Talent der jungen Künstlerin bewundern.

Ihren ersten stürmischen, geradezu sensationellen Erfolg errang sie am 29. Juni 1831 in Hamburg mit Heinrich Marr aus Braunschweig als Gast, und zwar als »Gretchen« im »Faust«. Seit dieser Zeit wurde ihr Name auch außerhalb Hamburgs mit Ehren genannt, und erste Kunstinstitute bewarben sich um den Besitz dieser hervorragenden Darstellerin.

Sie konnte sich jedoch lange nicht entschließen, ihre alten anhänglichen Verehrer zu verlassen, die ihren ersten Versuch auf der Bühne wohlwollend beurteilt und anfangs nachsichtig ihre Fehler und Unachtsamkeiten verziehen hatten und die treu und verehrungsvoll an ihr hingen.

Und doch trat sie nach einem glänzend absolvierten Gastspiel in München 1833 in den Verband dieses Kunstinstitutes. Überaus schmerzlich berührte die Hamburger der Abschied ihres Lieblings, und begeistert empfingen sie die Münchner. An dieser Bühne konnte sich nun ihr reiches Talent zur höchsten Blüte entfalten und ein weites Arbeitsfeld eröffnete sich daselbst ihrer Genialität. Bald war sie in der Isarstadt der Mittelpunkt eines großen Gelehrten- und Künstlerkreises.

Als Darstellerin entzückte sie ebenso durch rührende, deutsche Innigkeit als »Klärchen« und »Gretchen«, wie durch ihren reizenden, echt französischen Übermut in »Pariser Taugenichts«, wie nicht minder als »Jungfrau von Orleans« und in den Frauengestalten Shakespeares. Man bewunderte allgemein ihr Temperament, ihren sprühenden Geist, ihren Vortrag, ihre Anmut, ihre Charakterisierungskunst.

Geradezu Sensationelles, etwas vollständig Neues, schuf sie als »Velva«. Durch die Beredtsamkeit ihrer wunderbaren Augen und durch die feine und doch so ausdrucksvolle Mimik ihrer edlen Züge ließ sie es ihre Zuschauer ganz vergessen, daß sie als Stumme auf den Brettern stand. Einen großen Triumph feierte die Künstlerin auch im Juli 1854 als »Minna von Barnhelm« anläßlich der von Dingelstedt veranstalteten Musteraufführungen. Eduard Devrient bezeichnet sie als eine Künstlerin von frischem, erfindungsreichem Talente, klugem Takte und übermütiger Lebhaftigkeit.

Und ebenso wie sie mit künstlerischer Vollendung dereinst ihre jugendlichen Gestalten auf die Bühne stellte, so meisterlich, so vollendet naturwahr schuf sie zuletzt ihre Mütter. Darbietungen wie »Fadet« in der »Grille«, oder »Geheimrätin« im »Störenfried«, waren einfach mustergültig und wurden vielfach auf deutscher Bühne nachgeahmt.

Nach einem Kunstleben, überreich an Erfolgen und Beweisen innigster Verehrung und Liebe, zog sie sich nach mehr als 40jähriger Bühnentätigkeit im Jahre 1865 von den Brettern zurück, verabschiedete sich von ihrer geliebten Kunst und ihren zahllosen Verehrern als »Herzogin von Parma« in »Egmont« und trat am 1. Oktober ein letztes Mal, von Beifallsturm umrauscht, von der Bühne ab. Nach nahezu drei Jahrzehnten konnte die einst Gefeierte in ihrem stillen Heim an den Ufern des Chiemsees beschaulich ihr Leben genießen. Hochbetagt beschloß diese Künstlerin, die Ernst von Possart in seiner Grabrede die »Duse der deutschen Schauspielkunst« nannte, am 26. März 1894 ihr ruhmreiches Dasein.

Sie war verheiratet (seit 18. April 1833) mit ihrem Kollegen: Dahn Friedrich, geboren am 18. April 1811 in Berlin.

Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.

