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Das Grab ist nicht erhalten
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* 1798 (Pisa/Italien)
† 9.10.1836 (München)
Musiker (Klarinette) und Sänger
Korrespondenz und Notizen.
Aus München, den 11. Jänner.
Die neuen Mitglieder, welche die hiesige italienische Oper aus Italien erhalten hat, sind der Tenor Rubini, der Buffo cantante Santini, und der Buffo comico Cordetta.
Herr Santini ist ein junger Mann von ausgezeichneten Anlagen, und seltner natürlicher Regsamkeit auf der Bühne; er hat eine recht hübsche Baßstimme, und wird, da er noch sehr jung ist, mit seinem unverkennbar guten Willen bald große Fortschritte machen. Uebrigens ist meine aufrichtige Meinung, daß Herr Santini seinen eigenen Vortheil mißkennt, wenn er Buffo cantante bleibt, da er von der Natur schon mit allen Gaben gerüstet ist, um als Buffo comico eine wirklich seltene Erscheinung zu seyn. Als ersterer wird seine Stimme an Metall, Umfang und Schönheit von mancher andern (z. B. gleich jener des Herrn Zuechetti) übertroffen und es ist eine Frage, ob ihm gemäßigte oder gar tragische Charaktere jemals so gelingen werden, wie die komischen; im Fache eines Buffo comico hingegen wird seine Stimme vielleicht einzig in ihrer Art seyn, und das Humoristische seines ganzen Wesens, und die natürliche Regsamkeit, die in ihm liegt, werden ihn bald auf eine hohe Stufe in der Darstellung erheben.
Zeitung für die elegante Welt Nr. 38. Montag, den 22. Februar 1819.
Vincenzo Santini.
Er ist wieder hier, unser Sommervogel, die schöne Jahreszeit hat ihn uns wieder zurückgebracht. Er kommt aus Madrid, dem Lande der alten Pracht, der vielen Kirchen, der Guitarren, des Boleros, und der Stiergefechte! Und Alles das hat er gesehen und weiß gar viel davon zu erzählen, und einen ächten Figaro hat er mitgebracht, das heißt einen andalusischen Anzug, denn der ächteste Figaro ist er selbst – durch und durch – vom Kopf bis zur Ferse – le barbier de qualité! – Alle wünscht ihn wieder zu hören und zu sehen, diesen belustigenden Buffo, und trefflichen Sänger, und wir hoffen diesen Wunsch in diesem Jahre wieder, gleich wie im vorigen erfüllt zu sehen.
Vor uns liegt »la Revista espannola, periódice dedicado à la Reina« die unsers Sängers Lob und Ehre verkündet. Fünf Mal sang er im Hofkonzerte Sr. M. des Königs von Spanien, und zwar mit keinem Geringern, als mit dem Serenissimo Infante Don Francisco de Paula, dem Bruder des Königs, der eine sehr schöne Baßstimme besitzen soll, und alle Duette von Rossini mit Santini vortrug. »Las espresones benignas que en esta circunstancia ha oido el Sr. Santini de aus labios, serà un compensacion de au malograde viage,« heißt es in der Revista. Und wahrlich solcher Anerkennung und Auszeichnung bedurfte es, um ihn für seine Reise zu entschädigen. Er und die liebenswürdige Julie Grisi waren für die italienische Oper in Madrid engagirt worden. Er empfängt die ausbedungene Subvention, reist ab, und wie er eintrifft, ist das ganze Unternehmen zu Wasser geworden, und er muß sich mit dem Erhaltenen, als der einzigen Entschädigung begnügen. Aber »las noticias que corren de su gran talento musico« verschaffen ihm die hohe Auszeichnung, deren wir oben Erwähnung thaten.
