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3 – 1 – 45·46 (Deininger · Haßlacher · Schmidt · Sommer)

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Haßlacher u. Schmidt’sche Grabstätte.

Linke Spalte

Frau Elisabetha Haßlacher
† 1838.
Frau Therese Deininger
† 1839.
Herr Benedikt
Augustin Haßlacher
Privatier † 6. März 1838
in seinem 70. Lebensjahre.
Frau Magdalena Haßlacher
† 26. April 1859
im 48. Lebensjahre
Frau Rosalie Sommer
† 1861.
Frau Emilie Schmidt
geb. ¿
k. Postinsp.-¿-Witwe
geb. 10.IX.1837
gest. 20.XII.1893

Mitte

Frau
Auguste Schmidt,
genannt Waldschmidt
geb. Haßlacher,
k. Hofrats u. Hauptmanns-Gattin
geb. 3. Mai 1844
† 20. Oktbr. 1908.
Herr Maximilian Schmidt
genannt Waldschmidt
k. b. Hofrat Schriftsteller
Hauptmann a. D.
geb. 25. Febr. 1832
† 8. Dezbr. 1919.

Rechte Spalte

Frau Caroline Schmidt
† 1857.
Herr Adalbert Schmidt
k. Hauptzollamtsverwalter
† 1862.
August Maria Schmidt
† 1865
und
Auguste Schmidt
geb. 6. Dez. 1872
gest. 21. Sept. 1876
Hauptmanns Kinder:
Marie Schmidt
genannt Waldschmidt
¿tochter
geb. 4. Dez. 1865,
gest. 24. März 1917.

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Maximilian Schmidt

Waldschmidt (ps)
* 25.2.1832 (Eschlkam/Ndb.)
† 8.12.1919 (München)
Hauptmann und Schriftsteller

Maximilian Schmidt (1888)

Der baierische Volksschriftsteller Maximilian Schmidt hat kürzlich bereits den 25jährigen Gedenktag seiner literarischen Thätigkeit begangen und an demselben ebenso zahlreiche wie herzliche Beweise der Liebe und Dankbarkeit seiner engeren Heimat entgegengenommen, im weiteren Vaterlande aber ist er erst seit wenigen Jahren allgemeiner bekannt und jedenfalls noch lange nicht in dem verdienten Masse gewürdigt. Für das norddeutsche und gesammtdeutsche Publicum hat es auch seine besonderen Schwierigkeiten, die Leistungen eines Autors richtig abzuschätzen, der die Vorwürfe zu seinen Werken einem in vieler Hinsicht eigenartigen, von dem gewöhnlichen, durchschnittsmässigen Bestande deutschen Wesens mannichfach abweichenden, gewissermassen noch in sich abgeschlossenen Theile unseres nationalen Culturgebiets entnimmt und dabei die mundartliche Sprache verwendet, welche zur vollkommenen Charakterisierung seiner Helden und ihrer Schicksalsgefährten unerlässlich ist. Andererseits aber ist Baiern in neuesterZeit immer inniger mit dem Reiche verwachsen und hat sich gerade unsern süddeutschen Brüdern soviel warme Theilnahme zugewendet, dass es jetzt recht an der Zeit ist, allen Deutschen denjenigen baierischen Poeten zu empfehlen, welcher mehr als irgend ein anderer dazuthut, bayerisches Land und Volksthum dem richtigen Verständniss und der herzinnigen Sympathie aller Sprach- und Stammgenossen zu erschliessen.

Maximilian Schmidt ist ein Sohn des »Baierischen Waldes«, jenes von der modernen Cultur noch nicht allzuviel durchdrungenen Gebirges, das sich von Straubing und Passau nordwärts bis an die böhmische Grenze erstreckt. Hart an der letzteren liegt der kleine Marktflecken Eschlkam, wo dem damaligen Zollamtscontroleur Schmidt am 25. Februar 1832 unser Maximilian geboren wurde, der heute unter seinen zahlreichen Würden auch die eines Ehrenbürgers seines Geburtsortes trägt. In einer glücklichen, Kindheit, behütet von treusorgenden Eltern, an der Seite zweier Geschwister, konnte der junge »Waldler« inmitten einer mit Naturschönheiten reichbegabten Landschaft und eines kernhaften Volksthums für Phantasie und Herz mannichfache lebendige und tiefhaftende Eindrücke und Anregungen gewinnen, die für sein späteres Dichten und Schaffen massgebend wurden. Zum Schulunterricht wurde der Knabe auf die Studienanstalten in Kloster Metten und in Passau geschickt , und als der Vater an das Hauptzollamt in Hof befördert wurde, setzte der junge Maximilian in der Heimat Jean Pauls seine Studien an der »Gewerbeschule« fort — so hiessen damals in Baiern die Realgymnasien —, um sie zuletzt in München am Polytechnikum zum Abschluss zu bringen. Er trat sodann in die militärische Laufbahn ein, der er bis zu dem ehrenvoll mitgemachten Kriege von 1866 und weiterhin — nach wiederholtem Eintritt im Jahre 1870 — bis nach Beendigung des französischen Feldzuges folgte.