Erstrebtes und Erlebtes (1916)

Nach meiner ersten »Räuber«-Probe sollte mir der Abend endlich die ersehnte Gelegenheit bringen, Constanze Dahn (Bild auf Tafel 5) als Darstellerin kennen zu lernen. Ich wußte, daß die jetzt 51 Lenze zählende Künstlerin als aufblühendes Kind zu den Füßen Goethes gesessen und daß sie mit 17 Jahren an der Seite Heinrich Marrs — es war am 29. Juni 1831 — in Braunschweig bei der ersten Aufführung des »Faust« das Gretchen siegreich gespielt hatte. Auch war bekannt, daß sie kurz darauf sich mit dem Heldendarsteller des Hamburger Stadttheaters, Friedrich Dahn, vermählt, und daß man beide an das Münchener Hoftheater berufen hatte. Und als ich von München aus später wieder als Gast in Hamburg auftrat, priesen Heinrich Marr und mit ihm viele ältere Theaterfreunde noch begeistert Constanzens blendende Schönheit und die Holdseligkeit ihres Wesens; ihr französisches Blut — sie war die Tochter des Kapellmeisters le Gaye, der zu Kassel im Dienste des »lustigen« Königs Jérôme gestanden — hätte die Darstellung leidenschaftlicher Szenen wirkungsvoll gehoben.

Von meinem Freunde Kustermann, ihrem Schüler, vernahm ich auch, daß die kaum 20jährige junge Frau, ihr wenige Monate vorher geborenes Söhnchen Felix (Felix Dahn, der berühmt gewordene Rechtsgelehrte und Dichter; † 3. Januar 1912 zu Breslau.) auf den Knien, die endlose Wagenfahrt von Hamburg nach der Isarstadt unter den abenteuerlichsten Vorfällen hätte zurücklegen müssen. Nun sollte ich sie in Mauthners Schauspiel »Eglantine« als Fürstin Eggern zum ersten Male sehen.

Mit hochgespannten Erwartungen betrat ich den Zuschauerraum. Erst der zweite Akt sollte meine Ungeduld stillen.

Zimmer im Palais der Fürstin. In der dritten Szene sitzt die junge Tochter, Prinzessin Clarisse, in Liebesträumerei versunken vor einer Stickerei. Da erscheint unangemeldet unter der Tür eine schlanke Frauengestalt von mittlerer Größe, das stattliche Haupt, zu ansehnlich fast für den hageren Hals, auf dem es ruht — von schwarzem Haar üppig umflossen. Ohne die Anmaßung der akkreditierten Diva: »Aufgemerkt, jetzt komme ich« überschreitet sie mit gesenktem Blick langsam die Schwelle, ein sinnendes Lächeln auf den feingeschnittenen Lippen. Jetzt sieht sie auf und ein großes, tiefdunkles Auge richtet sich auf ihren Liebling: »Clarisse! Du bist ja in deine Arbeit vertieft, als müßtest du sticken, um dein Brot zu verdienen!« Der Ton enttäuschte mich. Das hochliegende Organ war dünn; es klang fast spitzig, aber die Worte perlten von ihren Lippen. Jede Silbe ging deutlich durch den weiten Raum. Die gebietende Haltung in der nun folgenden großen Szene mit Herrn von Roden, dem Intriganten des Dramas, die packende Natürlichkeit ihrer leicht hingeworfenen Aparts, endlich die bezwingende Hoheit, womit sie in den nur hingehauchten Worten »Mein Herr, ich wünsche allein zu sein!« der Unterredung mit dem Erpresser ein Ende machte, die adelige Würde ihrer sparsamen Bewegungen, vollendeten das Bild; sie war, was sie scheinen wollte: eine Fürstin.

Wenige Tage später wurde »Königin Bell« wiederholt. »Mstrs. Edith Blount — Frau Constanze Dahn« verkündete der Zettel; ein völlig anderes Wesen, als ich drei Tage vorher in der »Fürstin Eggern« begrüßt hatte, trat hier in die Erscheinung; eine rüstige, energische Greisin mit geradem, offenem, herrischem und zuweilen auch humoristischem Wesen, ein Meisterwerk in Maske, Gebärde und Mienenspiel. Nach Beendigung des Urlaubs spielte die Künstlerin dann eine ihrer beliebtesten Köllen, die alte Fadet in der Birch-Pfeifferschen »Grille«, wiederum ein bejahrtes, leidenschaftliches Weib, aber doch ein völlig anderes; zigeunerhaft in der Maske, zahnlückig, mit kreischendem Ton, das wild herumhängende schwarze Haar über Nacken und Schultern fallend. »Durch welche künstlichen Mittel gelang es Ihnen, gnädige Frau, diesen zahnlosen Mund zu produzieren und die zischelnde Sprache?« fragte ich die Meisterin, als mir durch des Freundes Empfehlung ihr gastliches Haus geöffnet worden war. »Durch welche künstlichen Mittel?« lachte sie, »dadurch, daß ich die künstlichen Mittel beiseite warf, – so!« Und sie griff in den Mund und hielt ihr Katelier nachgemachter Zähne in der Hand. »Da haben Sie den ganzen Zauber! Wer an alt's, zahnlucketes Wei'« (sie sprach im profanen Leben mit Vorliebe den oberbayerischen Dialekt) »lebenswahr darstellen will, der muß net eitel sein.«

