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8 – 10 – 24 (Poissl)

Ω

JOHANN NEPOMUK
FREIHERR v. POISSL
* 1783 † 1865

Sockel

ER WIRKTE ALS
HOFMUSIK- u. HOFTHEATER-
INTENDANT

Ω

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Johann Nepomuk Freiherr von Poissl

* 15.2.1783 (Haunkenzell, Lkr. Bogen/Ndb.)
† 17.8.1865 (München)
Komponist, Hofmusik- und Hoftheaterintendant

Artistisches München im Jahre 1835 (1836)

Poyßl, Johann Nepomuk Freiherr v., königl. bayer. Kammerherr und Hofmusik-Intendant, Kapitular-Kommenthur des St. Georgs-Ordens und Kommandeur des großherzoglich hessischen Ludwigs-Ordens, ist am 15. Februar 1783 zu Haunkenzell im bayerischen Walde, einem Landgute seines Vaters, geboren.

Er erhielt von frühester Jugend an, Anfangs im väterlichen Hause und dann auf öffentlichen Schulen, eine sorgfältige Erziehung, so daß er schon in einem Alter von 17 Jahren auf die Universität nach Landshut kam, und dort durch vier Semester philosophischen und juridischen Studien oblag. Noch ehe er die letzteren hatte förmlich absolviren können, berief ihn sein, im Lebensalter vorgerückter und häufig kränkelnder Vater nach Hause, und übergab ihm eines seiner Landgüter, wo er sich bald vermählte, und bis zum Jahre 1805 auf dem Lande lebte.

Während dieses Landaufenthaltes entwickelte sich Poyßls vorherrschende Neigung zur Musik und Poesie, welche schon am Knaben und Jünglinge deutlich zu erkennen, aber durch andere ihm vorgeschriebene Studien zurückgedrängt war, im nun selbstständigen jungen Manne immer freier und kräftiger, und bewog ihn zu dem Entschlusse, sein ganzes Leben dem Studium der Kunst zu widmen.

Zu diesem Zwecke begab er sich mit seiner Familie nach München, wählte den damaligen Hofkapellmeister Danzi zu seinem Lehrer in der Tonsetzkunst, und machte in kurzer Zeit bedeutende Fortschritte. Schon im Jahre 1806 erschien auf der Hofbühne zu München das erste dramatische Werk des Frhrn. von Poyßl: »die Opernprobe,« komische Oper in 2 Akten. Es wurde beifällig aufgenommen, denn es ließ wenigstens erwarten, daß bald Besseres aus der Feder des jungen Tonsetzers folgen werde. Die zwei Jahre später erschienene ernsthafte Oper: »Antigonus,« rechtfertigte auch schon zum großen Theile diese Erwartung, wenn sie gleich als Ganzes noch nicht hoch genug stand, um ihrem Komponisten einen Namm zu machen.

Von 1808 an sah sich Frhr. von Poyßl wegen häuslichen Verhältnissen genöthigt, mit seiner Familie auf sein Landgut zurückzukehren, und dort bis gegen das Ende des Jahres 1814 zu bleiben.

Diese Zeit benützte er mit dem anhaltendsten Eifer zu tiefem Selbststudium der Harmonie, des Contrapunktes und der Aesthetik, und nährte gleichsam den eigenen Geist ausschließend mit der Anschauung klassischer Werke Mozarts, J. Haydn’s, Händels, Glucks, Jomelli’s und anderer großer Meister; dabei aber unterließ er nicht, während seines alljährlichen, ungefähr viermonatlichen Aufenthaltes zu München den Rath und die reichen Erfahrungen des hocherfahrenen Kapellmeisters Winter, und des gründlich gelehrten Harmonikers und Contrapumtisten Grätz zu benützen, und auch der treffliche Vogler, dessen nähere Bekanntschaft er durch seinen Freund Meyerbeer, Voglers ausgezeichnetsten Schüler, gemacht hatte, kam ihm freundlich mit Rath und besonders mit erläuterndem Aufschlusse über dasjenige entgegen, was ihm beim Selbststudium des Systemes der Harmonielehre dieses großen Meisters dunkel oder zweifelhaft geblieben war.