Schon als Lieutenant hatte Maximilian Schmidt seine ersten literarischen Versuche mit kleinen dramatischen Dichtungen unternommen. Als Inspectionsoffizier im Cadettencorps zu München verfasste er u. a. ein paar Singspiele, die von Zöglingen dieser Anstalt bei festlichen Gelegenheiten aufgeführt wurden und dem Dichter huldvolles Wohlwollen des Königs Maximilian eintrugen.

Von dauerndem Werth und Erfolg und darum von dem Dichter selbst als der eigentliche Anfang seiner literarischen Thätigkeit angesehen war der glückliche Griff, den der Poet im Jahre 1863 that, als er mit dem »Fräulein von Lichtenegg« und dem »Lateinischen Bauer« die Reihe seiner »Volkserzählungen aus dem Baierischen Wald« eröffnete. Diesen Erstlingen seiner erzählenden Muse folgte bald »Die Christkindlsängerin«, späterhin »Birgitta«, »Die Glasmacherleut«, ferner »Die Macht des Christbaums« und schliesslich als die bedeutendste dieser baierischen Waldgeschichten »Der Herrgottsmantel« — ein Cyklus von sinnigen, tief anmuthenden und ergreifenden volksmässigen Idyllen und Novellen, in denen Schmidt ein ungewöhnliches Talent in der Zeichnung von Natur- und Culturbildern, in der treuen und fesselnden Darstellung echten unverfälschten Volkslebens mit seinen Freuden und Leiden in wechselreichen Schickungen und Entwickelungen immer besser bewährte. War auch im Einzelnen, namentlich in den früheren Erzählungen, zuweilen in dem vorgeführten Stoffe des Guten zu viel gethan, die Handlung durch unnöthige Einflechtungen von Nebenwerk zu sehr beschwert, andrerseits auch die sprachliche Form manchmal zu sorglos behandelt, die Darstellung zu wenig gefeilt und geglättet — die natürliche, ungekünstelte Entwickelung der Handlung, der frische lebenswarme Ton, der gesunde, liebenswürdige Humor und die schlichtsittliche, tendenzlos religiöse Gesinnung des Erzählers dieser Waldgeschichten mussten alle für eine solche Richtung empfänglichen Leser gewinnen.

Trotz alledem wollte es dem nunmehr zum beliebten baierischen Volksschriftsteller gewordenen Autor noch lange nicht gelingen, die seinem Genre auf heimatlichem Boden gezogenen ziemlich engen Schranken zu durchbrechen und auch ausserhalb des Kreises seiner altbaierischen Landsleute Antheilnahme und Zuneigung für den von ihm so wacker vertretenen Literaturzweig zu erringen.

Erst im letzten Jahrzehnt, namentlich seit dem im Jahre 1880 erschienenen »Schutzgeist von Oberammergau«, wurde ihm das ersehnte Glück zu Theil, grössere Erfolge zu erkämpfen, die auch ausserhalb der blauweissen Grenzpfähle mächtiger wirkten und in massgebenden literarischen Kreisen ein stärkeres Echo weckten, womit in erklärlicher Rückwirkung auch in der baierischen Heimat die Stellung und Geltung des Autors sich allmählich zu hohem Ansehen steigerte. Die glückliche Verbindung des vielbesuchten Passionsspieles in dem oberbaierischon Olympia mit einer gut erfundenen und geschickt durchgeführten Fabel, die auf echt nationalem Boden aus dem ländlichen Element auch in das städtische sociale Leben Münchens übergriff, konnte vielseitigere Sympathien für das neue Volksbuch des patriotischen Erzählers wachrufen, und da das Werk auch in dem Feuilleton einer der angesehensten Berliner Zeitungen zum Abdruck und mehrfach im Norden Deutschlands zu günstiger Besprechung kam, so war Maximilian Schmidt nunmehr in der Leserwelt des grossen Gesammtvaterlandes in empfehlender Weise eingeführt.

