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Die Grabinschrift ist nicht erhalten
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* 17.12.1791 (Schinznach im Aargau/Schweiz)
† 18.5.1849 (München)
Kupferstecher
Amsler, Samuel, 1794 zu Schinznach im Argau in der Schweiz geboren. Neben landwirthschaftlichen Geschäften widmete er die übrige Zeit von früher Jugend an vorzugsweise dem Zeichnen, später, unter beschränkter Anleitung, den Versuchen, auf Kupfer zu radiren, welche ihn alsdann auch bestimmten, sich dem Kupferstecher-Fache zu widmen. Im Jahre 1810 kam er daher nach Zürich zu L. Oberkayler, dann zu dem bekannten L. Lips in die Lehre. 1814 besuchte er zu seiner weitern Ausbildung die königl. Akademie der Künste in München, wo er unter der Leitung des damaligen Professors C. Heß die ersten Versuche, nach Gemälden zu stechen, machte. Im Jahr 1816 reiste er nach Rom, wo er bald die meiste Zeit, als Kupferstecher, von Thorwaldsen für dessen Werke beschäftigt ward. 1820 besuchte er von dort aus sein Vaterland, und kehrte in selbem Jahre wieder nach Rom zurück, wo er während dem letzten Jahren seines Aufenthaltes daselbst mehrere Zeichnungen nach Raphael’schen und andern Gemälden, zu künftigen Stichen bearbeitete; und zugleich begann er den Stich des Alexanders Triumphzug in Babylonien, in 21 Blättern, nach Thorwaldsen, und aus Auftrag für denselben.
Im Spätjahr 1824 verließ er zum zweitenmale Rom, um in seiner Heimath neben der Fortsetzung vorbenannten Werkes, den beabsichtigten Stich der Raphael’schen Grablegung Christi, aus der Gallerie Borghese, auszuführen. Im Jahre 1829 erhielt er von Sr. Majestät dem Könige Ludwig von Bayern den Ruf, als Professor der Kupferstecher-Schule, an die königl. Akademie nach München, welchem er auch bald darauf folgte; hier vollendete er nun die beiden oben benannten Arbeiten, und ist nun mit der Vollendung einer andern großem Platte nach Raphael, eine heilige Familie vorstellend, aus der königl. Kabinets-Gallerie in München, beschäftigt.
Die Zahl seiner sämmtlichen, bis dahin gestochenen kleinern und größern Arbeiten belauft sich über 100 Blätter.
Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.
Gallerie einiger in München lebender Künstler.
(Fortsetzung.)
Amsler, Samuel.
Wir stellen mit Vergnügen einen Mann in die Reihe der Künstler, der als Kupferstecher sich einen Namen in Europa erworben hat. Wer kennt nicht die bewunderte Schöpfung des größten Bildhauers unserer Zeit, den Triumphzug Alexander des Großen von Thorwaldsen? Wenigen ist gegönnt dieses ausgezeichnete Werk der Sculptur an Ort und Stelle zu beschauen, und sich bey der Betrachtung eines Meisterwerkes, das seiner Vollendung gemäß den besten Zeiten der griechischen Plastik angehört, mit den großen Intentionen des Genies zu betrauen. Amsler hat sich die ganze gebildete Welt verbindlich gemacht, denn er lieferte Thorwaldsen's Werk mit gleicher Schöpferkraft als Kupferstich und verschaffte ihm daher Verbreitung durch ganz Europa.
Samuel Amsler ist ein geborner Schweizer. Zu Schinznach im Aargau erblickte er 1794 das Tageslicht. In früher Jugend äußerte sich bey ihm eine vorherrschende Neigung zum Zeichnen. Er versuchte sich bald im Radiren auf Kupfer und die günstigen Fortschritte bestimmten den Jüngling, sich dem Kupferstecherfache zu widmen. Er bildete sich in Zürich bey C. Oberkayler und bey dem bekannten H. Lips aus. Im Jahre 1814 begab er sich nach München und besuchte die königl. Akademie der Künste, wo er unter der Leitung des damaligen Professors Heß die ersten Versuche, nach Gemälden zu stechen, machte. Im Jahre 1816 reiste er nach Rom, wo er bald die meiste Zeit als Kupferstecher von Thorwaldsen für dessen Werke beschäftigt ward. Im Jahre 1820 besuchte er von dort aus sein Vaterland und kehrte in demselben Jahre wieder nach Rom zurück, wo er während der letzteren Jahre seines Aufenthaltes daselbst mehrere Zeichnungen nach Raphael'schen und anderen Gemälden zu künftigen Stichen bearbeitete. In dieser Periode begann er zugleich den berühmten Stich des Alexander-Triumphes in Babylonien, in ein und zwanzig Blättern, nach Thorwaldsen. Der Meister hatte ihm den Auftrag dazu ertheilt. Amsler verließ im Jahre 1824 zum zweyten Male Rom, um in seiner Heimat neben der Fortsetzung des begonnenen Werkes den Stich der Raphael'schen Grablegung Christi, aus der Gallerie Borghese, auszuführen.
Im Jahre 1829 erhielt er von Seiner Majestät dem König Ludwig von Bayern den Ruf als Professor der Kupferstecherschule an die königl. Akademie nach München. Hier vollendete er die beyden obenerwähnten Arbeiten. Diesen Werken folgte ein anderes in seiner Vollendung, eine heilige Familie nach Raphael, aus der königl. Cabinetsgallerie in München. Die Zahl seiner sämtlichen bisher gestochenen, kleinern und größern Arbeiten beläuft sich über einhundert Blätter.
(Der Schluß folgt.)
Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 147. Samstag, den 8. Dezember 1838.
Samuel Amsler, Professor an der k. Akademie,
der Sohn eines Arztes, wurde im Jahre 1793 zu Schinznach in der Schweiz geboren, wo er auch den ersten Unterricht, wie in der deutschen, so in der lateinischen und französischen Sprache erhielt; die in ihm schlummernde Kunstanlage erwachte schon früh und er übte sich ohne alle Anleitung im Zeichnen, welches seine Lieblingsbeschäftigung war und auch dann blieb, als er sich der landwirtschaftlichen Geschäfte seiner Aeltern annehmen mußte. Nachdem er sich im Graviren mehrerer Amts- und Handwerks-Siegel, im Radiren und Aezen mit Glück versucht hatte, faßte er endlich den Entschluß, sich ganz der Kupferstecherkunst zu widmen, und begab sich deswegen im Jahre 1810 nach Zürich zuerst zu dem Kupferstecher Oberkogler, später zu dem bekannten Heinrich Lips in die Lehre. Seine Fortschritte waren bald so befriedigend, daß er die alleinige Bearbeitung zweier größerer Platten nach seines Meisters Zeichnung erhielt und eine Nachbildung des heiligen Johannes nach Fr. Müller mit dem allgemeinsten Beifall ausführte.
