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5 – 1 – 19 (Neher)

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MICHAEL NEHER
ARCHITEKTURMALER
* 1798
† 1876

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Michael Neher

* 31.3.1798 (München)
† 4.12.1876 (München)
Architekturmaler und Genremaler

Artistisches München im Jahre 1835 (1836)

Neher, Fr. Michael, Maler, geb. zu München am 31. März 1798. Sein Vater, Joseph Neher, ebenfalls Maler und Bürger in München, wollte durchaus nicht, daß sich der Sohn der Kunst widmen sollte, indem damals die Aussichten für einen Künstler keineswegs günstig waren; er ließ ihm jedoch neben der lateinischen Schule den Unterricht des Professors Mitterer zu Theil werden, und die Anfangsgründe im Zeichnen als Nebensache betreiben. Da der Knabe neben seiner Freude zur Kunst auch sehr viele Anlage verrieth, ließ ihn der Vater endlich die Akademie der bildenden Künste in München besuchen. Nach zwei Jahren wurden abwechlungsweise seine Lehrer: der durch seine klassische Farbenlehre berühmte Mathias Klotz, Angelo und Dominik Quaglio und Joseph Klotz.

Jedes Fach der bildenden Kunst hatte ihn mächtig angesprochen, jedes wollte er treiben, und jedem widmete er eine Zeitlang alle seine Kräfte. Es war ein steter Kampf in ihm, und nur ein Ungefähr gab seinem Geiste eine bestimmte Richtung. Nachdem er das Historien-, das Landschafts- und das Architekturfach nacheinander mit Eifer und Anstrengung getrieben hatte, versuchte er sich auch im Porträt, um, wenn er die von ihm längst beabsichtigte Reise nach Italien machen würde, sich einen sicheren Erwerbszweig zu verschaffen. Einige glückliche Versuche verwirklichten auch bald, was er längst nur als stillen Wunsch in sich genährt hatte. Ein Freund versah ihn mit Empfehlungen nach Trient, er erhielt dort bedeutende Aufträge zu einträglichen Arbeiten, und somit wieder weitere Empfehlungen; endlich war er so glücklich, Rom selbst auf längere Zeit zu seinem Aufenthalts- und Studienorte wählen zu können. Während den sechs Jahren, die er in Italien und besonders in Rom und Neapel zubrachte, studirte er fleißig, und bildete sich auch noch mehr für das Genrefach aus, das er nach dem einstimmigen Urtheile der damaligen berühmtesten Künstler, in Rom wieder in Aufnahme gebracht hat.

Im Jahre 1826 kehrte er aus Italien zurück, und seine mitgebrachten Federzeichnungen sowohl als seine Studien betrachteten seine Freunde und andere Kunstverwandte mit Vergnügen.

Schon während seines Kunstlebens in Rom hatte er Bilder zur Ausstellung nach München gesendet, die beifällig beurtheilt wurden. Er malte nach seiner Zurückkunft Bilder, welche nach London, Berlin, Dresden und Stuttgart bestimmt waren. Der Kunstverein in München wählte ihn zu seinem Conservator, welche Stelle er bis zum Jahre 1822 versah, wo er aber seine Entlassung suchte, weil ihm dieses Amt doch auch viele Zeit, welche er der Kunst widmen sollte, verlieren machte. Die während dieser Epoche gelieferten Oelgemälde stellen meistens italienische Trachten, Markt- und andere öffentliche Plätze mit Figuren und architektonische Ansichten vor.

Gegenwärtig ist er in dem Bergschlosse Hohenschwangau damit beschäftigt, mehrere historische Bilder in Auftrag Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Bayern im größeren Maßstabe auszuführen. Er ist ein glücklicher Familienvater und geehrt von seinen Freunden und Bekannten.

Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (22.12.1838)

Gallerie einiger in München lebender Künstler.
(Fortsetzung.)

Neher, Fr. Michael.

Fr. Neher, zu München im J. 1798 geboren, empfing den ersten Unterricht bey dem verdienstvollen Prof. Mitterer und trat mit tüchtigen Vorkenntnissen als Zögling in die Akademie der Künste ein. Der durch seine classische Farbenlehre berühmte Mathias Klotz, Angelo und Dominico Quaglio und Joseph Klotz entwickelten und bildeten Nehers Talente mit dem besten Erfolge. Der Kunstzögling versuchte sich nach allen Richtungen hin; allein immer noch schwankte seine Neigung zwischen der Historien-, der Landschaft- und der Architekturmalerey, wiewohl jede seiner Bestrebungen den Künstler auf die erfreulichste Weise ankündete.