Noch vor dem »Schutzgeist« war »Das Zehnte Gebot« (in drei Bänden) herausgekommen. Dann folgten im Laufe der achtziger Jahre — wir bürgen nicht für die genaue zeitliche Aufeinanderfolge, namentlich da Buch- und Journalausgabe auch manchmal in der Priorität wechseln: »Die Johannisnacht«, »Der Leonhardsritt«, »Das Almstummerl«, »Die Schwanjungfrau«, »Die Miesenbacher«, »Die Knappenlisl vom Rauschenberg«, »Die Blinde vom Kunterweg«, »Der goldene Samstag«, »Die wilde Braut«, »Die Fischerrosl von Sanct-Heinrich«, »Der Zuggeist«, »Der Erbe von Pollingsried«, »Der Musikant von Tegernsee«, »Der weisse Sonntag«, »Der Bubenrichter von Mittenwald«, »Die Ameisenhexe«, endlich »'s Liserl vom Ammersee«. Auch einige kürzere Humoresken, namentlich »Der vergangene Auditor«, dürfen in der Liste der Schmidt'schen Dichtungen nicht unerwähnt bleiben. Augenblicklich ist der Poet mit einer Volksgeschichte beschäftigt, die unter dem Titel »Die Jachenauer in Griechenland« erscheinen wird.

Auf eine nähere Angabe des Inhalts dieser grösseren, meist einen stattlichen Band bildenden Erzählungen einzugehen, ist bei solcher Fülle unmöglich, nur die hauptsächlichen Grundzüge seien kurz bezeichnet. Der Autor entnimmt dem Volksleben der baierischen Gebirgsbewohner zumeist solche Vorgänge, welche durch mehr oder minder ernste und tiefe, oft auch recht schroffe Conflicte der verschiedenen Lebensstellungen und Beziehungen, Interessen und Anschauungen bei den Betheiligten Gelegenheit geben, innerliche und äusserliche Entwickelungen und Katastrophen von psychologischer und ethischer Bedeutung vorzuführen. Dass dabei das Grundthema aller Herzens- und Lebensentwickelung: die Liebe, durch Gegensätze, Prüfungen und Nöthen mannichfacher Art hindurchgehend, sich läuternd und bewährend, die Hauptrolle spielt, ist selbstverständlich. Philosophische und religiöse Probleme durch Vertreter des Hochlandes und des Waldgebirges behandeln und lösen zu lassen, liegt dem bescheidenen Volksschriftsteller so fern wie dem Volke selbst. Indessen umfassen Schmidts Register einen grossen Reichthum an socialen und culturellen Motiven, wie ihn eben seine vollständige Kenntniss und geistige Beherrschung des Wesens und Lebens der baierischen Gebirgler, der sinnlichen und sittlichen Eigenart, der wirthschaftlichen Thätigkeit wie der Gebräuche, Sprüche, Sagen und Lieder der Menschen seines Herrschgebietes gewährt.

