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5 – 5 – 52 (Schönchen · Steidel)

Ω

FAMILIEN-
GRAB.

HIER RUHEN IN GOTT
UNSERE LIBEN ELTERN
HERR HEINRICH STEIDEL
KUPFERSCHMIEDMEISTER
* 21. NOV. 1842 † 18. MAI 1910.
FRAU
VERONIKA STEIDEL
1. APR. 1850 † 15. MAI 1889.
FRAU
EVA BARB. STEIDEL
* 21. MÄRZ 1847 † 27. MÄRZ 1906.
DEREN SOHN
RUDOLF STEIDEL
22. SEPT. 1877 † 28. NOV. 1900

TRENNUNG UNSER LOOS
WIEDERSEHN UNSERE HOFFNUNG

Ω

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Amalie Schönchen

* 26.8.1836 (München)
† 24.5.1905 (München)
Sängerin und Schauspielerin

Regensburger Zeitung (1.10.1844)

Vermischte Nachrichten.

Regensburg. Der k. b. Hof- und Kammermusiker, dann Direktor des philharmonischen Vereins, Hr. Schönchen aus München, ist mit seinen Kindern Heinrich, Anna und Amalie dahier angekommen und gedenkt, wie wir vernehmen, im Laufe dieser Woche eine musikalisch-deklamatorische Abendunterhaltung zu veranstalten. Die Familie ist seit ihrem letzten Auftreten in Regensburg (1842) und durch die inzwischen in den öffentlichen Blättern erschienenen günstigen Beurtheilungen ihrer Leistungen in unsern Kreisen zu wohl bekannt, als daß wir die beabsichtigte Produktion den Kunstfreunden zu empfehlen nöthig fänden. Erwähnen wollen wir nur, daß das junge Töchterlein ganz besonders durch den Vortrag Kobell'scher Gedichte im oberbayrischen und pfälzischen Dialekte sich auszeichnet. Man kann diese gemüthlichen Poesien nicht ansprechender hören, als aus dem Munde der kleinen Amalie, und die naive Deklamation des Kindes trägt hier über die Kunst des geübtesten Schauspielers einen entschiedenen Sieg davon.

Regensburger Zeitung No. 271. Dienstag, den 1. Oktober 1844.

Der Bayerische Landbote (27.8.1846)

Bayern.

(Einges.) Philharmonischer Verein. [...] Das kindlich anmuthige Töchterchen des Hrn. Schönchen, Amalie, ist schon länger vortheilhaft bekannt, und wir freuten uns, dießmal zu bemerken, wie die Kraft ihrer jugendlichen Stimme heranwächst. Der Anstand, mit dem sie auftritt, und das Naive in Gesang und Deklamation sind in gleicher Weise bewundernswerth.

Der Bayerische Landbote Nr. 239. München; Donnerstag, den 27. August 1846.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Schönchen Amalie, geboren am 26. August 1836 in München. Die Familie stammt aus Holland und trug ursprünglich den Namen Schönige, der dann in Schonigen, Schöniche und wahrscheinlich des Wohlklangs halber, in Schönchen verwandelt wurde. Ihr Großvater war Stabstrompeter beim Kurfürsten Karl Theodor dessen alle sechs Kinder Mitglieder des Hofopernorchesters in München waren. Der Vater unserer Künstlerin, Karl Sch., brachte es bis zum königl. bayrischen Hof und Kammermusiker und war der Begründer des philharmonischen Vereins »Untermünchner Kinderfeste«.

Aus einer so musikalischen Familie stammend, nahm es niemanden wunder, daß auch Amalie schon als Kind besondere musikalische Neigungen zeigte. Den ersten musikalischen Unterricht erteilte ihr ihr Vater, den sie auch auf seinen musikalischen Künstlerfahrten begleitete; so kam sie auch nach Ischl, wo sie vor der Kaiserin Maria Louise einige Gedichte vortrug. Ihr Talent entwickelte sich immer weiter und auch ihre Stimme kam immer besser zur Geltung.

1854 nahm sie, der Cholera ausweichend, Aufenthalt in Berlin, wo sie vom Kammersäuger Mantius die letzte höhere gesangliche Ausbildung erhielt. Dramatischen Unterricht erteilte ihr Frieb-Blumauer. Ihre schöne, jugendliche Stimme erregte das Wohlgefallen der Königin von Preußen, welche sie der königlichen Familie in Hannover empfahl. Sie wurde daselbst unterstützt und gefördert und genoß auch die Ehre, die Schwester der Königin von Hannover im Zitherspiel, damals im deutschen Norden eine selten geübte Kunst, unterrichten zu dürfen. Sie selbst erfreute durch die Kunstfertigkeit auf diesem Instrument und ihre ausgezeichnete Altstimme den selbstkomponierenden König Georg, der seine Lieder von niemandem lieber vortragen hörte, als von Sch.

Da führte sie ein Zufall auf die Bretter und entschied über ihre Zukunft. Die Sängerin der »zweiten Dame« in der »Zauberflöte« war plötzlich erkrankt und Sch. übernahm, um die Vorstellung zu retten, über Nacht die Rolle, die sie mit gutem Erfolge durchführte (19. Nov. 1855). Nach dieser Leistung trat sie in den Verband des Hannoverschen Hoftheaters, woselbst sie als Gesangssoubrette bis 1859 wirkte. Sie erwarb sich sowohl auf der Bühne, wie als Konzert- und Oratoriensängerin große Anerkennung und merkte man schon damals an ihren Leistungen wie »Nancy« (Martha), »Rosl« in »’s letzte Fensterl«, »Orsino« in »Lucretia« etc. ihre hervorragende schauspielerische Begabung, ja, Marie Seebach wollte sie schon zu jener Zeit überreden, sich ganz dem Schauspiele zuzuwenden.

