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5 – 2 – 35 (Menter)

Ω

SOPHIE
MENTER
KLAVIERVIRTUOSIN
1846 – 1918

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Josef Menter

* 17.1.1808 (Deutenkofen bei Landshut)
† 18.4.1856 (München)
Musiker (Violoncello) und Musikpädagoge

Das Musikalische Europa (1842)

Menter, Joseph, ausgezeichneter Violoncellvirtuos der neuesten Zeit, geb. zu München 1807; Schüler von Legrand daselbst; unermüdeter Fleiß ließen ihn bald treffliche Fortschritte machen, und er erhielt frühe eine Stelle als Hofmusikus in der Kapelle des Fürsten von Hechingen, ging 1838 wieder auf eine Kunstreise nach München, wo er mit so stürmischem Beifall aufgenommen wurde, daß er alsobald den Antrag einer Anstellung in der Königl. Hofcapelle erhielt. Unter den vortheilhaftesten Bedingungen nahm er eine solche an, und lebt nun seither in München als erster Violoncellist. – Auf seinem Instrumente entwickelt M. eine ungemeine Fertigkeit, und an Kraft, Fülle und zugleich edler Weichheit des Tones kann er sich jedem lebenden Meister an die Seite stellen. Auf einem Kunstausfluge nach Wien 1839 erregte er dort die nämliche Bewunderung als in München.

Dr. G. Schilling: Das Musikalische Europa. Speyer, 1842.

Augsburger Tagblatt (17.4.1856)

Vermischte Nachrichten.

München, 12. April. Der Zustand unseres in der musikalischen Welt so berühmten Cellovirtuosen Menter hat sich in diesem Augenblick so verschlimmert, daß man die Auflösung des Künstlers für bevorstehend hält.

Augsburger Tagblatt No. 106. Donnerstag, den 17. April 1856.

Bayerische Landbötin (18.4.1856)

Tagesbericht.

München, 17. April.

Unser berühmter Violoncellist Menter, der von einem mehrjährigen Leiden heimgesucht, liegt seit einigen Tagen hoffnungslos darnieder, und man sieht einer baldigen Erlösung von seinen schweren Leiden entgegen.

Bayerische Landbötin No. 93. München; Freitag, den 18. April 1856.

Bayerisches Volksblatt (22.4.1856)

München, 19. April. Joseph Menter ist gestern Abend gestorben. Seit einigen Jahren war er mit einem Brustleiden behaftet, das er sich ohne Zweifel im Dienste seiner Kunst zugezogen und welches auch in dem heilkräftigen Klima Merans, wo Menter den vorigen Sommer auf Kosten des Königs verlebte, nur Linderung finden konnte. Menter hinterläßt eine zahlreiche Familie, aber leider keinen Schüler, der dem Meister ganz ebenbürtig zu werden verspricht.

Bayerisches Volksblatt Nro. 96. Regensburg; Dienstag, den 22. April 1856.

Fränkischer Kurier (23.4.1856)

Deutsche Staaten

München, 21. April.

Gestern Nachmittags halb 3 Uhr fand die Beerdigung des großen Virtuosen Menter statt, der seit 1825 Mitglied des königl. Hoforchesters war. Er starb tief betrauert von allen seinen Kollegen und allenKunstfreunden des In- und Auslandes, denn es wird schwer sein, seine Lücke auszufüllen. Die Mitglieder der Hofkapelle mit Hrn. General-Musikdirektor Lachner erwiesen dem Verblichenen die letzte Ehre. Der protestantische Geistliche hielt am Grabe eine ergreifende Rede.

Fränkischer Kurier. Nürnberg, den 23. April 1856.

Ansbacher Morgenblatt (25.4.1856)

Vermischtes.

München, 21. April. Gestern Nachmittags 3 Uhr wurden die irdischen Ueberreste des leider zu früh verstorbenen kgl. Hofmusikus, Herrn Joseph Menter, zur Erde bestattet. Der Herr Generalmusikdirektor Lachner, sowie sämmtliche Herren Hofmusiker waren bei dieser Trauerfeier in Uniform erschienen. Dem Sarge, welcher mit zwei Lörbeerkränzen geziert war, folgten außer den Klägern und den Mitgliedern der kgl. Hofkapelle sehr viele Personen aus allen Ständen. Herr Dekan Meier hielt am Grabe eine ergreifende Rede, in welcher er sich mit kräftigen Worten über die Meisterschaft des Verstorbenen in seiner Kunst und über seinen edlen und biedern Charakter im bürgerlichen Leben aussprach. Nach dem Schlusse der rede wurde von seite des Chorpersonals ein Choral angestimmt. Hofmusikus Joseph Menter war erst 48 Jahre alt und hinterläßt eine Wittwe und vier Kinder.