So sehen wir in Schmidts Erzählungen den jugendlichen Helden, den Burschen voll Kraft und »Schneid«, festen Willens, aber nicht immer Herrn seines Temperaments, allen Hindernissen trotzend, seinem Sterne folgen, den reichen Grossbauern und Hofbesitzer, fest und sicher in selbstbewusstem, stolzem Auftreten, die würdige Bäuerin, fleissig und umsichtig, in Haus und Hof der Rechte und Pflichten ihrer Herrschaft walten, die heranblühende Tochter, sittig und frohgemuth, in munterer Arbeit und sinnigem Spiel die Frühlingszeit des Lebens geniessen, Knecht und Magd bis zur ältesten Sennerin und zum jüngsten Hüterbuben bei aller Beschwerniss des gebirgswirthschaftlichen Dienstes doch auch an den Lichtseiten des ländlichen Lebens nach gutem Menschenrechte theilnehmen; wir lernen den Pfarrer, den Lehrer, den Förster, den Müller, den Gastwirth, den Schmied, den Bergmann, den Jäger, den Wildschützen, den Holz- und den Flossknecht, den Grenzpascher, den Insecten- und Pflanzensammler, den Bildschnitzer, den Musikanten und den verkommenen »Künstler« fragwürdiger Art, den das Geschick in die Berge verschlagen — alle Elemente der sesshaften wie der vagierenden Bevölkerung des Hoch- und des Vorlandes in lebenswahren, oft wahrhaft typischen Figuren kennen. Die Scenerie aber in Berg und Thal, auf sonniger Alm, wie am düsteren Waldsee, auf steilem Felsgrat wie in dunkler Schlucht, in wohnlicher Hütte wie auf freier Höhe, in mailichem Festtagsglanze wie bei tobendem Sturmesgraus, in den beschaulichsten wie in den bedenklichsten Situationen weiss uns der Dichter in zartestem Natursinn und schärfstem Beobachtungs- und Darstellungsvermögen allüberall in klaren Contouren und frischen Farben zu schildern; er versteht es, in knapper Darstellung, ohne jeden Wortschwulst und bei erstaunlicher topographischer Treue der Natur die Geheimnisse ihrer Schönheit so glücklich abzulauschen, dass wir uns stets auf festem Grunde mitten im Schauplatz und Vorgang seiner Geschichte als Miterlebende mit allen Freuden und Schmerzen derselben fühlen. Dabei lässt doch fast immer die wohldurchdachte Anlage, die treffliche Charakterzeichnung und die anmuthreiche Darstellung uns der Erzählung mit ästhetischem Behagen folgen. Da aber Schmidts Helden und Heidinnen stets auch neue Beispiele zu jener echten Lebensphilosophie darbieten, nach welcher die beste Gewähr für Bestand und Erfolg wahren Glückes in der gewissenhaften tüchtigen Arbeit, in der unerschütterlichen Herzens- und Pflichttreue liegt, von welcher glücklicherweise krankhafte Gefühlsseligkeit und Schönthuerei ferngehalten wird, so gewönnen des Dichters Bartl und Marti, seine Girgl und Lindl, seine Traudl und Reger], seine Liseis und Mirdeis unser ganzes Herz und bereiten jungen und alten Lesern, bei denen solch ein realistischer Idealismus und Optimismus den rechten Widerklang in Geist und Herzen findet, tiefinnige Erquickung.

Dass Schmidt für die Rede der in seinen Erzählungen auftretenden Personen, soweit sie dem Landvolke angehören, auch die Sprache dieses Volkes, den Dialekt, gewählt und beibehalten hat, war bei dem gesammten Wesen und Zweck seines literarischen Schaffens eine Nothwendigkeit. Die Erzählung selbst wird bei Schmidt stets in der hochdeutschen Schriftsprache geführt, und gerade die Abwechslung zwischen dieser und dem Volksidiom verleiht der Darstellung einen erhöhten Reiz und gewissennassen eine dramatische Bewegtheit. Uebrigens ist die baierische Mundart, sowohl wie sie im niederbaierischen »Wald« als wie sie im Alpenlande gesprochen wird, auch dem Nichtbaiern leicht verständlich. Bei aussergewöhnlichen Ausdrücken kommt uns der Autor mit der genügenden Erklärung in Noten oder Vorbemerkungen zu Hülfe.

Der dramatische Charakter mancher novellistischen Geschichte des Autors musste diesem den Versuch nahelegen, seiner epischen Behandlung auch die dramatische Bearbeitung folgen zu lassen, und bei seiner uns bereits bekannten ursprünglichen Neigung zur Bühnenwirksamkeit konnte Schmidt dieser Versuchung um so weniger widerstehen. Das Unternehmen fiel denn auch wiederholt glücklich aus. Sowohl »die Johannisnacht« als »der Georgithaler« und »der Leonhardsritt« — letzterer unter dem Namen »der Loder von Baierisch-Zell« — hatten sich einer günstigen Aufnahme auf baierischen Bühnen zu erfreuen. Das letztere Stück hat Schmidt mit dem Münchener Schauspieler Hans Neuert gemeinsam gearbeitet, ebenso wie das »Austragstüberl,« das bei den Tournéen der »Münchener« vom Gärtnertheater, welche die baierischen Volksstücke in den grösseren Städten Alldeutschlands vorführen, als Paradestück figurirt.

