Ω
GEWIDMET von SEINER MAJESTET
KÖNIG LUDWIG I.
HIER RUHT
ALOISIUS
SENEFELDER
ERFINDER
DER
LITHOGRAPHIE.
GEBOREN ZU PRAG DEN VI. NOVEMBER MDCCIXXI
GESTORBEN ZU MÜNCHEN AM XXVI. FEB. MDCCCXXXIV
UND DESSEN EINZIGER SOHN,
HEINRICH,
STARB IM XXXIIIten LEBENSJAHRE MDCCCIVL.
IHM FOLGTE SEINE TOCHTER
ERNESTINE,
LEHRERIN DER HEIL. GEIST PFARR SCHULE
GEB. XXIV. OCT. MDCCCXXXVIII, GEST. XX. DEC. MDCCCLXXI.
UND IHNEN DIE GATTIN U. MUTTER
LUISE SENEFELDER † 12. NOV. 1878, 68 JAHRE ALT.
Ω
Senefelder, Alois; 6.11.1771 (Prag) – 26.2.1834 (München); Erfinder der Lithographie, Schauspieler und Schriftsteller
Senefelder, Ernestine; 24.10.1838 – 20.12.1871 (München); Lehrerin
Senefelder, Luise; – 12.11.1878
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* 6.11.1771 (Prag)
† 26.2.1834 (München)
Erfinder der Lithographie, Schauspieler und Schriftsteller
Die Lithographie – Zeichnung auf Stein – Steindruck.
Die Erfindung derselben ging nicht nur von München aus, sondern wurde hier auch zu der bis jetzt größten Vollkommenheit gebracht, ohngeachtet sie seit mehreren Jahrzehnden bereits ein Gemeingut von ganz Europa geworden ist, und besonders von den Franzosen alsobald zu malerischen Darstellungen benützt wurde.
Ihr Erfinder ist Alois Senefelder, geboren am 6. November 1771 zu Prag, wo sich sein Vater, Peter Senefelder, aus Königshofen in Unterfranken, als Schauspieler damals gerade aufhielt, der mit dem neuen Jahre 1772 am Hoftheater in Mannheim und im Jahre 1778 in München angestellt wurde. In dieser Stadt erhielt nun Alois seine Bildung, besuchte die gelehrten Schulen, zeichnete sich durch Fähigkeiten und Fleiß aus, und erhielt deswegen von der Kurfürstin Marie Anne eine Unterstützung zum Besuche der Hochschule Ingolstadt, wo er sich mit Eifer dem Studium der Rechte widmete, zugleich aber mit besonderer Neigung der Dichtkunst huldigte, und schon im J. 1789 ein Lustspiel, der Mädchenkenner, dichtete, welches von den Studirenden mit besonderer Bewilligung und mit Beifall während des Carnevals auf der Hofbühne gegeben wurde.
Da der Vater schon im Jahre 1792 starb, und die Wittwe mit neun Kindern ihrem ältesten Sohn Alois keine Unterstützung gewähren konnte und die Rechtswissenschaft ihm damals keinen sichern Unterhalt zu bieten schien, beschloß er, sich als Dichter und Schauspieler der Bühne zu widmen. Seine geringen Anlagen aber zu einem Schauspieler hinderten seine Aufnahme am Hoftheater in München, das Leben und damalige Treiben bei einigen wandernden Gesellschaften in Regensburg, Nürnberg und Augsburg, an welche er sich angeschlossen hatte, mißfiel ihm bald und so wollte er denn, da sich ihm trotz seiner mannichfaltigen Kenntnisse keine andere Aussicht eröffnete, als Schriftsteller im dramatischen Fache leben, und es entstanden nach einander mehrere Lust- und sentimentale Schauspiele, die ihm jedoch wenig einbrachten und deren Druck ihm größere Summen kostete, als er dafür wieder einnahm.
Dies brachte ihn auf den Gedanken, die Druckmittel sich selbst zu verschaffen, und nach manchen vergeblichen Versuchen, die aus Mangel an den nöthigen Werkzeugen und der Geschicklichkeit im Schriftstechen, mißlangen, versuchte er, die Schriften in Kupfer zu ätzen und übte sich deshalb in verkehrten Zügen zu schreiben. Wohl fand er den Aetzgrund und eine zum Decken des Geätzten dienliche Flüssigkeit, auch die Vortheile des Aetzens selbst mittels der während seiner Studien erlangten Kenntnisse in der Chemie; aber er hatte nur eine einzige Platte, diese sollte er zu jedem neuen Gebrauche erst vorher abschleifen und mühsam zubereiten; ein Versuch mit einem Zinnteller entsprach seiner Erwartung nicht, und so benützte er zu seinen Uebungen ein zum Farbenreiben eingehandeltes Stück Marmorschiefer aus Kehlheim. Die Schriftzüge fielen reiner als auf Kupfer aus, erforderten weniger Aetzmittel und das Abschleifen war weniger mühsam.
Allein durch die blosse Anwendung der Art des Kupferätzens hatte er noch nichts eigentlich Neues erfunden, er machte darauf Versuche in der vertieften Art des Steindruckes, in welcher Weise Musiknoten in schwarzem Schiefersteine schon vor ihm gestochen waren, als er durch einen Zufall in weiteren Versuchen dieser Art unterbrochen wurde.
Er hatte eben eine Steinplatte abgeschliffen, um seine Uebungen in der verkehrten Schrift fortzusetzen, als er für seine Mutter einen Waschzettel schreiben sollte. Da er nicht gleich ein Stückchen Papier zur Hand hatte, und auch die Tinte eingetrocknet war, schrieb er den Waschzettel indessen mit der vorräthigen, aus Wachs, Seife und Kienruß bestehenden Steintinte auf die Steinplatte, um ihn dann wieder abzuschreiben. Ehe er sie abwischte, fiel er auf den Gedanken, die Platte mit Scheidewasser zu ätzen, ob sich die Schrift dann nicht vielleicht nach Art der Buchdrucker Lettern oder Holzschnitte einschwärzen und abdrucken ließe, und führte den Versuch aus. Bei der Untersuchung nach dem Aetzen fand er die Schrift etwas erhöht, er begann darauf das Einschwärzen mit einem feinen ledernen mit Roßhaar ausgestopften Ballen, den er zart mit einer aus dicken Leinölfirniß und Kienruß bestehenden Farbe einrieb; die Abdrücke befriedigten ihn, und so war denn die Steintinte erfunden, im Juli 1796, die dem Scheidewasser widerstand.
Bei wiederholten Versuchen verbesserte er die Form des Druckballen, bis er ihm später die Walzenform gab; an der Erfindung einer passenden Presse hinderte ihn der Mangel, und er mußte sich mit einer unvollkommen und roh verfertigten Kupferdruckerpresse mit zwei Walzen begnügen, zu deren Herstellung die Mutter ihr Letztes opferte. Seiner Verlegenheit, die nöthigen Mittel sich zur Vervollkommnung seiner Erfindung zu verschaffen, mit Einem Male abzuhelfen, beschloß er, für einen Bekannten um die Summe von 200 Gulden auf 6 Jahre als Soldat einzustehen, um dann seine Erfindung weiter zu führen. Auch daran gehindert, wollte er sich unterdessen als Drucker nähren, machte glückliche Versuche mit dem Notendruck und trat mit dem Hofmusikus Gleißner in Verbindung, von dessen Compositionen er Abdrücke machte, die trefflich gelangen, und schon glaubte er, man würde seine Erfindung allgemein mit Beifall aufnehmen, ihn unterstützen, fördern. Aber das geschah nicht; die Akademie der Wissenschaften, welche den Nutzen der Erfindung nicht zu würdigen wußte, ließ ihm durch ihren Vice-Präsidenten Vachiery, 12 Gulden als Anerkennung seines Verdienstes übergeben.
Nicht abgeschreckt dadurch, begann er mit Gleißner an der Herstellung einer neuen Druckpresse, die aber so schlecht gerieth, daß er zwei traurige Jahre voll Arbeit, Kummer und Sorgen verlebte, und mit fortwährenden Preß-Veränderungen, nachdem er die erste zu voreilig vernichtet hatte, und mit Probedruck, Zeit und Geld verdarb; er ließ darauf eine neue, der alten ähnliche, Presse von einem Zimmermann machen, wobei die Versuche nicht besser gelangen und er eine solche Kraft zum Abdrucke mußte wirken lassen, daß der Stein immer, bald nach wenigen Abdrücken schon, zersprang. Alle weiteren Bemühungen, reine Abdrücke zu gewinnen, schienen vergeblich, die gemachte Erfindung wieder verloren; Kummer und Hohn der Feinde nagten am Leben Senefelders; die Bereitwilligkeit, mit welcher der Musikalienhändler Falter ihm eine neue Presse fertigen ließ, förderte wenig; der Druck gelang nicht und Falter ließ die Werke wieder in Kupfer stechen.
Bald darauf machte der Professor an der Militär-Akademie, Simon Schmid, Versuche, Zeichnungen auf Stein zu verfertigen, die aber eigentlich erhobene Steinschnitte waren und sich wesentlich von Senefelders Erfindung unterschieden, und deren Ausführung gleich derjenigen, die bei den Kupferplatten angewendet wird, sehr mühsam war. Da dieser eben damals von dem Schulrathe Steiner, der zugleich Direktor des Central-Schulbücher-Verlages war, aufgefordert wurde, die Giftpflanzen durch Steinstiche zum Gebrauche der Schulen herauszugeben, die Versuche aber nicht vollkommen genügten, wendete sich Steiner mit mehreren Aufträgen an Senefelder, die dieser, so gut er konnte, auf Stein ausführte und die dann auf einer Buchdruck-Presse abgezogen wurden, wodurch sie, wenn auch nicht ganz nach Wunsch, doch immer besser gelangen, als bei der unvollständigen früheren Vorrichtung des Erfinders. Er beschäftigte sich nun mit der Zeichnung von Bildern zu Gebetbüchern und Vorschriften, zu deren Ausführung er bei seiner unzulänglichen Kenntniß im Schönschreiben und Zeichnen Andere beiziehen mußte, wodurch er sein Geheimniß beinahe preisgab.