Die damalige Periode sicherte weder dem Historien- noch dem Landschaftmaler eine anständige Subsistenz. Der Porträtmaler allein fand sie. Jedermann läßt sich gern conterfeien. Er unternahm eine Reise nach Italien, und schon Trient eröffnete ihm reichliche Quellen. Neher zog nach Rom, das er zu seinem Aufenthalts- und Studienorte wählte. Er brachte sechs Jahre theils in Rom, theils in Neapel zu, bildete sich für das Genrefach aus, das er nach dem einstimmigen Urtheile der damaligen, berühmtesten Künstler in Rom wieder in Aufnahme gebracht hat, und kehrte im Jahre 1826, bereichert mit trefflichen Federzeichnungen und mit Studien, aus Italien zurück. Neher hatte bereits einen Namen in der Künstlerwelt. Schon aus Rom hatte er Bilder zur Ausstellung gesendet. Allgemeiner Beyfall ward ihnen zu Theil. In München malte er Bilder, welche nach London, Berlin, Dresden und Stuttgart bestimmt waren. Später lieferte er, obgleich als Conservator des Kunstvereines sehr beschäftigt, Öhlgemälde, meistens italienische Trachten, Markt- und andere öffentliche Plätze mit Figuren darstellend und architektonische Ansichten nachbildend. Im Schlosse Hohenschwangau malte er im Auftrag Sr. königl. Hoheit des Kronprinzen Max von Bayern mehrere historische Bilder im größeren Maßstabe.

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 153. Samstag, den 22. Dezember 1838.

Die bildende Kunst in München (1842)

Fr. Michael Neher,

geboren 1798, 31. März zu München, sollte sich nach dem Willen seines Vaters, eines Malers, gelehrten Studien widmen, und durfte nur neben dem Besuche der lateinischen Schule am Zeichnungs-Unterrichte des Professors Mitterer Theil nehmen. Da sich seine Anlagen zur Kunst indessen immer mehr entwickelten, wurde ihm endlich erlaubt, die Akademie zu besuchen. Im steten Kampfe und unter beständigen Uebungen in den verschiedenen Kunstzweigen entfaltete sich lange Zeit keine vorherrschende Richtung bei ihm; nach und neben einander versuchte er sich in der Historienmalerei, in landschaftlicher Darstellung und in der Architektur-, so wie in der Bildnißmalerei, begab sich dann nach Italien, wo er in mehreren Städten Bildnisse und Gegenstände des gewöhnlichen Lebens ausführte, und dann auch nach Rom ging. Hier beschäftigte er sich mit dem Studium der großen Meisterwerke und mit der Darstellung ansprechender Scenen aus dem italienischen Volksleben. Nach sechs Jahren, 1826, kehrte er nach München zurück und führte hier mehrere der dort gesammelten Skizzen in schönen Oelbildern aus; jetzt erschien aber die Architekturmalerei bei seinen Werken häufig als die Hauptsache, und er stellte Markt- und andere öffentliche Plätze mit Figuren und architektonischen Ansichten dar, die den altertümlichen oder neuen Charakter der Baukunst zeigen und in deren Umgebung Scenen des Volkslebens geschildert werden.

Im Auftrage des Kronprinzen von Bayern führte er auf der Burg Hohenschwangau mehrere historische Gemälde in Fresko aus.

Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.

Universal-Handbuch von München (1845)

Neher, Michael,

geboren 1798 in München, machte seine Kunststudien daselbst an der Akademie, ging sodann nach Italien, besuchte Rom, war daselbst 3 Jahre, kehrte von dort wieder nach München zurück und wählte das architektonische Fach ausschließlich. Er war wohl früher Genremaler, aber große Vorliebe für das Architektonische bestimmte ihn, bei dem Letzten zu bleiben. Geh. Rath v. Klenze, Maler Stranzinger, dann viele andere Kunstfreunde, die Galerie von Schleißheim, Fürst Thurn und Taxis zu Regensburg, der König von Württemberg besitzen Bilder dieses Künstlers. Neher hat eine große Vorliebe, Volksscenen und Volksversammlungen als Staffage in seinen Gemälden mit dem Architektonischen zu verbinden.

Universal-Handbuch von München. München, 1845.

Münchener Künstlerbilder (1871)

Michael Neher,
Architekturmaler.

