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Das Grab ist nicht erhalten
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* 1786 (München)
† 17.6.1856 (München)
Schriftsteller
Posten vom 19. Juni.
München, 19. Juni. Heute Nachmittag fand die Beerdigung des als Lustspieldichter bekannten J. v. Plötz statt. Derselbe hatte am Abend seines Lebens mit großer Noth zu kämpfen, die Se. Majestät der König Ludwig, sobald er davon Kenntniß bekam, durch eine großmüthige Spende milderte.
Augsburger Postzeitung Nr. 110. 20. Juni 1856.
Deutschland.
Bayern. – München, 19. Juni. Aus unserer Mitte ist dieser Tage ein Mann hingeschieden, dessen geistige Begabung eine nicht geringe gewesen, und sich namentlich im Lustspiele auf eine hervorragende Weise bewährt hat. Wem in Deutschland wäre der Verfasser des »Verwunschenen Prinzen« unbekannt? Wer hätte nicht durch J. v. Plötz's heitere Laune einen oder den andern Abend vergnügt zugebracht? Trotzdem, daß Plötz der sog. alten Schule angehörte, hegen seine dramatischen Arbeiten eine unvergängliche Frische und sein »Abenteuer einer Neujahrsnacht«, sein »Verwunschener Prinz« werden noch leben, wenn die jetzige Generation bereits ausgestorben, die den alten weißlockigen Mann gebückt und mühevoll durch die Straßen schleichen sah! Wie Plötz der alten Schule angehörte, so war ihm auch das Loos eines Dichters der frühern Zeit vorbehalten: er litt in den letzten Jahren seines Daseins oft an dem Allernothwendigsten Mangel und war nahe daran gewesen, im buchstäblichen Sinne zu verhungern, hätte sich nicht ein erhabener Mäcen gefunden, der ihm wenigstens seine letzten Lebenstage noch freudiger gestaltete. Inwiefern Plötz mehr oder weniger Schuld an diesem traurigen Zustand trug, darüber können wir, dem Todten gegenüber, nicht rechten. Der Tod sühnt Alles, und wer im Leben schon so vieles dulden mußte, dem rufen wir mit um so mehr Recht an seinem Grabe zu: möge die Erde ihm leicht sein!
Neue Münchener Zeitung Nr. 147. Freitag, den 20. Juni 1856.
Frühpost.
München, 19. Juni. Heute Nachmittag wurde Joseph v. Plötz, der beliebte Lustspieldichter, zur Erde bestattet. Da nur Wenige von seinem vorgestern erfolgten Ableben Kenntniß hatten, mußte er fast ohne Begleitung zu Grabe getragen werden. Von Plötz, der ein Alter von 70 Jahren erreichte, war schon seit einiger Zeit kränklich. Sein irdisches Loos war das eines deutschen Dichters: er starb in gedrückten Verhältnissen.
Regensburger Zeitung No. 170. Sonntag, den 22. Juni 1856.
Vaterländisches.
München, 18. Juni. Der bekannte Schriftsteller v. Plötz, ist vorgestern im 70. Lebensjahre dahier gestorben und heute begraben worden. Nur einen Literaten sah man dem Sarge folgen.
Augsburger Anzeigblatt Nr. 169. Samstag, den 21. Juni 1856.
Correspondenz.
Aus München.
Anfang August 1856.
[...] Aber freilich, wo sind auch die Kränze, die unsere jungen dramatischen Talente anfeuern könnten? Es geht eigenthümlich zu in dieser Welt der Breter und im Geschicke der Dichter. Vor einigen Tagen wurde wieder einnmal auf unsem Hoftheater »Der verwunschene Prinz« von Johann von Plötz gegeben und gefiel wie immer. Manches Auge wandte sich dabei hinüber nach der Wand des linken Parkets: dort stand jeden Abend seit langen Jahren ein 70jähriger silberhaariger Greis, Sommers und Winters im leichten hellen Zeugrock, gebückt, mit seinem Strohhut in der Hand auf den Stock gestützt. Aufmerksam folgte der alte Mann mit dem rastlos wackelnden Kopfe allen Bewegungen der Schauspieler, mit Kennermiene, wie man sogleich erkannte und so stand er, im Uebrigen ruhig, fast scheu, jahraus jahrein der königlichen Loge gegenüber, vorn am Orchester. Manches Auge suchte nun wieder nach dem ehrwürdigen Haupte, um sich vielleicht an dem Lächeln des Greises über den Beifall, den sich sein Stück wieder erwarb, zu ergötzen. Aber der greise Dichter war nicht mehr da, um sich noch diese Freude zu holen — einige Tage vorher war er gestorben in bitterster Armuth, bei ganz armen, aber gutherzigen Leuten, die sich in den letzten Jahren des Verlassenen angenommen hatten. Johann von Plötz gehört jedenfalls zu den besten Lustspieldichtern Deutschlands; als Emil Devrient die deutschen Mustervorstellungen in London gab, befand sich unsers Dichters »Verwunschener Prinz« unter den gegebenen Stücken. Es sind noch viele andere treffliche Stücke von ihm da; so »Der Stadttag zu Krähwinkel«, »Der Haustyrann«, das früher oft und gern gesehene »Abenteuer einer Neujahrsnacht«, »Die Journalisten« und das liebenswürdige, treffliche Genrebildchen »Dumm und Gelehrt«. Durch den »Kaufmann oder der Stolz der Geburt« verfeindete er sich den Adel (dem er ja selber angehörte), ohne daß er es wollte: denn Plötz war eine durch und durch harmlose Natur, ohne eine Ader von Bosheit, in frühern Jahren ein heiterer Lebemann, in spätern noch immer ein äußerst angenehmer Gesellschafter, dessen ganz außergewöhnliches Gedächtniß ihn zu einer lebendigen Theater- und Stadtchronik machte. Dabei besaß er eine umfassende Bildung, sodaß man über frühere Schwächen wol hinaussehen durfte, die dem alten immerhin verdienten Manne viel zu hart angerechnet wurden. Einst der Liebling in den ersten und gebildetsten Cirkeln der bairischen Hauptstadt, starb er zuletzt, gerade in der Zeit, wo die Poesie dem Hofe näher treten darf als je, vergessen, verlassen, in der allerbittersten Noth einen traurigen Tod, den er sich jedoch schon seit Jahren herbeisehnte. — Schicksal eines deutschen Theaterdichters!
Deutsches Museum Nr. 35. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. 28. August 1856.