Inhalt | Register | |



4 – 1 – 51·52 (Cramer · Hauser · Pinggera)

Ω

Linke Spalte

Hier ruhet
Frau Josepha Hauser
¿

Rechte Spalte

Hier ruhen
Herr
Franz Xaver Hauser
Steinmetzmeister
geb. 15. April ¿
gest. 15. August ¿
Herr
Heinrich Pinggera
kgl. Advokat
geb. ¿. September ¿
gest. 23. Januar ¿
Frau
Frieda Cramer
¿

Sockel

Hauser’sche Grabstätte

Ω

|||

Franz Xaver Hauser

* 15.4.¿
† 15.8.1875 (Ettal), Tod durch Arbeitsunfall
Steinmetzmeister

Epheuranken (21.8.1875)

Ueber den Transport der Kreuzigungsgruppe

enthält die Correspondenz Hoffmann folgenden Originalbericht aus Oberammergau, 16. August: »Das Schicksal der schon am 5. August von München abgegangenen Kreuzigungsgruppe ist bei dem Umstande, daß am Sonntage erst die eine Hälfte der entgegenstehenden Schwierigkeiten überwunden werden konnte, noch immer nicht besiegelt. Zahlreiche Fremde, meist Norddeutsche, daneben auch viele Münchener haben bereits seit Tagen den Transport der Steincolosse in Ettal und Umgegend mit Sehnsucht erwartet. Die reichlich vorhandenen und dabei sehr billigen Privatwohnungen trugen das Ihrige dazu bei, die Masse der Fremden in den Gebirgsdörfern festzuhalten.

Der erste und schwerste Theil der Gruppe, das Christusbild, begann am Mittwoch den 11. ds. Morgens die Auffahrt auf den wegen seiner steilen Steigung gefürchteten, aber mit Winden und Flaschenzügen wohl ausgerüsteten Ettaler Berg. Ingenieur Halm leitete die Auffahrt mit staunenswerther Sicherheit und Ruhe, daß die Zugmaschine bereits am Donnerstag Abends ohne allen Unfall die höchste Stelle, die sog. steile Wand des Ettaler Berges erklommen hatte. Die zahlreichen Arbeiter verhielten sich während dieser zwei ernsten Tage gänzlich schweigsam; man vernahm außer dem Keuchen der Lokomotive nur die Stimme des Ingenieurs, der stramm Ordnung hielt.

Auf der steilen Wand zeigte sich die Maschine auf dem abschüssigen Wege als etwas zu schwer; es eilten daher etwa 140 Mann aus Oberammergau und Ettal zu Hilfe und durch die vereinigten Anstrengungen der Lokomotive und der wackeren Männer gelang es, am Samstag Abends 7 Uhr das Christusbild auf die Höhe zu bringen und in das bescheidene Dorf Ettal einzuführen, wo es den Sonntag über stehen blieb.

Am Samstag Abend waren auch die auf drei Wagen in Gerüstbalken verpackten Figuren der Maria, des Johannes und der Sockelstücke am Fuße des Berges von Weilheim her angelangt und erwarteten die Auffahrt für Sonntag Morgen. Die Führung diess Transportes leitete Steinmetzmeister Hauser von München. Während sich nun die Fremden am Sonntag Morgen nach Oberammergau zu der um 9 Uhr beginnenden Vorstellung der Kreuzesschule begaben und außer den zunächst Betheiligten wenige Zuschauer mehr vorhanden waren, betrieb Meister Hauser mit etwas ungestümem Eifer die Auffahrt der zwei ersten Wagen, die er um 8 Uhr Morgens in der That glücklich nach Ettal hinaufbefördert hatte. Die 40 Centner schwere Figur des Johannes war auf den dritten und letzten Wagen verpackt; dieser folgte, von 32 Pferden gezogen und mit Eisenketten gehalten, den beiden vorangegangenen nach. Man hatte zwar den Meister Hauser noch am Fuße des Berges gewarnt, bei der bereits sichtbaren Ermüdung der Pferde die Auffahrt der Johannesfigur so rasch zu wagen, doch wies derselbe alle Bedenken mit den Worten zurück: »es muß gehen!«