Der bekannte Architekturmaler Michael Neher, zu München am 31. März 1798 geboren, gehört einer Familie an, in der die Kunst heimisch war. Schon sein Großvater war Maler gewesen und auch sein Vater, der von Bibrach nach München übergesiedelt war, hatte als bürgerlicher Maler daselbst seinen eigenen Heerd gegründet, nachdem er in jenen kriegbewegten Zeiten als Künstler sein Fortkommen nicht hatte finden können. Der Sohn sollte dereinst des Vaters Geschäft übernehmen, so wollte es der gute alte Brauch, und deshalb wanderte denn unser kleiner Michael zu Mitterer, einem alten Bekannten des Vaters, in die Zeichnenstunde. Aber sein Eifer hätte größer sein können und so waren die Fortschritte nicht die glänzendsten. Vierzehn Jahre alt ging er dann auf die Akademie, der Joh. Langer als Director vorstand. Doch auch da ließ er Manches zu wünschen übrig, und als er im dritten Jahre darauf die Akademie wieder verließ, um bei dem Hofmaler Mathias Klotz weiter zu lernen, war das gegenseitige Bedauern eben nicht gar zu lebhaft. Zwei Jahre später gab es an Decorationsmalereien für das neue Hof- und Nationaltheater alle Hände voll zu thun, und Angelo Quaglio, der damit betraut war, beschäftigte Neher im decorativen und architektonischen Fache, wobei der junge Mann seinen Unterricht bei Klotz fortsetzte und Porträts malte. Bald darauf zerstörte ein großer Brand das Haus sammt allen Decorationen und Neher zog nun, 19 Jahre alt, mit leichtem Gepäck über den Brenner, um in Welschland sein Glück als Porträtmaler zu suchen. Drei Jahre lang saß er in Trient, Mailand und Triest. Aus dem faulen Jungen war ein strebsamer, junger Mann geworden, dessen Arbeiten geschätzt und gesucht wurden. Was war das für ein Jubel, als der Vater schrieb, er wolle die Kosten eines Aufenthalts in Rom und Neapel bestreiten. In Rom lebte damals der treffliche Heinrich Heß; an ihn ward Neher gewiesen, und jener nahm sich seiner wacker an. Freilich war Heß mit den Leistungen Neher’s nicht immer zufrieden und sagte ihm dies auch in seiner kurzen, kräftigen Weise. Als Porträtmaler hatte Neher auch nicht gar zu viel im ewigen Rom zu suchen, und Heß führte ihn deshalb zum Genre. Neher konnte der Versuchung, auch Neapel zu sehen, um so weniger widerstehen, als er an Personen empfohlen war, die dem dortigen Hofe nahe standen, doch war sein Aufenthalt nur von kurzer Dauer, und so saß er denn bald wieder in seinem Studium zu Rom vor Genrebildern. Da meinte eines Tages Heß, das Mauerwerk, das Neher da male, tauge unendlich mehr, als die Figuren davor, und es wäre wohl am besten, wenn diese jenem untergeordnet würden. Sein scharfer Blick hatte Neher’s Begabung erkannt, nicht so aber konnte sich dieser davon überzeugen, daß er dem Genre zu entsagen habe. Er glaubte genug zu thun, wenn er die Verhältnisse seiner Figuren mehr und mehr verkleinerte und dafür der architektonischen Umgebung eine größere Bedeutung einräumte.

Nach einem dreijährigen Aufenthalte in Rom kehrte er dann wieder nach München zurück und erhielt die eben erledigte Stelle eines Conservators des dortigen Kunstvereins, die er Jahre lang unentgeltlich bekleidete. Das war aber keineswegs eine Sinecure. So mußte beispielsweise jede Woche dem Könige eine Uebersicht der ausgestellten Kunstwerke überreicht und diese wegen Zuganges neuer oft mehrmals in der Woche abgeändert werden. Es handelte sich nicht um einfache Verzeichnisse, sondern förmliche Risse der Wände mit den Bildern und deren Bezeichnung, Alles sauber gezeichnet und geschrieben.

Daneben malte Neher immer noch Genre, aber seine Figuren waren inzwischen kleiner und kleiner geworden, so daß es schließlich nur eines letzten, gleichfalls von Heß gegebenen Anstoßes bedurfte, um die Architektur zur Hauptsache zu machen.

Um die Zeit, 1832, ließ der Kronprinz Maximilian von Bayern die in Trümmern liegende Burg Hohenschwangau an der Grenze der bayerischen und schwäbischen Berge wieder aufbauen, und bald trieb ein Völkchen von Künstlern aus aller Herren Länder sein Wesen auf dem sonst so stillen Burgfelsen. Auch Neher war unter denselben. Zunächst freilich nur im decorativen Elemente beschäftigt, aber wie überall anstellig, sorgsam und seinen Platz mit Ehren ausfüllend. Das zog denn auch bald die Aufmerksamkeit des hohen Burgherrn auf ihn: er ward beauftragt, große Wandgemälde nach v. Schwind’s, Gasser’s und Schwanthaler’s Entwürfen auszuführen, was um so verdienstlicher war, als manche derselben in ziemlich kleinen Verhältnissen gehalten waren.