Sein Streben nach Verbesserung der Erfindung gelang nun immer mehr; im Jahre 1797 erfand er bereits die Stangen- oder Galgen-Presse, mit welcher er des Tages mehr als Tausend der schönsten Abdrücke machen konnte.
Da er einmal wahrgenommen, daß mit Bleistift beschriebenes und befeuchtes Papier bei dem Abziehen auf dem Steine die verkehrten Schriftzüge sehr deutlich zurücklasse, nahm er zu diesem Mittel seine Zuflucht, als er ein Gebetbuch mit Cursiv-Schrift für den Schul-Fond fertigen sollte, um des Schreibens in verkehrten Zügen überhoben zu seyn, nur wollte er hiebei wieder verbessern, und machte deswegen mehrere Versuche, da die Anwendung des Röthels und der gewöhnlichen Tinte ihn nicht befriedigten. Aus diesen Versuchen entstand die Entdeckung des Ueberdruckes und Wiederdruckes, wodurch es möglich ward, alle Arten von Geschriebenem und Gedrucktem, auch Kupferstiche auf eine Platte abzudrucken und diese so zu bereiten, daß man von ihr viele, dem ersten ganz gleiche, Abdrücke nehmen konnte. Und dieses führte auch die Erfindung der wichtigsten Druckart, die man ihm verdankt, die des chemischen Stein- oder Flachdruckes, 1798, auf welche er durch die Untersuchung geführt ward, warum ein größerer Flecken auf der Platte ohngeachtet des öfteren Ueberwalzens die Farbe nicht angenommen habe? Er fand die Veranlassung in einem Speichelflecken, der auf der Platte lag, und sogleich benützte er diesen Umstand, und wendete statt des Speichels eine Auflösung von arabischem Gummi für jene Stellen an, welche nicht gefärbt, sondern weiß erscheinen sollten.
Auf die gemachten Erfahrungen gestützt kehrte er jetzt das bisherige Verfahren um, und benetzte den Stein, statt wie bisher mit Wasser, mit Oel, nahm aber eine mit Gummiwasser bereitetete Abdrucksfarbe, wodurch es geschah, daß nicht die fetten, sondern nur die nassen Stellen die Farben annahmen, und er konnte nun mit allen Wasserfarben drucken. Das Bezeichnen mit trockener Seife bildete den natürlichen Uebergang zur nachherigen Kreide-Manier, welche auch er entdeckte, so wie zur gestochenen Manier, bei welcher der Stein zuerst mit Scheidewasser und Gummi vorbereitet und dann die Zeichnung darauf in die Tiefe gestochen wird, ohne erst mit Scheidewafser eingeätzt zu werden. Die Entdeckung der Kreidemanier mit der dazu gehörigen Kreide war besonders für die Herstellung von Kunstgegenständen sehr wichtig.
Nach so vielen, endlich gelungenen, Versuchen schien für den Erfinder und seinen treu mit ihm ausharrenden Freund Gleißner die Frucht der bisherigen Mühen zu reifen; sie erhielten bald nach dem Regierungsantritte Maximilian Josephs auf 15 Jahre das ausschliessende Recht, Alles, was sie durch ihre Kunst erzeugen könnten, in ganz Bayern ausschließlich und allein drucken und verkaufen zu dürfen.
Von dieser Zeit an verhehlte Senefelder die Verfahrungsart bei der von ihm entdeckten Kunst Niemanden, unbekümmert, ob im Auslände dasselbe sogleich angewendet und Druckereien errichtet würden. Sein Ruf verbreitete sich nun schnell durch ganz Deutschland, und brachte ihn mit Hohen und Niederen in Berührung, und war auch die Veranlassung zur Bekanntschaft mit dem Hofrath André aus Offenbach, der sogleich einen Vertrag zur Errichtung einer Druckerei in Offenbach mit ihm abschloß. Ehe Senefelder dahin ging, hatte er, begünstigt durch die neue Druckart, noch das Glück, den Ueberdruck in Kupfer gestochener Bilder auf den möglichsten Grad der Vollkommenheit zu bringen, und dadurch gute und wohlfeile Bilder für die Kinder zu fertigen. Es gelang ihm durch fortgesetzte Versuche sogar, Kupfer und andere Metallplatten chemisch so vorzubereitcn, daß sie, wie der Stein, die Druckfarbe nicht annahmcn, an welchen Stellen man dies immer anwenden wollte. Vor seiner Abreise mit Gleißner übertrug er die Ausführung seines Rechtes in Bayern seinen Brüdern Theobald und Georg.
An seinem neuen Wohnorte setzte er die Verbesserungs-Versuche fort, sah aber endlich, daß André in der Folge allein allen oder doch den größten Vortheil aus seiner Erfindung ziehen würde, da dieser in den Hauptstädten verschiedener Länder Druckereien, durch Privilegien geschützt, errichten wollte. Die Bewerbung um diese führte ihn selbst nach London 1800, wo er eifrige Studien in der Chemie machte, dann nach Wien, wo er Jahrelang auf die Gewährung seiner Bitte harrte, nach der Ertheilung derselben im Jahre 1803 mit Mehreren zu Errichtung einer Kattunfabrik in Verbindung trat, aber in allewege übervortheilt, gekränkt und mißmuthig ohne den geringsten Gewinn mit seinem treuen Freunde Gleißner im Herbste 1806 nach München zurückkehrte.
Hier hatte seine Erfindung unterdessen fest gewurzelt; seine Brüder hatten am 7. November 1804 auf Steiners Veranlassung dem edlen Gründer der Feiertagsschule Professor Kefer, das ganze Verfahren als Eigenthum der Feiertagsschule unter ihrer Mitwirkung gegen eine jährliche Rente von 700 Gulden überlassen; die Kunst ward nun gewissermassen eine Staats-Anstalt, jetzt erst gab man ihr den Namen Lithographie, und unter der Leitung des Professors Mitterer, durch die Aufmunterung des Gallerie-Direktors Manlich, und des Ober-Schulrathes Freiherrn von Frauenberg, entwickelte sie sich rasch zu immer größerer Vollkommenheit. Mitterer erfand die Rollpresse für Zeichnungen, benützte die einfache Kreidemanier auf das Glücklichste bei seinen Zeichnungen, und es erschienen nacheinander: Anleitung zur Figurenzeichnung in Umrissen, mehrere Blätter bayerischer Gegenden von Wagenbauer, Prachtblumen von Mayerhofer, und darauf im Sept. 1805 Lieferungen von verschiedenen Kunstgegenständen.
Eine neue größere Thätigkeit entwickelte sich nach Senefelders Zurückkunft, die vorzüglich durch die Aufforderung veranlaßt war, mit dem k. Hofbibliothekar Freiherrn Christoph von Aretin eine Druckanstalt zu gründen. Sie entstand und beschäftigte gleich Anfangs fünf Pressen für Musik, Regierungsangelegenheiten und die Kunst, und eröffnete eine glänzende Aussicht. Das berühmte Gebetbuch Albrecht Dürers wurde als treues Nachbild herausgegeben; dann bemächtigte sich die eigentliche Kunst dieses neuen schönen Hilfsmittels zur eigenen Darstellung ihrer Gebilde oder zu Nachbildungen der Zeichnungen aus der k. Sammlung von Handzeichnungen und der Gemälde in den k. Gallerien in der Kreide-Manier auf Manlichs Anregung durch Strixner und Piloty.
Die Erfindung wurde benützt zum Zwecke der Vervielfältigung königlicher und amtlicher Schreiben, und mehrere Behörden errichteten für ihren Zweck eigene Steindruckereien, was Senefelder geschehen ließ, der nur auf Verbesserungen und neue Erfindungen bedacht war. Während jener Kriegszeit hatte man seine Erfindung, Zeichnungen in Stein zu graben, häufig zur Herstellung kleiner Landkarten und Plane benützt, da diese mit der Nadel auf Stein zu ritzen, weit schneller, als auf Kupfer, und eben so rein gedieh.
Diese Kunst rief man jetzt zur Hilfe, als unter der Leitung des um vaterländische Kultur und Industrie hochverdienten Utzschneider, Bayern zum Behufe der Steuer-Berichtigung ins Einzelnste sollte vermessen werden, um die Plane auf Stein auszuführen. Utzschneider, der jedes Verdienst so gerne würdigte, berief Senefelder zur Theilnahme, und dieser wurde darauf am 2l. Okt. 1809 bei der neuen Anstalt als Lithograph mit dem Range eines Inspektors und einer jährlichen Besoldung von 1500 fl. angestellt. So ärntete er endlich die Frucht seiner Bemühungen, und widmete sich, einem sorgenfreien Alter entgegenblickend, nun mit erneutem Eifer der Verbesserung seiner Kunst. Er brachte die Art des Ueberdruckes von Kupferstichen und alten Büchern zu einer größeren Vollkommenheit, wodurch sich leicht lithographische Stereotypen verfertigen lassen; im Farbendruck machte er solche Fortschritte, daß er von den mit Farben illuminirten Bildern ähnliche Abdrücke liefern konnte. Dieser Mosaikdruck ist von großer Wichtigkeit bei allen farbigen Druckarten auf Kattun, Leinwand oder Seide, vorzüglich für Tapeten, illuminirte Landkarten, Plane, Landschaften und Abbildungen aus der Naturgeschichte. Die neue Art dieses Druckes ist so, daß zwei Personen an einem Tage über 1000 Abdrücke von der Größe eines Schreibbogens machen können, wenn das Bild auch aus hundert Farben bestehen sollte. Er erfand die Anwendung des Tondruckes, indem er von einem bereits mit der Zeichnung versehenen Steine einen Abdruck auf einem anderen Steine machte, in diesem die höchsten Lichter herausschabte oder mittelst schraffirter Linien heraushob, und solche Stellen, um sie ungefärbt zu erhalten, chemisch bereitete, den Stein aber mit einer Tonfarbe überzog und diese auf den Abdruck übertrug. Damit das Gelingen des Druckes nicht fortwährend zunächst von der Geschicklichkeit und dem Fleiße der Drucker abhinge, erfand er eine Druckmaschine, bei der das Naßmachen und Einfärben der Platte unmittelbar durch den Mechanismus der Presse selbst geschieht.