Das spanische Theater in Madrid soll in diesem Augenblicke nichts weniger als ausgezeichnet seyn. Der im gewöhnlichen Leben so lebendige und feurige Spanier erscheint auf der Scene kalt und abgemessen. Auch sind die Schauspieler nicht im Stande, ein großes Publikum anzuziehen, dafür aber entschädigt der Bolero, der jedesmal zwischen den Stücken getanzt wird. Dann füllen sich Logen und Gallerien, dann beleben sich die Blicke, dann bricht der Beifall los. Nicht satt wird man, diesen Nationaltanz anzusehen, der auf dem Theater in Madrid von den ersten Ballettänzern, sicherlich in der höchsten Vollendung, ausgeführt wird.
Santini hat die Ouvertüre zur Oper Don Quixotte mitgebracht, welche Mercadante bei seinem letzten Aufenthalte in Madrid componirte, und worin die beliebtesten Nationaltänze eingeflochten sind.
Nächst dem Bolero sind es noch immer die Stiergefechte, welche das Publikum unterhalten, und die in ihrer antiken Größe eine Masse von 10–15,000 Menschen zu versammeln im Stande sind.
Sonst ist das Leben einsam und traurig. Die Kaffeehäuser füllt Rauch, und nicht allein der, wohlriechender Cigarren, sondern glimmenden Papiers, worin sie dort nach Landssitte eingewickelt werden.
Aber die Damen sind schön, das wissen wir aus eigner Erfahrung. Sie hegen große Sorgfalt auf die Erhaltung ihres Teints, und ist eine solche Spanierin weiß, so ist sie es wunderbar und übermenschlich. Eben so schön sind ihre Füße, besonders das Fußgelenk, das nirgends so zierlich angetroffen wird. Daher ein bekanntes spanisches Tenzon folgende Frage zur Entscheidung aufwirft:
»Sagt, was höhern Preis gewinnt:
Leis Berühren mit dem Fuß,
Oder Handdruck- oder Gruß
Mit dem Blick, der leicht zerrinnt!«
Und nachdem Alles auf’s Scharfsinnigste erwogen, erhält das Berühren mit dem Fuße den Vorzug.
Doch genug mit diesen Bemerkungen, sie könnten uns zu weit führen, der Artikel sollte ja ursprünglich nur unserm lieben Santini gewidmet seyn, dem wir hiemit – im Namen aller Kunstfreunde – ein herzliches Willkommen zurufen.
August Lewald: Unterhaltungen für das Theater-Publikum. München, den 29. Mai 1833.
München.
Santini und ein Quodlibet.
Santini nahm leider in dieser Soiree Abschied von uns. Er geht in Kurzem nach Paris. Wir hatten ihn noch diesmal in der köstlichen Indroduction des Barbiere, in dem Buffoterzett der Italiana und in dem ersten Finale von Matrimonio segreto. Das Terzett mußte wiederholt werden. Santini ist in diesem Augenblick wohl einer der ersten Baßbuffos, und sein Erscheinen auf unserer Bühne kann für Musikfreunde wahrlich als ein jährlich wiederkehrendes freundliches Fest betrachtet werden. Unsere beßten Wünsche folgen dem Künstler, und der herzlichste Empfang soll ihm bei seiner Rückkehr zu Theil werden!
August Lewald: Unterhaltungen für das Theater-Publikum Nro. 18. München, den 17. August 1833.
Vincenzo Santini.
Es ist bemerkenswerth genug, daß mehrere der jetzt berühmtesten Italienischen Sänger als Instrumentalisten angefangen haben. Lablache war ein trefflicher Violoncellist, Rubini spielte früher die Violine, und Tamburini das Horn. Santini kam ebenfalls aus dem Orchester auf die Bühne. Schon in seinem eilften Jahre blies er die Clarinette.