Ansbacher Morgenblatt Nr. 99. Freitag, den 25. April 1856.

Niederrheinische Musik-Zeitung (10.5.1856)

Am 20. April starb zu München der rühmlich bekannte Cello-Virtuose Joseph Menter. Derselbe war zu Teisendorf bei Landshut am 19. Januar 1808 geboren und siedelte mit seinem Vater, der in herzoglich leuchtenberg'schen Diensten stand, nach Eichstädt über. Schon als Knabe zeigte er ungemeine Vorliebe und entschiedenes Talent für Musik. Sein Vater liess ihn daher, seiner Neigung nachgebend, die Violine lehren. Doch als er in einem Concerte ausgezeichnet Cello spielen hörte, entzückte es ihn so sehr, dass er die Violine mit diesem Instrumente vertauschte. Menter überflügelte bald alle seine Lehrer, und nachdem er einige Kunstreisen gemacht, folgte er im Jahre 1827 einem ehrenvollen Rufe nach Hechingen an die rasch emporblühende Capelle des dortigen kunstsinnigen Fürsten. Schon im Jahre 1832 ward er als k. baierischer Hofmusicus nach München berufen, wo er, einige Kunstreisen nach der Schweiz, Oesterreich und England abgerechnet, bis zu seinem frühen Ende lebte.

Niederrheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler Nr. 19. Köln, den 10. Mai 1856.

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Sofie Menter (gb)

Popper (gs)
* 29.7.1846 (München)
† 23.2.1918 (Stockdorf)
Musikerin (Klavier)

Der Bayerische Landbote (18.12.1863)

München. (Eingesandt.) Ueber ein Concert, welches die Pianistin Frln. Sophie Menter aus München am 6. d. Mts. in Hechingen gegeben hat, berichtet das Hohenzollern'sche Wochenblatt: »Das dichtgedrängte Publikum empfing sie mit Applaus, folgte den reizenden Vorträgen mit athemloser Stille und brach nach jeder Nummer in stürmischen Beifall und Hervorrufen aus. Wir bewunderten den zarten und doch männlich kräftigen Anschlag, die leichte Ueberwindung der größten technischen Schwierigkeiten und das elegante abgerundete Spiel, als Beweise ihrer gründlichen Durchbild, und den verständnißvollen feinnuancirten Vortrag als Beweis ihrer künstlerischen Befähigung. Noch besonders müssen das reiche Repertoire, über welches die 16jährige Künstlerin gebietet, hervorheben; sie beginnt ihre Virtuosenlaufbahn nicht mit einigen der ephemeren Geschmacksrichtung entlehnten Bravourstücken, sondern mit einem soliden Fond von Classikern, vor deren Ernst der Klingklang versüßlichter Salonmusik in sein Nichts verschwindet. Möge Frln. Menter in ihrem Streben fortschreitend bald die höchste Stufe ihrer Leistungen erreichen und überall diejenige Würdigung und Anerkennung finden, welche die natürliche Anmuth ihrer persönlichen Erscheinung sowohl als auch ihre künstlerische Bedeutung verdienen.«

Der Bayerische Landbote No. 352. München; Freitag, den 18. Dezember 1863.

Fremden-Blatt (29.5.1872)

Theater und Kunst.

In einigen Tagen erst wird sich der Solist des Hofoperntheaters, Herr Popper, mit Frl. Sophie Menter, Tochter des königl. baierischen Hofmusikers Herrn Josef Menter, vermälen.

Fremden-Blatt Nr. 146. Wien; Mittwoch, den 29. Mai 1872.

Deutsche Musik-Zeitung (17.1.1874)

Sophie Menter.