In den nächsten Monaten durfte ich mit der Künstlerin in »Emilia Galotti« auftreten. Sie war zehn Jahre vorher eine gefeierte Gräfin Orsina gewesen; zur Verkörperung der verlassenen Geliebten des Prinzen besaß sie damals noch alle natürlichen Eigenschaften; das feingeschnittene, im verblühen begriffene Gesicht mit dem üppigen, blauschwarzen Haar und den feuerwerfenden Augen, eine in Momenten glühender Leidenschaft schneidige Stimme und daneben die sprachliche Fähigkeit, das philosophierende Geplauder der gekränkten Mätresse in unaufdringlicher und dennoch fesselnder Weise hinzuhauchen. In der jetzigen Emilia Galotti-Vorstellung spielte Lila v. Bulyovsky die Orsina und Constanze Dahn die Mutter Claudia. Die schöne Ungarin, von der ich immer noch nicht wußte, daß sie die Urheberin meines Münchener Glückes gewesen war, besaß in ihrer süßen Weiblichkeit nichts von alledem, was der rachesprühenden Italienerin im Blute liegt. Im Konversationszimmer fand ich sie mit der älteren Kollegin im Gespräch über die Rolle. »Ah, kommen Sie mal her, Sie unverschämter junger Marinelli!«, rief Frau Constanze, »bringen Sie mir einmal die Stichworte für die Orsina-Szene. Vorwärts!« Und sie nahm dem Gaste den Fächer aus der Hand, und nun blitzte das Raketenfeuer ihres Kreuzverhörs, in das sie den Marinelli verwickelte, so vernichtend, so Schlag um Schlag auf den in die Enge getriebenen Schurken hernieder, daß nach den Schlußworten der Orsina: »Morgen will ich es auf dem Markte ausrufen, und wer mir widerspricht, – wer mir widerspricht, der war des Mörders Spießgeselle!« wir alle, Frau v. Bulyovsky an der Spitze, in stürmische Begeisterung ausbrachen. Denn wir Komödianten, wir Leute vom Bau, bleiben immer und ewig doch das dankbarste Publikum und die rasendsten Enthusiasten, wenn wir von echtem Können gepackt werden.

Unter den Vertreterinnen des älteren Rollenfaches während der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts vermag man dieser eigenartigen Künstlerin einzig Frau Minona Frieb-Blumauer als ebenbürtig an die Seite zu stellen. Beseelt von dem Streben nach Wahrheit der Menschendarstellung, eilten diese zwei eigenartigen Wesen in ihren Darbietungen allen Kolleginnen um ein Jahrzehnt voraus. Schon betagt, wurden sie die Frühlingsboten einer neuen Ära der Schauspielkunst. Eins im künstlerischen Wollen, waren sie ein wenig in der Art der Begabung verschieden. Überbot die ihre Münchener Genossin an Schelmerei und an trockenem Humor, so stach Constanze sie aus durch die rücksichtslose Beharrlichkeit, womit sie in der Verkörperung ihrer Auffassung bis an die äußerste Grenze des an der Bühne Erlaubten ging. So dürfen sich das Berliner und Münchener Hoftheater berühmen, in diesen ebenso großen wie anspruchslosen Schauspielerinnen die ersten »Modernen« besessen zu haben, 20 Jahre bevor man von Italien aus Eleonore Duse als Heroldin der neuen naturalistischen Richtung auf den Schild hob.

Ernst von Possart: Erstrebtes und Erlebtes. Berlin, 1916.

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Ludwig Dahn

* 12.3.1843 (München)
† 20.10.1898 (München)
Schauspieler

Augsburger Tagblatt (4.11.1860)

Vermischte Nachrichten.