Vincenzo Santini wurde 1798 in Pisa geboren. Sein Vater war Goldarbeiter, und erzog seinen Sohn für dasselbe Gewerbe; aber seine Bemühungen waren vergebens, bei dem jungen Vincenzo überwog die Liebe zur Kunst jede andere Rücksicht. So oft es nur irgend möglich war, verließ Vincenzo heimlich die Werkstätte seines Vaters, um entweder in der Domkirche den Tönen der Orgel zu lauschen, oder an den Ufern des Arno den wandernden Sängern zuzuhören. Da der Beruf zur Musik sich bei dem Knaben so entschieden und beharrlich aussprach, ließ sich der Vater endlich überreden, und er bekam Unterricht bei Frediani auf der Clarinette. Er machte schnelle Fortschritte, und sein Vater hatte keine Ursache, den gethanen Schritt zu bereuen. Santini war vierzehn Jahre alt, als er des Morgens die erste Clarinette in der Domkirche in Pisa blies, und Abends im Theater als erster Flötist im Orchester mitwirkte. Er fing indessen zu gleicher Zeit an, sich der Gesangkunst zu widmen. Sein Lehrer war der Kapellmeister Romani, und früh schon entwickelte er die herrlichsten Anlagen als Sänger. In seinem fünfzehnten Jahre hatte er eine Sopranstimme von seltener Reinheit und bedeutendem Umfange, und in seinem sechzehnten Jahre, wo der Stimmwechsel eintrat, blieben ihm jene Vorzüge in der tieferen Lage.
Santini empfand eine Sehnsucht, die Welt kennen zu lernen, und verließ in seinem siebzehnten Jahre Pisa, um eine Kunstreise durch Italien anzutreten. In Siena wollte er ein Conzert geben, konnte aber nicht die Mitwirkung anderer Künstler erlangen. Der Gouverneur Bianchi stellte ihm die Säle seines Pallasts zur Verfügung, und Santini, der sich mit der Begleitung weniger Orchestermitglieder begnügte, vervielfältigte sich sozusagen selbst, spielte ein Conzert von Sforzi auf der Clarinette, sang eine Arie aus la Pamela unbile von Generali, führte dann Variationen von Berbiguier auf der Flöte aus, und schloß mit Sarastro’s Arie aus Mozarts Zauberflöte. Von Siena ging Santini nach Rom, wo er wohl darauf rechnete einige Conzerte geben zu können von der Art, wie in Siena, als ein unerwartetes Ereigniß ihn als Sänger auf die Bühne brachte. Der Buffo der Operngesellschaft im Theater Valle hatte ganz mißfallen, und der Impressario, der Santini’s Stimme loben hörte, trug diesem ein Engagament an, wenn er sogleich die Partie des Grafen in Rossini’s Pietra del Patagone singen wolle mit der berühmten Marcolini, für welche jene Oper geschrieben war. Der Versuch gelang Santini über alle Erwartung; sein Eifer und der unermüdete Fleiß, den er zeigte, verschafften ihm eine Benefizvorstellung, worin er mit großem Beifalle ein Clarinettconzert vortrug.
Von Rom ging Santini nach Mailand, und von dort nach Venedig, wo er im l’Inganno felice und im Turco in Italia auftrat. Hier trug er auch bei einer Benefizvorstellung ein Clarinettconzert mit so außerordentlichem Erfolge vor, daß der Instrumentalist den Sänger ganz verdunkelte. Dieser Sieg, den das Instrument über die Stimme davon trug, bewog Santini, Clarinette und Flöte zu verkaufen, um nie mehr in Versuchung zu gerathen.
Er entsprach einem vorteilhaften Rufe nach Cremona, wo er in der Italiana mit Zamboni und Signora Brizzi sang. Unterdessen kam Massa von München nach Cremona, um Individuen für die Italiänische Oper zn engagiren, er hörte Santini, schloß sogleich mit ihm ab, und nahm ihn mit sich nach Bayern. Zuerst war Santini für vier Monate in München engagirt, aber seine Auftrittsrollen hatten einen so glänzenden Erfolg, daß alsbald ein Contract für fünf Jahre erfolgte, und nicht lange darauf wurde er lebenslänglich bei der königlichen Hof-Capelle angestellt. Er trat auf in München im Jahre 1819 mit Zamboni, Giacomo Rubini und Sigra Schiafetti. Als später die Italiänische Oper aus einander ging, erhielt Santini auf seine Bitte von des jetzt regierenden Königs Majestät seine Entlassung als Hof-Capellsänger, und seitdem glänzt er unter den ersten Künstlern der Italiänischen Oper in Paris und in London. Die ungewöhnliche Kraft der hohen und tiefen Töne in Santini’s Stimme schreibt man der gigantischen Formation seiner Kehle und der ungewöhnlichen Länge seiner Zunge zu. Durch sorgfältiges musikalisches Studium und unablässige Uebung hat er jene Naturverhältnisse glücklich benutzt, um überraschende Ergebnisse in seiner Kunst zu erzielen. Santini singt jetzt in Paris mit immer steigendem Beifalle und ist ein Liebling des Publikums geworden sowohl in komischen wie in ernsten Partien, die er mit gleichem Erfolg darstellt.