Der arme Popper! Wer kennt Frau Popper? Alle Welt spricht nur von Sophie Menter, die ihr Los an das seine, ihr Clavier an sein Cello gekettet hat. Etwa drei Jahre sind es her, da erschien sie bei uns und mit ihrem Spiel wühlte sie unsere tiefinnersten Empfindungen auf; leuchtend wie ein Meteor zog sie durch die Räume unseres Kunst-Himmels, um bald aus unseren Blicken, aber nicht aus unserer Erinnerung zu schwinden. Ein Liebling der Grazien und der Musen zugleich, nahm sie Auge und Ohr gefangen. Die ganze Männerwelt zog an ihrem Triumpfwagen und es wurde beinahe wie eine, jedem Einzelnen zugefügte Beleidigung betrachtet, als es hieß, Sophie Menter habe noch andre Götter neben der Kunst und ihr Herz sei von dem kleinen Gott mit dem Bogen getroffen worden. Vollends ärgerlich war man, als es sich herausstellte, daß dieser Bogen eigentlich nur ein Fiedelbogen war. Nicht heiße Liebe war es, die uns trostlos gemacht, sondern kalte Selbstsucht, denn die Ehe gilt als Grab der Kunst, besonders einer solchen Halbkunst, wie Spielhagen das Clavierspielen zu nennen wagt, als hätte Sophie Menter nicht in ihrem kleinen Finger mehr Verstand, als für zehn Künstler ausreicht und Sophie Menter hat nicht nur zwei kleine Hände, sondern auch zwei kleine Finger! Bei unserer trefflichen Pianistin scheint diese Besorgniß ungegründet, im Gegentheil, sie beginnt die Flügel mächtiger zu regen als je. Der große Concert-Impresario Ullman hat die Namen des Künstlerpaares Popper auf das Menu seiner musikalischen Delicatessen gesetzt u. Sophie Menter durchzieht nun die Welt, um den Völkern das Evangelium ihres großen und bisher unerreichten Meisters Fr. Liszt zu predigen, der – auch dieses Wunder hat sie bewirkt – so gerne zu den Füßen seines liebenswürdigen, so gläubig auf ihn niederschauenden Gamaliel saß.

Deutsche Musik-Zeitung Nr. 3. Organ für Theater und Kunst. Wien, den 17. Januar 1874.

Neutitscheiner Wochenblatt für Stadt und Land (22.10.1876)

Feuilleton.

Sofie Menter und D. Popper.

Wie Jedermann, der auch nur ein Loos besitzt, die stille Hoffnung in sich nährt, er sei vielleicht doch vom Schicksal dazu auserkoren, früher oder später einmal den Haupttreffer zu machen, so denkt wol auch jede jugendliche Kraft, die sich in den Dienst der Musen begeben hat, im Stillen daran, daß es ihr vergönnt sein werde, das größte Loos zu zieben. Welche kaum flügge gewordene Ballerina hat nicht geträumt, von dem Schicksal einer Elßler, welche angehende Schauspielerin nicht von den Triumphen einer Ristori oder Wolter, welcher Musenjüngling nicht von Titanenleistungen in der Manier Davison's oder Devrient's, und welche Conservatoristin endlich nicht von der glänzenden Laufbahn einer Patti, oder wenn sie sich dem Clavierspiele gewidmet hatte, von dem beneidenswerthen Loose eines Glückskindes der Natur und der Musen, von dem einer Menter beispielsweise? Wie es aber in der That nur sehr wenigen Sterblichen gegönnt ist, sick an dem Goldregen eines Haupttreffers zu erfreuen, so glückt es auch nur sehr Wenigen, vom Schicksale Auserwählten, das, was sie in der Stille ihres Herzens geträumt haben, zur schönen Wirklichkeit heranreifen zu sehen.

Als eine jener Wenigen vom Glücke Begünstigten, darf die große Künstlerin Sofie Menter-Popper angesehen werden. Ihr ist der große Wurf gelungen, sie hat ein großes Loos gezogen! Sie ist im schönsten Sinne des Wortes ein Glückskind. Wir fürchten nicht, mißverstanden zu werden; aus den folgenden Zeilen, in welchen wir den künstlerischen Entwicklungsgang der genialen Künstlerin zu kennzeichnen gedenken, wird erhellen, daß sie die hervorragende Stellung, welche sie in der Kunstwelt der Gegenwart einnimmt, nicht sowol dem Glücke, als rastlosem Streben, nimmermüdem Fleiße, kurz, der eigenen gottbegnadeten Kraft zu danken hat. Und dennoch ist sie ein Glückskind!

Wenn der römische Sänger als höchstes Gut, das von den hoben Göttern zu erflehen sei, »eine gesunde Seele im gesunden Leib« bezeichnet, so haben die gütigen Götter bei unserer Künstlerin noch ein Uebriges gethan. Sie gaben ihr als Wiegengeschenk Schönheit, herzengewinnende und herzenbezwingende Schönheit, mit auf den Lebensweg, Schönheit der äußeren Erscheinung und Schönheit einer reichen Seele.