Nachdem er bereits eine große Kunstfertigkeit erlangt hatte, wollte er im Auslande seine Kenntnisse und Erfahrungen bereichern, seinen Geschmack vervollkommnen und was ihm noch fehlte, durch Rath und Belehrung anderer Künstler sich aneignen, und so kam er zuerst im Jahre 1814 nach München, wo er während seines zweijährigen Aufenthaltes die Akademie besuchte und den größten Theil seiner Zeit auf das Zeichnen nach der Natur und der Antike verwendete, zugleich zwei Zeichnungen nach Zurbarans hl. Bruno und einer hl. Magdalena von Carlo Dolce nach den Gemälden in der k. Gallerie fertigte, deren erste er unter der Leitung des Prof. Karl Heß radirte, die andere aber in der Grabstichelmanier ausführte, und zwar in der neueren Stechweise, daß die breite Taille und die Zwischenarbeit an Raphael Morghens Manier erinnert, welche er sich zum Vorbilde genommen.
Im Herbste 1816 begab er sich nach Rom, wo ihn vor allen die herrlichen Gebilde Raphaels im Vatikane begeisterten, daß er sogleich den Entschluß faßte, noch während des Winters sich durch Zeichnungen nach denselben in das Eigentümliche dieses Meisters, was Zeichnung, Form und Charakter betrifft, ganz einzustudiren, um diese unsterblichen Gebilde in der Folge im Kupferstiche wieder zu geben. Vorher aber führte er den Stich einer Charitas nach einem kleinen Relief von Thorwaldsen so befriedigend aus, daß ihm dieser sogleich mehrere Arbeiten nach seinen Werken übertrug, mit deren Stich er die Zeit seines ersten Aufenthaltes in Rom zubrachte und zugleich einen Theil des von Cornelius zu dem Niebelungenliede gezeichneten Titelblattes (den Theil zur Rechten) ausführte.
Da es sich bei dem Nachbilden der Werke beider Meister nicht um Farbe, sondern vorzüglich um Bestimmtheit und Strenge der Umrisse, so wie des Charakters im Runden handelte, wozu die breite Behandlung der neueren Stechweise, so lobenswerth und achtungswürdig sie auch sonst erschien, nicht förderlich und geeignet schien; so bediente er sich hiebei der Behandlung des Grabstichels, wie sie in früheren Jahrhunderten üblich war, die darin besteht, daß die älteren Künstler bei ihren Werken auf eine höchst einfache Weise verfuhren, mit Wenigem Vieles, ja das Wesentlichste leisteten. Sie bedienten sich hiezu nur zweier Taillen, einer Haupttaille in sehr engen Lagen, und einer zweiten, der umwickelnden, theils zur Verstärkung der Schatten überhaupt, insbesondere in den Gewändern, theils und hauptsächlich zur bestimmteren Bezeichnung der Knochen und Muskeln. Die Anwendung einer dritten Taille, der sogenannten malenden, und die Zwischenarbeiten, wobei man dem Stiche noch mittels eines Tuschtones eine malerische Wirkung zu geben beabsichtigte, hatte erst eine spätere Zeit eingeführt. Bei jenen Arbeiten nach Thorwaldsen und Cornelius bediente sich nun Amsler der alten Behandlungsweise und gab auf diese Weise den Geist und Charakter seiner Vorbilder treu und wahr wieder.
Als er aber nach einem vierjährigen Aufenthalte in Rom, im Jahre 1820, in sein Vaterland zurückkehrte und hier den Stich einer kleinen Madonna mit dem Kinde nach Raphael, von welcher er in Perugia noch eine Zeichnung genommen hatte, in runder Form begann und seiner Stechweise auch hiebei treu bleiben wollte; überzeugte er sich bald, daß sie bei Stichen nach Gemälden nicht ganz anwendbar sei. Nachdem er dieses Werk vollendet hatte, begab er sich zum zweitenmale nach Rom, wo er mehrere Platten nach Thorwaldsen, das Bildniß dieses Meisters nach Begas in einem sprechend ähnlichen Stich ausführte, die übrige Zeit aber auf Zeichnungen, meistens nach Raphael, zu künftigen größeren Stichen verwendete, worauf er gegen das Ende des Jahres 1824 wieder in sein Vaterland zurückkehrte und sogleich neben der Fortsetzung des in Rom schon begonnenen Triumphzuges Alexanders nach Thorwaldsen mit dem Stiche der Grablegung Christi nach Raphael begann. Während dieser Arbeiten erhielt er im Jahre 1828 den ehrenvollen Ruf als Professor an die Akademie der bildenden Künste zu München, an die Stelle seines hier in demselben Jahre verstorbenen Lehrers Karl Heß, welchem Rufe er freudig folgte und im April 1829 in München eintraf.
Während er hier den Unterricht in der Kupferstechkunst leitete, vollendete er den erwähnten Aleranderszug, dann die Grablegung Christi und eine heilige Familie, beide nach Raphael, mit solcher Meisterschaft, daß sie allgemeine Bewunderung und Anerkennung erhielten und überhaupt vielleicht zu den beßten Nachbildungen des unsterblichen Künstlers gehören. Mit der größten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit sind alle Umrisse gezeichnet, alle Theile im Runden bestimmt, der Ausdruck in seiner Tiefe so unvergleichlich aufgefaßt und geschildert, daß man bei dem Anblicke jener Grablegung, bei der unendlichen Zartheit und Zierlichkeit der Umrisse und Formen, in welchen sich der Seele tiefstes Leiden in allen Köpfen, besonders den weiblichen, zu erkennen gibt, kein Nachbild, sondern das Gemälde selbst zu sehen glaubt. Mit der innigsten Theilnahme versenken wir uns bei dem Betrachten der heiligen Familie in die göttliche Ruhe und himmlische Anmuth, welche über alle Gestalten ausgegossen ist, die das Gemüth wunderbar erquickt: das sind Raphaels Charaktere, seine feinen Gesichtszüge und Formen.