Bereits im Jahre 1809 hatte er Probeblätter mit kurzen Andeutungen öffentlich bekannt gemacht, welche Arten der Lithographie er erfunden und angewendet hatte; im Jahre 1818 aber erschien sein: Vollständiges Lehrbuch der Steindruckerei, enthaltend eine richtige und deutliche Anweisung zu den verschiedenen Manipulations-Arten in allen Zweigen und Manieren, belegt mit den nöthigen Musterblättern, nebst einer vorangehenden ausführlichen Geschichte dieser Kunst, von ihrem Entstehen bis auf gegenwärtige Zeit. Mit einer Vorrede von Friedrich von Schlichtegroll. München und Wien. 1818. Erst dieses Werk, das so einfach, offen alle Versuche erzählt, alle Verfahrungsarten in der neuen Kunst angibt, Nichts verheimlicht, erwarb seinen Verdiensten die allgemeinste Anerkennung, und er erhielt viele Beweise derselben von kunstliebenden Fürsten. Das Werk ward unter seiner Aufsicht während seines Aufenthaltes in Paris im Jahre 1819 ins Französische übersetzt.
Der König Ludwig hatte schon als Kronprinz, Einer der Ersten, die Wichtigkeit der Erfindung gewürdiget, den Erfinder großmüthig beschenkt, und dessen Büste durch den Bildhauer Kirchmaier in Gyps fertigen lassen, um sie einst, in Stein ausgeführt, unter den Brustbildern ausgezeichneter Bayern einzureihen; am 26 Jan. 1827 verlieh er ihm zum Zeichen seiner Anerkennung und Zufriedenheit für das, durch die Erfindung des Steindruckes erworbene, wesentliche Verdienst die goldene Ehrenmedaille des Civil-Verdienst-Ordens der bayerischen Krone.
Die in seinem Werke selbst angeführten Erfindungen und nützlichen Versuche sind:
die Steintinte,
die ersten lithographischen Pressen;
Druckarten in erhabener Manier: Feder- und Pinselzeichnung in Strichen und Punkten, Kreidezeichnung einfach in mehreren Platten, Ueberdruck, lithographische Stereotypie und Durchzeichnung, Holzschnittmanier, zwei Arten von Tuschzeichnungen, von welchen die eine der geschabten Manier ähnlich ist, die andere wie gewöhnlich auf Papier mit dem Pinsel verfertigt wird; die gespritzte Manier, Farbendruck mit mehreren Platten, Gold- und Silberdruck.
Druckarten in vertiefter Manier: geschnitten oder gestochen, geätzt, mit Präparirtinte gezeichnet, dabei gespritzte aqua tinta, diese nach Kupferstecherart mit Aetzgrund oder Kreidengrund, vertiefte Kreide- und Durchzeichnung, Tuschzeichnung mit Aetzfarbe, theils um fertige radirte oder geschnittene Zeichnungen gleichsam auszutuschen, theils zum Vollenden der verschiedenen Aquatint-Arten.
Die vermischte Manier, welche bisher bei keiner anderen Druckart statt fand, wobei man zugleich erhaben und vertieft drucken kann: Federzeichnung mit Gestochenem gemischt, vertiefte Zeichnung mit erhobenem Ton, vertieft und erhaben mit mehreren Platten, Verwandlung des Erhabenen ins Vertiefte und umgekehrt.
Als besondere Druckarten erscheinen: Druck mit Wasser- und Oelfarbe zugleich, Druck auf chemische und mechanische Art zugleich, Anwendung des Steines für Kattundruck durch Abstreichen, Farbendruck durch Abstreichen, Anwendung des chemischen Druckes auf Metallplatten, Mosaikdruck, Stein-Surrogat durch eine künstliche Masse, die sich auf Metall, Holz, Stein, Leinwand und auf Papier aufstreichen läßt, weswegen er diese Erfindung Steinpapier nannte.
In den letzten Jahren beschäftigte er sich vielfach mit der Erfindung und Verbesserung eines Abdruckes von Oelmalereien; sie entstand im Jahre 1830, und es gelang ihm von kleinen Oelgemälden, die er mit eigens bereiteten Farben auf Tuch copirt hatte, gegen dreißig gute und reine Abdrücke zu erhalten, worauf er ihnen durch einen zweiten ähnlichen Druck die scharfen Schatten und Lichter gab und dadurch die nöthige harmonische Wirkung hervorbrachte, worauf sie mit Firniß überzogen wurden.
Selten hatte ein Erfinder das Glück, noch während seines Lebens seine Erfindung allgemein anerkannt, vervollkommt und verbreitet zu sehen; Senefelder aber genoß dieser Freude. Die Lithographie, die er ins Leben gerufen und wie eine schöne Tochter reich ausgestattet hatte, fand in alle Welttheile Eingang, war unter seinen Augen erhoben, veredelt und ein treffliches Mittel zu Kunstdarstellungen; durch sie wurden neue Druckereien und Kunsthandlungen hervorgerufen; sie dient auf mannichfache Weise der menschlichen Gesellschaft, und ihre Erzeugnisse werden wegen ihrer Wohlfeilheit ein Gemeingut, und namentlich trägt sie dazu bei, den Kunstsinn überall zu verbreiten und das Auge an edle schöne Formen durch ihre Kunstwerke zu gewöhnen.
Senefelder starb am 26. Februar 1834, und hinterließ ohngeachtet seiner einfachen Lebensweise seinem Sohne und seiner Wittwe kein Vermögen, da er es weder verstand, mit seiner Erfindung Handel zu treiben, noch es wollte.
Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.
Senefelder, Alois (Erfinder des Steindruckes [Lithographie], geb. zu Prag 6. November 1771, gest. zu München 26. Februar 1834). Sein Vater, Franz Peter, war als Schauspieler bei dem damaligen deutschen Theater in Prag angestellt. Seine Mutter, Katharina von Volk, die Tochter eines Prager Gasthofbesitzers, die ihrem Gatten 13 Kinder, unseren Senefelder am ersten Jahrestage ihrer Vermälung geboren hatte. Nach amtlichen Erhebungen des Prager Magistrats ist Senefelder im Hause Nr. 408 (damals 316) in der Rittergasse in der Prager Altstadt geboren und in der St. Gallikirche am 7. November 1771 getauft worden. Der Umstand, daß Senefelder in Prag geboren worden, bestimmt uns, dem Beispiele der »Oesterreichischen National-Encyklopädie« zu folgen, und ihn – ungeachtet er nach seiner weiteren Thätigkeit dem Nachbarlande Bayern angehört – in dieses Lexikon aufzunehmen, denn auch sonst noch knüpfen ihn, wie dieses weiter unten nachgewiesen wird, Beziehungen an Oesterreich. Doch beschränken wir uns im Folgenden nur auf die allgemeinsten, jedoch festgestellten Daten und auf einen Quellennachweis, in welchem kaum etwas Wesentliches fehlen dürfte.
Sein Vater, ein nicht unbedeutender Schauspieler – wohl der nämliche, dessen die »Gallerie von teutschen Schauspielern« (Wien 1783) S. 222 als Senfelder gedenkt – ließ den Sohn, ungeachtet des Widerwillens desselben, die Rechte studiren; dieser aber gab, als im Jahre 1791 der Vater starb, das Studium sofort auf, wurde Schauspieler und nebenbei dramatischer Dichter. Aber weder seine theatralische Laufbahn, noch seine dramatischen Versuche hatten den gewünschten Erfolg; auf der Bühne mißfiel er, seine Stücke wollte Niemand drucken. Diese letzteren waren: das Lustspiel »Die Mädchenkenner« und das Ritterschauspiel »Mathilde von Altenstein oder die Bärenhöhle«, beide aus dem Jahre 1793.
Dieser Umstand aber, daß sich Niemand fand, der seine Stücke gedruckt hätte und da S.’s Geldmittel zu beschränkt waren, um aus eigenen Mitteln den Druck zu bestreiten, wäre die Ursache einer Erfindung geworden, welche Kronprinz Ludwig von Bayern in Senefelder’s Werkstätte mit Steintinte für den Abdruck als »eine der wichtigsten des achtzehnten Jahrhunderts« bezeichnete. Um seine Stücke durch den Druck zu vervielfältigen, hätte S. nämlich auf Mittel gesonnen, ob man nicht einfacher und wohlfeiler als auf die bisherige Weise drucken könne.
So wird gewöhnlich die Geschichte dieser Erfindung erzählt. Also die Erfindung wäre das Resultat eines vorangegangenen, diesen Zweck speciell in’s Auge fassenden Nachsinnens. Sie stimmt aber mit der Thatsache, daß beide Stücke Senefelder’s schon im Jahre 1793 bei Leutner in München gedruckt sind, gar nicht überein. Nicht um ein billigeres Herstellen des Druckes seiner Stücke war es Senefelder zu thun, sondern nachdem ihn ein Zufall, ohne weiteres Zuthun seinerseits, hatte die Entdeckung des Steindruckes machen lassen, nun erst gerieth er auf die Idee, diese Entdeckung für seine Zwecke als Requisitenmeister zu benützen, und dann ging sein erfinderischer Genius immer weiter.
