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6 – 2 – 32 (Büttgen · Herz)

Ω

FRANZ
HERZ
HOFSCHAUSPIELER
UND
REGISSEUR
1817 – 1889

Ω

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Heinrich Büttgen

* 4.4.1821 (München)
† 10.12.1876 (München)
Schlossermeisters-Sohn / Schauspieler

Nürnberger Blätter für Theater, Kunst, Mode und geselliges Leben (1844)

Ulm. Nachdem der beliebte Komiker und Schauspielkünstler, Hr. Ferd. Lang, Mitglied der Münchner Hofbühne, mit glänzendem Erfolge hier gastirte, ist nunmehr ein vielversprechender Schüler des Hrn. Lang, nämlich Hr. Heinrich Büttgen, Sohn eines angesehenen Bürgers von München, aufgetreten.

Hr. Büttgen besitzt eine hohe, gefällige, schlanke Gestalt für jugendliche Helden- und Liebhaber-Rollen, ein reines, kräftiges, biegsames, voll- und wohlklingendes, gutes Organ, verbindet damit eine reine Aussprache der Laute, richtige Artikulation, Lebendigkeit des Vortrags, kluge Vermeidung des Copirens und der Manieriertheit, zeigt Talent für Geberdensprache und Mimik, verräth Phantasie, Gefühl, Beurtheilungsvermögen, ausgezeichnetes Gedächtniß etc.

Die Ulmer Schnellpost vom 26. April N. 96 meldet über das Spiel des Hrn. Büttgen, welcher im Ulmer Stadttheater seine Erstlings-Opfer auf den Altar Thaliens legte, Folgendes: Hr. Büttgen (Heinrich in »Parteiwuth«) löste seine Aufgabe mit mehr Tüchtigkeit, als sein erstes Auftreten erwarten ließ. Mittel (namentlich ein sonores Organ und deutliche Aussprache), Eifer, Talent und fester Wille sind da, und wenn letzterer vielleicht auch hin und wieder Übergriffe macht, so zeugen diese doch mehr für die Berufung als jene passive Unbeholfenheit, die den Anfänger sonst zu carakterisiren pflegt. Wird Hr. Büttgen erst den übersprudelnden Genius in der Brust zurückhalten, mit einem Worte, wird er haushälterischer mit dem Fond zu seyn lernen, den ihm Natur und Studium geben, so wird er bald ein recht brauchbarer Jünger der schönen Kunst werden, der er sich widmete. An seiner ersten Darstellung müssen wir zunächst Wärme und richtig berechnete Aktion rühmen.

Dazu muß noch bemerkt werden, daß Hr. Büttgen nicht so glücklich war, in einer der Hauptparthieen, die er einstudirte, sich zu zeigen, sondern daß er die Rolle des Heinrich erst zwei Tage vor der Aufführung des Stückes schnell übernahm und ohne alle Hülfe lernte, was für einen Anfänger keine leichte Aufgabe ist.

Er dürfte sofort für manche Bühne eine willkommene Acquisition werden, zumal, da seine Vermögensverhältnisse ihn eben nicht zwingen, nach ansehnlichem Honorar zu streben, vielmehr sein reiner Enthusiasmus für die Kunst ihm nur eine Bühnendirektion wünschen lassen, welche ihm Gelegenheit gäbe, sein verwendbares Talent in jugendlichen Helden- und Liebhaber-Rollen zu versuchen.

Nürnberger Blätter für Theater, Kunst, Mode und geselliges Leben. No. 52. Donnerstag, den 2. Mai 1844.

Die Deutsche Schaubühne (1861)

Hr. Büttgen ist ein recht tüchtiger Repräsentant für komische und ernste Alte, so lange dieselben sich nicht mit Noblesse zu bewegen haben; feiner Anstand und edle Tournüre aber »sind ein fremder Tropfen in seinem Blut«. Sein König in »Philippine Welser« war hierfür ein sprechender Beweis. Glücklich ist er in der Wiedergabe schlichter biederer Naturen, wie der Lieutenant Stern (»Spieler«), Just (»Minna von Barnhelm«), Strumpfwirker Achleitner (»Bürger und Junker«), Baptista (»Bezähmte Widerspenstige«) u. dgl., während ihm Chargen, wie der Junker Bleichwangen (»Viola«) weniger gelingen.

Die Deutsche Schaubühne. Organ für Theater und Literatur. Redigirt von Dr. Teodor Mehl. Hamburg; 1861.

Der Sammler (16.12.1876)

† Heinrich Büttgen,
königl. bayer. Hofschauspieler,

war geboren den 4. April 1821 zu München als der Sohn der Hof- und Kabinets-Schlossermeisters-Ehegatten Heinrich und Crescentia Büttgen, letztere eine geb. Pongraz.