Amsler erreichte diese Wirkung bei seinem Stiche dadurch, indem er bei der Ausführung dieser Platten die einfache Stechweise der Alten zu Grunde legte, um der Bestimmtheit und Strenge der Umrisse des Originals keinen Abbruch zu thun, es aber auch nicht verschmähte, mit jener auch die neuere Behandlungsweise zweckmäßig und glücklich zu verbinden, wenn es nöthig schien, dem Ganzen dadurch eine malerische Wirkung zu geben. Zu dem Ende bediente er sich einer Haupt- oder Grundtaille mit enger Lage und zwar an vielen Stellen nur dieser allein, selbst da, wo in ihrer fortlaufenden Bewegung leichte Knochen und Muskelerhöhungen anzudeuten waren. Dabei fehlt es am geeigneten Orte nicht an ungemein leichter, mehr fühl- als sichtbarer Zwischenarbeit, theils um das Licht zu gemäßigteren Mitteltönen zu dämpfen und zur Andeutung zarter Muskellagen, theils zur Erzeugung des nöthigen Tuschtones, um dem Ganzen auch Farbe und Haltung zu geben. Zur Verstärkung der Schatten in den dunkleren und dunkelsten Stellen, und zur kräftigeren Bezeichnung der durch Anstrengung mehr hervorgetretenen Muskeln gebrauchte er eine zweite Taille und brachte in den Fleischtheilen die kalte Nadel vorzugsweise in Anwendung, um seinen Platten einen zarten gefälligen Silberton und eine größere Dauerhaftigkeit zu geben.
So bildete Amsler durch die tiefdurchdachte und mit Erfolg durchgeführte Verbindung der alten und neueren Stechweise eine ihm ganz eigentümliche einfache Weise aus, in welcher man die Sicherheit und Festigkeit der Hand in Führung der Schneidnadel, die Reinheit des Grabstichels, den leichten und zierlichen Schwung der Linien und das sichtbar vorherrschende Streben erkennt, die Taille nicht nur nach der Lage und Bewegung der Muskeln anzulegen, sondern sie auch in ihrer Fortführung gleichsam wie aus sich selbst entspringend und fortlaufend erscheinen zu lassen.
In dem erst vor Kurzem ausgegebenen Blatte der Madonna dei Tempi nach Raphael spricht sich des Künstlers meisterhafte Auffassung des großen Malers und sein Streben nach Vollendung wohl am deutlichsten aus, und es übertrifft an zarter Behandlung und Reinheit des Stichels noch die früheren ähnlichen Arbeiten.
Sein neuestes Unternehmen, welches ihn mehrere Jahre beschäftigen wird, ist der Stich des Oelgemäldes von Overbeck: der Triumph der Religion in den Künsten, welches sich im Städel’schen Institute in Frankfurt befindet, und das er im großen Formate wieder geben wird. Zum Behufe der Zeichnung machte Amsler eine Reise dorthin.
Derselbe Gegenstand nach Overbecks erstem Entwurfe wurde bereits von ihm in Umrissen auf Kupfer gegeben.
Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.
Amsler, Samuel,
k. Professor an der Akademie d. bild. Künste zu München, ist geboren zu Schinznach in der Schweiz, woselbst sein Vater Arzt war. Sehr früh erwachte seine Kunstanlage, und er übte sich ohne irgend eine Beihülfe im Zeichnen, was für lange Zeit seine Lieblingsbeschäftigung auch dann noch blieb, als er im elterlichen Hause die landwirthschaftlichen Geschäfte übernehmen mußte. Er versuchte sich in seinen Mußestunden mit dem Graviren mehrerer Amts- und Handwerkssiegel, so wie im Radiren und Aetzen, und als er sah, daß ihm dies so ziemlich gelang, wollte er sich ganz der Kupferstecherkunst widmen. Er begab sich deshalb im Jahre 1810 nach Zürich, zuerst zu dem Kupferstecher Oberkogler und in der Folge zu dem bekannten Heinrich Lips in die Lehre. Bald erntete er den Beifall seines Lehrers, nachdem er zwei größere Platten nach seines Meisters Zeichnung gelungen ausgeführt hatte.
Um sich an Kenntnissen und Kunstgeschmack zu vervollkommnen, reiste er 1814 nach München, besuchte die Akademie, zeichnete nach der Natur und der Antike und radirte unter Professor Carl Heß mehrere Bilder; 1816 begab er sich nach Rom. Hier war die wichtigste Entwicklungsperiode für seine Kunstrichtung. Die herrlichen Gebilde Raphaels im Vatikan begeisterten ihn; er übte sich durch Zeichnungen an dem Eigenthümlichen dieses Meisters, um es in der Folge im Kupferstichs wieder zu geben. Thorwaldsen und Cornelius beschäftigten zu dieser Zeit schon diesen talentvollen Künstler und er befriedigte sie in hohem Grade. Amslers Arbeiten trugen in rascher Zeitfolge das Gepräge der Treue und Wahrheit im Geiste und Charakter seiner Vorbilder. Nachdem er sich nach wiederholtem Aufenthalt in Rom in sein Vaterland begab, erhielt er den Ruf als Professor an die k. Akademie der bildenden Künste nach München; er nahm ihn an und traf im April 1829 hierselbst ein. Er leitete den Unterricht in der Kupferstechkunst und außerdem war er viel beschäftigt mit größern Arbeiten: als dem Alexanderszug, die Grablegung Christi und eine heilige Familie (nach Raphael), welche den größten Beifall fanden. Aus neuerer Zeit sind seine Kupferstiche: eine Madonna del Tempi, nach Raphael; der Triumph der Religion in den Künsten, nach Overbeck; die Schwanthalerschen Malerstatuen; die Traumdeutung Josephs, nach P. Cornelius; das neueste von ihm in Kupfer gestochene Bild ist die Statue vom Göthe-Monument in Frankfurt a. M.
Universal-Handbuch von München. München, 1845.