Um ihren Wirkungskreis zu vergrößern nahm sie (1859) Engagement am Wiesbadener Hoftheater, wo sie fünf Jahre als überaus beliebtes Mitglied wirkte. (Debütrollen: »Marie« in »Zar und Zimmermann« und »Rosl« im »Letzten Fensterl«.) Ihre Vielseitigkeit kam dort so recht zum Ausdruck und war der Fall nicht vereinzelt, daß sie in einer Woche in den verschiedenartigsten Partien beschäftigt war. Auf die »Priesterin« in der »Vestalin« folgte etwa die Sennerin »Nandl« in »Versprechen hinterm Herd« und darauf wieder der »Puck« in »Sommernachtstraum« u. dergl. Mehr. Man lobte ihre wohlklingende, frische Stimme, sowie ihren höchst graziösen Vortrag und ihr lebendiges Spiel, Eigenschaften die sie in ihren Mezzo-Sopranpartien in der Spieloper wie im Vaudeville stets bestens zur Geltung brachte. 1864 folgte sie einem Rufe an das Stadttheater in Nürnberg und hier unternahm es die 28 jährige fesche Soubrette ins Fach der »komischen Alten« überzugehen (ein in der deutschen Theatergeschichte wohl vereinzelt dastehender Fall), und wählte gleich eine »komische Alte« zu ihrem Debüt.

Nachdem sie mehrere Jahre erfolgreich, getreu dem Wahrspruche: »Lieber eine junge Alte als eine alte Junge«, daselbst tätig gewesen war, folgte sie einer Einladung des Hofrates D. Hermann von Schmid, in dessen Bühnenwerken sie bald daraus in wirkungsvollster Weise auftrat, an das königl. Gärtnerplatztheater und es dauerte nicht lange, so bezeichnete Schmid das neugewonnene Mitglied als die »unkündbare Hypothek dieser Bühne«.

24 Jahre blieb die Künstlerin diesem Institute treu, das in ihr eines der hervorragendsten und bedeutendsten Mitglieder sah. Sch. trug in allererster Reihe (mit Hofpauer, Hartl-Mitius, Neuert und Albert) dazu bei, den Namen dieses Kunstinstitutes als erste deutsche Volksbühne zu befestigen, und erscheint es höchst bemerkenswert, daß es die Vertreterin des älteren Faches war, die man als weiblichen Star der Gesellschaft bezeichnete.

Und als Max Hofpauer im Jahre 1880 aus den Mitgliedern dieser Bühne ein Gastspielensemble zusammenstellte, welches unter dem Namen »Die Münchener« mit österreichischen und bayerischen Volksstücken sich anschickte, Künstlerfahrten zu unternehmen, da war es wieder in allererster Reihe unsere Sch., deren Mithilfe er sich unbedingt versicherte, und die in den 14 Jahren in welchen er mit seinem berühmt gewordenen Ensemble ganz Deutschland, Österreich, Holland, Rußland und Amerika bereiste, nicht nur als seine hervorragendste Stütze, sondern auch als sein beliebtestes und treuestes Mitglied galt.

Wohin die Münchener kamen, überall waren Sch.s Leistungen, darunter »Traudl« im »Herrgottschnitzer«, »Waberl« im »Austragstüberl«, »Creszenz« in »Z’widerwurzen«, »Försterin« in »Jägerblut«, »Brigitt« im »Pfarrer von Kirchfeld«, »Burgerlies« in »Meineidbauer« etc. stürmisch akklamierte Darbietungen, die durch innige Natürlichkeit, tiefes Gemüt und sonnigen Humor allgemeine Anziehungskraft ausübten.

Als sich das Ensemble aufgelöst hatte, verließ die Künstlerin (bereits 1880 gelegentlich ihres 25jährigen Schauspielerjubiläums – sie wählte die »Kräuter-Lisl« zur Festvorstellung – zur bayerischen Hofschauspielerin ernannt), ihre langjährige Heimstätte und folgte 1893 einem Rufe an das neugegründete Raimundtheater in Wien. Sie war den Wienern längst keine Fremde mehr, wurde wie eine liebe, alte Bekannte aufgenommen und trat sofort in lebendigen Rapport mit ihren Zuschauern.

Gelegentlich des Direktionswechsels schied sie jedoch von dieser Volksbühne und wurde Mitglied des k. k. Hofburgtheaters, wo sie am 12. Oktober 1896 als »Bärbel« in »Dorf und Stadt« debütierte. Auch hier bietet sie, so oft man ihr hierzu Gelegenheit gibt, echt künstlerische Leistungen. Wenngleich ihre Rollen s. Zt. fast sämtlich eine gewisse Familienähnlichkeit trugen, so war es gerade ein Beweis fur ihre bedeutende Künstlerschaft, wenn sie dennoch jeder einzelnen ein eigenartiges Kolorit und gleichsam den Stempel einer wirklichen Persönlichkeit zu verleihen wußte.

Alle ihre Leistungen zeichneten sich im allgemeinen durch überaus drastischen Humor wie durch eine Reihe vortrefflicher Nuancen und Pointen aus. Aber ebenso wirkungsvoll waren ihre tragischen Scenen und ihre Darstellungen atmeten alle volles, warmes Leben. Sch., die die »Frieb-Blumauer der Oberbayern« genannt wurde, stellte in jedem Wort, in jeder Bewegung ein sprechendes, lebensvolles, greifbares Bild auf die Bühne und wußte, wenn es galt auch warme, ergreifende Töne anzuschlagen. Die Künstlerin kreierte auch bei der allerersten Aufführung des »Sonnenwendtag« (April 1902) die Rolle der »Rosnerbäuerin«, mit welcher sie eine Glanzleistung bot. Sie wurde auch aufgefordert dieselbe bei der Erstaufführung des Werkes in Berlin am Deutschen Theater zur Darstellung zu bringen. Es dürfte wenige deutsche Schauspielerinnen geben, die im Genre des Bauernstückes in Mütterrollen an diese Künstlerin heranreichen.

Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.

Allgemeine Zeitung (17.5.1905)

Feuilleton.

Personalien. Amalie Schönchen, die bekannte Schauspielerin des Wiener Hofburgtheaters, die gegenwärtig am Berliner Deutschen Theater gastiert, wurde gestern während der Probe von einer schweren Unpäßlichkeit befallen, die sich in plötzlicher Gedächtnisstörung äußerte.