Neben diesem theoretischen Studium fuhr er fort, neue Werke für die Kirche, den Konzert-Saal und das Theater zu liefern, und unter den letztern stammen aus dieser Zeitperiode seine beiden italienischen Opern: »Ottaviano in Sicilia« und »Merope,« dann die Operette »Aucassin und Nicolette,« und die tragische Oper »Athalia.«

Die beiden erstern wurden 1812 in München mit wahrhaft ausgezeichnetem Beifalle, die dritte 1813 mit wenigem, dagegen Athalia 1814 mit sehr großem Erfolge gegeben, und letztere ging bald auf mehrere große Bühnen Deutschlands über, fand fast überall die nämliche Anerkennung, und wurde für eines der ausgezeichnetsten dramatisch-musikalischen Werk, erklärt.

Vom Ende des Jahres 1814 an kehrte Frhr. von Poyßl wieder mit seiner Familie nach München zurück, wo er von da an auch seinen bleibenden Wohnsitz aufschlug.

Von 1815 bis 1822, in welcher Zeit er verschiedene ausgedehnte Reisen in und außer Deutschland unternahm, schrieb er neben mehreren Werken für die Kirche und den Konzert-Saal noch die Opern:
Der Wettkampf zu Olimpia, heroische Oper in 3 Akten.
Dir wie Mir, komische Oper in 2 Akten. (Nicht dargestellt.)
Nittetis, ernsthafte Oper in 3 Akten.
Issipile, ernsthafte Oper in 3 Akten. (Nicht dargestellt.)
La Rapresaglia, komische Oper in 2 Akten (Italienisch.)
Die Prinzessin von Provence, Original-Zauber-Oper in 3 Akten.
Sechs Musikstücke zu Dittersdorfs Doktor und Apotheker, statt eilf wegbleibenden des Originales eingelegt.

Im Jahre 1816 erhielt er einen Ruf an das Hoflager Sr. königl. Hoheit des letztverstorbenen Großherzogs von Hessen nach Darmstadt, wo er mit der zuvorkommendsten Gnade behandelt, mit ihm ein Kontrakt über neu zu schreibende Werke auf sechs folgende Jahre abgeschlossen, und ihm von Sr. königl. Hoheit dem Großherzoge, zum Beweise voller Anerkennung seines Talentes, Höchsteigenhändig das Kommandeurkreuz des Haus- und Verdienst-Ordens ertheilt wurde.

Im darauf folgenden Jahre 1817 reiste er auf den Ruf des damaligen kunstsinnigen General-Intendanten, Grafen von Brühl, nach Berlin, um dort seine Oper »Athalia« selbst in Scene zu setzen, was auch zur vollesten Zufriedenheit des dortigen Allerhöchsten königl. Hofes und des Publikums dieser großen Stadt vollzogen wurde.

Bei Gelegenheit dieser Reise wurde er auch von den Königlichen und Großherzoglichen Höfen zu Dresden und Weimar der ausgezeichnetsten und huldvollsten Aufnahme gewürdigt, und erhielt von des letztverstorbenen Königs von Sachsen Majestät den ehrenvollen Auftrag, von allen seinen folgenden größern Werken ungesäumt Abschriften an Allerhöchstdieselbe einzusenden, was er auch mit schuldiger Bescheidenheit befolgte, und mehrere glänzende und ihn hochehrende Beweise königlicher Huld erhielt.

In dieser Periode und der darauf folgenden Zeit wurden verschiedene seiner Werke auf den Hofbühnen zu Berlin, Dresden, Stuttgart, Darmstadt, Mannheim, Weimar, Kassel und Braunschweig, und auf den National-Theatern zu Frankfurt a. M und Prag gegeben, und einige derselben erfreuten sich des ausgezeichnetsten Beifalles.