Er erhielt seinen ersten Unterricht in der dortigen Dompfarrschule, besuchte dann die Lateinklassen des hiesigen Erziehungsinstituts. Früh schon zeigte er eine große Vorliebe für die Kunst und waren es der Veteran der königlichen Hofbühne, Hr. Lang, dann der seinen noch lebenden Zeitgenossen noch immer unvergeßliche Heigel, welche ihn in das Heiligthum der Kunst einführten. Am 9. April 1844 betrat er in Ulm versuchsweise zum erstenmale die Bühne unter dem Direktor Dardenne. Von diesem Tage an führte er ein genaues Tagebuch aller von ihm gespielten Rollen, welches einen interessanten – freilich nicht immer freudigen Einblick in eine wechsel- und dornenvolle Künstlerlaufbahn gewährt. Nachdem er in dem Monat April am genannten Theater noch achtmal aufgetreten war, kehrte er nach München zurück und spielte im Theater der einst so berühmten Gesellschaft »Frohsinn« am 1. Juni den Lord Harcourt in »Haß und Liebe,« und dann noch in den Monaten August bis November in sechs Rollen. Am 29. Nov. 1844 endlich ging sein sehnlichster Herzenswunsch in Erfüllung, indem er an dem kgl. Hof- und Nationaltheater seiner geliebten Vaterstadt München als Kunsteleve (unter dem k. Intendanten Frhrn. v. Frays) aufgenommen wurde und am 23. Dez. dieses Jahres noch auf der Hofbühne und zwar als »Flurschütz« im »Tell« auftreten durfte. Von jenem Tage angefangen hat er dann 3761mal die Bretter (welche die Wett bedeuten) des kgl. Hoftheaters betreten, nämlich:

im J.1844 2mal | 1845 35mal | 1846 33mal | 1847 44mal | 1848 72mal | 1849 80mal | 1850 108mal | 1851 103mal | 1852 105mal | 1853 109mal | 1854 112mal | 1855 120mal | 1856 98mal | 1857 114mal | 1858 156mal | 1859 155mal | 1860 152mal | 1861 146mal | 1862 181mal | 1863 189mal | 1864 187mal | 1865 133mal | 1866 112mal | 1867 133mal | 1868 131mal | 1869 137mal | 1870 120mal | 1871 120mal | 1872 142mal | 1873 94mal | 1874 99mal | 1875 136mal | 1876 123mal.

Rechnet man dazu noch die Rollen, welche er im Jahre 1870 und den folgenden im Volkstheater, sowie jene, welche er auf einigen Kunstreisen in deutschen Städten spielte, so wird es nicht zu hoch gegriffen seyn, wenn man die Ziffer seines Auftretens mit 3900 voll annimmt, so daß man sagen kann, daß er von den 32 Jahren seiner Mitgliedschaft an der Hofbühne 11 volle Jahre Abend für Abend im Dienste der Kunst thätig war. Es dürfte wohl wenig Künstler geben, welche mit solcher Hingebung ihrem Berufe und der Kunst gelebt, wie er, denn Dutzendmale ist es, besonders in den letztem Jahren vorgekommen, daß er – obgleich sich manchmal ernstlich unwohl fühlend, aus Berufstreue, und um nur keine Störung des Repertoires zu verursachen, seine Rolle spielte – das war insbesondere auch am 20. Nov. d. Js. der Fall – wo er bereits von schwerem Leiden heimgesucht und bettlägerig, gleichwohl sich siech und matt nach dem Theater schleppte und so elend nach Hause zurückkehrte, um 2 Tage darauf sich für immer zu legen und nicht wieder aufzustehen. Seine vielen Rollen, welche ihn bald zu einem Lieblinge des Münchener Publikums machten, einzeln alle aufzuzählen, dazu fehlt es hier an Raum und möge eine ausführlichere Besprechung derselben sachkundigerer Feder vorbehalten bleiben. Es dürfte genügen, an seinen »Miller« in »Kabale und Liebe«, »Nathan«, den »Kapuzinerpater« in »Wallensteins Lager«, den »Kaiser« in »Philippine Welser«, den »Strumpfwirker« in »Bürger und Junker«, den »Geisterkönig«, den Gewürzkramer »Zangler« in »Einen Jux will er sich machen«, den »Tandler« in »Zu ebener Erde und ersten Stock«, den »Seebichler« im »Seefräulein«, den »Schneider Tüffel« in »Ansässig«, überhaupt an alle die Rollen in Raimund'schen, Nestroy'schen Schleichischen und Kobell'schen Volksstücken zu erinnern, welche, in altbayerischer Mundart geschrieben, in ihm ihren mustergiltigsten, ja kühn darf man es behaupten, geradezu nicht mehr erreichbaren Vertreter fanden. Am 4. November 1845 vermählte er sich mit der k. b. Hofschauspielerin Jeanette Dedler, eine Schülerin der Birch-Pfeiffer, welche früher in Zürich engagirt war, seit 1843 aber gleichfalls der Münchener Hofbühne angehört. 32 Jahre wirkten beide Ehegatten zusammen im Dienste der Kunst – ihre Ehe war mit 5 Kindern gesegnet, zwei früh verstorbenen Knaben und drei Töchtern, von welchen die älteste an den k. Hofschaufpieler Herz, die jüngste an den k. Staatsarchivs- und Ordenssekretär Destouches verheirathet ist. Mit der Wittwe und drei Töchtern stehen auch drei Enkelkinder am Sarge des zu früh Verblichenen, ja wohl zu früh sowohl für ihn, der erst im 55. Lebensjahre, also im besten Mannesalter stand, zu früh für seine trauernde Familie, zu früh für die Kunst, der er, – wie die Todesnachricht treffend sagt – sein ganzes Leben mit treuer Hingebung geweiht; zu früh endlich aber auch für all seine Freunde und Bekannten – wie groß aber deren Zahl, beweist die allgemeine tiefgehende Theilnahme, die sich schon während seiner schweren Leidenstage, die sich aber ganz besonders bei der Nachricht von seinem Hinscheiden allenthalben in rührender und ergreifender Weise dokumentirt. Es ist geradezu unglaublich, wie diese kräftige wahrhafte Hünengestalt durch die Krankheit von wenigen Wochen so rasch zusammenbrechen konnte, allerdings bemerkten seine um ihn besorgten Freunde schon seit dem heurigen Frühjahr einen langsamen, aber merklichen Anfall seiner sonst so kräftigen Gestalt und Konstitution. Eine Herzlähmung machte vergangenen Sonntag Abend seinem Leben ein Ende – sein Andenken aber – das sind wir überzeugt, wird auf lange Zeit fortleben in den Herzen seiner vielen Freunde und Verehrer und in der Geschichte der Münchener Hofbühne wird er sicherlich einen Ehrenplatz einnehmen, ihm aber, der den Kampf des Lebens ausgerungen und ausgekämpft, ihm rufen wir in sein frühes Grab nach: »Ruhe sanft in Frieden!«