Unsere Zeit ist eine Zeit der gewaltigen Fortschritte auf allen Gebieten. Die Anforderungen, die heutzutage an den ausübenden Künstler gestellt werden, sind unverhältnißmäßig höher, als sie es noch in einer von uns miterlebten Halbvergangenheit waren. Um so höher darf es daher der Künstlerin angerechnet werden, wenn sie schon im jugendlichen Alter, da Andere ihres Geschlechtes erst die Kinderschuhe auszutreten beginnen, bereits die wolwollende und fördernde Aufmerksamkeit der berufensten Kunstrichter auf sich zu lenken vermocht hat, wenn sie in einem Alter, in welchem junge Mädchen für gewöhnlich erst in die Welt eingeführt zu werden pflegen, bereits als vielbewunderte Coryphäe von europäischem Rufe sich zum Lieblinge dieser Welt gemacht hat.

Geboren wurde Sofie Menter in München als die Tochter des bekannten Violoncellisten Josef Menter. Sie ist also, wie man zu sagen pflegt, von »guten Eltern« und von Haus aus war es die edle Musika, welche ihrem Gefühlsleben am nächsten stand. Ihr Vater war ein wackerer Musiker, der sich fest vornahm, aus seinem lieblichen Töchterchen »etwas zu machen«, und die Folge hat gelehrt, daß ihm das wirklich gelungen sei. In dem väterlichen Hause war reicher künstlerischer Verkehr, einheimische und fremde Künstler gingen aus und ein und so hatte das aufgeweckte Kind reichliche Gelegenheit, die unschätzbarsten Anregungen in sich aufnehmen zu können, gerade zu einer Zeit, da der menschliche Geist die höchste Rezeptivität zu entfalten im Stande ist.

Als ihr Vater starb, wurde Sofie Menter von dem trefflichen Musiker Lebert in die Schule genommen und später durch den renommirten Pianisten Nießl weitergebildet und, noch nicht fünfzehn Jahre alt, durfte sie, trotz ihrer Jugend doch schon zu einer bezaubernden Jungfrau herangeblüht, wagen, zum ersten Male vor die Welt hinauszutreten. Sie gab im Odeonsaale zu München ihr erstes Concert, das durch die Mitwirkung des gefeierten Altmeisters der Tonkunst, Franz Lachner, eine besondere Weihe und den Stempel der musikalischen Vornehmheit aufgedrückt erhielt. Der Erfolg war ein außerordentlicher, Alles staunte über die enorme Gedachtnißkraft und die Sicherheit der jugendlichen Debütantin, welche ihr ganzes Programm aus dem Gedächtnisse ohne alle Behelfe meisterhaft bezwang. Mit diesem Concerte war ihr Sckicksal so gut wie entschieden und sie durfte es wagen, auch in anderen großen deutschen Städten, die in musikalischer Beziehung wol tonangebend genannt zu werden verdienen, das Urtheil der kunstverständigen Welt herauszufordern.

Der so früh und so rasch erworbene Lorbeer ist der jugendlichen Künstlerin nicht gefährlich geworden. Wie oft wird ein schönes Talent in seiner Entwicklung gehemmt oder gar vernichtet durch allzuleicht errungene Triumphe, welche den Geist verwirrend, die Wertschätzung des eigenen Selbst trübend, jegliche Neigung, Stimmung und Sammlung zu weiterer Fortbildung zerstören. Diese Klippe hat Sofie Menter glücklich umschifft; da, wo Andere längst sich auf der glänzendsten Höhe der Situation gedünkt hätten, ließ sie die Erkenntniß der eigenen Unzulänglichkeit Angesichts des Ideals, das sie sich gebildet hatte, nicht zum selbstgenügsamen Stillstand gelangen. Mit bewundernswerther Seelenstärke unterbrach sie ihren Triumphzug, wies sie alle schimmernden und blendenden, aber, wie sie fürchtete, noch äußeren Erfolge von sich, um während voller zweier Jahre in größter Zurückgezogenheit fortzuschleifen, an dem kostbaren Edelsteine ihrer seltenen Begabung.