Allgemeine Zeitung Nr. 226. München; Mittwoch, den 17. Mai 1905.

Allgemeine Zeitung (18.5.1905)

Feuilleton.
Aus der Wiener Gesellschaft.

Berlin, 17. Mai. (Privattelegramm.) Das Befinden der berühmten Hofburgschauspielerin Amalie Schönchen, die jetzt bei den Berliner Anzengruber-Spielen im Deutschen Theater mitwirkt um kürzlich in einer Vorstellung des »Pfarrers von Kirchfeld« von einen plötzlichen Unwohlsein befallen wurde, gibt zu Befürchtungen Anlaß. Die Nachrichten über einen Schlaganfall scheinen sich allerdings nicht zu bewahrheiten, immerhin ist bei dem hohen Alter der Patientin zu befürchten, daß sie für längere Zeit ihrer künstlerischen Tätigkeit entzogen sein wird. Sie befindet sich zur Zeit in sorgfältiger Pflege.

Allgemeine Zeitung Nr. 228. München; Donnerstag, den 18. Mai 1905.

Allgemeine Zeitung (19.5.1905)

Feuilleton.

Das Befinden Amalie Schönchens läßt leider eine rasche Besserung nicht erhoffen. Die greise Künstlerin, die bisher im Hotel de Rome von ihrer Kollegin Hansi Riese gepflegt wurde, ist in eine private Heilanstalt übergeführt worden. Bisher ist der Krankheitszustand, der wahrscheinlich mit einer Verkalkung der Arterien in Verbindung steht, noch unverändert. Das Gedächtnis hat sich noch nicht wieder eingestellt.

Allgemeine Zeitung Nr. 230. München; Freitag, den 19. Mai 1905.

The New York Times (25.5.1905)

Amalie Schoenchen, Actress, Dead.

MUNICH, May 24. – Amalie Schoenchen, an actress, who was well known on the German stage for fifty years, died last night at the age of 71. She suddenly forgot her lines while rehearsing her role at the theatre in Berlin a week ago, fell on the stage from weakness, and begged to be brought here, where she was born, to die. She had visited the United States.

The New York Times. 25.5.1905.

Allgemeine Zeitung (25.5.1905)

Amalie Schönchen †. Die kgl. Hofschauspielerin Amalie Schönchen ist in verflossener Nacht verschieden. Sie hat bekanntlich in Berlin, wo sie im Anzengruber-Zyklus im Deutschen Theater wirkte und dort zum letzten Male am 14. Mai spielte, einen Schlaganfall erlitten, dem trotz liebevollster Pflege und der sorgfältigst geleiteten Ueberführung nach München ein zweiter gefolgt ist. Der Tod war ein sanftes Entschlummern. Amalie Schönchen, aus einer alten Künstlerfamilie gleichen Namens stammend, begann ihre Bühnenlaufbahn in Hannover, gehörte mehrere Dezennien dem Verbande des hiesigen Gärtnertheaters an, machte unter Hofpauers Leitung bei den Darstellungen der bekannten oberbayerischen Volksschauspieler in dem Ensemble »Die Münchner« Tourneen ins Ausland und war überall wegen ihrer einzigen Leistungen, namentlich in der Darstellung der Rollen alter Frauen und Bäuerinnen gefeiert. Bis in die letzten Lage erfreute sich die Künstlerin, die im letzten Sommer den 70. Geburtstag beging, seltener Frische und Rüstigkeit. Die Anteilnahme an ihrer Erkrankung war allgemein, denn sie hatte sich in ihrer fast 50jährigen Bühnenlaufbahn zahlreiche Bewunderer und Verehrer erworben. Hohe Auszeichnungen, darunter die kgl. bayer. Ludwigsmedaille für Kunst und Wissenschaft, wurden ihr in reichem Maße zuteil.

Allgemeine Zeitung Nr. 240. Vorabendblatt. München; Donnerstag, den 25. Mai 1905.

Allgemeine Zeitung (25.5.1905)

Feuilleton.

Berliner Brief.

Auch im Theater wollte uns der Mai festliche Tage bringen. Direktor Lautenburg war auf den guten Gedanken gekommen, den Berlinern einen sorgfältig vorbereiteten Anzengruber-Zyklus zu bringen, und wenn nun bisher die Vorstellungen dieses Zyklus im Deutschen Theater auch nicht vollständig gehalten haben, was man erwarten durfte, so haben sie doch das große Verdienst, uns im Zusammenhang seiner bedeutendsten dramatischen Werke die Prachtgestalt Anzengrubers wieder einmal nahe gerückt zu haben.

[...]

Schade, daß Frau Schönchen so schnell aus dem Gastspiel ausscheiden mußte! Am ersten Abend sah ich sie noch in der Rolle der alten Haushälterin des Kirchfelder Pfarrers.*) Wäre unsere gepriesene moderne Schauspielkunst doch erst wieder auf der Höhe der Vollendung, wie sie jedes Wort, jede Bewegung, jeder Blick dieser Künstlerin bezeugt! Ich werde es nie vergessen, was alles zum Beispiel in der einen Bewegung lag, als die alte Brigitte beim Eintritt in das Studierzimmer ihres Herrn diesen und seinen Gast, den alten Pfarrer aus St. Jakob in der Einöd, begrüßte: diese Mischung von angeborenem Respekt und doch einem gewissen Ueberlegenheitsgefühl, wie es die Dienerin des Wohlhabenden gegen den Alten von der armen Pfarre hat! In einer einzigen Bewegung so einen ganzen Menschen zu charakterisieren, das darf man wohl geniale Begabung nennen.

Gustav Zieler.

*) Es war ihre letzte. Amalie Schönchen ist, wie bereits gemeldet, den Folgen des an jenem Abend in Berlin erlittenen ersten Schlaganfalls und einem in München nachgefolgten zweiten erlegen. D. Red.