Die auf’s Aeußerste angestrengten Pferde schleppten denn auch die Last bis zur Hälfte des Berges, die sog. Höhlenwand, hinan, mußten aber hier rasten. Als kurz nach 9 Uhr der Transport sich abermals in Bewegung setzte, vergaß Meister Hauser, das unter das vordere linke Wagenrad gelegte Unterlegstück, einen Walzprügel hinwegzunehmen, so daß das hintere linke Rad auf diesen auffuhr, hiedurch den Wagen ins Schwanken und die Johannesfigur ins Rollen brachte. Letztere stürzte über den Wagen nach rückwärts herab; der wegen der Enge des schluchtartigen Weges hart am Rücktheile des Wagens danebengehende Hauser wurde in das Bekleidungsgerüst des Johannes derart eingeklemmt, daß ihm, während er mit dem Kopfe aus dem Balken hervorragte, die Brust zersprengt wurde. In dieser Stellung erfolgte sein augenblicklicher Tod.

Einen neben ihm gehenden, aus Reutte in Tyrol gebürtigen Arbeiter streifte das niederstürzende Gebälke so schwer auf der rechten Seite, daß es ihm den unteren Theil des Unterleibes sammt dem rechten Oberschenkel zu Brei zerquetschte. Die Verwirrung, welche dieses Unglück hervorrief, war eine sehr große. Es dauerte ziemlich lange, bis man den schwer verletzten Arbeiter, der vor Schmerzen entsetzlich schrie, anzufassen wagte und in das Schloß nach Ettal hinauftrug, wo man ihn in einem Zimmer unterbrachte. Der sofort erschienene Bezirksarzt vermochte nicht mehr zu helfen. Der Unglückliche starb nach gräßlichen Oualen bei voller Besinnung gegen 6 Uhr Abends.

Inzwischen hatte sich in Oberammergau bereits die Kunde von diesem Vorfalle verbreitet. Hunderte von Zuschauern verließen sofort die Passionsvorstellung und eilten an die Unglücksstätte, wo nach 5 Uhr auch eine Gerichtskommission zur Constatirung des Sachbestandes erschien und die Ueberbringung der mit äußerster Mühe aus dem Gebälke losgeschälten Leiche des Meisters Hauser ins Ettaler Schloß anordnete. Als die Leiche dorthin verbracht wurde, läutete man die Todtenglocke des Klosters; Hauser, dessen Brust unterdeß fürchterlich aufgetrieben war, ward neben den eben verschiedenen Tiroler gebettet.

Die Johannesfigur liegt noch an der unheilvollen Stätte den Weg versperrend; Dank der ausgezeichnet konstruirten Bekleidung hat die Statue selbst keinen besonderen Schaden durch den Sturz vom Wagen genommen, einige am Faltenwurf des rechten Aermels abgesprungene Stücke können leicht vermißt, und die Defekte zugeschliffen werden. An die Verbringung der Johannisfigur auf einen Wagen ist an der schmalen Stelle, wo sie liegt, nicht mehr zu denken; es erübrigt nur, sie mittelst Walzen den Berg hinaufzuschaffen, eine Arbeit, an welche man nächster Tage, gehen will. Die in Folge dieses Unfalles eingetretene Verstimmung vermochte am Montag den 16. d. Morgens, wo die Christusfigur von Ettal nach Oberammergau hinabgeleitet wurde, nur schwer einer festlicheren Stimmung zu weichen.