Unbekümmert um die Außenwelt, unbekümmert um all deren Lockungen, arbeitete, übte, studierte sie täglich zehn bis zwölf Stunden unter keines Geringeren als Carl Tausig's Leitung. Und wahrlich, die eingehende Sorgfalt des gewaltigen Tonheroen für sie, trug ihre schönen Früchte. Als Sofie Menter aus der selbstgewählten Verbannung von der Welt wieder heraustrat, da erschien sie wie Pallas Athene, als sie dem Haupte Jovis entstieg, als fertige und in sich abgeschlossene künstlerische Individualität vor der Welt, als eine der ersten und berühmtesten Künstlerin ihrer Zeit.

In Wien entzündete sich die Gloriole des Ruhmes, die seither weithin sichtbar um ihre Erscheinung schwebt. Franz Liszt hörte sie und von der Stunde war Sofie Menter unter allen lebenden Künstlerinnen die bevorzugteste in den Augen des Clavierkönigs. Er fand ein gut Theil seines eigenen gewaltigen Geistes in dieser jugendlichen Erscheinung wieder und darum förderte er, wo er nur konnte, seine begeisterte Anhängerin. Er spielte öffentlich mir ihr und verkündete sie laut vor aller Welt als die erste jetzt lebende Pianistin.

Sofie Menter ist heute Frau Menter-Popper; eine schöne Fügung des Geschickes hat die erste Pianistin mit dem ersten Cellisten der Gegenwart zu harmonisch glücklicher Vereinigung zusammengeführt.

David Popper ist in Prag geboren und begann seine musikalische Ausbildung an dem Conservatorium daselbst und zwar zunächst unter der speciellen Leitung des anerkannt tüchtigen Violoncellisten Goltermann. Man erwirbt nicht als Jüngling schon einen glänzenden Weltruf, ohne daß man schon in der Kindheit Proben eines hervorragenden Talentes abgelegt hätte. Thatsächlich hat Popper schon als Knabe durch ein Concert für Cello und Orchester die wolwollendste Aufmerksamkeit der Kenner auf sich gelenkt.

Im Jahre 1863, kaum achtzehn Jahre alt, unternahm Popper seine erste Künstlerfahrt nach Deutschland; er durchzog Deutschland von Osten nach Westen, von Norden nach Süden und als er seine Reise beendet hatte, galt er im Osten wie im Westen, im Norden wie im Süden trotz seiner großen Jugend für einen der allerersten Künstler seiner Zeit.

Die Begeisterung, mit welcher Publikum und Kritik seine vom edelsten Jugendfeuer durchglühten Leistungen aufgenommen hatten, war geradezu beispiellos. Hans v. Bülow hörte ihn einmal und empfahl ihn darauf sofort dem Fürsten Hohenzollern als Kammervirtuosen. Popper trat diese Stelle auch an, was ihn jedoch nicht hinderte, dem Triebe seines Genius folgend, große Kunstreisen durch Deutschland, Holland, Schweiz und England zu unternehmen. Ueberall wurde der Künstler als phänomenale Erscheinung begrüßt und als solche mit wahrhaftem Enthusiasmus aufgenommen. Bei dem großen Musik-Feste in Karlsruhe vom Jahre 1864, bei welchem Liszt den Dirigentenstab führte, wurde Popper als der vorzüglichste unter allen Solisten ausgezeichnet. Die eigentliche Weihe und gewissermassen die officielle Bestättigung erhielt sein Künstlerruhm erst, als er im Jahre 1867 sich zum ersten Male in Wien hören ließ; da ward er in einer Weise auf den Schild gehoben, daß ihn die ganze Zeitgenossenschaft sehen konnte. Daß sofort alle erdenklichen Anstrengungen gemacht wurden, ihn an irgend ein musikalisches Kunstinstitut in Wien zu fesseln, war selbstverständlich und Popper wurde als erster Cello-Solist am k. k. Hofoperntheater engagirt. Schon während seiner Mitwirkung an der Hofoper hat Popper zahlreiche Concertausflüge unternommen, Kunstreisen in großem Style unternahm er jedoch erst, als er sich im Jahre 1872 mit Sofie Menter vermählt und bald darauf seine Stellung an der Hofoper aufgegeben hatte.