Der Sachverhalt aber, der zu natürlich ist, um nicht völlig glaubwürdig zu erscheinen, ist folgender: Es war der Abend vom 9.Februar 1795 und an demselben fand die erste Aufführung von Mzart’s »Don Juan« auf dem Münchener Hoftheater Statt, welche persönlich zu dirigiren Mozart nach München gekommen war. Senefelder hatte das beschwerliche Amt eines Requisitenmeisters. Die Aufführung war glücklich von Statten gegangen, Senefelder hatte sein Bestes gethan und nachdem er Alles wieder in Ordnung gebracht hatte, begab er sich in sein ärmliches, feuchtes und kaltes Kämmerlein. aber nun mußte er noch die Contremarken für den folgenden Tag stempeln. Als er in seine Kammer eintrat, hielt er Dreierlei in Händen: einen Rasirmesserschleifstein, den er an demselben Abende von einem Figuranten gekauft hatte, den mit Druckertinte angefeuchteten Stempel und endlich eine Anweisung auf seine monatliche Gage, die er am folgenden Tage bei dem Theatercassier erheben wollte. Thüre und Fenster an seiner Wohnstube waren nicht eben sehr fest schließend; er hatte kaum die Anweisung auf den Tisch gelegt, als ein Windstoß das Fenster aufreißt, das kostbare Blatt in die Höhe hebt und dann in ein Gefäß mit Wasser hineinfallen läßt. Senefelder nimmt das durchnäßte Papier, trocknet es so gut wie möglich, und legte es, noch immer etwas feucht, auf den Tisch, und um es vor einer zweiten Wasserfahrt zu bewahren, belastete er es mit dem Schleifsteine. Der Stempel war zufällig mit dem Schleifsteine in Berührung gekommen. Am folgenden Morgen fand sich’s nun, daß mit einer bewunderungswürdigen Genauigkeit das Zeichen des Stempels auf dem feuchten Papier abgedruckt war. Senefelder bemerkte das. Da er als Requisitenmeister stets darauf bedacht sein mußte, auch aus den geringsten Vorkommenheiten einen für ihn erleichternden Vortheil zu ziehen, so fand er, daß diese zufällige Entdeckung ihm wohl beim Copiren der Gesangsstücke für Choristen, wozu er ebenfalls verpflichtet war, von großem Nutzen sein könne. Mit diesem Gedanken sich beschäftigend, stempelte er die noch übrigen Contremarken und ging dann aus, um größere Steine von der Art des Schleifsteins zu kaufen und einen Versuch mit der Erfindung anzustellen, auf die er durch einen leichten Zufall des vorigen Abends gerathen war.
Der Zufall hatte ihn die Entdeckung des Abdruckes, der ohne sein Zuthun erfolgt war, machen lassen, nun erst beginnt die sinnreiche Thätigkeit des Erfinders, der diesen Umstand Schritt für Schritt systematisch, anfänglich zunächst für seine Zwecke, später für die allgemeine Nutzanwendung verfolgte. Senefelder überzog nun zum Farbenreiben bestimmte Platten aus Kehlheimer Kalkschiefer mit Wachstinte, trug auf diesem Grunde die Schrift verkehrt auf, ätzte sie mit Scheidewasser und druckte sie ab. Der Versuch war gelungen. Auf diese Art hatte S. die vertiefte Manier des Steindruckes erfunden. Nun folgte im Jahre 1796 die Erfindung der erhöhten Manier, indem er mit feiner Fetttinte auf dem abgeschliffenen Steine schrieb und ihn dann mit Scheidewasser ätzte. Diese Erfindung weiter zu verfolgen und allgemein zu machen, dazu fehlten ihm die Geldmittel. Um sich solche zu verschaffen, wollte S. um 200 Gulden als Stellvertreter eines Anderen bayerischer Artillerist in Ingolstadt werden. Glücklicherweise kam es nicht dazu. Die Münchener kön. Akademie der Wissenschaften, welche S. von seiner Entdeckung in Kenntnis gesetzt und um Unterstützung gebeten, soll ihm nur eine unbedeutende Beihilfe von 12 Gulden gegeben haben! Aber die Noth beeinträchtigte nicht S.’s Willenskraft. Er versuchte zunächst den Steindruck auf Musiknoten anzuwenden, was ihm auch vorzüglich gelang. Nun trat er mir dem Hofmusiker Gleißner in Verbindung, dann mit dem Musikalienhändler Salter in München, doch Mangel an guten Pressen und Ungeschicklichkeit der Arbeiter ließen das Unternehmen nicht aufkommen. Um der Hauptschwierigkeit, dem Verkehrtschreiben auf Stein zu begegnen, erfand S. eine Tinte aus Leinöl, Seife und Kienruß, die von einem geschickten Notenschreiber auf Papier gebracht, von diesem auf den Stein überdruckt und somit eine genaue verkehrte Zeichnung lieferte. Bei dem Ueberdrucken von Papier auf Stein nahm Senefelder wahr, daß Nässe, z. B. die Gummilösung, sich dem Anheften der fetten Linie widersetze. Um diesem Uebelstande zu begegnen, erfand er die sogenannte chemische Druckerei oder die Kunst von Papier auf Papier überzudrucken. Diese Erfindung führte nun auch auf Versuche, eine Steinplatte so herzurichten, daß sie nur an der mit fetter Tinte bezeichneten Stellen Farbe annehme und an der nassen ihr widerstehe. Auch dieses gelang und die chemische Steindruckerei war zu Stande gebracht.
Im Jahre 1799 erhielt S. ein Privilegium auf 15 Jahre und die Andre’sche Musikalienhandlung in Offenbach zahlte für die Erlaubnis, ihre Noten chemisch zu drucken, dem Erfinder der Methode 2000 Gulden, das war im Jahre 1800.
Senefelder war nun bemüht, auch im Auslande sich die Priorität, die Vortheile seiner nun in ungeahnter Bedeutsamkeit erscheinenden Erfindung zu sichern. Er ging zu diesem Behufe vorerst nach London, wo ihm bereitwillig das britische Erfinderpatent verliehen wurde; dort erfand er den Druck mit mehreren Platten, den Druck in Aquatintamanier, und dort druckte er die ersten lithographischen Kunstblätter in Kreidemanier, worunter einige Zeichnungen des damals in London lebenden Künstlers Joseph Fischer [Bd. IV, S. 240] aus Wien sich befinden.
Indessen war seine Mutter nach Wien gereist, um da ein Privilegium zu erwirken. Das ging aber nicht so rasch von Statten, wie in London. Die Kunsthändler protestirten gegen die Einführung dieser »Neuerung«! und die Mutter wurde mit ihrem Gesuche abschlägig beschieden. Senefelder reiste nun selbst nach Wien und betrieb die Angelegenheit mit aller Energie. Zum Glücke fand er in dem Hofagenten Hartl von Luchsenstein [Bd. VII, S. 405] einen einsichtsvollen und ihm wohlwollenden Gönner. Auf Hartl’s Vorstellung wurde eine neue Prüfung der Senefelder’schen Angelegenheit vorgenommen und nun diese »Neuerung« nicht so gefährlich befunden, um den Protest der Kunsthändler berücksichtigen zu sollen. Wenngleich kein Privilegium, so doch eine Gewerbelicenz wurde dem Erfinder ertheilt. Rasch richtete nun Hartl seinem Schützling die erste Steindruckerei und Lithographie Wien’s ein.
Die ersten Drucke waren Gleißner’sche Musikalien, deren Vertrieb im ersten Monat 10 Gulden 48 Kreuzer, im zweiten 1 Gulden 36 Kreuzer abwarf. Diese wenig ermunternden Resultate veranlaßten Hartl, die Erfindung anderweitig zu verwenden und er errichtete eine Kattundruckerei mit Steindruck. Aber nachdem er bei diesem Unternehmen 20.000 Gulden eingebüßt, zog er sich von der Sache zurück.
Senefelder verkaufte das Privilegium, welches ihm zuletzt 1803 ertheilt wurde, an einen gewissen Rath Steiner und einen Verwalter Granitzky um 600 Gulden, hatte aber von beiden nur 50 Gulden erhalten. Das sind die Anfänge der Lithographie in Wien unter Senefelder’s unmittelbarer Mitwirkung. So wenig verheißend sie waren, so entwickelte sich doch später die Erfindung in bemerkbarer Weise, wie darüber das Gräffersche »Conversationsblatt« 1820, Bd. I, S. 37 u. f., ausführlich berichtet.
Glücklicher ging indessen die Angelegenheit in München. Senefelder’s Brüder hatten das Geheimnis an die kön. Feiertagsschule gegen eine Jahresrente von 700 Gulden verkauft. Dieses Institut trug viel zur Vervollkommnung der neuen Kunst bei. Der an ihr wirkende Professor Mitterer erhob durch eine verbesserte Kreide die Kreidemanier zu einer ungeahnten Vollkommenheit und erfand die Rollpresse. Er war es auch, der der neuen Kunst den seit damals allgemein gewordenen Namen »Lithographie« verlieh. Im Jahre 1805 errichtete S. im Vereine mit dem Landes-Directionsrath Hazzi ein zweites Institut in München, aus dem die ersten lithographirten Landkarten hervorgingen und 1806 mit Herrn von Aretin eine dritte Anstalt daselbst.
Im Jahre 1810 ging S. nach Paris, wo seine Arbeiten bald sehr großes Aufsehen erregten. Sein Schüler G. Engelmann gründete dort die erste lithographische Kunstanstalt, welche später Weltruf erlangte.
Im Jahre 1817 kehrte S. nach München zurück, um sich der Herausgabe seines Werkes über die von ihm gemachte Erfindung zu widmen. Schon vorher hatte er ein »Musterbuch über alle lithographischen Kunstmanieren« (München 1809 und 1810, Fol.) herauszugeben begonnen, wovon aber nur ein bereits eine Seltenheit gewordenes Heft erschienen ist, dann folgte sein »Vollständiges Lehrbuch der Lithographie (Steindruckerei) und deren Anwendungen bei den verschiedenen Manieren, mit den nöthigen Probeblättern. Nebst vorausgehender ausführlicher Geschichte der Erfindung und Ausbildung dieser Kunst. Mit einer Vorrede von Schlichtegroll (München 1818, gr. 4°., mit 20 bildl. Darstell.), zweite wohlfeile Ausgabe (ebd. 1821, auch 1827, gr. 4°., mit 2 lith. Abbild.), wovon auch bald eine französische und englische Uebersetzung erschienen sind.
Der Vervollkommnung seiner Erfindung sich widmend, erfand er in der Folge noch den Tondruck und Oelfarbendruck, der freilich erst in unseren Tagen zu einer blendenden und täuschenden Vollkommenheit gediehen ist, später eine Presse mit Selbstfärber und Feuchtapparat, die Metallographie und den wichtigen Mosaikdruck.
Was S.’s äußere Lebensstellung anbelangt, so wurde er in Anbetracht seiner Verdienste um die Kunst als Director beim Kataster mit einem Jahresgehalte von 1500 Gulden angestellt. Als solcher starb er im Alter von 64 Jahren, einer der wenigen glücklichen Erfinder, welche Zeuge ihres Ruhmes werden, sich der ungetheilten Anerkennung aller Welt erfreuen und den Lohn ihrer genialen Lebensarbeit, wenn nicht voll, so doch reichlich empfangen.
