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JOHANN
NEPOMUK
HALLER
KLASSIZISTISCHER
BILDHAUER
1792 + 1826
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* 1.3.1792 (Innsbruck)
† 23.7.1826 (München)
Bildhauer
Haller, Familienname einer ansehnlichen Reihe von Künstlern und Kunstfreunden. Ein Hans Haller blühte in den letzten Dezennien des 15. Jahrh. als Geschicht- und Bildnissmaler zu Ulm, wo er ein Eccehomo für das deutsche Haus und eine Tafel uns unbekannten Inhalts für das Münster malte. Ein Andreas Haller war im Anfange des 16. Jahrh. kunstthätig zu Brixen. Seinen Namen mit dem Dat 1513 führt ein Wandelaltar mit Flügeln im tirolischen Nationalmuseum zu Innsbruck. Ein Filipp Haller von Innsbruck, geb. 1698, gebildet unter Pifazetta zu Venedig, gest. in der Vaterstadt 1772, lieferte in der Manier seines Meisters viele Altarbilder und hinterliess auch Bildnisse sowol in Oel als in Pastell, die zum Theil ihr Verdienst haben. Ein Franz Haller von Passeyer wird in den Siebzigern des 18. Jahrh. als Kirchenmaler zu Neustift im Stubay thätig gefunden. Ein Josef Haller von Innsbruck, gebildet unter Langer zu München, dann kunstbeflissen zu Wien, hat sich ebenfalls als Geschichtmaler, und zwar als warm und kräftig kolorirender, bethätigt.
Höhere Bedeutung hat jedoch nur Johann Nepomuk Haller, der Bildhauer, gewonnen. Dieser treffliche Künstler, geb. zu Innsbruck 1792, hatte die Kunstlaufbahn bei einem Vetter zu Imst begonnen, wo er der Holzschnitzerei zugeführt ward. Nachdem er noch bei einem andern Holzbildner gearbeitet, kam er im J. 1810 nach München, wo er sich in der Akademie im Zeichnen und Modelliren ausbildete und bald die Aufmerksamkeit der Professoren und des Kronprinzen Ludwig erregte. Nach dreijährigem Kursus empfing er den akademischen Preis durch seinen Theseus, der den Felsen aufhebt, um unter demselben seines Vaters Sandalen zu finden.
König Max Josef bestellte nun bei Johann Haller die Figuren, welche seinen Krönungswagen schmücken sollten; Kronprinz Ludwig aber beauftragte 1817 den jungen Bildner mit den Kolossalstatuen, womit die Nischen der Vorderseite der 1816 fundamentirten Glyptothek besetzt werden sollten. Um dieselbe Zeit arbeitete Haller die beiden Karyatiden an der Königsloge des neuen Hoftheaters und die sandsteinene Gruppe des Kindes auf dem Delfin, welche im Hofgarten zu Nymfenburg ihren Platz fand. Im J. 1818 übertrug Kronprinz Ludwig dem talentvollen Tiroler auch die von Martin Wagner angeordneten Figuren des Giebelfeldes der Glyptothek; diesen Auftrag aber erhielt Haller zugleich mit der mittelbegleiteten Weisung, die Arbeit binnen fünf Jahren in Rom auszuführen. Hier anlangte er im März 1819. Zuvörderst hatte er noch zwei Kolossalfiguren für die Nischen der Glyptothek zu arbeiten; dann ging er, neben Beschaffung mehrer Büsten, zu den Modellirungen für das Giebelfeld über.
Indess verhinderten ihn missliche Körperzustände die ihm gestellte Aufgabe in Rom zu erfüllen, und so kehrle er nach München zurück, wo er nun, in vaterländischer Luft sich wieder besser fühlend, zunächst noch einmal die Kaneforen an der Königsloge zu meiseln hatte, da die ersten bei dem Theaterbrande zugrundgegangen waren. Nach dieser ins Jahr 1823 fallenden Arbeit schuf er mehre Riesenbüsten berühmter Männer und verschiednes Andre für öffentliche Gebäude, sowie er auch noch drei Giebelfiguren ins Grosse modellirte. Inzwischen verfiel der Künstler neuem Siechthum, von welchem der Tod ihn am 23. Juli 1826 für immer erlöste.