Allgemeine Zeitung Nr. 241. Morgenblatt. München; Donnerstag, den 25. Mai 1905.

Österreichische Kronen-Zeitung (25.5.1905)

Amalie Schönchen †.

Gestern früh um 3 Uhr ist die Hofburgschauspielerin Amalie Schönchen, nachdem sie einen neuerlichen Schlaganfall erlitten, im Alter von 69 Jahren gestorben. Die Künstlerin hat sich in Wien, wo sie seit 1893 (zuerst im Raimundtheater und seit 1896 im Burgtheater) wirkte, großer Beliebtheit erfreut. In der Darstellung von Mutterrollen des Bauernstückes wurde sie von wenigen deutschen Schauspielerinnen erreicht. Amalie Schönchen war die Tochter eines baierischen Hof- und Kammermusikers und wurde zur Sängerin ausgebildet. Im Jahre 1855 trat sie als Sängerin in den Verband des Hoftheaters in Hannover und fand dort große Anerkennung. Später wirkte sie in gleicher Eigenschaft in Wiesbaden. Aber schon im 28. Lebensjahre ging sie (in Nürnberg) in das Fach der »komischen Alten« über. Durch 24 Jahre war sie eine Zierde des Gärtner-Platz-Theaters in München. Mit dem Gastspiel-Ensemble der »Münchener« unternahm sie Gastspielfahrten bis nach Amerika. Im Jahre 1898 kam sie dann nach Wien.

Das Leiden, dem die berühmte Künstlerin erlag, scheint eine Folge der Aufregung gewesen zu sein, in die sie durch ihre Mitwirkung an den Anzengruber-Festspielen in Berlin versetzt wurde. Bei ihrem ersten Aufreten als Brigitte im »Pfarrer von Kirchfeld« erzielte sie einen großen Erfolg. Aber bei der Wiederholung der Vorstellung zeigte sich eine schwere Erkrankung der Künstlerin. Ihr Gedächtnis versagte plötzlich, sie war nicht imstande, die Rolle zu Ende zu spielen und mußte rasch in ihre Wohnung gebracht werden. Seither kam sie nur von Zeit zu Zeit wieder zum Bewußtsein.

Österreichische Kronen-Zeitung Nr. 1938. Wien; Donnerstag, den 25. Mai 1905.

Allgemeine Zeitung (26.5.1905)

Allen Teilnehmenden die Trauerkunde, dass heute morgen

Fräulein
Amalie Schönchen
kgl. bayer. Hofschauspielerin
Mitglied des k. k. Hofburgtheaters Wien
Inhaberin hoher Auszeichnungen

sanft entschlafen ist. Ein wiederholter Schlaganfall endete ihr überreiches künstlerisches Wirken, ein Leben treuester Plichterfüllung, hingebendster Liebe.

München, Augustenstrasse 21, 24. Mai 1905.

Hermann Roth, Schriftsteller, als Neffe
namens aller Verwandten und Freunde.

Die Beerdigung findet Freitag, den 26. Mai, nachmittags 4 Uhr im (Münchner) südlichen, alten Friedhofe statt.

Allgemeine Zeitung Nr. 242. München; Freitag, den 26. Mai 1905.

Allgemeine Zeitung (28.5.1905)

Feuilleton.

Von Frauen – für Frauen.

Zum Gedächtnis Amalie Schönchens. Aus der Heimat für Mädchen und Frauen gebildeter Stände,. Berlin W. 9, wird uns von Amalie Schönchens letztem Besuch dort geschrieben: »Die Gründerinnen jener Heimat kannten seit Jahren die liebenswürdige Schauspielerin. Am Donnerstag, den 11. Mai. nachmittags, trat sie unangemeldet in das Heimathaus, dessen Schönheit und Frieden sie immer mit »guter Alpenluft« verglich. Im Laufe des Gesprächs wurde erwähnt: »Wie gern würden die jungen Mädchen Sie hören und sehen!« »Dös tät i schon gern, wann i nur mei Glas und Lieder, hätt.« Das erstere beschaffte der nahe wohnende Optiker, das andere die Bibliothek der Heimat. Amalie Schönchen wählte aus Kobell und Stieler 16 Lieder und bat immer noch um mehr »Zeichen zum Finden«. Um 8½ Uhr waren hundert »Heimchen« im Saal versammelt und mit Humor stellte sie sich ihnen vor, als »die Schönchen, die nit mehr schön is«. Dann ging es ans Lesen. Ernstes, Frohes, Schalkhaftes und Mahnendes, sie gab es in einer zum Herzen dringenden Weise. Lauter Jubel unterbrach ihre Darbietungen. Vielen von den übermütigen jungen Mädchen rollten die Tränen unaufhaltsam über die Backen. »Dös g'freut mi«, sagte die liebe alte Dame und sah wohlwollend auf ihr atemlos lauschendes Auditorium. Endlich aber kam das letzte Lied. – »Noch was fürs nächste Mal aufheben!« Damit verließ sie die Empore. Ihre wunderbar feine Art des Charakterisierens hatte, wie schon so oft, einen unbegrenzten Erfolg davon getragen. An der nun folgenden kurzen Abendandacht wollte sie auch gern teilnehmen. Als der vielstimmige Choral verklungen war, rief sie ein bewunderndes »O dös war schön!« in den Raum. Das Gleiche tat sie nach der kurzen Ansprache und dem Schlußvers. »Dös war sehr guet, i dank schön«, lauteten ihre Worte, denen man die Herzensbewegung anspürte. Im Treppenhaus und am Ausgang standen alle Heimchen die Tücher schwenkend und ihr »Dank« und »Auf Wiedersehen« mischten sich mit dem von Fräulein Schönchen, die auf Wunsch des Vorstandes durch ein Heimchen im Wagen sicher zum Hotel geleitet wurde.