Der Sammler Nr. 146. Belletristische Beilage zur »Augsburger Abendzeitung«. Samstag, den 16. Dezember 1876.

Deutscher Bühnen-Almanach (1878)

Nekrologe.

Heinrich Büttgen.

Fast wäre man versucht, es ein Stillleben zu nennen, so ruhig und gleichmäßig, so anspruchslos und seitab dem unsteten Treiben der leitenden und bewegenden Kreise schien es dem Fernstehenden dahin zu gleiten. Und doch war es ein mehr als dreißigjähriges Ringen und Streben, ein langer Weg der künstlerischen Arbeit und Entwickelung, ein mühsam Steigen mit seltenem Haltpunkt, Jahr um Jahr, Monat um Monat, eine sorgliche Rückschau auf das Vollendete, bald ein freudiger Ausblick, wenn ein entschiedener Schritt nach vorwärts glücklich gelungen war, öfter fast ein Anhauch schmerzlichen Zweifels, aber niemals ein Schritt zurück, nie ein Bedenken, wenn es galt, auch unter schwierigen Verhältnissen der Kunst zu dienen, der übernommenen oder der neu angesonnenen Pflicht zu genügen, – eine stete Bereitschaft im selbstgewählten, mit Begeisterung erfaßten, mit männlicher Treue festgehaltenem Berufe. Wir sprechen von Heinrich Büttgen, einem der ältesten und bewährtesten Mitglieder der Münchener Hofbühne, welcher derselbe, noch an der Neige des Jahres 1876, in der Vollkraft seines stets kerngesunden Lebens entrissen worden ist; wir sprechen von einem Münchener mit Leib und Seele, wie sein Thun und Treiben von frühester Jugend auf bewies.

Geboren am 4. April 1821 zu München als der Sohn des Hof- und Cabinetsschlossermeisters Heinrich Büttgen, bereitete er sich selbst ebenfalls für den bürgerlichen Lebenslauf so vor, wie das damals für die Kinder behaglich lebender Familien üblich war, indem er die Lateinschule des k. Erziehungs-Instituts besuchte und dann im elterlichen Geschäfte die nöthigen technischen Kenntnisse sich aneignete, die er in fremden Städten zu erweitern suchte, um einst mit Ehren in des Vaters Fußtapfen zu treten.

Allein früh schon gährte in seinem Innern die Liebe zur Schauspielkunst, zu der ihn neben der feurigsten Neigung auch eine schöne, kräftige Gestalt und ein gesundes, wohltönendes, weitreichendes Organ besonders zu befähigen schienen. Der würdige Veteran der Münchener Bühne, Ferdinand Lang, dann der seinen noch lebenden Zeitgenossen noch immer unvergeßliche Heigel waren es, welche ihn in das Heiligthum der Kunst einführten. Am 9. April 1844, nachdem er eben das 23. Lebensjahr vollendet hatte, wagte Büttgen den ersten Versuch vor den Lampen des Stadttheaters in Ulm unter der Direktion Dardenne. Es kennzeichnet die damaligen Verhältnisse dieser Bühne und die Umstände überhaupt, daß der junge Kunstpriester am ersten Abende in einem Stücke – es war Raimund’s »Verschwender« – drei Rollen spielen mußte, freilich alle drei so bescheiden, daß das Publikum die neugewonnene Kraft wohl in keiner derselben sonderlich bemerken mochte. Von diesem Tage an führte Büttgen bis zu seinem letzten Auftreten – 32 Jahre hindurch – ein genaues Tagebuch aller von ihm gespielten Rollen, welches einen interessanten, freilich nicht immer freudigen Einblick in eine wechsel- und drangvolle Künstlerlaufbahn gewährt.

Uebrigens weist schon nach anderthalb Wochen dieses gewissenhaft geführte Rollenbuch eine beachtenswerthe Partie auf, den Heinrich Land in der »Parteiwuth« oder: »Die Kraft des Glaubens«, und noch im selben Monat folgte Kosinsky in den »Räubern« und der Kandidat Wahl in »Der gerade Weg ist der beste«. Der Aufenthalt in Ulm war kurz, die Saison stand am Ende, den Münchener zog es, nachdem er im Ganzen neun Mal in Ulm aufgetreten war, heimwärts, wo das Theater der Gesellschaft »Frohsinn«, auf dem gar manches hübsche Talent zuerst sich offenbarte, das dann unter glücklichen Sternen einer ehrenvollen Laufbahn entgegeneilte, Gelegenheit bot, sich vor den Augen der heimischen Kunstwächter zu zeigen. Hier spielte Büttgen bis am 29. November desselben Jahres, wo endlich sein sehnlichster Herzenswunsch in Erfüllung ging, indem er an dem K. Hof- und Nationaltheater seiner Vaterstadt München als Kunsteleve durch den K. Intendanten Freiherrn v. Frays aufgenommen wurde und am 23. Dezember dieses Jahres noch auf der Hofbühne und zwar als Flurschütz im »Tell« auftreten durfte.