München, 1. Nov. In Schiller's »Räubern« trat gestern Hr. Ludwig Dahn, Sohn unsers Schauspiel-Regisseurs und langjährigen Bühnen-Mitglieds, als Kosinsky zum erstenmal vor das Publikum. Ein vortheilhaftes Aeußeres, klangvolles Organ, lebendiger und angemessener Vortrag bekunden viel Talent und die elterliche Schule läßt sich an seinem feurigen uånd doch durchdachten Spiele nicht verkennen. Das überaus zahlreich versammelte Publikum zeichnete den Debütanten mit Beifall und Hervorruf aus, eine Aufmunterung, die derselbe bei fortgesetztem Streben bald als gerechte und verdiente Anerkennug wird beanspruchen können.

Augsburger Tagblatt No. 304. Sonntag, den 4. November 1860.

Recensionen (21.11.1860)

Correspondenzen.
München.

Zur Erinnerung an Schiller's Geburtstag wurde »Kabale und Liebe« gegeben. Bei einer neulichen Aufführung der »Räuber« trat zum ersten Mal Hr. Ludwig Dahn, Sohn unseres Regisseurs Dahn, als Kosinki auf und führte diese kleine, aber an ihrer Stelle bedeutsame Partie, trotz einiger Befangenheit, die er in den Bewegungen verrieth, mit Wärme und Lebendigkeit durch. Er erntete dafür den lebhaftesten Beifall, und wenn derselbe auch zum Theil aus der Theilnahme floß, deren sich die Familie Dahn hier zu erfreuen hat, so beweist doch der Umstand, daß man auf solche Weise diese Theilnahme äußern konnte, den günstigen Totaleindruck seiner Leistung. Sonst heben wir von dieser Vorstellung nur das treffliche Spiel des Hrn. Herz in der Rolle des Franz hervor, dem auch vom Publikum die wärmste Anerkennung gezollt wurde. Wir müssen dies um so mehr aussprechen, als einige der hiesigen Lokalblätter diesem strebsamen und denkenden Künstler nicht die ihm gebührende Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik No. 47. Wien; 21. November 1860.

Münchener Bote für Stadt und Land (13.7.1861)

Hauptstadt-Neuigkeiten.
München, 12. Juli.

Wie wir hören, wurde der jugendliche Schauspieler Hr. Ludwig Dahn (Sohn des hiesigen Regisseurs) am Hoftheater zu Weimar engagirt.

Münchener Bote für Stadt und Land No. 165. Samstag, den 13. Juli 1861.

Die Deutsche Schaubühne (1861)

Eine neue Kraft gewann das Hoftheater in dem jungen Herrn Ludwig Dahn, einem Sohn des oben besprochenen Herrn Friedrich Dahn. Derselbe wurde nach einem sehr glücklich ausgefallenen ersten theatralischen Versuch als Kosinsky für zweite jugendliche Liebhaber engagirt, und wir glauben der Theaterleitung zu dieser Acquisition Glück wünschen zu können. Herr Ludwig Dahn hat unbestreitbar eine reiche Begabung für die dramatische Laufbahn von seinen Eltern geerbt. Von einem warmen edlen Feuer beseelt, spricht er mit richtigem Gefühl und Verständniß, und seine Bewegungen sind ungezwungen und lebendig. Hr. Ludwig Dahn berechtigt zu den schönsten Hoffnungen; nur möge er sich vor Abwegen hüten, zu denen ihn, wie uns bedünken will, seine Vortragsweise und ein mitunter zu lebendiges Spiel leicht verleiten können, und stets des alten Sprüchleins sich erinnern:

Kunst und Natur
Sei auf der Bühne eines nur.

Der Rudenz (»Wilhelm Tell«), den er dem Kosinsky folgen ließ, sowie die weiteren Rollen des jugendlichen Kunstnovizen waren gleichfalls recht brav.

Die Deutsche Schaubühne. Organ für Theater und Literatur. Redigirt von Dr. Teodor Mehl. Hamburg; 1861.

Bayerischer Kurier (7.4.1865)

München, 6. April. — Hr. Hofschauspieler Ludwig Dahn in Weimar, der Sohn des Münchener Schauspielerpaares und selbst längere Zeit Mitglied unserer Hofbühne, hat einen äußerst vorteilhaften Ruf als erster Liebhaber an die Hofbühne in Berlin erhalten. Der junge Künstler, der sich unter Dingelstedt's Leitung gebildet hat, wird nicht versäumen, das ehrenhafte Engagement anzutreten.

Bayerischer Kurier Nr. 96. München; Freitag, den 7. April 1865.