Samuel Amsler
Kein Kunstzweig fordert vom Künstler ein so großes Maß von Bescheidenheit und Selbstverläugnung, von Fleiß und Ausdauer, wie die Kunst des Kupferstechers. Die Platte, auf welche er Jahre der unverdrossensten Arbeit verwenden muß, bringt keineswegs die eigene geniale Conception des Künstlers zur Darstellung, sondern sie ist die Nachbildung einer fremden Schöpfung. Der Kupferstecher fliegt nicht seine eigenen Bahnen, sondern seine Pflicht ist Hingebung, seine Aufgabe das Versenken des eigenen Denkens und Empfindens in ein fremdes, und sein Ziel, so getreu als möglich das Werk eines Andern nachzubilden, damit es, statt nur Wenigen, recht Vielen zugänglich und zum Genusse werde. Der Fleiß der Biene, die Beharrlichkeit der Ameise, muß Jenem zu eigen sein, der oft nach wochen- und monatelanger angestrengter Arbeit nur wenige Quadratzolle seiner Kupferplatte bewältiget hat. Eine innerliche Freudigkeit muß ihn erfüllen bei seinem langsamen Wirken, wie sie jene Mönche des Mittelalters hatten, welche zuweilen ein ganzes Leben auf die zierliche Abschrift eines einzigen Buches verwandten. Eine solche nach Innen gewandte, fast ascetische Natur, welche – abgesehen vom äußerlichen Erfolge – die Kunst als eine Religion und ihre Ausübung als einen Gottesdienst betrachtete, war der berühmte schweizerische Kupferstecher Samuel Amsler.
Die Geburtsstätte dieses Mannes war das aargauische Dorf Schinznach am linken Aarufer, gegenüber der gleichnamigen berühmten Heilguelle, die von der alten Habsburg überragt wird. Dort wirkte sein Vater als geschickter und geschätzter Arzt und als Landwirth. Seine zahlreiche Familie erzog derselbe mit Ernst und Strenge in der Furcht des Herrn, indem er selbst seine Söhne und Töchter im Wissenswürdigsten unterrichtete und sie nebenbei auf seinen Aeckern und Wiesen arbeiten ließ, wo sie im Schweiß ihres Angesichtes ihr täglich Brod verdienen mußten.
Samuel Amsler wurde 1791 geboren und war das viertälteste von 14 Geschwistern. Der Unterricht, den er von seinem Vater erhielt, erstreckte sich auf Lesen, Schreiben und Rechnen, auf Geometrie und Naturgeschichte, auf Latein und Französisch. Sein angeborner Formensinn zeigte sich schon früh in seinen Schreibheften. Schon im achten Jahre waren seine Schriftzüge sicher und scharf. Mit Bleistift gezeichnete Seitenanfänge, Vögel, Blumen, Schmetterlinge darstellend, müssen den Heften zum Schmucke dienen. Diese Illustrationen vervollkommnen sich von Heft zu Heft. Sie werden statt mit dem Stifte mit der Feder ausgeführt, später sogar kolorirt. Auch dieser Privatfleiß ward vom Vater beaufsichtigt und unnachsichtliche Kritik von demselben ausgeübt. Das weniger Gelungene mußte der Knabe sogleich vor den Augen des Vaters vernichten; so gewöhnte sich derselbe eine strenge Selbstbeurtheilung an. Aber nicht nur in den Schreibheften trat das angehende Künstlertalent zu Tage. Es sind aus jenen Jahren einzelne fliegende Blätter aufbewahrt worden, auf welche der Knabe Blumen, Käfer nach der Natur gezeichnet hat. Seine Phantasie erging sich auch zuweilen in allerlei Arabesken und in der Darstellung von Fabelthieren; und sogar an die Porträts seiner Geschwister wagte er sich.
Nachdem sich Samuel einstmals während einer Abwesenheit seines Vaters aus Ungeschicklichkeit an der Schnitzelbank verwundet hatte, suchte er das bevorstehende Ungewitter väterlichen Zornes durch eine außergewöhnliche Kunstleistung zu beschwören. Er zeichnete und malte den Tellenschuß und kam mit dem Blatte dem heimkehrenden Vater entgegen, der darob die sonst unausweichliche Strafpredigt vergaß.
Als 12–14jähriger Knabe durfte Samuel wöchentlich ein paar Mal in die nahegelegene Kattundruckerei von Wildegg, wo ihm der dort angestellte Dessinateur Zeichnungsunterricht ertheilte. Da aber dieser erste Lehrer dem Vater zusprach, den Knaben zum Künstler ausbilden zu lassen, schüttelte derselbe den Kopf und mochte nichts von »brodlosen Künsten« wissen. Dem Mann, der 14 Kinder zu ernähren und zu erziehen hatte, stand die Prosa des Lebens zu nah. Es bedurfte des ernsten Zuspruchs bewährter Freunde, um ihn endlich zu bestimmen, seinen Sohn dem Kupferstecher Oberkogler in Zürich in die Lehre zu geben.
Es war im Jahr 1810. Amsler zählte 19 Jahre, es begann für ihn die schöne Blüthezeit des Lebens.
Bald hatte sich ein geistig reger, für das Schöne und Gute begeisterter Freundeskreis um ihn gesammelt. Die spätern aargauischen Dichter Fröhlich und Tanner waren darunter, Lusser aus Altorf, Bodmer aus Zürich und andere. Göthe wurde gemeinschaftlich gelesen. Mit Begeisterung nahmen die Freunde Uhland's Gedichte, Körner's Leier und Schwert entgegen. Es wurde gezeichnet und gemalt, gedichtet und musizirt. Die großen Weltereignisse, die ihren Schatten auch auf jenen harmlosen Kreis jugendlicher Schwärmer warfen, trugen dazu bei, die Stimmung ihrer Geister zu heben und sie für den Ernst des Lebens empfänglich zu machen.
Schon nach einem Jahre verließ Amsler seinen Lehrer Oberkogler und trat unter die Leitung des rühmlich bekannten Künstlers Heinrich Lips. Schon 1811 erschienen die ersten Erzeugnisse seines Grabstichels, ein Porträt nach Sandrat und »die Kommunion der Attala«; 1812 folgten »die Schulmeisterin« nach Wille und »Niklaus von Flüh's Abschied« nach Volmar. Dann stach er ein Porträt Salomon Geßner's als Titelkupfer zu einer Taschenausgabe seiner Werke; ebenso die Bildnisse Joh. Rud. Meiers von Aarau und des Malers Freudweiler; und nach Zeichnungen seines Lehrers Lips die biblischen Bilder »Tobias«, »Maria und Martha«, »die Jünger zu Emaus« und den »Johannes« des Domenichino.