Im Frühlinge des Jahres 1837 hatte Neher seine Arbeiten in Hohenschwangau beendet und kehrte wieder nach München zurück.

Nun erst wendete er sich mit voller Entschiedenheit der Architekturmalerei zu und bald hatte sein Name weit über München hinaus, im In- wie Auslande, einen guten Klang. Auf einer im Jahre 1855 rheinabwärts und nach Belgien unternommenen Reise, von welcher er durch Norddeutschland über Berlin und Dresden nach Hause zurückkehrte, sammelte er sich einen reichen Schatz von Studien und Motiven, welche er seither in vielgesuchten Bildern verwerthet.

Es ist vorwiegend das Element des altdeutschen behaglichen Städtelebens, in dessen Darstellung sich Neher mit ebenso viel Geschick als Glück bewegt. Kein andrer Künstler weiß uns so in die Gassen und auf die Plätze alter Reichsstädte zu versetzen, wie er, keiner führt uns die Pracht alter Dome, wie die Anmuth zierlicher Kapellen mit solcher Wahrheit und mit so feinem Verständniß des Einzelnen wie des Ganzen vor die Seele. Seine Bilder sind mehr als Darstellungen von Gebäuden, sie sind getreue Abbilder echt germanischen Lebens, wie es in Domen und Palästen, in Gassen und Gäßchen sich bewegte.

In wunderbarer Harmonie damit stehen seine zierlich gezeichneten Staffagen, mag er sie aus dem Treiben der Gegenwart oder aus längst verklungenen Zeiten nehmen. Man hört den lustigen Taktschlag, in dem die Schlägel der Küfergesellen die Faßdauben bearbeiten, vernimmt das Gewühl des Jahrmarkts, dessen Buden auf dem großen Platze vor der Kirche lange Reihen bilden, und stille heimliche Gäßchen mit hohen Giebelhäusern sprechen uns noch behaglicher an, sehen wir moderne elegante Damen mit malerischem Federhute und wallenden Kleidern darin wandeln.

Neher’s Zeichnung ist von einer Gewissenhaftigkeit, wie wir einer solchen nur selten begegnen. Er begnügt sich nicht damit, den Schein zu geben; was er giebt ist unumstößliche Wahrheit. Man muß seine Entwürfe sehen, welche die architektonische Construction der Gebäude zeigen, um zu begreifen, wie es kommt, daß man vor seinen Bildern nie auch das leiseste Bedenken fühlt. Ebenso gewissenhaft ist seine Ausführung, so zierlich sein Vortrag, so fein und klar seine Farbe, und alles dies in harmonischem Vereine macht Neher, den bescheidenen, anspruchslosen Künstler, nicht blos zum Lieblinge aller Kunstfreunde, sondern auch zu einem der Ersten seines Faches.

Seine Bilder erfreuen sich einer außerordentlichen Verbreitung, wir begegnen ihnen in der Neuen Pinakothek des Königs Ludwig, wie in den hervorragenden Sammlungen Londons, Wiens und Berlins, zu deren schönsten Zierden sie gereichen.

Der König Maximilian II. von Bayern zeichnete ihn durch Verleihung des Verdienstordens vom heiligen Michael aus.

Carl Albert Regnet: Münchener Künstlerbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Kunstschule in Biographien und Charakteristiken. Leipzig, 1871.

Allgemeine Deutsche Biographie (1886)