Wie die Dioskuren leuchten die Namen Menter-Popper in strahlender Helle am Himmel der Kunst; jedes Kind kennt diese Namen und jeder Kunstfreund liebt diese Namen. Wohin auch das Künstlerpaar den Fuß setzen möge, überall darf es des freundlichsten und freudigsten Empfanges sicher sein. In ganz Europa ist Poppers' Ruf verbreitet als der des unübertrefflichen Virtuosen und als der eines der vornehmsten Componisten unserer Zeit. Die hervorragendsten Cellisten der Gegenwart, wie Piatti, Dawidoff und Coßmann, stellen mit Vorliebe Popper'sche Compositionen auf ihr Programm, weil kein Componist die Bedürfnisse, die Leistungs- und Ausdrucksfähigkeit ihres Instrumentes feinsinniger zu berücksichtigen versteht, als eben Popper, der unübertroffene Meister auf diesem Instrumente.

Schreiber dieser Zeilen steht seit sieben Jahren mit dem Künstlerpaare in Verbindung und zwar durch freundliche Vermittlung des Hof- und Kammerclavierfabrikanten Hrn. L. Bösendorfer, der ihn mit Beiden bekannt machte. Erwähnt sei auch bei dieser Gelegenheit, daß das Verdienst, Sofie Menter in München entdeckt zu haben, Hrn. Bösendorfer gebührt. Auf seine Veranlassung kam sie nach Wien, auf seine Veranlassung gab sie in Wien ihr erstes Concert, auf ihre eigene Veranlassung allerdings war sie die bewunderungswürdige Künstlerin und auf ihre eigene Veranlassung gewann sie sich alle Herzen im Fluge. Seit sieben Jahren nun ist der Verfasser dieser Zeilen in so manchem künstlerischem Feldzuge der getreue Reisemarschall beider Künstler gewesen und immer hat er mit herzlicher Freude und enthusiastischer Theilnahme wahrgenommmen, daß die Künstlerzüge des gottbegnadeten Paares sich immer mehr nnd mehr zu wahren Triumphzügen heraus entwickelt haben.

Ignaz Kugel.

Neutitscheiner Wochenblatt für Stadt und Land Nro. 43. Sonntag, den 22. Oktober 1876.

Beilage zur Allgemeinen Zeitung (3.12.1886)

– (Concert Menter.) Ueber das Concert, welches die k. k. Hofpianistin Frau Sophie Menter unter Mitwirkung ihrer Schwester, unserer geschätzten Mitbürgerin Frau Eugenie Menter-Schulze, am Montag im k. Odeon veranstaltete, erhalten wir in Verhinderung unseres ständigen Referenten von anderer Seite folgenden Bericht:

Das Concert, welches Frau Sophie Menter am Abend des 29. November im Odeonssaale gab, gestaltete sich zu einem der interessantesten, wenn auch nicht durchaus erfreulichen Ereignisse der Saison. Frau Menter ist eine Bravourspielerin, wie sie in der Zeit Bülows unmöglich sein sollte. Sie übertrifft alle ihre weiblichen und viele ihrer männlichen Collegen durch den Glanz und die Größe ihrer Technik. Es gibt keine äußeren Schwierigkeiten, die sie nicht überwände, und keine wichtige musikalische Vortragsfrage, über die sie nicht spielend binwegkäme. Ihre Läufe und Arpeggien sind makellos rein und vom schönsten Ebenmaße, ihre Staccati untadelhaft, ihr Octavenspiel das erdenklich vollendetste, ihr Anschlag, wenn auch nicht immer gleich poetisch reizvoll, so doch klangreich und sehr modulationsfähig.

Aber wenn sie nicht höheren Zwecken dienstbar gemacht wird, kann uns auch die außerordentlichste Fertigkeit gerade bei einer so großen Künstlerin nicht genügen. Frau Sophie Menter vernachlässigt die Gesetze des Rhythmus in bedauerlicher Weise, die Forderungen einer correcten und schönen Phrasirung scheinen ihr gleichgültig, und als wenig zureichender Ersatz wird uns dafür ein tempo rubato geboten, dessen stetes Vorherrschen dem Hörer nicht selten Aergerniß bereitet. Das verblüffende technische Vermögen der Künstlerin, welche es verschmäht, eine einfache Phrase mit natürlichem Gefühl wiederzugeben, sollte den vielen im Saale anwesenden Zukunftspianistinnen, welche so viel Begeisterung zur Schau trugen, ja nicht als verlockendes Beispiel aufgestellt werden.