Als sie Samstag im Pfarrer von Kirchfeld die Brigitte spielte, brachte man ihr einen mächtigen frischen Lorbeerkranz mit blau-weißer Schleife, darauf die Inschrift: »Frl. Amalie Schönchen, dankbar die Heimat für Mädchen und Frauen gebildeter Stände«. Am Montag früh kam in die Heimat folgende Postkarte an mit dem Bildnis von Anialie Schönchen und mit folgenden Zeilen von ihr: »Den Frauen und Fräuleins der Heimat sagt hiermit schönen Dank für den lieben Lorbeergruß die mit Freuden an den unterhaltenden Abend denkende Alte. Im Pfarrer di Brigitt bin i, im Leben die Schönchen Ameli«. Sie hat sich sehr über diesen letzten Berliner Kranz gefreut, die Finger der Erkrankten strichen noch über seine Blätter und ihr Neffe ordnete an, daß der Lorbeerkranz mit nach München geschickt wurde. In der Heimat wird man der dahin gegangenen Künstlerin und der liebenswürdigen Frau stets ein dankbares Gedenken bewahren.

Allgemeine Zeitung Nr. 246. München; Sonntag, den 28. Mai 1905.

Allgemeine Zeitung (2.6.1905)

Feuilleton.

Ueber Amalie Schönchen weiß die letzte Theaterplauderei des Wiener Fremdenblatts einige hübsche Züge und Anekdoten mitzuteilen, deren Wahrheit wir im Augenblick zwar nicht kontrollieren können, die aber unsere Leser nicht ohne Vergnügen lesen werden. Es heißt da u. a.: Man hatte sie (die Schönchen) im ganzen Burgtheater herzlich gerne; ihr einfaches, gütiges Wesen gewann ihr die Sympathien, namentlich aber ihre Bescheidenheit. Und doch, es war eine Zeit, da auch das Selbstbewußtsein der lieben Schönchen in hoher Blüte stand. Das waren die Tage, da sie in ihren langen Tourneen mit der Truppe des Direktors Max Hofpauer Europa und einen großen Teil von Amerika durchreiste. Es war eine eigentümliche Theatergesellschaft: Der Star der Truppe war nicht die Liebhaberin, oder die jugendliche Lokalsoubrette, oder die fesche Dirndl-Spielerin, sondern die – komische Alte! Und das Merkwürdige war, daß sich die Sache im Wesen gleichblieb. Auch die Matrone fühlte sich als Diva, als Herrscherin; sie diktierte der ganzen Truppe, sie war die erste und oberste in der Gagenliste und in der Garderobenordnung und was sonst Etikettesachen der Bühne sind. Star bleibt Star, und die grauhaarigen Divas sind nicht weniger stolz und gebieterisch als die blonden oder feurig schwarzen. Die Schönchen konnte ihre Macht geltend machen, weil sie eben wußte, daß das Publikum nur darauf schaute, ob Fräulein Amalie Schönchen auf dem Zettel stand. »Fräulein«, darauf legte sie immer den größten Wert. Sagte ihr jemand, um artig sein zu wollen, »Gnädige Frau!«, so unterbrach sie ihn sofort in der Anrede, indem sie etwas verdrießlich die große Brille auf die Nase setzte und streng mahnte: »Fräulein, bitte recht schön! Immer Fräulein!« Und so oft sich der Sprecher irren mochte, immer verbesserte ihn das strenge Fräulein Schönchen. Eigentlich war die Schönchen eines der teuersten Mitglieder der Hofbühne. Nicht Kainz oder Sonnenthal oder sonst eine Größe des Burgtheaters, sondern Fräulein Schönchen bezog die höchste Honorarsumme für ein einmaliges Auftreten. Ein Statistiker hat einmal berechnet, daß die Künstlerin für einen einzigen Abend den Betrag von 2800 Kronen von der Burgtheaterkasse bezogen hat. Die Sache war aber ganz leicht zu erklären: Amalie Schönchen war in dem betreffenden Spieljahr bloß dreimal aufgetreten. Nichtsdestoweniger besaß das Burgtheater in ihr einen wahren Schatz; denn in der Kunst kommt es immer nur auf das »Wie« einer Leistung und nicht auf das »Wie viel« an. Das Repertoire der Schönchen war sehr beschränkt; aber wenn man ihr eine Rolle ihrer Sphäre anvertraute, dann konnte man sicher sein, daß man eine Meisterleisrung zu erwarten habe, mit der Marke der Vollendung. Und wie mit der geistigen Ausarbeitung der Rolle, so hielt es die Künstlerin auch mit der Kostümierung. Die peinlichste Sorgfalt konnte ihr da nicht genügen. Ihre bäuerlichen Kostüme waren stets Muster der Gattung. Sie trat auch immer nur in eigenen Kostümen auf, und sie kaufte und kaufte Originalkostüme aus allen Alpentälern, wo immer sie schöne fand und aus welcher Zeit sie auch stammen mochten. Im Laufe der Jahre kam solcherart eine derartige Fülle wertvoller Bauerntrachten zusammen, daß sich einige reichsdeutsche Museen für Volkstrachten mit sehr respektablen Angeboten um die Sammlung bewarben. Aber die Schönchen gab sie nicht her; sie wollte sich nicht lebend von ihren Schätzen trennen, auf die die sparsame Frau so viel schweres Geld gewendet hatte. Jetzt unterhandelt das Burgtheater mit den Erben, um die für künstlerische Zwecke besonders wertvolle historische Sammlung zu erwerben. Die Erben verlangen nicht wenig. Hatte doch ihre gute, brave Tante den Kostümschatz so schwer erworben. Durch lange mühevollen Gastreisen, die ihr um so schrecklicher waren, als sie eine geradezu kindische Furcht vor der Eisenbahn hatte. Und durch konsequente, harte Sparsamkeit: Hatte sich doch die gute Schönchen in ihrem ganzen Leben niemals vergönnt, für ihr eigenes Geld anders als dritter Wagenklasse zu fahren... Wer den Hingang der Schönchen besonders herzlich bedauern wird, das sind die Herren Vereinsvorstände und p. t. Komiteemitglieder Wiens. Es gab keinen Verein, dem die liebenswürdige Dame jemals Nein gesagt hätte. Und wenn es der »Klub der Schnellraucher« gewesen wäre – zum »wohltätigen Zweck« las Amalie Schönchen immer und überall und da lehnte die Künstlerin sogar jede Bezahlung ab!