Das war ein warmer sonniger Lebensmai für unsern Amsler, ganz dazu angethan, eine lange Laufbahn zu durchwärmen und manche Blüthe im jungen Künstler zu wecken, die bestimmt war, zur köstlichen Frucht heranzureifen.
Nach dreijährigem Aufenthalt in Zürich schied er von dieser ihm lieb gewordenen Stadt und aus seinem trauten Freundeskreise, um sich an der Kunstakademie zu München die höhern Weihen der Kunst zu holen, kaum ahnend, daß diese Stadt später seine Adoptivheimat werden würde.
Es war im Oktober 1813, als Amsler nach München übersiedelte. Wenn gleich er sich durch seine in Zürich gestochenen Kupferplatten in der Künstlerwelt schon einen gewissen Namen erworben hatte, so wollte er in München doch nur Schüler sein. Er fing wieder an, nach der Antike und nach der Natur zu zeichnen. Erst nachdem er diese Schule noch einmal durchgemacht, griff er wieder, und zwar mit erneuter Lust, zum Grabstichel. Zwei Blätter aus den Jahren 1815 und 1816 zeigen die Fortschritte, die er seit Zürich und seit er sich von Lips' Manier befreit, gemacht hat. Diese Blätter sind ein hl. Franziskus nach Spagnoletto und die hl. Büßerin Magdalena nach Carlo Dolce. Sie sind Zeugen nicht nur des ausgebildeten Form- und Farbensinns des Künstlers, sondern ganz besonders auch der innigen Frömmigkeit seines Gemüthes, welche, wenn gleich er ein überzeugungstreuer Protestant war, sich doch mit hingebender Liebe den katholischen Heiligen zuwandte, deren Bildnisse er in's Kupfer grub.
München war damals im Beginn seiner Kunstblüthe, der Sammelplatz einer Menge zum Theil genialer junger Künstler, die später zu den Sternen erster Größe zählen sollten. Wie anregend eine solche Umgebung auf den schweizerischen Kupferstecher wirken mußte, ist selbstverständlich. Sehr förderlich war ihm die Freundlichkeit seines Lehrers, des Prof. Heß, welcher seine Sammlung von Aetzabdrücken der Kupferstiche großer Meister zum Studium ihm zur Verfügung stellte. Ein inniger Freundschaftsbund schloß Amsler mit dem jungen Maler J. A. Ramboux aus Trier, der sich später durch seine »Denkmäler der Malerei in Italien« und seine »Alterthümer und Naturansichten im Moselthale« einen Namen machte.
Von seinem damaligen Aufenthalt in München datiren die Stiche verschiedener damals in Tyrol aufgefundener Bronzen und die Bildnisse des Ritters Götz von Berlichingen nach Pfarr und des Hofraths Weigel.
Im Sommer 1816 schnallte Amsler sein Ränzchcn und kehrte – wie er gekommen war – zu Fuß in Begleitung seines Freundes Ramboux nach der Heimat zurück.
Unseres Künstlers Lehrjahre sind zu Ende und seine Wanderjahre beginnen. Nachdem die beiden Freunde einige fröhliche Ferienmonate in der Schweiz verlebt, machten sie sich im Herbst 1816 – abermals zu Fuß – auf den Weg nach dem gelobten Lande der Kunst, nach Italien.
Das Ziel ist Rom. Aber nur langsam kommt man vorwärts. In allen Städten werden die Sammlungen und Kunstwerke beschaut und studirt, in Mailand, Lodi, Piacenza, Bologna, Florenz.... Manches Stündchen mögen unsere Fußreisenden unter der rebenbesponnenen Pergola einer ländlichen Osteria verträumt haben, mit entzücktem Auge die violetten Tinten der appenninischen Berge, die goldbraunen Wölkchen am tiefblauen Himmel, die malerischen Gestalten der italienischen Hirten und Bäuerinnen betrachtend. Endlich liegt die Siebenhügelstadt vor ihren erstaunten Blicken; klopfenden Herzens, voll Ehrfurcht schreiten sie über den klassischen Boden.
Es war damals ein reges Kunstleben in Rom. Overbeck, Cornelius, Thorwaldsen lebten und wirkten dort. Niebuhr, Preußischer Gesandter in Rom, bot den Künstlern deutscher Zunge einen Vereinigungspunkt, während die protestantische Kapelle des Gesandtschaftshotels die Glaubensgenossen zusammenhielt. Amsler besuchte nicht nur fleißig diesen Gottesdienst, sondern wirkte durch sein Orgelspiel an demselben thätig mit.
Als Künstler und Kupferstecher beschritt er in Rom neue Bahnen. Nach dem Vorbilde alter Meister befliß er sich vorzugsweise der Strenge und Einfachheit in seiner Zeichnung. In dieser Weise stach er zuerst die Bildwerke Thorvaldsens: die Charitas, eine Mutter mit zwei Kindern, Amor und Venus, fliegende Genien, den Tag und die Nacht, die Speranza, den Schäfer, den Merkur.
Langathmige Arbeiten erschreckten den fleißigen ausdauernden Schweizer nicht. Er begann den Stich des Alexanderzugs von Thorwaldsen, jenes 109 Fuß langen und 3½ Fuß breiten Frieses, welches zur Feier der Anwesenheit Napoleons einen Saal des Ouirinals zu schmücken bestimmt war. Die Nachbildung dieses plastischen Werkes im Kupferstich erforderte nicht weniger als 21 Platten, welche erst 1835 vollendet und von Cotta in Stuttgart verlegt und herausgegeben wurden.
Aber nicht nur dem großen Bildhauer lieh Amsler seinen Grabstichel; nicht weniger begeisterte ihn der große deutsche Maler Cornelius, dessen Nibelungenbilder er gemeinschaftlich mit seinem Freund und Zimmergenossen Barth aus Hildburghausen in Kupfer stach.