Wir beschränken uns darauf, zu erwähnen, daß Frau Menter mit dem »ungarischen Marsch« von Schubert-Liszt und der – glücklicherweise – noch ungedruckten »Rhapsodie« von Liszt ihr Bestes gab, und daß Beethoven und Chopin am übelsten mitgespielt wurde. Nicht zur Freude gereichten dem musikalischen Hörer ferner die willkürlichen Veränderungen, welche Frau Menter ihrem Bravourbedürfniß zu liebe mit verschiedenen Chopi’schen Compositionen vorzunehmen sich gestattete.

Das Erfreulichste des ganzen Abends war die Darbietung von Liszts »Concert pathétique« für zwei Flügel. Nicht als ob uns die Composition besonders angemuthet hätte, aber sie wurde in Folge der Mitwirkung der Frau Eugenie Menter-Schulze wenigstens in deutlichen rhythmischen Contouren gehalten. Frau Schulze versteht es, der musikalischen Empfindung in vornehmer Weise Ausdruck zu verleihen. Die beiden Damen wurden von dem zahlreich erschienenen Publicum nicht nur mit lebhaftem Beifall, sondern auch durch Blumen- und Kranzspenden ausgezeichnet.

Zweite Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 335. München; Freitag, den 3. Dezember 1886.

Beilage zur Allgemeinen Zeitung (18.11.1887)

(Die Musikalische Akademie) gab gestern ihr erstes, sehr stark besuchtes Abonnementsconcert, und zwar unter Mitwirkung der k. k. Kammervirtuosin Frau Sophie Menter, welche das Clavierconcert in G-dur op. 45 von A. Rubinstein, Ungarische Rhapsodien von Liszt und als Zugabe eine Chopin’sche Mazurka spielte.

Bekanntlich steht Sophie Menter, was Vollendung der Technik betrifft, unter ihren Colleginnen unerreicht da, und nur von sehr wenigen ihrer berühmtesten Collegen wird sie erreicht oder übertroffen. Was aber Innerlichkeit und Wärme, vor allem was richtige und stets nur im Geiste des betreffenden Componisten gedachte Rhythmisirung anbelangt, wird sie gewiß von ihrer Schwester Eugenie übertroffen.

Die dießmalige Auswahl der vorgetragenen Clavierstücke zeugt sowohl für die charakteristische Neigung der Virtuosin, sowie für eine gewissermaßen unbewußt wirkende Selbstkritik. Das Rubinstein’sche Concert ist eine überaus glänzende und geistreiche Composition, welche an den Vortragenden sehr hohe Anforderungen in Bezug auf Technik, Stärke und Ausdauer des Spiels stellt. Frau Sophie Menter ist diesen Anforderungen in bewunderungswürdigem Grade gerecht geworden. Trotz dieser wohl von keiner anderen Pianistin zu erreichenden Stärke des Tons ist ihr Spiel im Tutti des begleitenden Orchesters vollkommen untergegangen und vermochte sich nicht mehr selbständig von dem instrumentalen Hintergründe loszulösen – ein Beweis, daß das Orchester viel zu stark besetzt war. Auf der Höhe ihrer eminenten Leistungsfähigkeit stand Frau Menter in den Ungarischen Rhapsodien ihres Meisters Liszt, welch geistsprühendes Tonstück sie, selbstverständlich wie alles Uebrige, auswendig und geradezu entzückend spielte.

Der andauernde Beifall veranlaßt die Virtuosin zur oben erwähnten Zugabe der Chopin’schen Mazurka, deren Concertando-Vortrag jedoch von der Frau Menter eigenen und eigensinnigen Rhythmisirung und Phrasirung Zeugniß ablegte.

Zweite Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 320. München; Freitag, den 18. November 1887.

Allgemeine Zeitung (29.11.1899)

Feuilleton.

Der Klavierabend, den die k. k. Kammervirtuosin Frau Sophie Menter gestern im Museum veranstaltete, nahm einen triumphalen Verlauf. Die bewunderungswürdige Künstlerin spielte Beethovens Sonate op. 109 in L. Schumanns »Carnaval«, ein Scarlatti’sches Allegro, Etüden von Liszt, Rubinstein und Chopin, Weber-Tausigs »Invitation à la Valse«, außer kleineren Stücken Trauermarsch und Finale aus der B-moll-Sonate von Chopin und die Tannhäuser-Ouvertüre von Wagner-Liszt.