Allgemeine Zeitung Nr. 253. München; Freitag, den 2. Juni 1905.

Neuer Theater-Almanach (1906)

Totenschau.
Mai 1905.

23. Amalie Schönchen, Kgl. bayr. Schauspielerin, Mitglied des Wiener Hofburgtheaters (Genoss.-Pens. 1257), † München, geb. 26. August 1834 daselbst (s. Bild).

Amalie Schönchen hatte noch in der Eröffnungsvorstellung der im Mai 1905 im Deutschen Theater zu Berlin unter Direktor Lautenburgs Leitung stattfindenden Anzengruberspiele mitgewirkt und als Brigitte im »Pfarrer von Kirchfeld« die Besucher nochmals durch eine ihrer prächtigsten Gestalten erquickt. Dann aber machte urplötzlich das Alter seine Rechte geltend und warf die Künstlerin aufs Krankenlager. Im Vorgefühl ihres nahen Endes wünschte sie ihre Ueberführung nach ihrer Vaterstadt München und dort gelangte nun dies reiche Künstlerleben zum Abschlusse. Amalie Schönchen ist von der Oper zum Schauspiel übergegangen. An den königlichen Bühnen zu Hannover und Wiesbaden während der Jahre 1855 bis 1864 als Opernsoubrette geschätzt, unternahm sie es in letztgenanntem Jahre als Dreißigjährige, ins Fach der komischen Alten überzugehen – ein in der deutschen Theatergeschichte wohl vereinzelt dastehender Fall – und wurde bald eines der bedeutendsten Mitglieder des Königl. Gärtnerplatztheaters in München, dessen Ruf als erste deutsche Volksbühne sie in ihrer dortigen vierundzwanzigjährigen Tätigkeit im Verein mit Hospauer, Hartl-Mitius, Neuert und Albert wesentlich mit befestigte. Und als Hospauer vom Jahre 1880 an 14 Jahre hindurch mit seinem berühmten Münchener Ensemble in Deutschland, Oesterreich, Holland, Rußland und Amerika österreichische und bayerische Volksstücke mustergültig zur Aufführung brachte, da galt die Schönchen wiederum nicht nur als seine hervorragendste Stütze, sondern auch als sein beliebtestes und treuestes Mitglied und entzückte überall das Publikum, vor allem als Trandl, Kreszenz, Waberl, Brigitte, Burgerlies usw., durch die innige Natürlichkeit, den sonnigen Humor nnd das tiefe Gemüt ihrer Darstellung. Diese Eigenschaften gewannen ihr 1893 bei ihrer Uebersiedelung an das Raimund-Theater sofort die Herzen der Wiener, und dies innige Verhältnis erfuhr keine Aenderung, als sie 1896 an die Burg kam, wenngleich ihr hier der Spielplan nicht mehr ein derart starkes Hervortreten gestattete. Aber diese verhältnismäßig geringe Tätigkeit in den letzten Jahren war nicht imstande, die Erinnerung daran zu verwischen, daß die deutsche Bühne in Amalie Schönchen eine Mütterdarstellerin im Genre des Bauernstückes besessen hat, mit der sich keine zweite vergleichen kann.

Neuer Theater-Almanach. Berlin, 1906.

Der Wiener Tag (26.8.1936)

Kunst – Theater – Musik

Amalie Schönchen
Zu ihrem 100. Geburtstag.

Als im Mai 1905 das Burgtheater mit großem Glanz Schillers 100. Todestag feierte, wurde in München Amalie Schönchen zu Grabe getragen. Inmitten der Hochkonjunktur für Klassizismus hatte die größte Volksschauspielerin des 19. Jahrhunderts die Augen zur ewigen Ruhe geschlossen. Fast zehn Jahre lang hatte Amalie Schönchen dem Burgtheater angehört, Max Burckhard hatte sie 1896 von den »Münchenern« wegengagiert. Jahrelang war sie der Star des Hofpauerschen Gastspielensembles (dem Hedwig Bleibtreu und Robert von Balajthy angehörten) gewesen und sie dürfte auch seinerzeit die jüngste komische Alte der deutschen Bühne gewesen sein – bereits mit 28 Jahren ging sie in das Fach über, das ihr so viel internationalen Erfolg eintrug.

Es ist übrigens ein merkwürdiger Zufall, daß zwei repräsentative Schauspielerinnen Wiens in den Neunzigerjahren Landsmänninnen waren; ebenso wie Adele Sandrock war Amalie Schönchen (am 26. August 1836 in München geboren) holländischer Abstammung. Sie dürfte inmitten der sie umgebenden Romantik und ausklingenden Makart-Zeit den Naturalismus verkörpert haben; und das war es ja, was Max Burckhard auch wollte; an Stelle des schönen Scheins sollte das lebendige Leben treten. Der damals »neuen Richtung« ist die Schönchen werktätig Pate gestanden; sie war die alte Wittichen der »Versunkenen Glocke« die Frau Etchepave in der »Roten Robe«, die alte Golischen in »Rose Bernd«, und als Karl Schönherr mit seinem »Sonnwendtag« ins Burgtheater Einzug hielt, spielte sie die Rosnermutter.

Die Romantik, die früher einmal zum Schauspielerberuf gehörte, hat die Schönchen in vollen Zügen kennengelernt, ihr Leben war bunt und abwechslungsreich, ihr künstlerisches Schaffen von seltener Vielseitigkeit. Und gerade diese Vielseitigkeit machte alle von ihr dargestellten Figuren so lebensnahe und liebenswert. Daß die Tochter des bayerischen Hof- und Kammermusikers dereinst einmal zur Bühne gehen werde, stand von Anfang an fest – über das »Wie, und auf welche Art« entschied jedoch wie so oft der Zufall.