Monat für Monat brachte neue Rollen, von denen viele auch der gereifte Mann noch trefflich wiedergab. Von jenem Tage angefangen, hat er dann 3761 Mal die Bretter des K. Hoftheaters betreten. Rechnet man dazu noch die Rollen, welche er vom Jahre 1870 ab im Kgl. Volkstheater am Gärtnerplatz, sowie jene, welche er auf einigen Kunstreisen spielte, so wird es nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man die Ziffern seines Auftretens mit 3900 voll annimmt. Es dürfte aber auch wenig Künstler geben, welche mit solcher Hingebung ihrem Berufe und der Kunst gelebt, wie er, denn häufig genug ist es vorgekommen, daß er, obgleich sich manchmal ernstlich unwohl fühlend, aus Berufstreue, und um nur keine Störung des Repertoires zu verursachen, seine Rolle spielte; das war insbesondere auch am 20. November 1876 der Fall, wo er, bereits von schwerem Leiden heimgesucht und bettlägerig, gleichwohl sich siech und matt nach dem Theater schleppte, und so elend nach Hause zurückkehrte, daß er zwei Tage darauf sich für immer niederlegte.

Der Juli 1847 bringt im oben erwähntem Tagebuch eine wichtig Notiz. Der 26jährige Schauspieler durfte sich in »Kabale und Liebe« an den Kammerdiener wagen, für den damals Männer, wie Jost und Heigel vorhanden waren, fand lebhaften Beifall und eigenste Befriedigung. Denn während er sonst nur sehr kurz den erzielten Applaus, manchmal aber auch ein selbstkritisches derbes »schlecht« vermerkt, setzt er hier in unverkennbarer Freude die Worte bei: »Erste Rolle im alten Fach mit Glück. Das ist der Platz, den die Natur meinem Talente angewiesen.« Nebenan steht eine, seine Zukunft betreffende, frohe Hoffnung kündende weitere Bemerkung. Aber wie zur Strafe für die so leicht verzeihliche Hochschätzung der eigenen Kraft, machte der Schreiber noch mit der gleichen Tinte einen unwilligen Strich durch. Die mitgetheilten Sätze ließ er unangetastet, ein sicheres Zeichen, daß er auch später nie an ihre Wahrheit zweifelte.

Im klassischen Repertoire sind wenig Stücke, in denen er nicht beschäftigt war, aber auch der vorübergehenden Erscheinungen zählt sein Buch eine lange, lange Reihe auf, in den ersten Jahrzehnten mit interessanten Notizen über wichtige Vorkommnisse im Theaterleben ausgeschmückt, die später seltner vorkommen, und sich endlich ganz verlieren. Die sogenannten guten Rollen sind mit eigenen Zeichen versehen; ein Beweis der strengsten Selbstkritik liegt darin, daß diese Zeichen schon seit Jahren seltener wurden, selbst bei Rollen, bei denen sie nie fehlten. Mit der Reife des Mannes reifte die Strenge des Urtheils über die eigene Leistung. Gastspiele sind, außer einem solchen in Augsburg, nicht verzeichnet, obwohl er einige Male in anderen deutschen Städten, insbesondere im April seines letzten Lebensjahres 1876 mit großem Beifall in Nürnberg gastirte.

Auch den kontraktlichen Urlaub genoß Büttgen, ehe die Theaterferien eingeführt wurden, selten. Er war am liebsten in München, bei seinem Theater, denn die Lust am Wanderleben war ihm fremd, so daß von »brillanten Gastreisen«, »enthusiastischen Aufnahmen« etc. die Biographie wenig zu berichten hat; war doch Büttgen kein Mann der jetzt so üblichen Reklame und gesellte sich zu diesem Umstande seine wohl von seiner bürgerlichen Herkunft entstammende Vorliebe für Seßhaftigkeit. Wo er aber gastirte, fand er ein dankbares Publikum. Daß ihn der Beifall des Publikums erfreute, ihn ehrte, zeigte er dadurch an, daß er jede derartige Bezeugung gewissenhaft in seinem Buche eintrug. Das dankbarste Publikum waren freilich die Münchener, die in dem unermüdlich strebenden Künstler, den sie von kleinen zu größeren, von diesen zu ersten Charakterrollen sich emporarbeiten sahen, dessen Fleiß und Streben unermüdlich war, nicht minder den Menschen als den tüchtigen Schauspieler achteten und liebten. Zwar war Büttgen kein Mann des Kothurns, kein mit allen rhetorischen Wässerchen gewaschener Deklamator, aber trotzdem, oder vielleicht eben deshalb ein ausgezeichneter Darsteller, sobald er seiner Individualität zusagende Charaktere zu zeichnen hatte. Wo es sick um markige Kraft des Ausdruckes, um natürlichen Humor handelte, da befand er sich in seinem ureigensten Elemente. Und so war er denn gerade unschätzbar für jenes echte Volksstück, das auf den Zuschauer wirkt wie ein guter alter Holzschnitt. Seiner liebenswürdigen, geselligen Eigenschaften wegen war er überall ein willkommener Gast, ein gesuchter Gesellschafter. Gewandtheit im Improvisiren, ein trockener Humor, eine herzliche, biedere Gemüthlichkeit, vor Allem ein gerader, offener, ehrlicher und anspruchsloser Charakter gewannen ihm Freunde in allen Kreisen, namentlich in den studentischen, die sich von seiner Seite einer ganz besonderen Bevorzugung erfreuten, Treue und Gewissenhaftigkeit im Berufe, die Anerkennung seiner Vorgesetzten und die Zuneigung seiner Collegen.