Haller schied dahin, als er eben durch seine im Fluge weniger Jahre errungnen Kunsterfolge zu den grössten Hoffnungen berechtigte. Sein Genius war dem Heroischen zugewandt; namentlich werden seine Kolossalbüsten beredte Zeugen bleiben von seinem ins Gewaltige gehenden Stil. Doch hat er gelegentlich auch gezeigt, dass ihm der Ausdruck des Zartern nicht ausser Bereich lag. Ein Beispiel dafür bietet die um ihre Kinder trauernde Erdmutter in jenem Basrelief im Göttersaale der Glyptothek, welches den Sturz der Giganten versinnlicht.
Seine für das Giebelfeld der Glyptothek modellirten Figuren, wobei auch theilweis, wenn wir nicht irren, Ernst Bandel mitgeholfen, wurden nach seinem Tode zwar benutzt, aber nur mit theilweiser Umarbeitung durch Schwanthaler, Ernst Mayer und Johann Leeb in Marmor ausgeführt. Motivirt ward diese Umarbeit bei der Ausführung durch die etwas derbe und massenhafte, an Uebertreibung streifende Behandlung, welche Johann Haller und sein ehemaliger Mitschüler, der ihm zuletzt nebenthätige Bandel, den Modellen gegeben hatten.
Der Jahrbericht des Münchner Kunstvereins 1827 verzeichnet die Hallerschen Bildwerke in folgender Ordnung,
1) Werke vor seiner Romreise: die Marmorbüste des Fürsten Wrede; Gipsbüste des Kunstschullelters Langer; Marmorbüste Wilhelms III. v. England für die Walhalla; kolossalgipsenes Standbild des leidenden Filoktet; Kolossalstatuen des Hefästos und Prometheus, des Dädalos und Feidias für die Nischen der Glyptothekfasade;
2) Werke aus der Zeit seines Romaufenthalts: die Kolossalbilder des Perikles und des Hadrian für die Glyptotheknischen; Pallas Ergane für das Giebelfeld der Gl.; Büsten des Kronprinzen Ludwig und andrer Herren [erste nach Thorwaldsen];
3) Werke nach der Rückkunft aus Rom: das Basrelief ob dem linken Bogentheile über dem Hauptthor der Reitschule, darstellend den Lapithen- und Kentaurenkampf [nach dem Modell Martin Wagners, dessen Entwurf für den rechten Bogentheil Lazzarini ausführte]; das Bildwerk Im glyptothekischen Göttersaale, welches den Jupitersieg über die Giganten darstellt [Gipsgebilde nach Peter Cornelius]; die zweiten Modelle zu den Kaneforen und Viktorien im neuen Theater; das Modell einer Riesenviktorie für den Grafen Schönborn; drei Kolossalfiguren zur glyptothekischen Giebelfeldgruppe, der Former, der Bildhauer und der Erzgiesser; die Riesenbüste des Grafen Görz und die Gipsbüsten des Theofrast v. Hohenheim, des Kapellmeisters Winter, des Geschichtschreibers Westenreeder, des Optikers Frauenhofer, des Baumeisters Klenze und des Malerheros Cornelius.
Conversations-Lexikon für Bildende Kunst. Leipzig, 1833.
Haller, Johann Nepomuk (Bildhauer, geb. zu Innsbruck 1. März 1792, gest. zu München 23. Juli 1826). Der Sohn armer Eltern, zeigte früh Talent für die Kunst und lernte zuerst bei seinem Vetter Joseph Wipper in Imst das Holzschnitzen, dann bei Renn ebenda die Bildhauerei, bei dem er einige Jahre arbeitete und dann nach München ging, um sich an der dortigen Kunstakademie vollends auszubilden. H. war 18 Jahre alt, als er 1810 zu Schopf in München kam. Indem er nun zugleich Unterricht im Zeichnen nahm, erregte sein schönes Talent für die Plastik bald Aufsehen und H. fand an dem damaligen Kronprinzen Ludwig alsbald einen hochherzigen Mäcen. Nach drei Jahren erhielt er den ersten Preis mit seinem »Theseus«, welcher den Felsen aufhebt, um die Sandalen seines Vaters zu finden.