Das neue königl. Hof- und National-Theater zu München wurde mit seiner »Prinzessin von Provence,« als erste Oper im Darstellungs-Cyclus der Wiedereröffnung nach dem Brande, und das neue herzogliche Hoftheater zu Braunschweig mit der nämlichen Oper eröffnet.

Im Jahre 1823 übertrug ihm Se. Höchstselige königl. Majestät Maximilian Joseph die Stelle eines zweiten Hofmusik-Intendanten, und zu Ende Aprils 1824 neben dieser noch die Stellen eines Intendanten des deutschen Hof- und Nationaltheaters und der italienischen Hofoper. Im Jahre 1825 wurde er nach dem Ableben des Frhrn. v. Rumling zum ersten und alleinigen Hofmusik-Intendanten ernannt.

Von 1824 bis 1833 waren der Amts- und Berufsgeschäfte des Frhrn. v. Poyßl so viele und dringende, daß ihm für seine Lieblingsbeschäftigung, die Komposition, nur wenig Zeit mehr übrig blieb, und in diesen vollen neun Jahren schrieb er, außer einigen gehaltvollen Kirchenwerken, nur die einzige Oper: »Der Untersberg,« und die Musikstücke zum Trauerspiele »Belisar,« und zu dem Festspiele »Kaiser Ludwigs Traum.«

Zu Ende Februars 1833 fand Se. Majestät der König für gut, ihn in der Eigenschaft als Hoftheater-Intendant temporär zu quiesziren, ihn aber in der Stelle eines Hofmusik-Intendanten in der Aktivität zu belassen. Seit dieser Zeit, wo sich natürlich seine Amtsgeschäfte sehr vermindert haben, beschäftigt er sich wieder mit gleichem Eifer, wie früher, mit neuen Leistungen im Gebiete der Musik, und sein neuestes, bereits ganz vollendetes Werk, ein großes Oratorium in zwei Abtheilungen wird bald öffentlich bekannt werden.

Kenner, welche dieses Oratorium in Partitur gesehen haben, hegen große Erwartungen von der Wirkung desselben, und erklären es für das Beßte, was je aus der Feder unseres Komponisten gekommen ist.

Gegenwärtig beschäftigt ihn ein großes theoretisches Werk, an dem er mit ganzer Liebe arbeitet, und von dem er hofft, daß es Veranlassung zu emsigerer Bebauung eines Feldes im Gebiete der Musik geben soll, welches leider bis jetzt so ziemlich unbebaut liegt, und auf dem viel Unkraut wuchert. Es ist dies Werk ein »Versuch einer Aesthetik der Musik;« trotz dem aber, daß es nur für einen Versuch gelten soll und wird, ist es so umfassend und inhaltreich, daß wohl noch mehr als ein Jahr hingehen wird, ehe es dem Druck übergeben werden kann.

Auch im Felde der Dichtkunst hat sich Frhr. von Poyßl mit Glück versucht. Auf der königl. Hofbühne zu Stuttgart wurde zu der Zeit, wo Eßlair noch im Fache jüngerer Helden in seiner ganzen Blüthe stand, sein nach Racine frei bearbeitetes Trauerspiel: »Andromacha,« mit großem Beifalle gegeben, und die Gedichte mehrerer seiner Opern, namentlich jenes der »Prinzessin von Provence,« ein sehr gelungener Prolog zum Geburtsfeste Ihrer Majestät der Königin Therese von Bayern, und mehr als dies alles, sein aus dem tiefsten Gemüthe hervorgegangenes Festspiel: »Vergangenheit und Zukunft,« welches zur Feier der Thronbesteigung Sr. Majestät des Königs Otto von Griechenland auf der hiesigen Hofbühne gegeben wurde, so wie der Text seines obengenannten neuesten Oratoriums: »Der Erndtetag,« sind vollgültige Zeugnisse seines poetischen Talentes.