Das Dorf Oberammergau selbst erwartete die Christusfigur im reichsten Flaggenschmucke, der, wie es sich für die Feier einer baierischen Königsgabe ziemte, nur in Blau-Weiß bestand. Eine Viertelstunde außerhalb des Dorfes kam der Christusfigur eine in so riesigen Dimensionen geflochtene Krone aus lauter Alpenrosen entgegen, daß ein Pferd sie ziehen mußte. Mit dieser Riesenkrone und einem nicht viel kleineren Kranze wurde das Gerüste geschmückt. Als sich gegen 11 Uhr Vormittags die Maschine dem Dorfe näherte, erschallte feierliches Glockengeläute; gleich darauf empfingen weißgekleidete Mädchen und Jungfrauen, welche Blumen und Kränze trugen, Schulknaben, sämmtlich mit blau-weißen Fähnchen ausgestattet, die Feuerwehr, der Veteranenverein, Schützenverein, Turnverein, Gesangverein, endlich der Bürgermeister mit der Gemeindeverwaltung und die Pfarrgeistlichkeit zur Begrüßung der Christusfigur. Den Mädchen ward ein baierisches Wappen mit der Inschrift: »Heil dem hochherzigen, edlen König Ludwig II.!« den Knaben die Inschrift: »Wahrhaftig ein königliches Geschenk!« vorhergetragen. Der Pfarrer, Bürgermeister und die Vorstände der einzelnen Vereine begrüßten nun jeder mit kurzen Worten das königliche Geschenk, während die Mädchen dasselbe mit Blumen bedeckten, worauf sich der Zug wieder in das Dorf zurückwandte.

So gelangte, in feierlicher Weise empfangen und geleitet, unter Gesang, Glockengeläute und Böllerschüssen die Lokomotive mit der Christusfigur nach Oberammergau, wo sie den weiteren Tag über vielfach bewundert wurde. Vom Dorfe aus hat nun der Transport demnächst noch eine neugebaute Straße zu dem links von Oberammergau auf einem hübschen Hügel gelegenen Aufstellungsplatz zurückzulegen. Der neuen Straße traut man indeß nicht viele Widerstandsfähigkeit zu, daher die Lokomotive auf halbem Wege umkehren und das Hinaufbringen der Figuren den Walzvorrichtungen überlasten wird.

Der Aufstellungsplatz der Kreuzigungsgruppe ist hübsch gelegen, doch das Postament für die drei Figuren noch nicht aufgestellt; die Enthüllung der Gruppe wird vielleicht im November oder December erfolgen können, wenn der Schnee die jetzt so schöne Gegend wieder bedeckt.

Epheuranken Nr. 98. Belletristische Beilage zur »Bavaria« (Würzburger Abendblatt). Samstag, den 21. August 1875.

Neue Tiroler Stimmen (31.8.1875)

Nachträgliches zum Transport der Oberammergauer Kreuzigungsgruppe.

Ueber die nähere Veranlassung des betrübenden Unfalles, durch welchen beim Transport der Kreuzigungsgruppe auf dem Ettaler Berge der Steinmetzmeister Hauser und ein Arbeiter ihr Leben eingebüßt haben, geht uns theils zur Ergänzung, theils zur Richtigstellung anderweitiger Berichte folgende Mitteilung zu: Hauser hatte 4 Arbeiter beauftragt, bei dem jedesmaligen Halten des Wagens Buchenscheiter hinter die Räder zu legen. Da gerieth man ungefähr 20 Schritte von der Unglücksstätte entfernt in ein Tags vorher von der Straßen-Lokomotive gerissenes Loch, welches nur locker mit Schutt aufgefüllt war. Man wußte aber dieses Hinderniß mittelst der Winde leicht zu überschreiten. Mit Handhabung derselben war einer jener Arbeiter betraut worden, welche die Räder mittelst der Scheiter zu sichern hatten. Während nun dieser, um bei weiterem Bedarfe bereit zu sein, die Winde hielt, bemächtigte sich einer der Zuschauer des Buchenscheites, legte dasselbe, als der Wagen nach circa 20 Schritten wieder zum Stehen kam, hinter das vordere linke Rad, ließ es aber, als sich der Wagen in Bewegung setzte, liegen, wodurch dann die bekannte Katastrophe herbeigeführt wurde. Dies geschah an einer Stelle, wo Niemand mehr an eine Gefahr dachte und alle erheblicheren Schwierigkeiten bereits überwunden waren.