Nun erhielt H. von dem Könige Maximilian Joseph mehrere Bestellungen; unter anderen den Auftrag, die Figuren für den Krönungswagen anzufertigen, den er bestens ausführte. Im Jahre 1817 wurde H. von dem Kronprinzen Ludwig, mit dem in Bayerns Hauptstadt eine neue Aera der deutschen Kunst anhebt, mit mehreren Arbeiten betraut, als: mit der Ausführung der colossalen Statuen an den Nischen der Vorderseite der Glyptothek, der Karyatiden an der Königsloge im Hoftheater, im folgenden Jahre mit der Bildergruppe für das Giebelfeld der Glyptothek; diese letztere Arbeit sollte er aber in Rom zu Stande bringen, um durch Betrachtung und Studium der Meisterwerke der alten Plastik seinen eigenen Geschmack zu läutern. Im März 1819 traf H. in Rom ein und arbeitete da bis 1823. Kränklichkeit halber kehrte er im letztgenannten Jahre nach München zurück, wo er aber schon 1826, im Alter von 34 Jahren, seinen Leiden erlag.
Obgleich H. so jung starb, hinterließ er doch eine beträchtliche Anzahl von Werken, welche seinen Ruhm der Nachwelt überliefern werden und seinen frühzeitigen Verlust schwer beklagen lassen. Seine Werke sind: »Philoktet«, wie er am Natterbisse leidet, colossale Statue, jetzt im Ferdinandeum zu Innsbruck aufgestellt; die Statuen: »Hephästos«, »Prometheus«, »Dädalus«, »Phidias«, »Perikles«, »Hadrian«, für die Nischen der Facade der Glyptothek, wovon er die ersten vier in München, die zwei letzten in Rom ausführte; »Pallas Ergane«, für das Giebelfeld der Glyptothek; die nach Klenze’s Angabe von Wagner entworfenen Figuren der Minerva als Beschützerin der Sculptur, der Modellirung, Toreutik, Ornamentik, Polychromie, Erzgießerei, Stein- und Holzbildnerei und Vasentöpferei hat Haller modellirt, wurden aber bei deren Ausführung in Marmor von Schwanthaler, Bondel, Mayer und Leeb zum Theile umgearbeitet; »Der Kampf der Lapithen und Centauren«, Basrelief nach dem Modell von M. Wagner, für den linken Theil des Bogens über dem Hauptthore der Reitschule, Lazzarini hat den rechten ausgeführt; »Der Sieg Jupiters über die Giganten«, Basrelief in Gyps nach der Zeichnung von Cornelius, für den Göttersaal der Glyptothek; das »Kind mit dem Delphin«, aus Sandstein, im kön. Hofgarten zu Nymphenburg; die Modelle zu den »Karyatiden« und »Victorien« im Hoftheater. Diese führte er zweimal aus, zuerst 1818 und im Jahre 1823 zum andern Male, als sie im Brande des Theaters zu Grunde gegangen waren; eine »Victoria«, colossale Statue für den Grafen von Schönborn; außerdem vollendete H. mehrere Porträtbüsten, als: »Feldmarschall Wrede«; »Director Langer«, ersterer in Marmor, letzterer in Gyps; »Wilhelm III. von England«, in Marmor, für die Walhalla; »König Ludwig«, nach Thorwaldsen; »Graf Görz«, Colossalbüste; »Theophrastus Parazelsus«; »Capellmeister Winter«; »Frauenhofer«; »Westenrieder«; »Klenze«; »Cornelius«; »Pfarrer Schmid«.