Allgemeine Zeitung (23.10.1898)

Bayerische Chronik.
München, 22. Oktober.

Beerdigungen. — Ebenfalls heute Nachmittag wurde im südlichen Friedhof unter ungemein großer Theilnahme aus allen Schichten der hiesigen Einwohnerschaft der kgl. Hofschauspieler Ludwig Dahn zur letzten Ruhe gebettet. Unter den Leidtragenden befanden sich Intendant v. Possart, Intendanzrath Stehle, sowie Mitglieder des Hoftheaters, des Gärtnertheaters, des Volkstheaters usw. Stadtpfarrer Kahl schilderte in warmen Worten den Lebensgang des Verewigten. Nach ihm trat Intendant v. Possart an das Grab, um Ludwig Dahn ein Nachruf zu widmen. Der Sprosse eines Künstlergeschlechts, das ein halbes Jahrhundert hindurch dem kgl. Schauspiel eine erhöhte Bedeutung verlieh, ist es, dem sich heute die Gruft geöffnet. Ludwig Dahn hatte zwar nicht die bezaubernde Genialität seiner geistsprühenden Mutter, auch nicht die so lebendige Darstellungsgabe seines Vaters, aber doch hatte er ein Erbe seiner Eltern angetreten: die Begeisterung für seine Kunst und eine unwandelbare Pflichterfüllung. Auch der kleinsten Aufgabe unterzog er sich mit Enst und gutem Willen und mit neidloser Unterordnung. Möge die junge heranwachsende Generation an diesem bescheidenen Grabe aus neue dessen eingedenk sein, daß der ehrliche Zunftgeist der alten Schule noch Macht hat, daß nicht die große Rolle den Künstler schafft, sondern daß nur die Hingabe an den Beruf unsrer Arbeit Segen und Ruhm bringen kann. Der Dahingeschiedene erfreute sich einer gesellschaftlichen Beliebtheit weit über die Grenzen seines Berufes hinaus, sein edles Herz, seine offene Hand, sein Humor und sein warmes Empfinden für alles Schöne und Hohe erwarb ihm Aller Sympathien. Redner legten sodann einen prächtigen Kranz am Grabe nieder, das bereits mit einer großen Anzahl herrlicher Kränze geschmückt war.

Allgemeine Zeitung Nr. 294. München; Sonntag, den 23. Oktober 1898.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Aus der Ehe mit Constanze Le Gaye stammten zwei Söhne: Felix Dahn, der berühmte Gelehrte und Schriftsteller, den alle Welt als Dichter kennt und verehrt und Ludwig Dahn, geboren in München am 12. März 1843, der sich als Schauspieler einen guten Namen machte, von seiner Mutter und Sofie Schröder für die Bühne ausgebildet. Er war in Weimar 1860 bis 1864, am Berliner Hoftheater 1865–1873 (Antrittsrollen »Leopold« in »Anna Liese«, »Lionel« in »Die Jungfrau von Orleans« und »Bugslaff« in »Hans Lange«), in St. Petersburg 1874–1877 (Antrittsrollen »Gringoire«, »Uriel Aeosta«, »Beaumarchais« und »Mortimer«) und nahm 1878 Engagement am Münchener Hoftheater, wo er sich jedoch infolge einer schlimmen Halskrankheit, die die Schönheit und Kraft seiner Stimme zerstörte, mit einer Stellung zweiten Ranges begnügen mußte. Er wirkte daselbst bis zu seinem Tod (20. Oktober 1898).

Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Dahn Ludwig, 1843 (München) – 1898, Hofschauspieler; er, ein Bruder des berühmten Historikers und Schriftstellers Felix D., war in München Schüler F. Dingelstedts; 1861 wurde D. für das zweite Liebhaberfach an der Münchner Hofbühne engagiert; nach erfolgreichem Wirken am Berliner Schauspielhaus (1865) und später am kaiserlichen Deutschen Hoftheater in St. Petersburg (= Leningrad), wo er sich ein Halsleiden zuzog, kehrte er 1878 als »gesetzter Liebhaber« nach München zurück.

Hauptrollen: Schiller in Laubes »Karlsschüler«, »Bugslaff« in Paul Heyses »Hans Lange«, »Mortimer« und »Gringoire«; von Dingelstedt, Laube, Putlitz u. a. wurde der »Brakenburg« im »Egmont« als seine beste Rolle bezeichnet; D. hatte eine gute Figur und ein klassisches Profil.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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