Das zeigte sich deutlich nach seinem Tode, der die meisten seiner Bekannten, ja die ganze Stadt München überraschte, von ihm selbst aber sichtlich geahnt war; denn als er am 20. November von der Vorstellung »Die Maler« heimkehrte, schrieb er resignirt in sein Tagebuch »Das war meine letzte Rolle, heut’ hab ich zum letzten Male gespielt!« – Und er hatte Recht gehabt – drei Wochen später, am Sonntag, den 10. December Abends 7 Uhr starb der Künstler, ruhig und gottergeben schloß sich das schmerzensmüde Auge für immer. Ein akut aufgetretenes Herz- und Nierenleiden mit erfolgter Herzlähmung setzte seinem, der Kunst mit Hingebung geweihten Leben im 55. Jahre ein zu frühes Ende.

An seinem Sarge stand seine trostlose Wittwe, mit der er 32 Jahre zusammen im Dienste der Kunst an der Münchener Hofbühne gewirkt hatte, standen seine drei Tochter (von denen die älteste, Caroline, mit dem k. bayer. Hofschauspieler Franz Herz, die jüngste, Julie, mit dem k. bayer. Geh. Staatsarchivs- und Ordens-Sekretär Ernst v. Destouches verheiratet ist) und drei Enkelkinder.

Eine allgemeine tiefgehende Theilnahme hatte sich schon während Büttgen’s Krankheit, um so mehr bei der Nachricht seines Hinscheidens in ergreifender Weise kund gegeben, und als man ihn am 13. Dez. 1876 auf dem alten südlichen Friedhofe Münchens zu Grabe trug, da war sein Sarg mit Blumen- und Lorbeerkränzen förmlich überdeckt. Die ersten Mitglieder des Schauspiels und der Oper, darunter auch sein erster Lehrer, der greise Ferdinand Lang, mit Florschärpen, Wachskerzen tragend, begleiteten den Sarg, dem in endlosem Zuge, nach den beiden Schwiegersöhnen des Verstorbenen, der k. General-Intendant Freiherr v. Perfall, der Hof-Sekretär des Königs, Hofrath v. Dufflipp, der interimistische Leiter des k. Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußern, Staatsrath Dr. v. Daxenberger, sämmtliche Beamte und Mitglieder der beiden k. Theater, die Mitglieder der k. Hofkapelle, einer Anzahl von Gesellschaften, Vereinen, Studenten-Corps, sowie eine endlose Reihe von Leidtragenden aus allen Ständen folgten. Man sah deutlich, daß ein Liebling des Münchener Publikums, ein hochachtbarer Bürger der Stadt, zu Grabe getragen ward.

Daß Büttgen’s früher Tod als ein Verlust für die deutsche Schauspielkunst nicht blos in München selbst, sondern weit über das Weichbild der Stadt hinaus, schmerzlich empfunden wurde, das bewiesen vor Allem die ehrenvollen Nachrufe, die ihm nicht blos von den Münchener Lokalblättern, sondern auch von den geachtetsten Journalen Süddeutschlands gewidmet wurden, das bewiesen ferner die Zeichen herzlichster Theilnahme, die seiner Familie von Nah und Fern – so u. A. auch von Oskar v. Redwitz aus Schillerhof bei Meran – zukamen.

Darum wird aber auch sein Angedenken auf lange Zeit in Ehren fortleben in den Herzen seiner vielen Freunde und Verehrer und in der Geschichte der Münchener Hofbühne; in den Annalen der Stadt wird er sicherlich einen Ehrenplatz einnehmen! Ihm aber, der den Kampf des Lebens ausgerungen, ihm rufen wir in sein frühes Grab nach:

»Ruhe sanft in Frieden!«

Deutscher Bühnen-Almanach. Berlin, den 1. Januar 1878.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale (1893)

Ein tüchtiger Künstler und ehrenwerther Bürger ist unser Heinrich Büttgen in München gewesen, wo er am 4. April 1821 als der Sohn eines Hofschlossers zur Welt gekommen war, allgemein geschätzt und geachtet. Die Geschichte seiner Künstlerlaufbahn ist ebenso wie die seines Lebens mit der Residenzstadt an der Isar eng verknüpft; denn nachdem er die kgl. Erziehungsanstalt für Studirende besucht, den Hoffschauspielern Lang und Heigel sein Darstellertalent anvertraut hatte, wurde er nach erfolgreichem Debut in Ulm (1844), noch im selben Jahre am Münchener Hoftheater zuerst als Eleve engagirt, zu dessen besten Mitgliedern er dann bis an sein Lebensende gehörte. Flißig und pflichtgetreu wußte er sich bald aus der Sphäre der kleinen Partien bis zu den höheren ersten Charakterrollen emporzuschwingen und galt namentlich als Vertreter der specifisch bayerischen Gemüthlichkeit und des Humors als ein vollendeter Darsteller. Als im Jahre 1849 sein Lehrer, der treffliche Schauspieler Heigel am 3. Mai seinen Tod in den Wellen der Isar fand, übernahm er größtentheils dessen künstlerische Erbschaft. Büttgen gehörte 32 Jahre unserer Hofbühne an und war bis kurz vor seinem Tode, 10. Dezember 1876, als actives Mitglied thätig.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Büttgen Heinrich, geboren am 4. April 1821 in München. Er war der Sohn des Hof- und Kabinettschlossers Heinrich B. und sollte ebenfalls den Beruf seines Vaters ergreifen. Allein ihn drängte es unwiderstehlich zur Kunst, er nahm Unterricht bei dem Veteranen der Münchener Bühne, Ferdinand Lang und betrat am 9. April 1844 zum erstenmal in Ulm die Bühne. Er mußte an diesem Abende in nicht weniger als drei Rollen im »Verschwender« debütieren. Allerdings wurde seine Stellung später besser, und schon seine nächste Partie war der »Kosinski«.