Von den ältern Malern war es der größte, Raphael, welcher unsern Amsler am meisten anzog. 1820 begann er den Stich der Madonna connestabile, 1822 jenen der Grablegung aus der Gallerie Borghese. Eine Reihe fernerer Arbeiten zeugen für seine nimmer ermüdene Arbeitslust. Dennoch fand er Zeit, seinen Aufenthalt in der ewigen Stadt von Zeit zu Zeit durch Ausflüge und Reisen zu unterbrechen. Im Jahr 1818 treffen wir ihn zu Ariccia, wo er mit dem Dichter Friedrich Rückert das Zimmer theilt; 1820 macht er einen Besuch in der Heimat, wo er bei seinem Bruder, dem Arzte, in Wildegg das Bildniß Pius VII. vollendet; 1823 wandert er bis Neapel hinunter.
Aber allmälig wird ihm Rom wieder fremder. Die Künstler, seine Genossen, sind unstäte Zugvögel, sie kommen und gehen wieder, und neue, unbekannte füllen die leergewordenen Lücken. Cornelius, der Hervorragendste unter der deutschen Künstlerzunft und mit Amsler persönlich befreundet, ist schon im Sommer 1818 geschieden. Einen andern Freund, den trefflichen Landschaftsmaler Philipp Fohr aus Heidelberg, mußte Amsler mit eigenen Augen beim Baden in dem gelben Tiber ertrinken sehen. Die schönsten Tage des deutschen Künstlervereins, jene Tage des Oktoberfestes von 1817 und des Frühlingsfestes von 1818, welche der große Förderer der Kunst, Ludwig von Bayern, als Kronprinz in munterster Laune mitfeiern half, waren zur Neige gegangen, ohne sich in gleichem Glanze wiederholen zu wollen. Und wenn gleich unser Amsler nun schon jahrelang vom Wasser des Trevibrunnens getrunken, so war dieß Zauberwasser doch nicht im Stande gewesen, die Liebe zur alten Heimat aus seinem Herzen wegzuspülen. Aus der Majestät der ewigen Stadt sehnte er sich nach dem bescheidenen Rebgelände von Schinznach, den waldbewachsenen Hügeln von Wildegg zurück. Im Jahr 1825 verließ er Rom, um es nicht wieder zu sehen. Die Alpen überschreitend, betrat er wieder sein Vaterland, um in demselben für die nächsten Jahre seinen bleibenden Wohnsitz aufzuschlagen.
Das Jahr 1826 brachte er in Basel zu, dann kehrte er wieder bei seinem Bruder in Wildegg ein und arbeitete dort am Alexanderzug und an der Grablegung.
Amsler zählte nun seine 35 Jahre. Es ist uns nicht gesagt worden, ob der schalkhafte Gott Amor bis dahin je im Herzen des fleißigen ernsten innigen Kupferstechers sich eingenistet hatte; ob vielleicht schon zur Zeit seines sonnenbeglänzten Lebensfrühlings an der Limmat eine zürcherische Jungfrau seine Pulse höher schlagen ließ; oder später in München eines jener reizenden Mädchen, denen die goldene Riegelhaube damals so zierlich die dunkeln Locken krönte; oder noch später eine stolze plastische Römerin. So viel steht fest, daß sein Herz noch nicht ausgebrannt war, als er nach fast zehnjährigem Aufenthalt in den Armidengärten Italiens nach der Heimat zurückkehrte. Während er im ländlichen Hause des Bruders zu Wildegg unverdrossen hinter seinen Kupferplatten saß, entfaltete sich in seinem Gemüth ein später aber nicht minder wonniger Liebesfrühling. Ein Mädchen von Wildegg, Louise Laué, that es ihm an. Seine Werbung wurde nicht verschmäht, und er führte die Auserkorene Anfangs 1829 zum Altar.
Um diese Zeit consolidirte sich auch noch in anderer Weise Amsler's bürgerliche Existenz. Er erhielt einen ehrenvollen Ruf als Professor der Kupferstecherkunst und Mitglied der Akademie der schönen Künste nach München, wohin er im Mai 1829 in Begleitung seiner jungen Frau übersiedelte.
Einige Jahre früher war der kunstsinnige, schönheitsliebende Ludwig seinem Herrn Vater auf den bayerischen Thron gefolgt, jener Kronprinz Ludwig, welchen unser Amsler an jenen schönen Künstlerfesten in Rom kennen gelernt hatte.
Ludwig war kein Freund des köstlichen Soldatenspiels, noch einer verschwenderischen Hofhaltung. Einen Theil der Summen, welche seine in dieser Richtung haushälterischen Neigungen dem Staatsschatz und Seiner Privatchatoulle ersparten, ließ er in seiner Hauptstadt München der Kunst und den Künstlern zu gute kommen.
Wie durch Zauber begann es auf der rauhen und unfruchtbaren bayerischen Hochebene, wo einst ascetische Mönche ihr Kloster gegründet und im Laufe der Zeiten um die Wallfahrtskirche unserer Lieben Frau eine Stadt sich angebaut hatte, zu treiben und zu sprießen. Zur Verwunderung der ächten Münchnerkinder wuchsen neben den Brauhäusern und Bierkellern Kunsttempel aus der Erde. Zuerst sah man an der Straße nach dem Nymphenburgerschlosse, nicht weit von der Stelle, wo der Pschorrbräu seine kolossalen Bierfässer gelagert hat, die Glyptothek erstehen, einen Tempel im klassisch griechischen Styl, in welchem Meisterwerke der Bildhauerkunst aus den ältesten bis zu den neuesten Zeiten ausgestellt wurden. Der Glyptothek folgte der neue Königsbau, jenes nach dem Vorbild florentinischer Paläste in der Nähe des Hofbräuhauses erbaute Residenzschloß, dessen Sääle die Malereien einer ganzen Reihe genialer Künstler schmücken sollten. An der neuen Ludwigsstraße erhob sich zur Begehung heilerer Ballfeste und als Räumlichkeit für klassische Musikproduktionen das Odeon. Hinter der Residenz ward als Schloßkapelle mit byzantinischem Luxus die Allerheiligenkirche und an einer andern Stelle in ähnlichem Baustyl die Ludwigskirche gebaut, während im Norden der Stadt eine Basilika und in der Auervorstadt ein gothischer Münster errichtet werden sollten. Hinter der Glypothek wurde der Grundstein einer großartigen Gemäldegallerie im römischen Styl angelegt, welcher der griechische Name Pinakothek ertheilt wurde.