Im Jahre 1871 wurde Senefelder’s hundertjähriger Geburtstag in Deutschland festlich begangen und bei dieser Gelegenheit die Errichtung seines Standbildes angeregt [vergl. die Quellen S. 107].
Im Vorstehenden wurde des Prioritätsstreites, wem von Beiden, ob ihm oder dem geistlichen Rathe Simon Schmid, der schon mehrere Jahre früher botanische Abbildungen in Stein geprägt und Abdrücke davon gemacht, das Recht der Erfindung zuzusprechen sei, keine Erwähnung gethan. Als nicht hieher gehörig, verweisen wir blos auf die Artikel Simon Schmid und Senefelder im Nagler’schen Künstler-Lexikon [Bd. XV, S. 358 und Bd. XVI, S. 238], welches diesen Gegenstand ausführlich behandelt.
Bilderhefte zur Geschichte des Bücherhandels. Herausgegeben von H. Lampertz, Jahrg. 1683.
Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1846. E. A. Fleschmann, 8°.) Bd. XVI, S. 239–270 [Einer jener werthvollen Artikel dieses ungemein schätzbaren Werkes, welche demselben zu besonderer Zierde gereichen, mit vielen Quellenangaben, auf welche, zur Vermeidung von Wiederholungen, hier einfach hingewiesen wird.]
Uebersicht der einzig bestehenden, vollständigen Incunabelnsammlung der Lithographie und der übrigen Senefelder’schen Erfindungen, als Metallographie, Papyrographie, Papierstereotypen und Oelgemäldedruck (ohne Presse). Mit einem Vorworte begleitet, zur sechzigjährigen Gedächtnisfeier der Münchener Erfindung der Lithographie vom Sammler und lebenslänglichen Hausfreund des Erfinders Franz Maria Ferchl, Professor, vormals am kön. sicilianischen Erziehungs-Institute in Catania, Mitglied mehrerer gelehrter Gesellschaften im In- und Auslande. Mit vielen Abbildungen der seltensten lithographischen Incunabeln. München 1837. In Commission der von Montmorillon’schen Kunsthandlung.Druck von Dr. C. Wolf und Sohn. 91 S., 8°. (besonderer Abdruck aus dem XVI. Bande des oberbayerischen Archivs). [Ein interessanter Beitrag zur Geschichte dieser einst so angesehenen und nun durch die Photographie und die damit verbundenen Druckmethoden: Albertotypie, Oberneterotypie verdrängten Kunst. Ferchl’s Schrift enthält neben einer chronologisch geordneten Uebersicht der mit der Münchener kön. Hof- und Staatsbibliothek verbundenen Incunabelnsammlung der Lithographie, die urkundliche Geschichte der ersten bei der Münchener Feiertagsschule für Künstler und Techniker im Jahre 1804 errichteten lithographischen Kunstanstalt. Vergleiche darüber und über die dabei mitgetheilten Materialien zu einer Biographie, welche Franz Ferchl besitzt, die »Allgemeine preußische (Stern-) Zeitung« 1862, Nr. 442, im Feuilleton.]
Ueber Land und Meer (Stuttgart, Hallberger) Bd. XXVII (1871), Nr. 6. S. 5: »Joh. Alois Senefelder«.(Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst. Fortgesetzt von Ridler (Wien. 4°.), 1818. Nr. 68: »Ueber die Erfindung der Steindruckerei«.Kunstblatt (Stuttgart, Cotta, 4°.). Herausgegeben von Dr. Ludw. Schorn. 1826, S. 148. Bohemia (Prager polit, u. belletr. Blatt, 4°.) 1835, Nr. 9 und 10, »Aloys Senefelder, der Erfinder des Steindruckes, ein geborener Böhme«.
Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Ezikann (Wien 1835 und 1836, Beck, 8°.) Bd, V, S. 13.Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften u. s. w. (Leipzig 1863, Jos. Ambr. Barth, gr 8°.), Bd, II, Sp. 905.
Die Gartenlaube (Leipzig, Ernst Keil, gr. 4°.) 1865, Nr. 18, S. 282: »Eine steinerne Schatzkammer der Kunst«. [Mit Nachrichten über Senefelder, seine Erfindung und die Solnhofener Steinbrüche, von denen eine Abbildung beigegeben ist.] Prager Morgenpost (4°.), Herausgegeben von Heinrich Mercy, 1858, Nr. 45–47: »Der Steindruck und seine Entwickelung«.
Oesterreichisches Bürgerblatt (Linz, 4°.) 1857, Nr. 14: »Der steinerne Gast und der Steindruck«.
Presse (Wiener polit. Blatt) 1871, Nr. 205, im Localanzeiger, „»Aus der Mappe eines Theaterfreundes«.
Berliner Figaro. Von L. W. Krause (schm. 4°), 1840, Nr, 118: »Eine Erfindung«.
Pappe, Lesefrüchte (Hamburg 8°.) 1845, Bd. I, S. 253: »Eine Erfindung und die erste Aufführung des Don Juan auf dem Hoftheater zu München (am 4. Febr. 1795).
Conversationsblatt (Wien, gr. 8°.), 1826, Bd. I, S. 37: »Des Steindruckes Fortschreiten in Oesterreich« und Bd. III, S. 784: »Allgemeine Novellistik«.
Daß die Erfindung des Steindruckes auch novellistisch und poetisch ausgebeutet wurde, begreift sich leicht; in der That machte auch eine zuerst in der »Revue britanique« in den Fünfziger-Jahren veröffentlichte Erzählung: »Die Legende vom Steindruck«, und eine zweite in französischen Blättern erschienene: »Une invention« von S. Henry Berthoud in guter und schlechter Uebersetzung die Runde durch viele deutsche Unterhaltungsblätter.
Porträte.
1) Poetsche lith. (Fol., Kniestück).
2) L. Quaglio fec. ad vid. (Lithogr. in Tondruck, selten.
3) Eine andere Lithographie rührt von G. Engelmann her, sie hat die Unterschrift: »Aloys Senefelder Bavarois Inventeur de l’art lithographique«. Der Zeichner nennt sich N. H. Jacob Dr. de S. A. Rle. Pe. d’Eichstaedt.
4) Unterschrift: »Alois Senefelder, Erfinder der Lithographie, geb. den 6. Noember 1771, gest. den 26. Februar 1834. Nach der Natur auf Stein gezeichnet und der Ertrag zum Besten der Enkeln des Erfinders bestimmt, von Fr. Hanfstängl, Hanfstängl ft. 1834.
5) Unterschrift: Alois Senefelder, der Erfinder der Lithographie, Nordheim sc. (Stahlst., 8°).
6) Ein von ihm eigenhändig gemaltes und in dem von ihn, erfundenen Oelbilderdruck ausgeführtes Bild im kleinen Format.
7) Guter Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in Hallberger’s »Ueber Land und Meer« Bd. XXVII (1871), Nr. 6, S. 4.
Auch besteht ein von Rambour gemaltes, frappant ähnliches, lebensgroßes Brustbild in tempera gemalt und mit Oelfarben lasirt.
Büsten und Statue.
1) Von J. Kirchmair 1810 im Auftrage des Königs (damaligen Kronprinzen) Ludwig von Bayern.
2) Von J. Schöpf 1832 gemacht.
3) Statue von Hyppolit Maindron in den Fünfziger-Jahren.
Senefelder’s Denkmal. Ein solches wurde im Jahre 1871 in München in Antrag gebracht; darauf hatte sich in Berlin ein Central-Comité gebildet, das in kurzer Zeit 5000 Thaler freiwillige Beiträge beisammen hatte, während sich in München erst im Jahre 1874 ein periodisches Comité constituirte, bestehend aus Hofrath Hanfstängl, Senefelder’s einstigem Schüler; Forndran, Besitzer einer Oelfarben-Druckanstalt; Obpacher, Besitzer einer Kunstanstalt; Braun, Lithograph und Verleger; Fritsche, Besitzer einer Kunstanstalt; Bock, Lithograph, und Regnet, Schriftsteller, das seine Wirksamkeit über ganz Süddeutschland und Deutschösterreich auszudehnen beschloß. Zunächst hat das Münchener Comité einen künstlerisch ausgestatteten Aufruf erlassen, dessen erste Seite in symbolischer Weise die großen Momente dieser deutschen Erfindung zeigt und Senefelder’s Büste, sowie rechts und links seine erste Presse und sein Wohnhaus abbildet. Auch stellt das Comité Jedem, der zu Gunsten des Denkmals zehn Mark oder mehr zeichnet, dessen lithographirtes Porträt, vier Tage vor S.’s Tode von Franz Hanfstängl vollendet, gratis zur Verfügung. [Allgemeine Zeitung (Augsburg, 4°), 1874, Nr. 357; 1875, Nr. 244.]
Senefelder’s Grabstätte. Im Jahre 1856 hatte der Münchener Magistrat beschlossen, die Grabstätten Senefelder’s und Gabelsberger’s für ewige Zeiten als unveräußerlich einzutragen, da sich an beide Namen so erfreuliche Erinnerungen knüpfen.
Dr. Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Wien, 1877.
Die »Ruhmeshalle« unter den Arkaden des südlichen (älteren) Friedhofes in München.
Von C. Reber.
19. Johann Alois Senefelder, Erfinder der Lithographie, geboren am 6. November 1771 als der älteste Sohn des Schauspielers Peter Senefelder aus Königshofen im Grabfelde zu Prag, wo sein Vater eben ein Gastspiel gab.
Im Jahre 1778 erhielt der Vater eine Anstellung am kurfürstlichen Hoftheater und der kleine Alois wanderte mit nach München. Hier machte er seine humanistischen Studien, und da er durch Talent und Fleiß hervorragte, ermöglichte ihm die Kurfürstin Maria Anna durch Verleihung eines Jahresstipendiums von 120 Gulden den Besuch der Universität Ingolstadt. Jedoch noch vor Vollendung seiner Rechtsstudien starb der Vater und Alois hatte als der Älteste von nun an für den Unterhalt der Familie zu sorgen.
Dies that er anfänglich, in seines Vaters Fußstapfen tretend, als Mitglied wandernder Trupps, doch gab er dies unstete Leben bald auf und kehrte nach Hause zurück.