Vater Schönchen nahm seine kleine Amalie fast auf alle Kunstfahrten mit. Einmal führte auch der Weg nach Ischl, und da ergab es sich, daß das junge Mädchen vor der Kaiserin Marie Louise einige Gedichte rezitierte. Der in Berlin folgende Gesang- und Schauspielunterricht führte aber noch lange nicht auf die Bühne und schon gar nicht ins Volksstück. Auf Empfehlung der Königin von Preußen kam Amalie Schönchen vorerst nach Hannover, wo sie der Schwester der Königin Zitherunterricht erteilte. Da entschied ein Zufall über das Schicksal der jungen Sängerin; über Nacht mußte sie für die zweite Dame in der »Zauberflöte« einspringen; das Operndebüt verlief erfolgreich und Hannover hatte eine neue reizvolle Gesangsoubrette, die außerhalb der Bühne als Oratoriensängerin Triumphe feierte. Im nächsten Engagement, in Wiesbaden, vollzog sich der Übergang ins Schauspiel – ihr Puck wurde bejubelt.

Aber der springlebendige Puck dachte nicht daran, ins süß-naive Fahrwasser zu segeln: Bereits 1864, in Nürnberg, spielte sie ihre ersten komischen Alten, mit Begeisterung, denn, meinte sie: »Lieber eine junge Alte sein, als eine alte Junge.«

Einige Jahre später wurde sie von Hofrat Schmid, dessen Bühnenwerke sie wiederholt zum Erfolg geführt hatte, nach München an das Gärtnerplatztheater verpflichtet und Schmid nannte sie bald »die unkündbare Hypothek dieser Bühne«. Vierundzwanzig Jahre blieb sie am Gärtnerplatztheater, und als Max Hofpauer, dessen Kollegin sie war, im Jahre 1880 sein berühmtes Gastspielensemble bildete, zog sie nahezu 14 Jahre lang mit den Münchnern in der Welt herum. 1893 wurde sie ans Raimund-Theater berufen, drei Jahre später an die Burg, wo sie vor 40 Jahren als Bärbel in »Dorf und Stadt« debütierte. Sie spielte unter anderem die Frau Wermelskirch in »Fuhrmann Henschel«, das alte Weib im »Verschwender«, aber auch die Mutter in Hofmannsthals »Der Abenteurer und die Sängerin«. Im Mai 1905 ist sie an den Folgen eines Schlaganfalles in München gestorben. –dm–

Der Wiener Tag Nr. 4741. Wien; Mittwoch, den 26. August 1936.

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Ludwig Schönchen

* 1817 (München)
† 3.9.1873 (München)
Journalist und Publizist

Amberger Tagblatt (4.9.1873)

Vermischtes.

München, 3. Sept. Der auch in weiteren Kreisen bekannte Sekretär des k. geh. Hausarchivs, k. Rath Ludwig Schönchen, ist so gefährlich erkrankt, daß stündlich dessen Auflösung erwartet wird.

Amberger Tagblatt No. 204. Donnerstag, den 4. September 1873.

Neue Augsburger Zeitung (5.9.1873)

Todes-Anzeige.

Gottes unerforschlichem Rathschlusse und seinem heiligen anbetungswürdigen Willen hat es gefallen, unsern innigstgeliebten Gatten, Vater, Bruder, Schwager und Vetter,

Herrn
Ludwig Schönchen,
kgl. Rath und Sekretär des kgl. Geheimen Hausarchivs,

in seinem 57. Lebensjahre, nach dreiwöchentlichem schweren Leiden, versehen mit den heil. Sterbsakramenten und allen Tröstungen unserer heiligen Religion, heute Morgens um 8 Uhr in das himmlische Vaterland abzurufen.

Wir empfehlen den theuren Verblichenen dem frommen Gebete und uns der stillen Theilnahme.

München, den 3. September 1873.

Die tieftrauernd Hinterbliebenen.

Die Beerdigung findet Freitag den 5. September um 4 Uhr Nachmittags vom südlichen (alten) Leichenhause aus statt; der Gottesdienst wird Dienstag den 9. September Vormittags 9 Uhr bei St. Ludwig abgehalten.

Neue Augsburger Zeitung Nr. 209. Freitag, den 5. September 1873.

Neue Augsburger Zeitung (5.9.1873)

Deutschland und Ausland.

München, 3. Sept. Heute Morgens ist der kgl. Rath und Sekretär im k. geh. Hausarchiv, Herr Ludwig Schönchen, den typhösen Nachwirkungen eines heftigen Choleraanfalles nach dreiwöchigen schweren Leiden erlegen. Der Verlebte, der Sohn des verstorbenen k. Hofmusikers Michael Schönchen, wurde von der juridischen Laufbahn, welcher er mit Auszeichuuug oblag, von den Führern der katholischen Bewegung nach den Kölner Ereignissen zur Leitung der »Augsburger Postzeitung« berufen. Nachdem er derselben 13 Jahre vorgestanden, übertrug ihm das damalige conservative Ministerium die Leitung der »Neuen Münchener Zeitung« und bei einem darauffolgenden Ministerwechsel wurde er zum Sekretär im k. geh. Hausarchiv ernannt. Später übernahm er die Herausgabe der nunmehr vollendeten Manz'schen (katholischen) Realencyclopädie in 12 Bänden, ein wahres Riesenwerk, an welchem er seine Lebenskraft erschöpfte. Am 13. Juni feierte er seine 25jährige Jubelhochzeit, am 11. August wohnte er noch dem Balde-Fest in Landsberg bei fühlte sich aber schon unwohl und wurde zu Hause von der Cholera befallen, welche bald in Choleratyphus überging, dem die Kräfte seines Körpers nicht mehr gewachsen waren. Aecht katholische Gesinnung und Treue der Ueberzeuguug zierten den wackern Mann, der mit hoher Begabung und großer Erudition einen unermüdlichen Fleiß verband. Möge Gott ihm lohnen und seine zahlreiche Familie trösten, die nun um den liebevollen Gatten und guten Vater trauert. R. I. P.