Eine Sammlung kleinerer Dichtungen in gebundener Rede, ebenfalls im Dialekt, gab Schmidt unter dem Titel »Altboarische Gschichteln und Gedichteln« (1884) heraus. In buntem Strausse werden darin »Spuk, Mär und Leben aus dem Baierischen Wald,« Lieder von »See und Hochland« und sonst noch »Allerhand« dargeboten. Zahlreiche minder umfängliche Producte seiner Muse, die bei verschiedenen Gelegenheiten, namentlich bei patriotischen Veranlassungen, entstanden und entweder als Monographien oder in Tageblättern und Zeitschriften gedruckt worden sind, entziehen sich der Aufzählung an dieser Stelle. Einige derselben sind dem königlichen Einsiedler auf dem Throne, dem unglücklichen Ludwig II. von Baiern, gewidmet, in welchem Schmidt einen ihm wohlgeneigten huldvollen Protector fand, der ihn auch mit dem Titel eines königlichen Hofrathes auszeichnete.

Nach diesen Darlegungen wird sich der Platz, den Maximilian Schmidt in der vaterländischen Literatur der Gegenwart einnimmt, unschwer ergeben. Wenn man ihn bei der herrschenden Neigung zu Vergleichen den baierischen Auerbach, Bitzius, Rosegger und Fritz Reuter, den »Defregger mit der Feder« und wer weiss noch wie sonst genannt hat, so wird man leicht erkennen, dass ihn von den genannten Erzählern von Dorf- und Volksgeschichten aus dem Schwarzwald, der Schweiz, der Steiermark und Niederdeutschland bei aller Verwandtschaft ihrer Dichtungsart doch auch wesentliche Verschiedenheiten trennen. Gleich freilich steht er ihnen in der Liebe zu seiner Heimat, in dem Geschicke, mit welchem er seine Landsleute darzustellen und auf sie zu wirken weiss, und in der zunehmenden Gegenliebe und Dankbarkeit, die er dafür in der engeren Heimat wie allmählich auch in den weiteren Kreisen der gesammten sich ihres Volksthums immer besser bewusst werdenden Nation findet.

Chr. Petzet.

Christian Petzet: Maximilian Schmidt. München; 1888.

Allgemeine Zeitung (30.4.1905)

Bücher und Zeitschriften.

Der blinde Musiker. Volkserzählung aus dem Böhmerwald. Von Maximilian Schmidt. Berlin, Otto Janke.

Seit vierzig Jahren übt Maximilian Schmidt, der literarische Entdecker des herrlichen Waldgebietes an der Grenzscheid von Bayern und Böhmen, seine Lust und Kunst am Fabulieren mit immer gleichem Glück. Mit welch freudiger Spannung wurden einst die Fortsetzungen der zuerst als Feuilletonroman erscheinenden »Glasmacherleut'« begrüßt und wie eifrig all ihre Qualitäten in ganz München besprochen und bewundert. Der warmherzige Ton mit dem gelegentlichen Stich ins Humoristische, die lebendige Anschaulichkeit der verständnisinnigen Schilderungen von Land und Leuten, das bei aller schlichten Natürlichkeit erfindungsreiche Erzählertalent sind Maximilian Schmidt ebenso treu geblieben wie die zahlreichen Anhänger, die sie ihm geworben haben. Weil Schmidt das Volk, dem seine Geschichten entsprossen, kennt und weil er es liebt, ihm, soweit er kann und vermag, was zu Liebe tun, es erfreuen, trösten, erheben, ihm die Schönheit des Waldes, in dem zu leben ihm beschieden, so recht zum Bewußtsein bringen will, ist er vom innersten Kern aus volkstümlich. Nicht Modesache wie die Bauernnovellistik des abgethanen oder des herrschenden Stils, sondern Herzenssache sind dem Waldschmidt, wie er sich nennt, seine Waldlergeschichten. Unaufdringlich macht ein erzieherisches Element sich in allen geltend; das ethische fehlt nie. Gern verweilt der Autor im Vorübergehen bei volksgeschichtlich interessanten Dingen, die er seiner leichtflüssigen Erzählung gewandt zu verschmelzen weiß. Ein Hauch echter Poesie liegt auf den von tiefer Heimatliebe diktierten Naturbeschreibungen. Die ganze liebenswürdige und selbst in der Zeit, da »pervers« zu einem Schlagwort der überwürzten Tagesliteratur geworden, noch schätzenswerte Eigenart Schmidts spricht anmutend aus dem jüngsten Werke des schaffensfrohen Siebzigers. »Der blinde Musiker« verflicht in die auf genauer Kenntnis begründete Darstellung der Sitten und Bräuche des Waldes die Schicksale eines musikbegabten Blinden, der vor dem Verkommen des auf dem Lande mit Recht gefürchteten Geniemenschen durch besonders günstige Umstände bewahrt bleibt und einer glücklichen Zukunft entgegeneilt. Das Buch ist für die Blindeninstitute in Wien wie auch in Hamburg bereits in Blindenschrift übertragen, doch wird es auch manchem, der mit ungetrübtem Blick nach den Lichtseiten des Lebens ausschaut, angenehme Lektüre bieten und gewiß kann der Heimatsinn und die Naturfreudigkeit der Jugend daran erstarken.