August Lewald: Unterhaltungen für das Theater-Publikum Nro. 17. 13. November 1833.
Todes-Anzeige.
Unterzeichnete erfüllt hiemit die traurige Pflicht, ihren hiesigen und auswärtigen Freunden und Verwandten anzuzeigen, daß es dem Allmächtigen gefallen hat, meinen geliebten Gatten und Vater,
Vincenzo Santini,
aus Pisa,
Ritter vom goldenen Sporn und italienischer Opernsänger von Paris,
38 Jahre alt, nach einem zweymonatlichen Leiden mit allen heiligen Sterbesakramenten versehen, heute zu sich zu rufen. Ich empfehle den theuren Verblichenen Ihrem Gebete, und mich und meine unmündige Tochter der Fortdauer Ihrer Freunschaft.
München, den 9. Okt. 1836.
Josepha Santini, geb. Muck, als Gattin.
Angiolina Santini, als Tochter.
Johanna Muck, als Schwägerin
Die Bayer’sche Landbötin Nro. 123. München; Donnerstag, den 13. Oktober 1836.
Deutschland.
München, 11 Okt. Heute wurde die Leiche des berühmten Baß-Buffo Vinzenz Santini unter zahlreicher Begleitung zur Erde bestattet. Der Verstorbene war geboren zu Pisa im Jahre 1798, und in München eingebürgert, da er eine Zierde der hier bestandenen italienischen Oper war, nach deren Auflösung er bei der italienischen Oper in Paris in vortheilhaftes Engagement trat, die Ferienmonate derselben aber alljährlich in München zubrachte, bei welcher Gelegenheit er uns noch öfters durch seine unvergleichlichen Leistungen erfreute. Sanft ruhe seine Asche neben der seiner würdigen Kunstgenossen, der großen Harlas, der unvergeßlichen Clara Vespermann und des herrlichen Spitzeder. (München. Bl.)
Beilage zur Allgemeinen Zeitung No. 287. 13. Oktober 1836.
Vincenzo Santini.
Noch sind es nicht 17 Jahre, daß der fröhliche Jüngling Santini zuerst vor uns erschien, und, obgleich er damals noch kein erfahrner Bühnensänger sein konnte, uns durch Schönheit und Fülle, so wie durch Umfang und Biegsamkeit seiner Stimme und durch jenen glüklichen Humor in seinen Leistungen, welcher nur angeboren, nie aber erzwungen werden kann, in Erstaunen sezte, und bald die besondere Gnade des Allerhöchsten Hofes und die herzliche Zuneigung des ganzen Publikums gewann. Mit Vergnügen und reger Theilnahme sahen wir sein glänzendes Talent sich von Jahr zu Jahr schöner entwikeln, und selbst als nach siebenjährigem Verweilen unter uns sich die Verhältnisse so gestaltet hatten, daß er hier nicht mehr wirksam sein konnte, weil die italienische Oper aufhörte und das Erlernen der deutschen Sprache ihm zu mühevoll war, führte ihn seine Vorliebe für München, wo er Frau und Kind, an denen er mit inniger Liebe hing, zurükgelassen hatte, alljährlich wieder einige Monate lang in unsere Mitte, wo er uns, wenn die Verhältnisse es gestatteten, mit Leistungen seines stets höher ausgebildeten Talentes erfreute, und, wenn dies nicht geschehen konnte, uns wenigstens durch seine heitere Laune und unverändert beibehaltene Gutmüthigkeit immer ein recht willkommener und lieber Gast war.