Er wurde Dichter. Als solcher verfaßte er mehrere Lust- und Schauspiele, die auf seine Kosten gedruckt wurden und teilweise auch über die Bühne gingen.
Die Kosten für das Drucken seiner Schriften waren Senefelder zu hoch, deshalb wollte er diese selbst vervielfältigen. Jedoch die Mittel zur Anschaffung einer kleinen Druckerei fehlten und so bereitete er sich eine chemische Tinte und machte damit Versuche auf Kupfer- und Zinntafeln, zuletzt auch auf sogenannten »Solenhofer Platten«.
Um sich das zur Anschaffung von weiteren Steinen und einer Presse nötige Geld zu verschaffen, wollte er gegen ein Handgeld von 200 Gulden als Ersatzmann für einen Bekannten in ein bayerisches Artillerie-Regiment eintreten. Als man aber erfuhr, daß er in Prag geboren, wurde er als »Ausländer« zurückgewiesen.
Er kehrte wieder zu seinen Steinen zurück, und da er sah, daß sich die neue Druckart vorzüglich zum Notendruck verwenden ließe, verband er sich mit dem Hofmusikus Franz Gleißner und dem Musikalienhändler Macarius Falter. Die neue Steindruckerei konnte die Musikalien um ¼ wohlfeiler liefern, als sie bisher kosteten, und so erhielt er bald Aufträge von großen Firmen in Offenbach, Augsburg, Paris, Wien u. s. w., Notendruckereien einzurichten.
Senefelder hatte seine Erfindung der kgl. Akademie der Wissenschaften vorgelegt und erhielt eine Unterstützung von 12 Gulden.
Auch der Kurfürst schenkte ihm 100 Gulden und verlieh ihm ein Privilegium auf 15 Jahre.
Jedoch besondere finanzielle Erfolge hatte die neue Erfindung nicht aufzuweisen, und namentlich Senefelders Freund Gleißner büßte an ihr große Summen ein. Deshalb versuchte der Erfinder sein Glück im Auslande, er übergab seine Münchener Bestände seinen Brüdern und ging nach Wien.
Als er nach sieben Jahren zurückkehrte, mußte er erfahren, daß seine Brüder Theobald und Georg Senefelder seine Erfindung trotz des »Privilegiums« an den Staat veräußert hatten, wofür sie lebenslängliche Anstellung als »Professoren der Steingravierkunst« erhielten.
Senefelder hatte in Verbindung mit dem Abbé Vogler und dem Direktor der Hofbibliothek, Frhrn. v. Aretin, eine lithographische Kunstanstalt errichtet und trat nun wegen Verletzung seines Privilegiums klagend auf.
Nachdem sich der Prozeß mehrere Jahre hingezogen hatte, kam im Jahre 1809 ein Vergleich zu stande, nach welchem Senefelder auf sein Privilegium verzichtete, dafür aber als Inspektor der lithographischen Anstalt bei der neu errichteten kgl. Steuerkatasterkommission mit einem Gehalt von 1500 Gulden angestellt wurde.
Endlich also war seinen Verdiensten die gebührende Anerkennung geworden. Dieser Erfolg ermunterte ihn zu besonderer Thätigkeit, und unablässig war er bedacht, seine Erfindung, die noch heute eine herrschende Stellung unter den graphischen Künsten einnimmt, zu verbessern.
Im Jahre 1815 heiratete Senefelder; doch starb seine Frau nach wenigen Jahren.
Nun vermählte er sich zum zweitenmale. Am 26. Febr. 1834 starb er selbst in dem Hause Nr. 5 am Sendlingerthorplatz, das der Magistrat mit einer Gedenktafel kennzeichnen ließ. Seinem Sterbehause gegenüber wurde ihm ein Denkmal errichtet: seine über lebensgroße Büste, modelliert vom Bildhauer Kaspar Zumbusch, in Erz gegossen von Ferdinand Miller sen. und enthüllt am 6. November 1871. Seine vom Bildhauer Friedrich Brugger gefertigte Büste ließ König Ludwig I. in der Ruhmeshalle aufstellen. Meister Piloty reihte ihn auf seinem Gemälde im Sitzungssaale des neuen Rathauses unter die für die Stadt München bedeutsamsten Persönlichkeiten. Zum dauernden Andenken wurde eine Straße nach ihm benannt.
Sein Grab befindet sich im südlichen Friedhofe, Sektion 5, Reihe 2, Grabplatz 1; das Grabmal ist ein Geschenk König Ludwigs I.
Seine Büste ließ der Magistrat in einer Nische unter den Arkaden des Friedhofes aufstellen.
Senefelders zweite Gattin Anna, geborne Reis, die ihn 23 Jahre überlebte, bedachte die Stadt München mit einer Erbschaft für wohlthätige Zwecke (Krankenhaus und Armenfond); der Magistrat verwaltet die Zustiftung in einem rentierlichen Vermögen von 91268 Mark.
C. Reber: Die »Ruhmeshalle« unter den Arkaden des südlichen (älteren) Friedhofes in München. Das Bayerland. München, 1898.
Wissenschaft, Kultur und Technik.
Simon Schmid und Alois Senefelder
Ein Kapitel
aus der Erfindungsgeschichte der Lithographie.
Von Franz Fleischmann.
(Aus einem in der Monatsversammlung des historischen Vereins von Oberbayern am 13. Dezember 1921 von Herrn Buchdruckerei-Oberleiter Franz Fleischmann gehaltenen Vortrag.)
An der Nordwand der Frauenkirche, in der Nähe des Bennobrunnens, befindet sich ein Grabstein von 1709 (des Freiherrn I. E. von Prielmeier), der von den übrigen dortigen Denkmälern sich unterscheidet durch die Art seiner Herstellung. Seine Inschrift, eine schöne gleichmäßige Kursivschrift, steht etwas erhaben auf der Steinfläche. Der Grund ist hinweggeätzt. Vor diesem Steine konnte man vor etwa 135 Jahren öfters einen jungen Geistlichen stehen sehen, welcher ihn angelegentlich betrachtete, untersuchte und ihn mit den anderen verglich. Das war der Privatlehrer im Hause des kurfürstlichen Privatsekretärs und nachmaligen Staatsrates Stefan Freiherrn von Stengel, Simon Schmid seit 1785, im folgenden Jahre außerdem zum Lehrer an der bürgerlichen Realschule zu U. L. Frau ernannt. Auf dem Wege zur Schule war ihm dieser Stein aufgefallen und die Technik seiner Inschrift hatte ihn auf den Gedanken gebracht, daß eine solch erhöhte Schrift, zum Abdruck geeignet sein müßte und darnach hergestellte Steindruckplatten verhältnismäßig leicht und billig hergestellt werden könnten. Zum Versuch zeichnete Schmid mit heißem Wachs große Buchstaben auf Steinplatten und übergoß sie mit Scheidwasser. Zum Einfärben seiner Steine benützte er gewöhnliche Buchdrucker-Schwärze, sie mittels einer Walze auftragend. Ein altes Büchlein, erschienen zu Nürnberg 1705, welches eine Anleitung zum Steinätzen enthielt, war ihm in die Hände gefallen. Weil Schmid früher jahrelang die Zeichnungsschule besucht hatte, fiel ihm das Zeichnen auf Stein nicht schwer. Einen seiner Abdrücke zeigte er dem Rektor I. M. Steiner und dem geistlichen Rat und Professor Leo Westenrieder, welche ihn zur Fortsetzung seines Unternehmens ermunterten. Zum Professor der Logik und Naturgeschichte an der 1789 neu errichteten kurfürstlichen Militär-Akademie ernannt, blieb er Reallehrer und in beiden Stellungen drängte sich ihm das Bedürfnis auf, für seinen Unterricht Anschauungsmittel zu schaffen. So verfertigte er eine Reihe von Steinzeichnungen, welche als Bilder an den obengenannten Schulen und wohl auch an anderen Verwendung fanden. Sie wurden, da Schmid der gesteigerten Nachfrage nicht genügen konnte, in der Druckerei des Schulbücherverlags auf Steiners Anordnung hin ausgeführt.
Simon Schmid war mittlerweile vorn Stadtmagistrat zum Religionslehrer sämtlicher Münchener Lehrjungen bestellt worden und unterstützte weiterhin freiwillig die von Kefer begründete Feiertags-Schule für Künstler und Techniker, indem er dort unentgeltlich einige Unterrichtsstunden abhielt. So mußte er weitere Versuche aufgeben, völlig erst, da er 1804 als Pfarrer nach Oberhaching und 1805 als solcher nach Miesbach kam, wo er 1806 zum Landdekan gewählt und als königl. Distriktsschulinspektor aufgestellt wurde.
Zehn Jahre später beschäftigte sich in München mit ähnlichen Versuchen Alois Sennefelder. Er wollte für seine eigenen schriftstellerischen Erzeugnisse, mit denen er sich seinen Lebensunterhalt zu verschaffen hoffte, ein Druckverfahren erfinden, das ihm den teuren Buchdruck ersetzen sollte. Er war der Sohn eines kurfürstlichen Hofschauspielers unterfränkischer Herkunft. Sein Vater war nach langen Wanderfahrten 1778 in München heimisch geworden, 1792 seine Frau mit acht unversorgten Kindern zurücklassend, gestorben. Alois, der Aelteste, geboren 6. November 1771 zu Prag, reich begabt, ungemein fleißig, mußte infolge des Todes seines Vaters seine Universitätsstudien zu Ingolstadt aufgeben und wollte, wie sein Vater Schauspieler, dann Schriftsteller werden, mußte aber auf beides verzichten. Noch während seiner Studienzeit und später hatte er mehrere Theaterstücke verfaßt und einige davon drucken lassen, wodurch er mit der Lindner'schen und Hübschmann'schen Buchdruckerei in Berührung kam, dabei lernte er die Technik des Buchdruckes kennen. Seine Mittellosigkeit gestattete ihm jedoch die Verwendung dieser Kenntnisse nicht, noch weniger die Anschaffung einer auch nur kleinen Druckerei. Durch den Besuch des kurfürstlichen Gymnasiums, des kurfürstlichen Lyzeums und der Ingolstädter Universität besaß er gute allgemeine Bildung, dazu hatte er sich mancherlei praktische und mechanische Kenntnisse und große Geschicklichkeit erworben. Dadurch erreichte er manch bescheidene Erfolge; dieselben waren aber von vielerlei Hindernissen begleitet, infolge seiner ungenügenden Hilfsmittel und seiner Geldnot. Anfangs die Wege des Stahl- und Kupferstiches einschlagend, kam er auf den Druck von Hochzeitswünschen und langte dadurch beim Steindruck der gleichen Art an, wie ihn schon Schmid versucht hatte, ohne daß er von dessen Arbeiten wußte. Zum Zweck des Farbenreibens hatte sich Senefelder eine Steinplatte gekauft von Kalkschiefer aus dem fränkischen Jura, weil dieser leichter zu schleifen und zu polieren war als eine Kupferplatte und obendrein billiger war. Diese bearbeitete er in der Weise eines Kupferstiches mit einer eigens bereiteten Druckerschwärze oder Tinte aus Wachs, Seife und Kienruß. Außerdem ätzte er die Schrift erhaben aus der Fläche heraus, worauf ihn ein Zufall geführt hatte.