Er verließ nach einem Jahre dies Engagement und kehrte nach München zurück, wo er als Kunsteleve am Königl. Hoftheater aufgenommen wurde. Am 23. Dezember 1845 betrat er diese Bühne zum erstenmal als »Flurschütz« im »Tell«. Er blieb dieser Kunststätte fortab, und zwar bis zu seinem Tode treu und dürfte es wenige Künstler daselbst gegeben haben, die mit solcher Hingebung dem Berufe und der Kunst gelebt haben, wie B. 1846 wurde er zum Hofschauspieler ernannt, und schwang sich nach und nach bis zu den ersten Charakterpartien empor.

Das Publikum zeichnete diesen unermüdlich strebsamen Künstler, dessen Leistungen bald mustergültig wurden, mit den größten Ehren aus, und waren es namentlich die natürliche Kraft des Ausdruckes und der natürliche Humor, sowie seine herzliche, biedere Gemütlichkeit, die ihm eine große Zahl Verehrer erwarben.

1876 erkrankte er und mühsam schleppte er sich noch am 20. November ins Theater, um den »Ubique« in »Die Maler« zu spielen. Er hatte das Gefühl, daß dies seine letzte Rolle sei, und so war es auch. Am 10. Dezember trug man einen besonderen Liebling des Münchener Publikums zu Grabe.

Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.

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Jeanette Büttgen (vw)

Dedler (gb)
* 1824 (Augsburg)
† 5.11.1884 (München)
Schauspielerin

Die Deutsche Schaubühne (1861)

Frau Büttgen (Alte) füllt ihren Platz befriedigend aus, ohne gerade besonders Hervorragendes zu leisten, wozu ihr übrigens auch ihre Beschäftigung selten Gelegenheit giebt in Rollen, wie Therese (»Hagestolzen«), Anna Welser (»Philippine Welser«), Mutter Barbaud (»Grille«) etc.

Die Deutsche Schaubühne. Organ für Theater und Literatur. Redigirt von Dr. Teodor Mehl. Hamburg; 1861.

Illustrirte Zeitung (15.11.1884)

Todtenschau

Frau Jeanette Büttgen, geborene Dedler, seit 41 Jahren Mitglied des königl. Hoftheaters in München, geschätzte Schauspielerin, eine Schülerin der Birch-Pfeiffer, † daselbst am 4. November im 60. Lebensjahre.

Illustrirte Zeitung Nr. 2159. 15. November 1884.

Allgemeine Zeitung (6.11.1884)

F. (Jeanette Büttgen †.) Gestern Nacht entriß uns der Tod eine verdienstvolle Künstlerin unserer k. Hofbühne, Frau Jeanette Büttgen, geb. Dedler, nach langwierigem, schmerzlichem Gehirnleiden und nach 41jähriger Dienstzeit. Sie und ihr Gatte Heinrich Büttgen, der den 10. December 1876 verstarb, nehmen in der Geschichte unseres Kunstinstitutes eine bemerkenswerthe Stelle ein.

Jeanette Dedler, seit 1845 Frau Büttgen, ist eine Schülerin der Charlotte Birch-Pfeiffer; sie kam mit ihrer Meisterin im October 1843 vom Actientheater in Zürich nach München und gastirte mit derselben in Raupachs Tragödie »Kaiser Heinrich VI.« als Irene, in »der Fabrikant« von Devrient als Eugenie, in »Mutter und Sohn« als Selma (Frau Birch-Pfeiffer die Generalin), im »Schmuckkästchen« von Kotzbue als Amalie und in »Hinko der Freiknecht« als Margitta (Frau Birch-Pfeiffer die Margarethe Volkner) und trat mit 1. November in den Verband der Hofbühne an Stelle der Dem. Darcourt.

Frau Büttgen war eine sehr leistungsfähige Schauspielerin; Dingelstedt hatte ihre wie ihres Gatten Vorzüge wohl erkannt und sie in klassischen Stücken in die vorderste Reihe der Acteurs gestellt; so spielte Frau Büttgen in »Antigone« von Sophokles die »Euridike,« lange Zeit war ihr die Rolle der Millerin in »Kabale und Liebe« und der Mutter des Clärchen in Goethe’s »Egmont« übertragen und die Mehrzahl der Theaterbesucher wird sich ihrer Leistungen gewiß noch freundlich erinnern.

Die nun im 60. Lebensjahr dahingeschiedene Künstlerin erfreute sich des Wohlwollens und der Achtung nicht nur der Theaterbesucher, sondern auch Aller, die ihr im Leben näher traten. Freitag den 7. ds., Nachmittags 3 Uhr, findet das Leichenbegängniß statt.

Zweite Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 309. München; Donnerstag, den 6. November 1884.

Deutscher Bühnen-Almanach (1886)

Jeanette Büttgen, geb. Dedler.