Allgemeine Zeitung Nr. 198. Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nummer 100. München; Sonntag, den 30. April 1905.

Münchner Neueste Nachrichten (21.8.1909)

Zur Enthüllung des Waldschmidt-Denkmals.
München, 20. August.

Am nächsten Sonntag findet auf dem Riedelstein bei Arnbruck (Kötzting) die Enthüllung des dem vaterländischen Dichter Maximilian Schmidt, gen. Waldschmidt, errichteten Denkmals statt. Von einem Freunde unseres Blattes, der vor kurzem das Denkmal besuchte, wird uns dazu geschrieben:

Die Errichtung eines Denkmals für einen Lebenden ist ein nicht allzu häufiges Ereignis. Sie wird in diesem Falle gerechtfertigt durch die außergewöhnlichen Verdienste, die sich Maximilian Schmidt um die vaterländische Volksliteratur erworben, un durch die große Popularität, die ihm seine Dichtungen eingetragen.

Maximilian Schmidt widmete sich ausschließlich der Schriftstellerei, als er infolge eines nervösen Leidens wenige Jahre nach dem deutsch-französischen Kriege aus seiner militärischen Laufbahn ausscheiden mußte. Aber schon vorher waren von ihm Volkserzählungen aus seiner engeren Heimat, dem Bayerwalde, erschienen: »Fräulein von Lichtenegg« und »Der lateinische Bauer« sowie »Die Christkindlsingerin«, »Brigitta« und »Glasmacherleut«. Im Jahre 1879 gab er einen großen Volksroman »Das zehnte Gebot« heraus. 1880 begann er aufs Neue mit Volkserzählungen und Kulturbildern aus dem bayerischen Hochland und dem böhmisch-bayerischen Waldgebirge, und blieb dieser Gattung treu bis zum heutigen Tage. Wohl an hundert größere oder kleinere Erzählungen und Volksstücke verdanken wir ihm, der von allem Anfang an zu den Lieblingsdichtern des deutschen Volkes gehörte. Das bayerische Kultusministerium hat Schmidts Schriften zur Anschaffung für Volksbibliotheken empfohlen. Seine Freunde sind in allen Schichten der Bevölkerung zu finden: der Gebildete liest seine Erzählungen mit demselben Genuß wie der Arbeiter. Seine Parole war immer gewesen: »Aus dem Volke und für das Volk!« Hohe Ordensauszeichnungen in- und ausländischer Fürstlichkeiten wurden ihm zuteil. In seiner Heimat ehrten ihn fünf Ortschaften durch Ernennung zum Ehrenbürger, sein Geburtsort Eschlkam errichtete eine Gedenktafel an seinem Geburtshause und die Stadt Cham benannte eine Straße nach ihm.

Nun soll dem 77-Jährigen im Herzen des Bayerischen Waldes ein Denkmal erstehen, zusammengefügt aus den granitenen Steinen des schönen Mittelgebirges, das er so oft besungen und zu dessen Bekanntwerden und Erschließung er durch seine Schriften und Erzählungen neben Adalbert Müller und Adalbert Stifter wohl am meisten beigetragen hat. Um dem verdienten Sohn des Bayerwaldes ein gutes Stück der ihm schuldigen Dankbarkeit abzutragen, hatte sich im Bayerischen Walde mit dem Sitz in Arnbruck ein Komitee gebildet, das die Mittel zur Errichtung des Gedenksteins aufbrachte.