Neher: Michael N., Architekturmaler, geb. am 31. März 1798 zu München und † daselbst am 4. Decbr. 1876. Derselbe stammte aus einer schwäbischen, allmählich ins Bürgerliche ausgewachsenen Künstlerfamilie; er lernte erst etwas Latein, dann das Zeichnen bei Hermann Joseph Mitterer, kam unter Peter v. Langer's Direction auf die Akademie und warf sich unter Matthias Klotz auf das Porträtfach, in welchem er schon um 1820 als selbständiger Künstler hervortrat; nebenbei versuchte er sich auch nach Quaglio's Vorbild im Gebiete der Architektur- und Decorationsmalerei. Er wollte Bildniß-, Historien-, Landschafts- und Architekturmaler, alles zugleich sein; auch im Miniaturbilde scheint er sich versucht zu haben. Ein gefährliches Vielerlei von Vorstudien, aus welchen N., wenn auch langsam, einen sicheren Rückgang für seinen wahren, nachhaltigen Beruf fand. Schließlich nahm ihn, der die rechte Gabe besaß, alles künstlerisch anzuschauen, das Leben und die Welt in die Schule: N. ging 1819 mit guten Empfehlungen nach dem Süden, hielt sich längere Zeit als Porträtmaler in Trient auf, durchzog Oberitalien von Mailand bis Triest und wagte sich nach Rom und Neapel, wo er 1824 mit Fries, Oehme, Götzloff, Wagner, Ludwig Richter und anderen deutschen Kunstgenossen zusammentraf. Da mit dem Porträtfach nicht viel zu machen war, warf sich N. auf das Genre und studirte das farbige Volksleben, welches sich damals noch so ungesucht, von allen Seiten in überraschender Weise darbot. In zahlreichen Zeichnungen, meist nur wenigen Zoll hohen Figuren und Gruppen, hielt er die Eindrücke fest. Sie trugen denselben sicheren, beinahe kupferstichartigen Strich und Charakter, wie eben damals die Maler mit höchster Gewissenhaftigkeit ihre »Studien« machten: Peter Heß, J. A. Klein und K. Bürkel zeichneten Alle in gleich sorgfältiger Weise. Dem jungen N. stand Heinrich Heß, welcher sich damals in Rom befand, mit seinem ehrlichen Rathe bei; daß er bei N. die »historische« Strenge vermißte, war begreiflich. So meinte Heß eines Tags »das Mauerwerk welches N. da male, tauge unendlich mehr als die Figuren davor und es wäre wol am besten, wenn diese jenem untergeordnet würden«. Sein scharfer Blick hatte Neher's Begabung erkannt; N. selbst aber fand erst allmählich den richtigen Weg. Vorerst glaubte er genug zu thun, wenn er die Verhältnisse seiner Figuren mehr und mehr verkleinerte und dafür der architektonischen Umgebung eine größere Bedeutung einräumte. Von da an war Neher's Weg vorgezeichnet. Es dauerte aber auch jetzt noch eine gute Weile, bis N. im Bereiche der Architekturmalerei jene künstlerische Höhe erreichte, welche er dann in der Folge immer behauptete und von welcher er selbst an der Grenze des Greisenalters nicht herabstieg. Denn als er drei Jahre vor seinem Tode wahrzunehmen glaubte, daß die Sicherheit seiner Hand und seines außerordentlich schönen und stets freudestrahlenden Auges schwinde, legte er den Pinsel nieder, so schwer ihm dieses auch fallen mochte. Es war ein hartes Opfer, aber seines guten Namens würdig. Beispiele dieser Art sind gleichwol selten.