Am Morgen des 5. November 1884 wurde Fr. Büttgen welche 40 Jahre hindurch eine Zierde der Münchener Hofbühne gewesen, von mehrjährigen schweren Leiden durch den Tod erlöst. Eine treffliche Künstlerin und liebenswürdige Colegin wurde in ihr zu Grabe getragen unter herzlichster Theilnahme der Bevölkerung Münchens, welche für die Künstlerin wie für die Frau von gleich hoher Achtung erfüllt gewesen. Jeanette Dedler, zu Augsburg im Jahre 1824 geboren, machte schon als dreizehnjähriges Mädchen ihre ersten theatralischen Versuche. Durch den Unterricht der Fr. Ch. Birch-Pfeiffer entwickelte sich rasch ihr anmuthiges Talent. Sie siedelte mit ihrer Lehrerin nach Zürich über, wo sie 6 Jahre hindurch am Stadttbeater der Liebling des Publikums war. Ein Gastspiel führte sie im Herbst 1843 wieder nach München. Sie spielte am Königl. Theater die Irene in »Heinrich VI.«, Eugenie in »Der Fabrikant«, Selma in »Mutter und Sohn« und die Markitta in »Hinko« und wurde sofort für die Hofbühne gewonnen, der sie bis zu ihrem Tode als Mitglied angehörte. 1799 Mal trat sie in München auf, zuerst im Fache der sentimentalen Liebhaberinnen, später in dem der ernsten und humoristischen Mütter. Von hervorragenden Rollen ihrer späteren Zeit nennen wir besonders die Fr. Miller in »Cabale und Liebe«, Clärchens Mutter in »Egmont«. Mit dem ihr im Jahre 1877 im Tode vorausgegangenen Hofschauspieler Büttgen lebte sie in langer und außerordentlich glücklicher Ehe. Während der letzten zwei Jahre kränkelte sie so andauernd, daß sie die Bühne nicht mehr betreten konnte. Ein warmes, herzliches Andenken bewahrt der trefflichen Frau Jeder, der in nähere Berührung mit ihr gekommen.

Deutscher Bühnen-Almanach. Berlin, 1886.

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Franz Herz

* 24.12.1817 (Münster/Westfalen)
† 23.4.1889 (München)
Schauspieler und Regisseur

Die Deutsche Schaubühne (1861)

Hr. Herz ist sehr glücklich in der Wahl seiner Masken, während die psychologische Entwicklung der Charaktere oft weniger gelungen ist. Er hat eine schöne schauspielerische Begabung; doch will uns bedünken, aus seiner Spielweise lasse sich erkennen, daß emsiges Studium dieselbe noch auf eine weit vollendetere Stufe bringen könnte. So ist er häufig nicht einmal Herr des Worts, und dies ist doch gewiß die erste Anforderung, die man an jeden Künstler zu stellen berechtigt ist. Einzelnes bei ihm laßt kaum Etwas zu wünschen übrig, während im nächsten Augenblicke den größten Schönheiten plötzlich wieder etwas Unfertiges folgt, und wir uns wie mit kühlem Wasser übergossen fühlen. Sein Organ ist schwach und ohne Klangfülle; allein auch dies ließe sich wohl mehr verdecken, wenn er es besser beherrschte; er nehme sich in dieser Beziehung seinen Vorgänger Friedrich Haase zum Vorbild, welcher mit noch geringeren Mitteln die glänzendsten rhetorischen Effekte erzielte. Aufgaben der Tragödie und des Lustspiels, die von dem Künstler mit Fleiß ausgearbeitet sind, löst derselbe sehr beftiedigend, und als solche wollen wir beispielsweise Cromwell (»Montrose«), Ludwig XI. (»Karl der Kühne« von Melchior Meyr), Hypolit von Bieberstein (»Ich bleibe ledig«) u. s. f. erwähnen. Andere Rollen dagegen, die ihm weniger zuzusagen scheinen, wie Talbot (»Jungfrau von Orleans«) sinken durch seine Darstellung zur Bedeutungslosigkeit herab.

Die Deutsche Schaubühne. Organ für Theater und Literatur. Redigirt von Dr. Teodor Mehl. Hamburg; 1861.

Neuer Theater-Almanach (1890)

Franz Herz, kgl. bayr. Hofschauspieler, † in München, geb. 24. Dez. 1817 in Münster. Sohn eines Offiziers und einer früheren Schauspielerin, machte er 1836 in Duisburg bei einer reisenden Gesellschaft als Adam (Dorfbarbier) den ersten theatralischen Versuch; seine Laufbahn führte ihn nach den einstmals üblichen Komödianten-Wanderungen 1845 an das Stadtth. in Bremen (artist. Dir. K. A. Ritter), 1846 Augsburg (Dir. Wilhelm Lippert), 1847 Regensburg (Dir. J. Dardenne und Friedr. Maurer), später nach Graz, Düsseldorf, Wiesbaden. Am 1. Okt. 1858 trat er als erster Charakterspieler zur Uebernahme der Rollen, die der gealterte Karl Jost nicht mehr leisten konnte, in den Verband des Hofth. in München. Seine Proberollen waren Mephisto, Shylock, Lamoignon, Carlos (Clavigo) gewesen; seitdem Ernst Possart als jugendliche Kraft ihn wiederum in einem Theile seiner Rollen ersetzt hatte, umfaßte seine Thätigkeit die älteren Charakter- und Väterrollen ernster und humoristischer Art, in denen er ganz Vorzügliches leistete: Attinghausen, Polonius, Piepenbrink, Klosterbruder, Argan (Der eingebildete Kranke), Geizige u. dgl.