Es war zweifellos ein sehr guter Griff der maßgebenden Personen, als Platz für das Denkmal den 1135 Meter hohen Riedelstein, den höchsten Punkt des durch die Erzählung Schmidts »Brigitta« bekannter gewordenen Kaiterberges, auszuwählen. Der Kaitersberg zeichnet sich nämlich auch durch seine alpinen Formen vor allen Bergen des Bayerischen und Böhmer-Waldes aus. Es ist eine überaus lohnende Tour, von dem schön gelegenen Kötzting aus über Reitensteinden Aufstieg auf den wild zerklüfteten Berg mit seinen großartigen Felsenbildungen zu unternehmen.

Auf diesem schönen Punkt steht nun das dem einfachen Sinne der Bewohner des Bayerischen Waldes entsprechende Denkmal nahezu vollendet da. Es stellt einen etwa acht Meter hohen, aus rohen, mit Zement verbundenen Steinen hergestellten massiven Turm ohne Aufstieg bezw. Innenraum dar. Der Turm, mit Dach und Kuppel bekrönt, weist auf drei je etwa 2,50 Meter breiten Seiten große Fensternischen auf, die vierte nach Arnbruck zugekehrte Seite einen entsprechenden Raum für das noch einzusetzende Medaillon Schmidts und darunter die Worte: »Entworfen von E. v. Hauberrisser, München 1907.« Da der Riedelstein weit über die unter ihm liegenden Fichtenbäume hinausragt, so ist die Fernsicht, die sich um den Turm herum sowohl über die hochragenden zahlreichen Berge als auch über die lieblichen Täler Bayerns und Böhmens bietet, wirklich lohnend.

Das Denkmal, das am nächsten Sonntag enthüllt wird, soll ein Zeichen der Liebe und Verehrung sein, deren sich der greise Dichter in seinem Volke erfreut. Es ehrt die dankbare Gesinnung der Stifter und den, dem es gilt, in gleichem Maße.

Münchner Neueste Nachrichten No. 389. Samstag, den 21. August 1909.

Münchner Neueste Nachrichten (9.12.1919)

Nur auf diesem Wege.

Gestern abend halb 10 Uhr verschied im 88. Lebensjahre unser heissgeliebter Vater, Grossvater, Schwiegervater, Onkel und Grossonkel

Herr Maximilian Schmidt
genannt Waldschmidt
K. B. Hofrat, Hauptmann a. D. und Volksschriftsteller
Ritter hoher Orden, Ehrenbürger von Furth i. W., Eschlkam, Lam u. den böhm. Freisassen-Gdn. Hammern u. Seewiesen.

MÜNCHEN (Thierschstr. 47), Augsburg, Eggenfelden, 9. Dezember 1919.

In tiefer Trauer:
Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt, Oberstleutnant z. D.
Amanda Schmidt genannt Waldschmidt
Marie Schmidt genannt Waldschmidt, geb. Buxbaum
nebst den übrigen Verwandten.

Die Feuerbestattung findet Donnerstag, 11. Dez., vorm. 10 Uhr im östlichen Friedhof statt.

Münchner Neueste Nachrichten Nr. 501. Dienstag, den 9. Dezember 1919.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Schmidt Maximilian, genannt »Waldschmidt«, 1832 (Eschlkam/Ndb) – 1919, Hauptmann und Schriftsteller; er besuchte seit 1848 das Münchner Polytechnikum, trat 1850 in den bayerischen Militärdienst, war Offizier im Topographischen Büro und Erzieher im Kadettenkorps und nahm mit Auszeichnung an den Feldzügen von 1866 und 1870/71 teil; 1874 trat Sch. als Hauptmann aus dem Heer und widmete sich in München der volkstümlichen Schriftstellerei; seine Erzählungen sind lebensfrisch, sie beschäftigen sich mit dem bayerischen Volksleben und – erst seit 1880 – mit Hochgebirgs- und Hochwaldslandschaften und sind kulturgeschichtlich von Interesse.

Hauptwerke: Volkserzählungen aus dem Bayrischen Walde (4 Bde.), Der Schutzgeist von Oberammergau, Der Leonhardsritt, Selbstbiographie: Meine Wanderung durch 70 Jahre; Sch. war auch als Verfasser von Humoresken, Dialektgedichten und Volksstücken fruchtbar; seine gesammelten Werke erschienen in 34 Bänden als Volksausgabe (Reutlingen 1898–1903).

© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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