In Italien malte N. eine »Almosenspende«, das treffliche Bild eines »Spielers« (Giuocatore), eine »Mutter mit ihrem Bambino unter der Arcade eines Hauses«. Ein köstliches »Römische Geflügelhändler« vorstellendes und »Roma 1825« bezeichnetes Bild besitzt die Neue Pinakothek zu München; die fast 28 Centimeter hohen Figuren sind mit äußerster Sorgfalt durchgebildet, insbesondere verträgt der vor ihnen stehende Hühnerkorb sogar eine Untersuchung mit der Lupe und erinnert in seiner sauberen Ausführung beinahe an die Spielereien des Gerhard Dow. Bei seiner 1825 erfolgten Rückkehr nach München brachte N. eine Fülle von Skizzen und Studien mit, einen Schatz von Bildern, Costümstücken, Landschaften und Ansichten von öffentlichen Plätzen und architektonischen Darstellungen. Er hatte in der Fremde gelernt, was arbeiten heißt; der Drang und die Lust zu schaffen waren mit der Erkenntniß seines Zieles erwacht; er strebte das Gefundene nicht allein zu verwerthen, sondern auch Andern zu lehren und sie seines geistigen Erwerbs theilhaft zu machen. So gründete N. eine Zeichnungsschule und nahm Schüler an; auch bekleidete er bis 1833 die Stelle eines Conservators am Münchener Kunstverein. Daselbst brachte er dann in der Folge die Mehrzahl seiner Bilder zur Ausstellung, noch im J. 1825 eine »Frau mit ihren Kindern aus der Gegend von Rocca di San Stefano«; 1826 kamen schon sieben Bilder: »Franciscanermönche welche an ihrer Klosterpforte Speisen unter die Armen austheilen«; ein »römischer Milch-Händler«; ein auf grasiger Anhöhe sitzender »Ziegenhirte mit einem kleinen Mädchen, eine italienische Landschaft im Hintergrunde«; Costume di Rocca S. Stefano o. auch von Olevano und Montorio Romano; den Schluß machte eine Gruppe Italiener. Das alles malte N. ebenso wie die übrigen »alten Herren« von damals, ohne weitere Beihülfe als seine an Ort und Stelle gemachten Zeichnungen und Skizzen; sie schleppten sich noch nicht mit Costümen, Garderoben und sonstigen Modellen; sie malten aus der Erinnerung und waren in Farbe und Zeichnung gerade so diplomatisch genau, vielleicht sogar noch gewissenhafter als unsere Zeitgenossen, welche öfters, wenigstens bei den »zugereisten« Modellen, von maskirten Südtirolern und anderweitigem Gesindel hinters Licht geführt werden. Wenn man ferner bedenkt, daß N. außer seinen vielfachen Obliegenheiten als Lehrer und Conservator noch als Bildnißmaler in Anspruch genommen wurde, weil er eine vorzügliche Gabe zur Auffassung charakteristischer Züge und aller Zufälligkeiten besaß – so erhalten wir ein lebhaftes Bild seines rastlosen Fleißes, der durch das fröhliche Bewußtsein des Gelingens, der verdienten Anerkennung und reichlichen Beifalls noch gehoben ward. Dabei blieb sein Vortrag eben so sorgsam und sauber, ja er steigerte sich noch zusehends in der minutiösesten Gewissenhaftigkeit, während die Stimmung im steten Fortschreiten an poetischer Schönheit und feintöniger Harmonie gewann. Den Höhepunkt erreichte er freilich erst in der Mitte und zu Ende der vierziger Jahre. In das Jahr 1827 fiel noch eine »Fischerfamilie von Nettuno«, ein von Kindern mit Früchten beschenkter »Eremit« etc. In allen diesen Dingen spiegelte N. damals die ihn umgebende Natur eben so wahr, wie heutzutage Passini. Im nächsten Jahre folgten eine hübsche, um einen Schleifer versammelte Mädchengesellschaft; ein »Saltarello romano« und mehrere andere Costümgruppen; 1829 tauchten schon einige Bilder auf, in denen die Architektur selbständiger zum Vorschein kam, z. B. der »Fischmarkt in Rom« oder eine »Straße in Tivoli« (1830), dann kam das »Pantheon in Rom« (1832), eine Partie aus der »Cività Lavinia«, ein »Platz in Albano«, ferner eine »Straße aus Viterbo«, womit N. vorläufig die Reihe seiner Reise-Erinnerungen aus dem gelobten Lande Italien schloß, da ein willkommener und ehrenvoller Auftrag seine Thätigkeit auf ein anderes Gebiet lenkte. Neher's Name hatte guten Klang und viele seiner Bilder gingen schon damals nach Stuttgart, Dresden, Berlin und London. Zugleich mit Fr. Giesmann, Glink, Lindenschmit und Lorenz Quaglio wurde N. 1834 nach Hohenschwangau berufen, um die Wände dieser so romantisch gelegenen Burg, welche durch den Kronprinz Maximilian wieder aus den Trümmern erstanden war, mit Fresken zu schmücken. N. malte nach den Entwürfen von Ruben zwei Bilder im Schwanenrittersaale, »Lohengrin's Abschied vom Hause seiner Eltern« und dessen »Hochzeit mit der schönen Elsa von Brabant«; dann arbeitete er mit an den »Bildern aus dem Frauenleben des deutschen Mittelalters«, an den »Darstellungen aus der Wilkinasage« und den Fresken »aus dem deutschen Ritterleben« – die beiden letzteren Cyclen nach Moriz von Schwind's Compositionen. Vom schönen Schwanenschloß machte N. viele architektonische Ausflüge in die Nachbarschaft und trug reiche Ausbeute heim; bei seiner im März 1837 erfolgten Rückkehr nach München begann er alsbald mit jenen Städte-, Burgen- und Kirchenbildern, ohne welche wir Neher's Namen nicht mehr zu denken vermögen. Die Architekturmalerei pendelte damals noch »zwischen den beiden Extremen der Bühnendecoration und der linearen Düftelei, nach dem Vorbilde der späteren Niederländer. Erst N. gab dem Architekturbilde dadurch mehr Unmittelbarkeit und poetische Freiheit, daß er nicht auf constructivem Weg, und vom Architekten aus, sondern vom Genre durch allmähliche Vertiefung in den baulichen Hintergrund zum Architekturbilde gelangte« (Reber). Den Beginn machte er 1837 mit dem »Rathhaus zu Wasserburg« (sein letztes Bild nach 37jähriger Thätigkeit war 1873 auch einem Motiv aus dieser Stadt entnommen); rasch folgten »die Tillycapelle in Altötting« und eine Ansicht der »Waffenhalle in Hohenschwangau«; das »Schloß zu Burghausen« (1838), ein Thor und eine Kirche aus dem alterthümlichen Rothenburg an der Tauber, jenem liebenswürdigen Städtchen, welches N. sozusagen erst entdeckte und mit seinen stillen Reizen bekannt machte, daß es seither mit wahrer Magie alle Maler und Kunsthistoriker anzog. Bald darauf brachte N. das Kreuzthor aus Ingolstadt (1839), innere und äußere Ansichten des Ulmer Münsters und dortigen Rathhauses. Kempten und Landshut mit der Trausnitz, Dinkelsbühl und Memmingen, Donauwörth, Kelheim und Augsburg lieferten ihm ihre vordem kaum gekannten Schätze aus; überall in den alten ehemaligen Reichsstädten, in ihren Münstern, Rathhäusern und Burgen, fand er in allen Straßen und Gäßchen überraschend schöne Ueberreste mittelalterlicher Kunst und malerisches Winkelwerk, welches er mit besonderer Vorliebe festhielt. In immer größeren und weiteren Bogen zog N. alljährlich durchs Land, überall Kleinode entdeckend. Gewöhnlich zeichnete er gleich an Ort und Stelle und mit wunderbarer Treue und zwar in der Größe wie das Bild werden sollte, seinen Gegenstand; einzelne Details kamen nöthigenfalls in ein kleines Skizzenbuch; in betreff der Farbenwirkung bürgte ihm sein gutes Gedächtniß. Saß er dann wieder in seinem Atelier zu München, so wurde die Zeichnung auf die Leinwand gebaust und die Ausführung frischweg begonnen. Trotz der subtilsten Ausführung des Details wurde er doch nie hart oder kleinlich, sondern behielt seine volle künstlerische Freiheit. Die Arbeit war ihm eine Lust und sein Beruf eine Freude; die Farbe mit welcher er buchstäblich zeichnete, wandelte sich in Wohlklang, Alles stand in Harmonie: Luft, Stimmung und Staffage. Das Malen war ihm immerdar ein Fest, nur wenn es an die Luft ging, da wurde der sonst so heitre Mann beinahe verdrießlich. Mit humoristischem Jammer brach er einst in die Worte aus: »O wie wäre die Kunst so schön, wenn es keine Luft zu malen gäbe!« Und doch zeigen alle seine Bilder von dieser bekümmerten Herzensangst keine Spur. Die immer prächtig abgepaßten, oft sehr zahlreichen Staffagen pflegte N. vorher auf übergelegte Glasscherben zu skizziren; erst wenn sie ihm völlig passten, malte er sie frischweg in seine Bilder. In immer weitere Radien dehnte N. seine Ausflüge: nach dem schönen Schwaben (Eßlingen, Tübingen und Maulbronn, 1848), dann an den Bodensee (Lindau und Constanz, 1849), nach Freiburg im Breisgau; über Weißenburg nach Nürnberg (1851). Im J. 1855 verarbeitete N. die Früchte einer auch auf Belgien ausgedehnten Rheinreise; dazwischen kamen wieder Erinnerungen aus der engeren Heimath; 1863 wanderte N. nach Böhmen und Sachsen, später auch noch in die Schweiz. Es war, als ob seine Kraft, sein Fleiß und seine Leistungsfähigkeit mit den Jahren sich steigere; mit eiserner Ausdauer saß N. tagsüber hinter seinem kleinen Fenster, welches nicht einmal reines, reflexfreies Nordlicht bot; für seine Bedürfnisse, meinte der bescheidene Mann, reiche das völlig aus. Als ihn einer seiner Freunde einmal in betreff der strengen Zeichnung mit Cornelius vergleichen und ihn ebenso den Altmeister aller Fachgenossen im Gebiete der Architekur nennen wollte, wehrte N. diesen Ehrentitel mit den Worten ab: »Nein, mit Cornelius dürfen Sie mich nicht vergleichen, dazu verehre ich ihn viel zu hoch; aber gemeint habe ich's – setzte er beinahe feierlich bewegt bei – gemeint habe ich's mit der Kunst ebenso ernst«.