Neue Augsburger Zeitung Nr. 209. Freitag, den 5. September 1873.

Landshuter Zeitung (7.9.1873)

Ludwig Schönchen.

Aus München, 3. Sept, wird der A. Postztg. (wohl aus der Feder ihres Eigenthümers, des Hrn. Dr. Huttler) über den jüngst verstorbenen Hrn. L. Schönchen, den auch liberale Blätter, wie die allg. Ztg. und die A. Abendztg, als einen der »geachtetsten und überzeugungstreuesten Vertreter der katholischen Presse« bezeichnen und der sich so schöne Verdienste um die katholische Sache erworben, Folgendes geschrieben:

»Unser Blatt (die A. Postztg.) betrauert den herben Verlust eines seiner früheren langjährigen Redakteure und seiner gediegensten Mitarbeiter, des königl. Raths und Sekretärs des k. Geh. Hausarchivs Hrn. Ludwig Schönchen, welcher heute Morgens den typhösen Nachwirkungen eines heftigen Choleranfalles nach dreiwöchigem schweren Leiden erlegen ist. Der Verlebte, der Sohn des verstorbenen königl. Hofmustkers Michael Schönchen, machte in München seine Studien mit Auszeichnung, widmete sich anfänglich der juridischen Laufbahn und hatte eben die Ausarbeitung der juridischen Preisfrage beendet, als verehrte Lehrer und die damaligen Führer der nach den Kölner Ereignissen aufs Schönste erblühenden katholischen Bewegung ihn vermochten, die Leitung der Augsburger Postzeitung, des damaligen einzigen größeren katholischen Organes in Deutschland, zu übernehmen, indem sie dasselbe in keine besseren und gediegeneren Hände legen zu können vermeinten. Er rechtfertigte auch vollständig das in ihn gesetzte Vertrauen, brachte aber damit für sich und seine künftige Familie ein schweres Opfer, indem er bei seinen Talenten und Kenntnissen sicher eine Zierde des wissenschaftlichen Lehramtes oder des höheren Staatsdienstes geworden wäre. Dreizehn Jahre stand er mit Auszeichnung der »Augsburger Postzeitung« vor, da berief das damalige conservative Ministerium den gediegenen Redakteur zur Leitung der »Neuen Münchener Zeitung«. Der darauffolgende Minister-Wechsel machte ihm diese ihm nie recht zusagende Stellung vollends unmöglich und der Staat hielt übel die ihm bei der Uebernahme der Zeitung gemachten Versprechungen. Der bescheidene Posten eines Sekretärs im kgl. Geheimen Hausarchiv, welcher dem feingebildeten, kenntnißreichen Mann zu Theil wurde, konnte selbstverständlich eine unterdeß zahlreicher gewordene Familie nicht ernähren und zwang ihn, in seiner dienstfreien Zeit aufs neue zur Feder zu greifen, um seinen Pflichten als Familienvater zu genügen. Da unternahm er für seine schon müde gewordenen Schultern ein wahres Riesenwerk und führte dasselbe, wie alles in seinem Leben, mit wahrer Auszeichnung durch. Die nunmehr vollendete zweite Auflage der Manz'schen (katholischen) Realencyklopädie in 12 Bänden ist die Frucht dieses Riesenfleißes, dieser gewissenhaftest benützten Stunden und Minuten und zahlloser halb am Pulte durchwachten Nächte. Damit schien aber auch seine Lebenskraft erschöpft, die er buchstäblich in dieses enorme Werk hinein- und aufgearbeitet hat. Von nun an wollte er wieder für die Beilagen der ihm so lieben und theuren Postzeitung arbeiten und lieferte auch einige ihrer besten neuesten Artikel. Der Herr über Leben und Tod hatte es aber anders bestimmt, er wollte seinen treuen Diener heimführen nicht zu neuer Arbeit, sondern zu den ewigen Belohnungen. Am 13. Juni feierte er noch im Kreise seiner Familie und seiner Freunde seine 25jährige Jubelhochzeit, am 11. August war er noch mit uns beim Baldefest in Landsberg, fühlte sich aber schon unwohl und wurde zu Hause in heftigster Weise von der Cholera befallen, welche bald in Choleratyphus überging, dem die Kräfte seines Körpers nicht mehr gewachsen waren. Gestern starb er, wie er gelebt, als innig frommer Sohn der Kirche, gestärkt durch alle ihre Segnungen und Tröstungen, wahrhaft den Tod eines Gerechten, eines Todes, wie ihn jeder wahre Katholik für sich selbst nur wünschen und erflehen kann. Staat und Kirche verlieren an ihm einen ihrer treuesten Diener, seine Familie einen liebevoll besorgten Vater, seine Freunde einen unvergeßlichen Freund. Er ruhe im Frieden!«

Landshuter Zeitung No. 207. Sonntag, den 7. September 1873.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Schönchen Ludwig, 1817 (München) – 1873, Journalist, Geheimer Hausarchivar und Königlicher Rat; er studierte in München Rechte und übernahm dann 1838 die Redaktion der (katholischen) »Augsburger Postzeitung«; 1851 übertrug ihm der Minister Graf Reigersberg die Leitung der ministeriellen »Neue Münchener Zeitung«, die er bis zur Entlassung dieses Ministers (1858) innehatte, dann wurde er akademischer Beamter (»Sekretär«) im Geheimen Hausarchiv, später mit dem Titel eines königlichen Rats, blieb aber dabei weiterhin publizistisch tätig; von 1864 an besorgte Sch. die 3. Auflage der Manzschen Realencyclopädie, die 1865–1873 in zwölf Bänden erschien.

Hauptwerke: Geschichte der Stadt Augsburg (für den 2. Band der »Bavaria«), Bayern, seine Geschichte und sein Beruf (für letztgenannte Schrift verlieh ihm der deutsche Kaiser seinen Kronorden); Schs. Vater war der berühmte im selben Grab liegende – Hofmusiker Karl Sch., seine Nichte – ebenfalls hier bestattet – die gefeierte Hofschauspielerin Amalie Sch.

© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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