Weder der »etwas ungestüme Eifer« des Meisters Hauser, noch die Ermüdung der Zugpferde konnte sonach von Einfluß auf den Unfall sein. Hauser war überhaupt nur schwer zur Leitung des Transportes zu bestimmen gewesen; man fügt ihm mit der Behauptung, er habe sich um die Führung desselben vielfach bemüht, zu seinem Unglücke noch eine üble Nachrede zu. Er hat auch nicht durch die Verwendung von Pferden, wie von anderer Seite behauptet worden, Abmahnungen zuwider gehandelt, sondern sich streng an getroffene Vereinbarungen gehalten.

Der Transport mittelst Pferden erwies sich gegenüber der Leistungsfähigkeit der Lokomotive als verlässiger und schneller. Die Lokomotive hatte nämlich bei dem vorausgegangenen Transporte des Kruzifixes sich ihrer Aufgabe nicht ganz gewachsen gezeigt, weil sie, bevor sie die Höhe des Berges erreicht hatte, sich selbst nicht mehr fortbewegen konnte und selbst mittelst Flaschenzug hinaufgezogen werden mußte. Außerdem hatte dieselbe eine Beschädigung erlitten, die sie für den Transport der übrigen Figuren unbrauchbar machte. Der Transport mit den Pferden, die nicht überanstrengt wurden, geschah sicher und leicht und waren bereits der größte Theil und darunter die gefährlichsten Stellen des Berges überwunden, als der verhängnißvolle Unfall eintrat.

Wegen des ganzen Vorfalles ist übrigens gerichtliche Untersuchung eingeleitet.

Neue Tiroler Stimmen Nr. 198. Für Gott, Kaiser und Vaterland. Dienstag, den 31. August 1875.

Die Kreuzigungsgruppe in Oberammergau (1875)

Am 15. August, als eben die fünfte Aufführung der »Kreuzesschule« stattfand, kam plötzlich Mittags die Schreckenskunde hierher, daß sich am Ettalerberge ein großes Unglück zugetragen habe; die aus dem Theater gerufenen Arbeiter eilten zur Unglücksstätte und nach Schluß der Vorstellung theilte man sich gegenseitig tieferschüttert die Hiobspost mit.

Steinmetzmeister Franz Xaver Hauser von München wollte nämlich am folgenden Tage am Einzuge in Oberammergau mit der Statue des hl. Johannes, welche mittlerweile an den Fuß des Berges gebracht worden war, theilnehmen und deßhalb beeilte er sich, dieselbe mittelst Pferdekraft noch rechtzeitig über den Ettalerberg zu bringen. Des Sonn- und Festtages wegen hatten die Bauern von Oberau nur auf dringendes Ansuchen Hauser’s und mit Widerstreben ihre Pferde und Knechte zur Verfügung gestellt. Schon waren zwei mit Sockelstücken beladene Wagen glücklich auf der Höhe und der mit 32 Pferden bespannte dritte Wagen mit der Statue des hl. Johannes beinahe am Ende der »langen Höhle« angelangt, als plötzlich durch ein leichtes Schwanken des Fuhrwerkes die Statue rückwärts hinabstürzte und so unglücklich auf Hauser fiel, daß derselbe sogleich zerdrückt und der neben ihm gehende Arbeiter, Joseph Kofelenz aus Reutte durch das Gebälke derart gestreift wurde, daß er in Folge der Verletzungen Nachmittags 2 Uhr, nachdem er noch die hl. Sterbsacramente empfangen hatte, im Schloßgebäude zu Ettal, wohin er getragen worden war, unter großen Schmerzen seinen Geist aufgab. (Ein am 20. Oktober errichtetes Denkmal aus schwarzem Marmor bezeichnet an der Bergstraße die Unglücksstätte.)

Die Kreuzigungsgruppe in Oberammergau und die Enthüllungs- und Einweihungs-Feier. Zur Erinnerung an den 15. Oktober 1875, beschrieben von J. A. Müller, Pfarrer. Oberammergau, 1875.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


Erstellt mit jutoh digital publishing software (Anthemion Software Ltd.)