Im J. 1848 erhielt N. als Auszeichnung eine Staatspension, 1872 die Aufnahme unter die Ehrenmitglieder der Akademie; die Feier seines 75. Geburtstages wurde von Seiten der Münchener Künstlerschaft festlich begangen. Der Abend seines Lebens brachte für den greisen Künstler indessen noch einige harte Prüfungen: Erst starb nach zehnjähriger Krankheit eine geliebte Tochter, dann streifte ihn ein Schlaganfall, von dem er sich jedoch ziemlich wieder erholte, um einen heftigen Typhus durchzumachen; leidlich hergestellt verlor N. in Mitte des Jahres 1876 seine treue Gattin, welcher er, trotz der sorgfältigsten Pflege seiner einzigen Tochter, am 4. Decbr. desselben Jahres folgte. N. war ein reiner, lauterer, unantastbarer Charakter, voll Liebe und Wohlwollen gegen die Menschen; seine Kunst ein echter Spiegel seiner schönen Seele. Er gehörte auch zu den Stiftern des Künstlerunterstützungsvereins, dessen nicht mühelose Vorstandschaft er lange Jahre hindurch bekleidete. Die neue Pinakothek besitzt elf Bilder von Neher's Hand, wahre Perlen, fast aus allen seinen Phasen. Außer den vorgenannten die innere Ansicht der »Capelle auf der Trausnitz«, dann zwei Ansichten aus Alt-München, beide mit ihren originellen und charakteristischen Staffagen ganz köstliche Cabinetsbilder aus dem früheren Münchener Leben. Ebenso ist der »ehemalige Residenzflügel gegen den Hofgarten« (1843) ein wahres Kleinod! Eine ganze Culturgeschichte steckt in den wenigen Figuren mit ihren uns beinahe schon alterthümlich anheimelnden Costümen. Zwischen diesen und der »Klosterkirche zu Bebenhausen bei Tübingen« (1848) ist schon ein großer Schritt, welchen der Maler vorwärts gethan; ein warmes Colorit spielt über die spitzbogige Filigranarbeit, ein echter Hauch von künstlerischer Poesie. Daran reiht sich die »Prager St. Veitskirche« und die »Martinskirche in Braunschweig«, dann der »Magdeburger Dom« (1855), mit einer Menge minutiöser Figürchen, »Lichtenthal bei Baden« (1859) und die »Theinerkirche in Prag« (1863), ein auf Holz gemaltes Miniaturbildchen von wunderbarer Ausführung. Seltsamerweise wurden mit Ausnahme eines von Seeberger lithographirten Blattes aus dem sog. »König Ludwig-Album«, nur wenige von Neher's Bildern durch Stich und Photographie vervielfältigt; auch für den Holzschnitt, wozu sein Vortrag doch so passend gewesen wäre, hat N. niemals gezeichnet. Desgleichen existirt auch kein Stich mit einem Porträt Neher's, nur eine Photographie von Hanfstängl und eine kleine von Leeb. Seine Büste hat Halbig in König Ludwigs Auftrag modellirt.