Auch heuer kam er wieder, freute sich aber nicht lange seines Hierseins in ungetrübter Freude; denn im Laufe des Sommers fing er an zu kränkeln, und schon zu Anfang Augusts wurde sein Zustand bedenklich. Er litt an einer Krankheit der Leber, zu der sich Wassersucht gesellte, und mußte schwer leiden, aber demungeachtet beschäftigte er sich, seinem Berufe mit ganzer Seele anhängend, fast ausschließlich nur mit der Idee, bald wieder sein Engagement in Paris antreten zu können, und seine Krankheit war ihm nur in so ferne wichtig, als sie ihn hinderte, seine eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, und an eine Gefahr glaubte er selbst dann noch nicht, als seine Freunde schon an jeder Möglichkeit der Rettung verzweifelten. Am 9. Oktbr. endete sein Leiden durch den Tod, nachdem er nur 38 Jahre gelebt, und bereits mehr als zwanzig Jahre, immer mit Ehre und im lezten Jahrzehent mit großer Auszeichnung in den größten Städten Europas, als Künstler gewirkt hatte.
Es wird vielleicht unsern Lesern nicht uninteressant sein, einige biografische Notizen über diesen Künstler zu erhalten, und wir geben sie ihnen in gedrängter Kürze so gut wir sie bekommen konnten.
Vincenzo Santini war im Jahre 1798 zu Pisa geboren, wo sein Vater das Gewerbe eines Bijouterie-Händlers trieb, und aus Vorliebe für dasselbe seinen Sohn durchaus kein anderes, als das eines Goldarbeiters treiben lassen wollte.
Schon im Knabenalter mit Leidenschaft an Musik hängend, erspähte Vincenzo mit Schlauheit jeden Moment, wo er sich aus des Vaters Magazine fortstehlen konnte , um Musik zu hören, und war, gelang es ihm, zu einer musikalischen Produktion zu kommen, stundenlang nicht wieder wegzubringen. Diese so deutlich ausgesprochene Neigung bewog endlich den Vater, den Wünschen des Sohnes nachzugeben, und ihn Musiker werden zu lassen.
Vincenzo wählte Klarinette und Flöte zu den Instrumenten, denen er sich widmen wollte, und machte so schnelle Fortschritte, daß er schon im Alter von 14 Jahren Morgens in der Kathedrale, Abends im Theater mit Auszeichnung mitwirkte, und dadurch den Kapellmeister Romani, einen vorzüglichen Singlehrer, auf sich aufmerksam machte. Dieser untersuchte seine Stimme, und fand in ihm eine ausgezeichnete Sopran-Stimme von seltener Reinheit und großem Umfange.
Romani gab ihm nun durch zwei Jahre, bis die Stimme zu mutiren anfing, Gesangs-Unterricht, rieth ihm während der Mutationszeit das Organ sorgfältig zu schonen, und hatte die Freude an seinem Zöglinge, als derselbe kaum 17 Jahre alt war, diese umfangreiche, kräftige und wohllautende Baßstimme zu vernehmen, welche uns schon gleich bei seinem ersten Auftreten dahier so sehr für ihn einnahm.
Von dieser Zeit an beschloß Santini seine Vaterstadt zu verlassen und in verschiedenen Städten Italiens Concerte zu geben, wo er zugleich als Clarinettist und als Sänger sich zu zeigen gedachte; ein Zufall aber gab ihm bald eine andere, und zwar die Richtung für welche er eigentlich bestimmt war. Als er nemlich in Rom angekommen war, befand sich gerade der Unternehmer des Teatro Vale in großer Verlegenheit um einen Buffo cantate, hörte von Santini’s Gesangstalent, lernte ihn kennen, und beredete ihn auf der Bühne aufzutreten.