Das neunjährige Wirken des Frhrn. v. Poyßl als Hoftheater-Intendant, so wie seine Wirksamkeit seit den eilf Jahren seiner Führung der Hofmusik-Intendanz soll, obwohl Führung der Kunstanstalten auf den Stand der Kunst den entschiedensten Einfluß ausübt, doch nicht berührt werden, weil hier nur von dem Componisten und Dichter, nicht aber von dem Beamten die Rede seyn kann.

Nachstehendes Verzeichniß der beachtungswertheren Werke dieses Tonsetzers mag von der regen Liebe zeugen, mit der er alle Musestunden der Kunst zu widmen seine Freude findet:

Kirchenmusik.
Zwei große Messen und zwei Psalmen zu Offertorien mit Begleitung des ganzen Orchesters.Ein achtstimmiges stabat mater, ein achtstimmiges Miserere, ein sechsstimmiges Miserer und ein achtstimmiges salve Regina, alle vier Werke ohne Instrumental-Begleitung.
Eine große Cantate zur Eröffnung der Münchner Synagoge.
Konzert-Musik.
Eine kleine Cantate: Der Frühlingstag. Ein Clarinett-Konzert. Ein Violoncell-Konzert. Mehrere Arien, Duette, Chöre. Mehrere italienische und deutsche Konzerte und Lieder.Das neue oben besprochene große Oratorium: »Der Erndtetag.«

Dramatische Werke.
Die Opernprobe, komische Oper in 2 Akten.
Antigonus, ernsthafte Oper in 3 Akten.
Ottaviano in Sicilia, Drama seria in tre Atti.
Merope, Drama seria in due Atti. (Diese Nasolinische Oper mußte auf Allerhöchsten Befehl, wegen der Individualität der sie in München darstellenden Künstler, umgearbeitet werden, und das Verhältniß stellte sich so, daß die sechs ausgezeichnetsten Musikstücke Nasolini’s unberührt verblieben, und eilf ganz neue dazu komponirt wurden).
Aucassin und Nicolette, Singspiel in 3 Akten.
Athalia, tragische Oper in 3 Akten.
Der Wettkampf zu Olympia, heroische Oper in 3 Akten.
Nitettis, heroische Oper in 2 Akten.
Dir wie Mir, komisches Singspiel in 2 Akten.
Issipile, ernsthafte Oper in zwei Akten.
La Rapresaglia, Drama giocosa in due Atti.
Sechs Musikstücke zu Dittersdorf’s Doktor und Apotheker.
Die Prinzessin von Provence, Original-Zauberoper in 3 Akten.
Der Untersberg, romantische Oper in 3 Akten.
Chöre und Märsche zum Trauerspiele: »Belisar,« zum Schauspiele: »Renata,« und zum Festspiele: »Kaiser Ludwigs Traum.«

Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Poißl Johann Nepomuk, von, Freiherr, 1783 (Haunkenzell, Lkr. Bogen/Ndb.) – 1865;, Hofmusik- und Hoftheater-Intendant; P. bildete sich bei Danzi aus und bemühte sich lange vergeblich um einen Posten bei der Hofmusik, nur von Unterstützungen lebend, erst 1823 wurde er Vertreter des Hofmusikintendanten von Rumling, von 1825–1848 war er erster Hofmusik- und Hoftheaterintendant; als Singspiel- und Opernkomponist mit 14 Opern stand P. zwischen Mozart und Weber, war textlich jedoch von italienischen und französischen Vorschlägen abhängig; er schuf auch ein Oratorium (Der Erntetag), kirchenmusikalische Werke und Märsche.

Hauptwerke: Die Opernprobe, Antigonus, Der Wettkampf von Olympia (von K. M. von Weber 1820 aufgeführt), Ludwigs Traum, Der Untersberg.

© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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