Vgl. Lipowsky, Artistisches München, 1836, S. 89. – Nagler 1840. X. 172. – Regnet, Münchener Künstler, 1871. II, 72 ff. – Nekrolog in Beilage 348 Allgem. Zeitung vom 13. Decbr. 1876. – Gottschall, Unsere Zeit, 1877, XIII, 311. – Kunstvereinsbericht für 1876. S. 74. – Reber, Gesch. d. neueren deutschen Kunst, 1876. S. 512.

Hyac. Holland.

Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1886.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Neher Michael, 1798 (München) – 1876, Architektur- und Genremaler und Konservator des Münchner Kunstvereins; [Bruder des Biberacher Historien- und Kirchenmalers Bernhard N. – 1806 (Biberach) – 1886 (Stuttgart) –, der für das Münchner Isartor das 2 Meter hohe und 20 Meter lange Fresko des Siegeszugs Kaiser Ludwigs des Bayern nach der Schlacht bei Ampfing schuf (wo in den Köpfen der Magistratsherren die Porträts von ihm selbst, von Gärtner, Ringseis, den Gebrüdern Eberhardt u. a. verewigt sind], studierte er an der Münchner Kunstakademie bei Angelo Quaglio, nach einem Romaufenthalt (1823–1826) machte er sich durch architektonische Darstellungen (Dome zu Magdeburg, Prag und Braunschweig in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung) bekannt, im Schloß Hohenschwangau schuf N. Bilder nach Kompositionen von Rubens und Schwind, daneben hat er auch Federzeichnungen von den Umgebungen von Rom und Neapel, Genrestücke, Kostümbilder und Landschaften hinterlassen.

© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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