Haller’s Arbeiten sind von dem Geiste der Antike durchweht; das Studium derselben in ihrer Reinheit und Schönheit offenbart sich in allen seinen Werken. Der in das Gewaltige gehende Charakter seiner Büsten beurkundet sein hervorragendes Talent für das Heroische, obgleich, wie sein »Kind mit dem Delphin« und »die um ihre Kinder trauernde Gea« auf dem Basrelief »der Sturz der Giganten« es beweisen, ihm auch der Ausdruck des Zarten gelang. Glückliche Auffassung des Individuellen, Fleiß in der Ausführung, Ausprägung seiner eigenthümlichen Ideen und die Wahl großer streng durchdachter Stoffe charakterisiren die Arbeiten Haller’s, der gewiß noch Großes geschaffen haben würde, wenn nicht die Parze, nachdem er erst die kleinere Hälfte seiner Künstlerlaufbahn zurückgelegt hatte, vor der Zeit seinen Lebensfaden entzwei geschnitten hatte.
Jahres-Bericht des Kunstvereins von München 1828. – Staffler (Joh. Jakob), Das deutsche Tirol und Vorarlberg topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen (Innsbruck 1847, Fel. Rauch), Bd. I, S. 469. – Tschischka (Franz), Kunst und Alterthum in dem österreichischen Kaiserstaate (Wien 1836, Fr. Beck, gr. 8°.) S. 140, 363. – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1837, E. A. Fleischmann, 8°.) Bd. V, S. 525. – Tirolisches Künstler-Lexikon (Innsbruck 1830, Felician Rauch, 8°.) S. 84. – Oesterreichische National-Encyklopädie, herausg. von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 483. – Pierer’s Universal-Lexikon (Altenburg 1857, gr. 8°.) Vierte umgearb. und stark verm. Aufl. Bd. VII, S. 881, Nr. 5 [mit der Angabe des falschen Todesjahres 1823]. – Müller (Fr.), Die Künstler aller Zeiten und Völker (Stuttgart 1860, Ebner und Seubert, gr. 8°.) Bd. II, S. 336 [mit der falschen Angabe, daß er im Jahre 1823 gestorben]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen 1849, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XIV, S. 804.
Dr. Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Wien, 1861.
Haller: Johann Nepomuk H., Bildhauer, geb. (angeblich?) zu Innsbruck am 1. März 1792, † zu München am 23. Juli 1826. Als Sohn armer Eltern für ein Gewerbe bestimmt, brachte ihn der Vater später, da sich das Talent immer mehr hervordrängte, zu einem Holzschnitzer, dann zu dem Bildhauer Renn in Imst. In München verschaffte sich H. vollständige Ausbildung, wo er auf der Akademie 1813 den ersten Preis für Bildhauer erhielt.
Vom Münchener Hofe mit Aufträgen reich bedacht, unternahm er 1819 eine Reise nach Rom, wo er bis 1823 verweilte und dann nach München zurückkehrte. Haller’s Arbeiten sind größtentheils an Münchener Bauten aufgestellt, so an der Glyptothek, an der Reitschule, am Hoftheater u. s. f.
Ein ziemlich vollständiges Verzeichniß seiner Werke gibt Wurzbach’s Biogr. Lexikon (VII. 242), welchem diese Daten entnommen sind.
K.
Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1879.
Haller Johann Nepomuk, 1792 (Innsbruck) – 1826, Bildhauer; nach einer ersten Ausbildung in seiner Tiroler Heimat studierte er in München an der Kunstakademie, von 1819–1823 verweilte er auf Vermittlung seines Gönners, des Königs Max. I. von Bayern, in Italien; H. wurde auch von Ludwig I. sehr gefördert.
Hauptwerke: Statuen in den Nischen der Glyptothek, im Schloßpark von Nymphenburg und in der Hofloge des Münchner Nationaltheaters, Büsten zeitgenössischer Persönlichkeiten wie Fraunhofer, Westenrieder, Klenze u. a. (ehemals in den Alten Arkaden des Südlichen Friedhofes).
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.