Neuer Theater-Almanach für das Jahr 1890. Berlin, 1890.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale (1893)

Franz Herz [1], 1824 zu Münster geboren, hatte sich aus den bescheidensten Anfängen zu einer bedeutenden künstlerischen Stellung emporgearbeitet, welche er ehrenvoll über drei Decennien behauptete. Bevor der Künstler zu uns kam, wirkte er bereits mit großem Glück in Wiesbaden, wo bereits seinem Namen der Ruf eines vorzüglichen Charakterdarstellers vorausging. Diese Eigenschaft bethätigte Lerz auch bei uns und that dies in hervorragender Art, indem er seine Person stets der Sache, seine Rolle stets dem Kunstwerke unterordnete und so, unterstützt von kräftiger schauspielerischer Individualität und reicher Gestaltungskraft, Leistungen schuf, welche, wie z. B. sein »Klosterbruder«, geradezu mustergiltig waren. Franz Herz war im Lustspiel, wie in der Tragödie, im modernen Schauspiel, wie im leichten Schwank, gleich ausgezeichnet und hatte in jeder seiner Rollen den ungetrübtesten Erfolg.

[1] Franz Herz ist nach qualvollem Leiden am 23. April 1889 in München gestorben.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Herz Franz, geboren am 24. Dezember 1817 in Münster als Sohn eines Offiziers und einer Schauspielerin. Er sollte ursprünglich Kaufmann werden, jedoch als er 1835 nach Duisburg kam, um daselbst in eine große Fabrik einzutreten, versuchte er sich bei einer Wandertruppe, die daselbst in einer Scheune Komödie spielte, als »Adam« in »Dorfbarbier«. Der Erfolg bestärkte ihn in seiner Neigung, Schauspieler zu werden, und rasch entschlossen, gab er die schon begonnene kaufmännische Karriere auf und ging zur Bühne.

Zuerst mußte er sich bei reisenden Gesellschaften durchschlagen, bis es ihm endlich gelang, 1845 Engagement in Bremen zu finden. Er blieb ein Jahr daselbst, dann wirkte er in Augsburg 1846–1847, Regensburg 1847, Graz 1848–1851, Düsseldorf 1852 und am Hoftheater in Wiesbaden 1853–1858. Dort sah ihn Friedrich Dahn, der ihn zu einem Gastspiel ans Münchener Hoftheater für den ausscheidenden Friedrich Haase empfahl. Der Künstler gastierte mit Erfolg (»Mephisto«, »Shylock, »Präsident« im »Urbild des Tartüffe« und »Carlos« in »Clavigo«) und wurde engagiert.

H. hat selbst in seiner Jugend nebst komischen Gestalten und Naturburschen, Charakterrollen gespielt, und behauptete sich auch in München während seiner mehr als 30jährigen künstlerischen Tätigkeit in diesem Fach mit großem Glück. Zu seinen beliebtesten Rollen zählten vor allem »Philipp II.«, »Narziß«, »Shylock«, »Butler« sowie »Argan« und »Harpagon«, und verschaffte er durch seine köstliche Darstellung den Moliereabenden besondere Zugkraft. Auch verdient sein »Klosterbruder« Erwähnung, der bei den Mustergastspielen im Jahre 1880 durch die einfache und treuherzig – milde Gestaltung H.’s allgemeine Bewunderung errang.

Aber nicht nur in der Klassik, auch im Lustspiel trat er mit großem Erfolg auf, und blieben sein »Kommerzienrat Verren« in »Maria und Magdalena« oder sein »Lebrecht Müller« in »Störenfried«, sein »Vetter«, »Kaufmann Bloom« etc. den Münchnern stets in angenehmster Erinnerung. Er war und blieb immer ein Schauspieler, der es verschmähte, durch Aufdringlichkeit zu wirken. Stets bestrebt, als dienendes Glied sich dem Ganzen anzuschließen, war ihm jede Sucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, fremd. H. hatte dies auch gar nicht nötig, denn er wirkte durch seine herzerfrischende Natürlichkeit, seine natürliche Ursprünglichkeit, seinen behaglichen Humor und seine spontane Beredsamkeit. Er grübelte auch nicht lange, sondern fand meist ohne zu spintisieren das Richtige, welches die Wirkung nur selten verfehlte. Der Künstler ist dem Münchner Hoftheater bis zu seinem Tode treu geblieben. Er starb am 23. April 1889, und nur schwer gewöhnte man sich daran, dem »alten Herz« nicht mehr auf den Brettern zu begegnen.

Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Herz Franz, 1817 (Münster/Westfalen) – 1889, Hofschauspieler und Regisseur; nach einem Wander-Spiel-Leben im Rheinland fand er 1845 in Bremen Anstellung, er spielte dann in Hamburg, Regensburg, Graz und Düsseldorf und hielt es zuletzt doch von 1853–1858 am Wiesbadener Hoftheater aus, wo ihn Friedrich Dahn zu einem Gastspiel im Münchner Hoftheater einlud; seine erfolgreiche Darstellung des Mephisto, Shylock, des Präsidenten im Tartüff und des Carlos in Clavigo entschied Hs. Engagement; er hatte mit demselben Glück neben Naturburschen und komischen Rollen auch Charakterrollen gespielt; zu seinen beliebtesten Rollen zählen u. a.: Philipp II., Shylock, Butler, Argan und Harpagon; für Molières Stücke war H. wie geschaffen.

© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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