Wenn wir hervorheben, daß Frau Menter die genannte Transskription an den Schluß ihres inhalt- und umfangreichen Programms gestellt hatte und daß sie die ungeheuerlichsten Hindernisse, die in diesem Satz bergehoch übereinandergethürmt sind, mit stählerner Elastizität und hinreißendem Feuer ohne das geringste Ermatten der geistigen und physischen Kräfte siegreich überwand, so haben wir damit die ganze Kritik gegeben. Was Frau Menter gestern nach jeder Seite des Klaviervortrags hin leistete, steht in den Annalen unsres Konzertlebens einzig da. Eine solch absolute Herrschaft über die Muskeln in Verbindung mit so viel echt künstlerischem Fühlen und echt weiblicher Mäßigung in der Lösung allerschwierigster Probleme ist uns noch nicht begegnet. Die Konzertgeberin spielte die lange Reihe ihres Programms ohne nennenswerthe Unterbrechungen, aber sie hat uns so wenig ermüdet, wie sie selbst nicht müde geworden ist, von Nummer zu Nummer mit der gleichen Geistesfrische, ein Füllhorn packender Würfe und neuer, subtiler, wunderbar belichteter Einzelzüge über uns auszuschütten. Was der geistvolle Aesthetiker Schubart einmal geschrieben hat, der mechanische Musiker schläfere ein, das musikalische Genie aber wecke und hebe himmelan, es habe Raum, auf seinen Cherubsschwingen auch den Hörer emporzutragen, das trifft auf unsre Künstlerin in idealer Weise zu. Frau Menter ist ein musikalisches Genie und darum wirken ihre Darbietungen mit der faszinirenden Gewalt musikalischer Offenbarungen. Die klassische Schönheit ihres Vortrags im Detail zu erschöpfen, reichen Raum und Worte nicht aus. Das zahlreich erschienene distinguirte Publikum machte am Schluß der Tannhäuser-Ouvertüre seiner Begeisterung in enthusiastischen Ovationen Luft.

Allgemeine Zeitung Nr. 331. München; Mittwoch, den 29. November 1899.

Der Klavier-Lehrer (15.8.1908)

Vermischte Nachrichten.

Am 29. Juli beging Sofie Menter, eine unserer bedeutendsten lebenden Pianistinnen, ihren 60. Geburtstag. Am 29. Juli 1848 in München als Tochter des ausgezeichneten Violoncellisten Josef Menter geboren, erregte sie schon in der frühesten Jugend durch ihre musikalische Begabung Aufsehen und kam, nachdem sie beim Vater den ersten Unterricht erhalten hatte, nach dessen Tode in die Hände der trefflichen Pädagogen Professoren Lebert und Nieszt, die sie so weit förderten, dass sie schon im fünfzehnten Lebensjahre unter Franz Lachner’s Leitung im Kgl. Odeon ein selbständiges Konzert geben konnte. Die Aufnahme der Debütantin war die denkbar glänzendste, sie konzertierte nun auch in andern deutschen Städten. Da lernte aie Karl Tausig kennen und sah ihr höchstes Ideal verwirklicht. Sie unterbrach ihre Reisen, die ihr schon die grössten künstlerischen und finanziellen Erfolge eintrugen, und wurde seine Schülerin. Zwei volle Jahre hindurch machte sie die strengsten Studien durch und erreichte die hohe Meisterschaft, die von der ganzen Welt vollste Anerkennung fand. In Budapest erregte sie die warme Teilnahme und Sympathie Liszt's, unter dessen Aegide sie privatim und öffentlich spielte. Im Jahre 1880 liess sie sich an das Petersburger Konservatorium fesseln und verblieb dort bis 1887. Sie ging dann von neuem auf Reisen und erntete in der ganzen Welt die grössten Triumphe. Seit einer Reihe von Jahren ist sie nur noch vereinzelt aufgetreten und hat ihr Heim im Schlosse Itter, Tirol, aufgeschlagen.

Der Klavier-Lehrer No. 16. Musikpädagogische Zeitschrift für alle Gebeite der Tonkunst. Berlin, den 15. August 1908.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Menter Sophie, 1846 (München) – 1918, berühmte Klaviervirtuosin; als Tochter des Cellovirtuosen Josef M. war sie Schülerin von Tausig, Bülow und Liszt; 1872/86 war M. mit dem Cellisten David Popper verheiratet, 1883/87 Lehrerin am St. Petersburger (= Leningrader) Konservatorium; sie wurde auch auf ausgedehnten Konzertreisen, besonders als Beethoven- und Liszt-Spielerin, ob ihrer glänzenden Technik und ihres seelenvollen Vortrags gefeiert.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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