Hier sang er nun neben den berühmten Marcolini, den Grafen, In Rossini’s Pietra del Paragone, und machte so viel Glük daß er von da an Bühnensänger blieb. Noch immer widmete er sich indessen seinem Lieblingsinstrumente, der Clarinette, und von den contraktmässigen Beneficevorstellungen welche ihm bei seinen Engagements zu Theil wurden, ließ er keine vorübergehen, ohne nach einer gesungenen großen Baß-Parthie dem Publikum noch in einem Concerte seine Virtuosität als Clarinettist zu zeigen. So hielt er es in mehreren Städten, und unter andern auch in Venedig, wo indessen seine Beharrlichkeit Doppelkünstler sein zu wollen, eine mächtige Erschütterung erlitt: denn als er in seinem Benefice nach der Vorstellung ein Clarinett-Concert spielte machte er mit diesem einen solchen Furor, daß über dem Clarinettisten Santini der Sänger Santini ganz vergessen wurde. Dieß ärgerte ihn in dem Masse, daß er dem Publikum zum Troze sein Instrument und alle seine Musikalien ein paar Tage nachher verkaufte, und den Schwur that, nie wieder Clarinette zu spielen. Von da an widmete er sich mit verdoppeltem Eifer der Gesangskunst, sang noch in Mailand und mehreren anderen Städten Italiens mit stets zunehmendem Beifalle, und wurde endlich vom Jahre 1819 an, für die k. italienische Hofoper zu München engagirt. Was Santini hier während eines sechsjährigen Engagements bei der italienischen Oper mit ausgezeichnetem Talente, stets regem Eifer und dem besten Willen geleistet hat, bedarf keiner Aufzählung, denn seine Leistungen leben noch im Angedenken jedes wahren Kunstfreundes. Eben so wenig ist es nöthig seiner Leistungen in Paris und London zu erwähnen, denn bei Urtheil der gelesensten Blätter dieser großen Städte so wie sein langes Verweilen und immer wieder dahin Zurükkehren beweißt hinreichend, daß er dort war, was er hier war: mit vollem Rechte ein Liebling des kunstsinnigen Publikums.
Gestern wurde seine Leiche bestattet und die würdige und feierliche Art wie troz der schlechtesten Witterung seine Begräbniß Statt hatte, bewies den regen Antheil den seine Kunstgenossen an ihm nahmen, und die herzliche Achtung die sie ihm zollten.
Friede sei seiner Asche!
München den 13. Oktober 1836.
Museum der eleganten Welt Nro. 83. München; Samstag, den 15. Oktober 1836.
Kurier der Theater und Spectakel.
München.
Vincenz Santini ruht jetzt im Grabe! Ueber seinen Künstlerwerth gebührt uns kein Urtheil, hinsichtlich seiner Leistungen verweisen wir auf Lewald’s Theaterunterhaltungen. Er starb im 38. Jahre nach zweimonatlichem Leiden, und hinterließ eine Frau, die Tochter des verstorbenen Komikers Muck, und eine neunjährige Tochter. Außer Lablache erreichte kein Sänger diese Stufe der Kunst und höheren Komik des Gesanges. Sein Leichenbegängniß fand am 12. d. M. Statt, während heftiger Regen vom Himmel herabgoß. Neben dem Sarg trugen schwarzgekleidete Mitglieder des Schauspiels, der Oper und des Ballets brennende Wachsfackeln, und mehrere Hofmusiker gingen neben demselben einher. Als Kläger waren sein inniger Freund Vecchi und Pellegrini zugegen. Dicht hinter ihnen schritt der Theater-Intendant Hofrath Küstner, Oekonomierath v. Spengel, die Sänger Staudacher und Mittermaier, die Capellmeister Lachner, Aiblinger und Stunz, von welch Letzterem eine sehr schöne Grabes-Cantate vorgetragen wurde. Als der Sarg eingesenkt war, warfen der Intendant Küstner und Hr. v. Spengel Lorbeerkränze in das Grab des großen italienischen Sängers, dessen Ruhm und Name nie vergessen werden wird. Wenn auch Santini seit Auflösung der italienischen Oper nicht mehr der hiesigen Oper, sondern der Pariser Bühne angehörte, so ward er doch bei seinem jedesmaligen Auftreten hier (es war im September 1834 als Thaddeo in der »Italienerinn in Algier« zum letzten Male) stets mit Ehren und Beifall gekrönt, und gewann während seines Aufenthalts die Liebe und Achtung Aller, welche ihn kennen lernten, als Mensch und als Künstler. (Corresp.)