Eines Tages fehlte es im Haushalte seiner Mutter an einem Stück Papier und gewöhnlicher Tinte, um einen Wäschezettel beim Abholen der Wäsche zu schreiben. Einstweilen schrieb er das Wäscheverzeichnis auf eine oben geschliffene Steinplatte und wollte es nachträglich auf Papier abschreiben. Versuchsweise ätzte er die Schrift mit Scheidewasser, um sie erhaben und druckbar zu machen und der Versuch gelang. Hocherfreut glaubte er eine neue Erfindung gemacht und den Weg gefunden zu haben, auf welchem er Brot und Auskommen zu erlangen hoffte. Aber woher Geld nehmen zur Beschaffung einer Drucker-Presse, von Steinen, Papier und den notwendigen Materialien und Werkzeugen, da seine Bemühungen um Unterstützung oder um Leihgeld vergeblich waren. Für einen Bekannten, der in Ingolstadt zur Artillerie eingezogen war, wollte er sich als Ersatzmann stellen und mit den 200 Gulden, die er dafür erhalten konnte in den Urlaubstagen den Steindruck pflegen; aber als Ausländer zu Prag geboren, durfte er nicht dienen. In einem Einwickelpapier hatte er Musiknoten gefunden. Der ihm bekannte Hofmusiker Gleißner, der verschiedene Kompositionen veröffentlicht hatte und weitere herauszugeben beabsichtigte, machte ihm aus freien Stücken den Vorschlag zu einer gemeinsamen Notendruckerei, wozu Gleißner auf seine Kosten die Presse, Steine, Papier und alles Notwendige beschaffen wollte. Fleißner komponierte 12 Lieder mit Klavierbegleitung, Senefelder schrieb sie auf Stein, ätzte und druckte sie in einer Auflage von 120 Stücken, was auch finanziell gut ausging. Gleißner und seine resolute Frau förderten das Unternehmen. Senefelder wußte nichts von Simon Schmids Versuchen. Er hat den eigentlichen Steindruck ermöglicht durch bessere Behandlung des Steines, durch seine Tinte und vor allem durch seine Presse. Für ein dem Kurfürsten Karl Theodor überreichtes Exemplar der 12 Lieder hatten sie 100 Gulden aus der Kabinetts-Kasse und das Versprechen eines Privilegiums erhalten. Von der Akademie der Wissenschaften, an welche sie ein Exemplar mit einer Beschreibung der neuen Kunst einsandten, besonders deren Wohlfeilheit rühmten, bekamen sie ein Honorar von 12 Gulden als Entschädigung der gehabten Kosten.
Um diese Zeit wandte sich der Schulinspektor, Oberschul- und Studienrat Steiner, ein Freund Schmids an Senefelder. Da er zugleich Vorstand des Schulfondsbücher-Verlages war, hatte er dessen Aufträge zu vergeben. Für den Bilderdruck, welcher ihm ja eigentlich am Herzen lag, hatte die neue Erfindung geradezu in die Augen springende Eigenschaften. Mit Aufträgen für Steiner beschäftigt, machte Senefelder immerfort neue Versuche, erfand 1797 seinen chemischen Druck u. machte so eine der bedeutendsten Erfindungen und München zur Wiege einer Industrie von Weltbedeutung.
(Schluß folgt.)
Allgemeine Zeitung Nummer 4. München, den 22. Januar 1922.
Wissenschaft, Kultur und Technik.
Simon Schmid und Alois Senefelder
Ein Kapitel
aus der Erfindungsgeschichte der Lithographie.
Von Franz Fleischmann.
(Schluß.)
Nach jahrelangen rastlosen, mühevollen Versuchen hatte er herausgebracht, daß bei Verwendung von Fett ein mit einer Zeichnung versehener, mit einer Gummilösung bestrichener Stein auf allen nicht mit Zeichnung bedeckten Stellen die Farbe abstößt, wenn er mit Scheidewasser behandelt wird. So entstand der »chemische Druck«, das Wesentliche bei der Lithographie. Das erste Erzeugnis war ein kleines Lied zu einer Flugschrift »Der Brand von Neuötting« mit der Vignette eines brennenden Hauses, das wertvollste Inkunabile der Lithographie. Der Druck von hochgeätzten Steinen war im Grunde genommen eine alte Kunst. Am Hofe Herzog Albrecht V. hatte schon Johann Keyser, »Marmelstein und aller Metalle Etzer, Modist und Illuminist«, 1575 einen Stammbaum des Hauses Wittelsbach auf Pergament verfertigt. Aus dem Kloster Andechs wird ein Frater Benno, aus dem zu Fürstenfeldbruck P. Franz Joseph Fischer als Steinätzer genannt, in München um die Zeit Schmids und Senefelders die Brüder v. Flachsmann. Es gab Bücher über das Hochätzen von Steinen, wie das schon erwähnte von 1705. Gleichsam als Übergang zu seiner chemischen Druckerei fand er auch ein Ueber- oder Umdruckverfahren, d. h. die Uebertragung eines schon vorhandenen älteren oder neueren Druckes auf den Stein, welches die Grundlage sämtlicher heute üblichen reproduzierenden Künste geworden ist.
Im Verfolge dieses Verfahrens machte er eine fette flüssige Tinte, die alles Geschriebene oder Gezeichnete direkt auf den Stein übertragen und in beliebiger Anzahl drucken läßt. Eine weitere Erfindung war die »vertiefte Stichmanier«, ein Tiefdruckverfahren, das er 1798 ausarbeitete, welcher dann 1799 die Erfindung der Kreidezeichnung folgte. Dazu erdachte er eine Kreide aus Wachs, Seife, Talg und Kienruß. Da diese auf poliertem Stein nicht haften blieb, gab er diesem eine Körnung durch Aufeinanderreiben von zwei Steinen unter Anwendung von weißem Sande in Wasser. Dadurch kann die Zeichnung mit der Fettkreide genau so wie auf Zeichenpapier auf den Stein aufgetragen werden und wird dann ebenfalls mit Gummi arabicum und Scheidewasser behandelt. Durch diese letztere Erfindung erhält der Flachdruck erst eigentlich den Charakter einer Kunst. Sie ermöglicht es, daß jeder einigermaßen geübte Künstler ohne weitere Vorkenntnisss direkt auf den Stein in persönlich freier Manier und in kürzerer Zeit, als bisher möglich war, zeichnen konnte. Die Kreidezeichnung bildete denn auch in der Folge den Ausgang eines großartigen Aufschwunges der Erfindung Senefelders. Bisher waren Not und Sorge, Elend und Kümmernis Senefelders ständige Begleiter gewesen. Ihren Teil daran hatte auch die Familie Gleißner, die mit geradezu unbegreiflicher Zähigkeit an Senefelders Erfindung und ihre Auswertung glaubte und trotz aller Widerwärtigkeiten, Spott und Warnungen zu ihm hielt, ihm Wohnung und Verpflegung gab und sogar Schulden machte, um ihm seine Versuche zu ermöglichen.
Mit der Erfindung des chemischen Druckes wurde es besser und das Geschäft begann sich zu heben. Es gab allmählich mehr Arbeit, so daß Senefelder seine Brüder Theobald und Georg, welche durch des Vaters Tod ebenfalls in eine andere Laufbahn gedrängt und als Statisten beim Theater angestellt worden waren, in seiner Druckkunst unterrichten und beschäftigen konnte. Oberschul- und Studienrat Steiner, gleichfalls unentwegt an die Bestimmung der Erfindung Senefelders glaubend, sorgte mit für Aufträge und war rege für Erteilung des längst ersehnten Privilegiums tätig, das denn auch am 3. September 1799 durch Kurfürst Max Joseph erteilt wurde und zwar als Privilegium exclusivum auf 13 Jahre, das alle Nachahmer und Konkurrenten Senefelders und Gleißners mit Geldstrafen und Konfiskation der Werkzeuge bedrohte. Gegen Ende des Jahrhunderts hatte Senefelder München verlassen, um in Offenbach a. M. gegen 2000 Gulden Entschädigung für den altbekannten Musikalienverlag Anton André eine Steindruckerei zu errichten. Senefelders Mutter, welche sich von ihrem Sohne nicht genügend unterstützt und hinter der Familie Gleißner zurückgesetzt fühlte, ließ ihren Söhnen, den beiden vom Erfinder unterrichteten Brüdern, eine eigene Presse machen und kaufte ihnen Steine, worauf diese ungeachtet des Privilegiums Geißner und damit ihrem Bruder Konkurrenz zu machen suchten. Auch sie gingen vor dem Jahresende von München weg, um in Augsburg für den Musikalienverlag Gonehart ebenfalls eine Steindruckerei einzurichten. In Abwesenheit Senefelders stellte dessen Schwester Karoline, die einige Kenntnisse vom Verfahren hatte, eine Anzahl von künstlerischen Neujahrskarten her und ging in Begleitung der anderen Brüder Karl und Klemens damit am Silvesterabend in Münchener Wirtshäusern hausieren, um aus dem Erlös Brot zu kaufen.