Zur Herstellung all' dieser Kunstbauten und zu ihrer künstlerischen Vollendung und Ausschmückung wurden eine Menge genialer und berühmter Künstler nach München berufen. Diese Stadt, welche bisanhin durch ihr Bier und die etwas böotischen Sitten ihrer Bewohner sich ausgezeichnet hatte, wandelte sich in ganz kurzer Zeit fast übergangslos in ein deutsches Athen um, – in das Mekka der Künstler und Kunstfreunde und in den dauernden Wohnsitz einer ganzen Reihe von Koryphäen der Kunst. Dahin ward auch unser Amsler vom König Ludwig berufen als Mitglied der neuorganisirten Akademie und als Nachfolger seines frühern Lehrers, Professor Heß.
Kaum hätte er eine angenehmere Stellung sich wünschen können. Seine amtlichen Geschäfte waren wenig beschwerlich und er erfreute sich einer genügenden Muße zur freien Ausübung seiner Kunst. Neben ihm wirkten als Maler seine alten Freunde Cornelius, Schnorr, Peter und Heinrich Heß, dann Kaulbach und viele Andere, deren Namen erst später berühmt wurden; als Bildhauer Schwanthaler; als Baumeister Klenze, der Erbauer der Glypothek und der Schöpfer der Prachtbauten der für München fast zu großartig angelegten Ludwigsstraße.
Das war ein urgemüthliches Künstlerleben im München von dazumal: eines Theils der Hochgenuß mitten in der Verwirklichung so großartiger Pläne und Projekte, wie sie nur eine fruchtbare Künstlerphantasie aushecken und nur ein mit königlichen Mitteln ausgestatteter Kunstgönner verwirklichen konnten; andern Theils das zwanglose Zusammenleben so vieler hochbegabter Geister im rauchgebräunten Brauhaus hinter dem schäumenden Bierkrug, wo der Humor sich gehen lassen und der Witz die Glacéhandschuhe in die Tasche stecken durfte. Wer das München von dannzumal kannte, wird gestehen müssen, daß die bayerische Hauptstadt zwar seither an Größe, Bevölkerungszahl, äußerm Glanz und Sittenverfeinerung zugenommen, aber das Leben daselbst seinen originellen und genialen Duft und Hauch großentheils eingebüßt hat.
Es versteht sich, daß unser Amsler in jener fruchtbaren Künstlerathmosphäre nicht unfruchtbar blieb, sondern zu fleißigem freudigem Schaffen angeregt wurde. Hier vollendete er den Stich des Alexanderzugs und die Grablegung. Die Gemäldegalerie bot ihm verschiedene Bilder seines Lieblingsmalers Raphael, deren Reproduktion er unternahm: die heilige Familie und die »Madonna Tempi«. Dann beschäftigte ihn der Stich des großen Christusbildes vom Bildhauer Dannecker; die Bildnisse Herders, seiner Freunde Gornelius und Klenze, letzteres nach Kaulbach; dasjenige des schweizerischen Dichters Ulrich Hegner. Im Jahr 1835 stach er für den Münchner Kunstverein den heil. Georg nach Schwanthalers Basrelief; in den folgenden Jahren 16 der 21 Standbilder Schwanthalers, welche auf der Zinne der Pinakothek aufgestellt sind; dann den Fries, mit welchem derselbe Künstler einen der Sääle der neuen Residenz schmückte, den Kreuzzug des Friedrich Barbarossa darstellend; endlich ebenfalls nach Schwanthaler Mozart's und Göthe's Standbilder. Und wiederum bot ihm Cornelius einen würdigen Gegenstand der Nachbildung, dessen Carton für den Kunstverein in Hannover, Joseph's Traumdeutung darstellend. Auch nach Schnorr wurde ein kleines Blatt gestochen: wie Siegfried Chriemhilden den Gürtel Brunhildens übergibt.
Im Jahr 1840 begann Amsler wiederum ein großes Werk, welches sein letztes sein sollte. Overbeck, sein Freund von Rom her, hatte sein großes Gemälde für das Städel'sche Institut in Frankfurt vollendet: der Triumph der Religion in den Künsten oder »das Magnifikat der Kunst«. Amsler übernahm es, dieses Bild in Kupfer zu stechen, welche Arbeit nicht weniger als 6 Jahre in Anspruch nahm. Er vollendete sie 1846.
Amsler, im reifen Mannesalter von 55 Jahren, war auf dem Höhepunkt seines Lebens angelangt. Er erfreute sich der Liebe und Achtung aller seiner Kunstgenossen. Und auch an äußerer Anerkennung fehlte es ihm nicht. König Ludwig suchte ihn durch Verleihung des Michaelsordens auszuzeichnen. Seine häuslichen Verhältnisse waren die glücklichsten und sein Familienkreis der Ort, wo er am liebsten verweilte. Er hätte noch eine lange Reihe glücklicher Jahre verleben können. Aber dem Klima Münchens, welches besonders den Schweizern verderblich ist, konnte auch unser Amsler in die Länge nicht Trotz bieten.
Er wurde 1848 von einer bedenklichen Krankheit befallen. Er gab sich der Hoffnung hin, die heimatliche Luft werde ihn wieder heilen und brachte den Sommer im Bade Schinznach zu, wo zwei seiner Brüder, beides geschickte Aerzte, ihn mit aller Sorgfalt und Liebe behandelten. Noch nicht genesen, kehrte er im Herbst nach München zurück. Sein Lebenslämpchen flackerte noch bis im Mai des folgenden Jahres 1849 und erlosch dann. Er wurde auf dem großen Gottesacker vor dem Sendlingerthor begraben, wo schon so manche seiner Landsleute, vom Münchnerklima hingerafft, ihre letzte Ruhestätte fanden.
Es sei gestattet, diese biographische Skizze mit einer kurzen Charakteristik Amslers als Mensch und als Künstler zu schließen, welche die liebevolle Feder seines Jugendfreundes, des Dichters Abraham Emanuel Fröhlich, im Jahrgang 1850 des von demselben herausgegebenen Taschenbuches »Alpenrosen« niedergelegt hat.
»Amsler war ein Mann von vielseitiger wissenschaftlicher Bildung; er las in mehr als einer Sprache stets das Beste, besonders gern Poesie und Geschichte; er kannte und liebte klassische Musik. Er war ein edler Charakter, bescheiden und anspruchslos, voll Anerkennung gegen Andere, gefällig und dienstfertig, vorzüglich gegen jüngere Künstler, zumal wenn es Landsleute waren. Ein zärtlicher Vater, ein treuer Freund, fand er sich nirgends wohler, als im traulichen Kreise der Seinigen, der Freunde oder einiger schlichten Nachbarn. Er hegte eine seltene Pietät gegen Eltern und Geschwister, eine treue Anhänglichkeit gegen sein schweizerisches Vaterland, das er alle drei Jahre mit immer neuer Freude besuchte. Amsler war nicht nur ein vorzüglicher, er war auch ein gewissenhafter, frommer Künstler. Er hatte Zeiten zu überwinden, in denen er bei dem ihm vorleuchtenden hohen Ziele fast an sich selber verzweifelte; überhaupt er drang von Jugend auf, gleich allen ächten Meistern, nur durch Kampf zum Siege und wurde nur so der Meister, der Gemälde Raphaels, Bildwerke Thorwaldsens und Schwanthalers getreuer als jeder Andere wiedergab, der als Zeichner mit äußerst wenigen Linien den Charakter eines Kopfes vollkommen darstellte, der eine solche Sicherheit des Auges und der Hand besaß, daß er Hegner's Kopf sogleich nach dem Gemälde stach, ohne vorher auch nur den Umriß einer Zeichnung gemacht zu haben. Sobald er selbstständig seine Gegenstände wählen konnte, weihte er seine Kunst stets nur dem Höchsten, dem Heiligthume der Religion, sowie dem Heldenthum und Verdienste. Seine Lehrjahre schloß er mit den biblischen Bildern von Lips und dem heil. Johannes von Domenichino; und die Meisterjahre begann er mit dem heil. Franziskus und der hl. Magdalena. Seine Hauptwerke sind religiöse Weihegeschenke christlicher Frömmigkeit, vor Allem die Grablegung und die heilige Familie, diese köstlichen, immer neue Andacht und Bewunderung erweckenden Blätter, die zu den treuesten Nachbildungen Raphaels gezählt werden; dann die beiden Madonnen, wetteifernd an Tiefsinn und Holdseligkeit; dazu gehörte auch seine letzte Arbeit, das Magnifikat der Kunst. Er wollte Kunst und Talent, jahrelange Arbeit und Ausdauer nur dem Höchsten widmen, und das Höchste war ihm Christus. Diese Gesinnung theilte er mit seinen Freunden Overbeck, Cornelius und Andern, und sie ist ein Segen eben jener nach den großen Freiheitskriegen anhebenden Kunstepoche..... Amsler war ein Priester im Heiligthume. Daher sein erstaunlicher Fleiß; es war Gewissenhaftigkeit, mit der er nicht nur seinen Raphael ehrte, sondern auch von seiner Votivtafel die geringste Nachlässigkeit fern hielt. Daher seine ebenso treue als sinnige Auffassung, daher die Strenge und Sorgfalt, die er auf Alles und Jedes, auf den Fuß wie auf das Haupt, auf die Falte wie auf die Gesichstszüge verwendete. Dem, der die Blätter nicht kennt, würde dieses umsonst im Einzelnen nachgewiesen; wer sie besitzt, erbaut sich oft daran und die Nachwelt wird dem getreuen und frommen Künstler danken. Das Zweite, was ihn begeisterte, war das Heldenthum, vor Allem das deutsche, und er hat es verherrlicht durch seine Nibelungen und seinen Barbarossa. Der sogenannte Alexanderzug ist nicht ausschließlich eine Feier des Eroberers; dieser selbst ist nur auch eine der manchfaltigen Erscheinungen des vorüberschreitenden Lebens, und der Held, den Amsler in diesen herrlichen Blättern gefeiert, ist der Erfinder dieser großen Lebensprozession, Albrecht Thorwaldsen selbst....«
So spricht der aargauische Dichter über den aargauischen Künstler.
In München bleibt das Andenken an den Meister der Kupferstecherkunst und der Ruhm, den er seinem schweizerischen Vaterland in der Fremde erworben, aufrechterhalten durch seine zwei würdigen Schüler Merz und Gonzenbach.
Alfred Hartmann: Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit. Baden im Aargau, 1871.
Amsler, Samuel, Kupferstecher, geb. 17. Dec. 1791 in Schinznach (Kanton Aargau), † 18. Mai 1849 in München, war seit 1810 Schüler von Joh. Heinr. Lips und von K. Hess, besuchte seit 1814 die Akademie in München und ging 1816 nach Rom, wo er die Stecher der Renaissancezeit studirte und Blätter nach Thorwaldsen’s Bildwerke und nach Cornelius das Titelblatt zu den Nibelungen stach. 1820 begann er seine Stiche nach Thorwaldsen’s Alexanderzug, kehrte dann in die Schweiz zurück und wurde 1829 Professor der Kupferstecherkunst in München. Seine bedeutendsten Stiche, zum Theil in Cartonmanier, sind nach Raffael die Madonna Conestabile Staffa, die Madonna Tempi, die Madonna Canigiani und die Grablegung, Johannes nach Domenichino, der Triumph der Religion in den Künsten nach Overbeck, Schwanthaler’s Malerstatuen in der Pinakothek und Dannecker’s Christus. Er arbeitete in strengem Stil, der nicht nach Effecte strebt, sondern sich stets an die Gesetze der plastischen Erscheinung hält.
Allgemeines Künstler-Lexicon. Leben und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. Vorbereitet von Hermann Alexander Müller. Herausgegeben von Hans Wolfgang Singer. Erster Band. Frankfurt am Main, 1895.
Amsler Samuel, 1791 (Schinznach im Aargau/Schweiz) – 1849, Kupferstecher und Akademieprofessor; dieser Künstler war seit 1810 Schüler von Oberkogler und Lips in Zürich und seit 1814 von K. E. Ch. Hess in München und wurde nach einem längeren Studienaufenthalt in Rom (1816) Professor an der Münchner Kunstakademie (1829); seine Kupferstiche (Alexanderzug nach Thorwaldsen, Grablegung und Madonnen nach Raffael, Triumph der Religion in den Künsten nach Overbeck sowie von Figuren von L. M. von Schwanthaler) zeichnen sich durch Klarheit und Treue im kleinen aus.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.