Jahrelang blieb Senefelder von München fern, erst in Offenbach, dann in London, Paris und Wien (Auch die Familie Gleißner hatte München verlassen.) Ueberall führte er seine chemische Druckerei mit durchschlagendem Erfolge ein und wagte sich dabei fortgesetzt in neue Versuche und Probleme, erdachte Verbesserungen und neue Manieren. Während dieser Zeit wurde in München die neue Technik als eine Errungenschaft von Bedeutung erkannt und deren Förderung geradezu als vaterländische Pflicht aufgefaßt. Ungeachtet des Privilegium-Schutzes wurden in München neben der Druckerei der Brüder Senefelder durch den Staat selbst zwei nennenswerte lithographische Anstalten errichtet. Bei einer kurzen Rückkehr nach München hatte Alois Senefelder seinen beiden Brüdern, Theobold und Georg auf Wunsch seiner Mutter seine ganze Druckerei samt den Aufträgen und die Anweisung ihrer Erledigung übergeben. Neben dieser Anstalt entstand 1804 die erste lithographische Kunstanstalt bei der »Feiertags-Schule für Künstler und Techniker« und 1807 die lithographische Anstalt bei der Steuerkatasterkommission. Für beide Anstalten war mit guten Gründen das dringende Bedürfnis nachgewiesen; denn die Brüder Senefelder erwiesen sich leider nicht als die richtigen Männer für das Werk ihres erfindungsreichen Bruders und waren oft von München abwesend. Die treibenden Kräfte waren Ober-Schulrat Steiner und Professor Hermann Mitterer, welch letzterer die größten Verdienste um die Lithographie, der er auch 1805 diesen Namen gab, sich erworben hat. Er erfand unabhängig von Senefelder eine neue verbesserte Presse und erschloß das eigentliche künstlerische Gebiet des Steindruckes, die Kreidelithographie, immer in bescheidener Zurückhaltung die Vorrechte Senefelders wahrend, der Münchner Künstlerschaft. Ihm ist es gelungen, die hervorragensten Münchner Künstler hiefür zu gewinnen. Mit ihm, dem die Leitung der lithographischen Kunstanstalt an der feiertäglichen Kunstschule anvertraut war, vereinigten sich 6 Künstler von Ruf. Der Galerieinspektor Max Wagenbauer, Professor Hauber an der Akademie der bildenden Kunst, Maler und Professor Andreas Seidl, Professor Wolf, Blumenmaler Max Mayerhofer und Landschaftsmaler Simon Warnberger sind die 7 patriotischen Künstler Münchens zur gemeinschaftlichen Herausgabe eines großen lithographischen Werkes. Sie ließen ab 1805 in 26 monatlichen Lieferungen ihre lithographischen Kunstprodukte erscheinen. Gleichzeitig, aber auch vor- und nachher entstanden zahlreiche Kunstblätter, Landschaften und Tierbilder, Heiligen- und Blumenbilder, Zeichnungsvorlagen und kunstgewerbliche Entwürfe. Unter den Landschaftsbildern befanden sich viele, welche uns die Münchner Landschaft, die nähere und entferntere Umgebung der Hauptstadt in reizvoller Form schildern, zum Teil Arbeiten von Wagenbauer. 1807 erfolgte die Gründung der lithographischen Anstalt bei der Steuerkatasterkommission auf Anregung des Kupferstechers Johann Mettenleitner, des »bayerischen Chodowierki« durch Utzschneider, um die durch die neue Landesvermessung Bayerns notwendigen Karten und Pläne herzustellen. Mettenleitner, selbst Schöpfer einiger guter Künstlerlithographien, verhalf dem neuen Zweig der Lithographie, der Kartographie, in dem bis zu Senefelders Eintritt von ihm allein geleiteten Institute zu einem weit über Bayerns und Deutschlands Grenzen hinaus reichenden Ruhme, nachmals in Gemeinschaft mit Senefelder, als dieser, 1806 wieder nach München zurückgekehrt, mit dem bayerischen Fiskus einen Prozeß wegen Nichtachtung seines Privilegs begonnen hatte und zu dessen Beilegung mit seinem Freunde Gleißner als Inspektor an der Steuer-Katasterdruckerei Anstellung gefunden hatte.
Wenn wir heute gelegentlich des 150. Geburtstages Senefelders zurückschauen auf die Anwendung seiner Erfindung, so ist sein Verdienst um die Lithographie geklärt, gefestigt und unbestritten. Er hat damit der ganzen Kulturwelt ein außerordentliches Geschenk gemacht, war durch sie der Schöpfer nicht nur einer neuen Kunst, sondern auch einer gewaltigen Industrie, welche Tausenden und Abertausenden Lebensunterhalt gewährt, welche Tausenden Anregung und Freude bietet. Mehr als je wenden sich in diesen tristen Tagen unsere Blicke rückwärts, weg von den häßlichen Bildern der Gegenwart, in welcher viele schlimme Geister am Werke sind, das, was Ausdauer, Tüchtigkeit, Fleiß und Erfinderwille der Besten unseres Volkes und Vaterlandes geschaffen hat, zu zerstören oder mindestens zu schädigen. Umsomehr erwächst uns Nachstrebenden die Pflicht, uns der Alten Arbeit und Ausdauer zum Vorbild zu nehmen und damit die guten Geister der Erhaltung und des Aufbaues zu bannen entsprechend der Mahnung Richard Wagners in den »Meistersingern«:
Ehret eure deutschen Meister
Damit bannt ihr gute Geister.
Allgemeine Zeitung Nummer 5. München, den 29. Januar 1922.
Senefelder Alois, 1771 (Prag) – 1834, Vervollkommner des Steindrucks und »Inspektor der Lithographie«; er wollte eigentlich Schauspieler werden; um Notentexte billig herzustellen, kam er durch Zufall auf das Steindruckverfahren, das eigentlich von dem Kanoniker an der Münchner Frauenkirche, Simon Schmid, her bereits bekannt, aber nicht verwertet worden war; S. wird also nicht ganz zu Recht der »Erfinder« der Lithographie genannt; er verkaufte die Erfindung an den Musikverleger Andreé nach Offenbach und gründete 1806 in München selbst eine chemische Steindruckerei, drei Jahre später wurde dem »königlichen Inspektor der Lithographie« die Aufsicht über die königliche Steindruckerei, die vorzüglich mit der Herstellung der Steuerkataster und Landkarten betraut war, übertragen; 1833 war S. die Erfindung geglückt, die auf Stein getragenen Ölgemälde auf Leinwand zu drucken, nachdem er bereits 1826 die Herstellung des ersten Farbendrucks ermöglicht hatte; seine Erfindung war für die Reproduktionstechnik, die in den folgenden Jahrzehnten durch die Fa. Hanfstaengl ungeheuren Aufschwung erlebte, von ausschlaggebender Bedeutung.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 1813
† 31.12.1845 (München)
Lithograph
Bayern.
München. Dieser Tage verschied nach langem, drückenden Leiden, der Lithograf Herr Senefelder, Sohn des Erfinders dieser Kunst. Er hinterließ eine Gattin und unmündige Kinder in trostloser Lage. Der Vater und Tröster im Himmel wird der kummervollen Mutter Hilfe finden lassen.
Der Hausfreund Nro. 5. Ein Augsburger Morgenblatt. Montag, den 5. Januar 1846.
Enthalten im Artikel über Alois Senefelder [...]
Dieser aus erster Ehe seines Vaters stammende Sohn Heinrich S. (geboren 1813), begabt mit vortrefflichen Eigenschaften und Geistesanlagen, erhielt keine seinem leichtbeweglichen und heftigen Charakter passende Erziehung und Richtung, der Vater hatte so wenig als möglich dafür gesorgt. Er widmete sich der Kunst, besuchte die Münchener Akademie und zeichnete mehrere Porträts. Nach dem Tode des Vaters (seine Stiefmutter bezahlte eine erhebliche Summe, um einen Militär-Ersatzmann für ihn zu stellen), ging der unstete Jüngling nach Wien und Berlin, heirathete daselbst, übersiedelte später nach Hamburg, wo er im lithographischen Institut des Herrn Charles Fuchs conditionirte, bei dem großen Brande 1842 seine Habe verlor und kaum das Leben seiner Kinder rettete. Nach München zurückgekehrt, erhielt er durch König Ludwig eine Unterstützung von 3000 Gulden zur Errichtung einer den väterlichen Namen forterbenden lithographischen Kunstanstalt. Nagler (XVI, 270) verzeichnet einige Blätter nach Zöllner, W. Schadow, Hosemann und Wittich, welche vielleicht schon früher entstanden. Der junge Mann erkrankte aber und starb nach langem Leiden am 31. December 1845; er hinterließ eine Wittwe mit drei Kindern in größtem Elende. Sie waren auf die Mildthätigkeit guter Menschen angewiesen. Zu ihrem Besten edirte Hofrath Hanfstängl das 1834 prachtvoll und höchst charakteristisch, mit genauester Beibehaltung der unregelmäßigen Kopfformen, kurz vor Alois Senefelder's Ableben gezeichnete Porträt des großen Erfinders, und Albrecht Adam, der vielgefeierte Thier- und Schlachtenmaler verfaßte einen Aufruf als stellvertretender Vormund der Senefelder’schen Kinder, beziehungsweise Enkel: Ludwig, Henriette und Christine. Diese porträtirte Benno Adam (auf einem zu Paris bei Llanta gedruckten Blatt) und widmete den Ertrag zu gleichen Zwecken. Jedes derselben erhielt später durch die vorerwähnte testamentarische Verfügung ihrer Stiefgroßmutter einhundert Gulden als jährliche Leibrente, wobei es dem Ludwig S. vorbehalten blieb, nach erlangter Ansässigmachung und Verehelichung seine Leibrente gegen einen Capitalbetrag von 2000 Gulden umzutauschen. Derselbe widmete sich der Lithographie, starb aber nach langjährigen Leiden am 13. April 1874, wodurch seine Mutter Ludovika S. die letzte Stütze verlor und in die äußerste Noth versetzt wurde. Das »Comité des deutschen Senefelder-Bundes« erließ eine Bitte zur Unterstützung der armen, erblindeten Frau, welche vor fremden Thüren um Hilfe bat und ein Lithographie-Porträt ihres berühmten Schwiegervaters in photographischer Reproduction verkaufte! Sie starb arm und vergessen am 12. November 1878 zu München.
Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1892.