Der Wanderer Nro. 297. Sonntag, den 23. Oktober 1836.
Der arme Santini ist in diesen Tagen noch jung bei seiner Familie in München gestorben. Er war kaum in die Jünglingsjahre getreten, aus Italien nach Deutschland gekommen, und obgleich er hier fast fünfzehn Jahre gelebt, so blieb er doch seinen Sitten und seiner Sprache getreu, aß Polenta und Pasta, brachte ganze Tage im Münchener Hofgarten im dolce far niente zu und wußte nicht einmal einen zudringlichen Betteljungen auf Deutsch wegzujagen.
Er war hager über die Maßen, und obgleich den größten Theil des Jahres in Pelz gekleidet, den er auch auf dem bloßen Leibe zu tragen pflegte, sah er doch spindeldürr aus. Sein Kopf nahm mehr als den gewöhnlichen Theil der Länge des ganzen Menschen in Anspruch und seine Gesichtszüge waren auffallend. In der Jugend waren sie hübsch zu nennen, allein später, als das hervortretende Auge sein Feuer verlor, als die Unterlippe schlaff herabhing und stets die großen Zähne sehen ließ, und die Gesichtsfarbe in ein schmutziges Gelb übergegangen war, konnte nur noch die oben gewählte Bezeichnung mit Recht gebraucht werden. Die Haare hatte Santini frühe verloren und trug eine modische Perücke, »une chevelure touffe,« die er im Scherze oftmals abzunehmen pflegte. Als er einst den Fernando Villabella in der diebischen Elster darstellte, erschien er in seinem haarlosen Haupte, dessen sich ein griechischer Weiser nicht zu schämen gehabt haben würde, und die Pariser verwunderten sich über die herrliche Glatze, die noch nie dem geschicktesten Friseur so natürlich darzustellen gelungen war. Niemand traute nämlich dem erst dreißigjährigen jungen Manne ein solches Greisenhaupt zu.
Schwere Krankheiten hatten diese frühe Metamorphose in dem Aeußern des Künstlers hervorgebracht, wobei es zu bewundern ist, daß die Stimme bis zur letzten Zeit eine unverwüstliche Kraft jenen Verheerungen entgegensetzte.
Als kunstgewandter Sänger konnte Santini nie mit Lablache oder Tamburini verglichen werden; er kam zu jung nach Deutschland, wo das was er zu leisten vermochte, schon Beifall die Fülle erhielt und hinlänglich belohnt wurde, um den, allen Vergnügungen einer heitern Stadt, wie München damals war, sich übermäßig hingebenden jungen Menschen von seinen Studien abzuhalten, dem überdieß auch noch die erforderlichen Muster fehlten. Santini’s Stimme behielt immer etwas hartes, rauhes, den Rouladen widerstrebendes, aber sie war dessen ungeachtet schön und kräftig und sein Vortrag charakteristisch und dramatisch im höchsten Grade.
Sein Darstellungstalent hielt mir dem was er als Sänger leistete gleichen Schritt. Er besaß eine bedeutende vis comica, die ihn jedoch manchmal zu Uebertreibungen verleitete, denen er sich besonders gern bei seinen Gastdarstellungen in München überließ. Hier fühlte er sich der Erste und war also dreister; auch nahm es das gemischte Publikum des Münchener Hoftheaters niemals sehr genau in diesen Sachen. In Paris war er stets discreter.
Er führte ein Amphibienleben und gehörte theils Deutschland, theils Frankreich an. Nachdem nämlich die italienische Hofoper in München aufgelöst worden war, wandte er sich nach Paris, wo seine bescheidenen Forderungen neben seinen unläugbaren trefflichen Eigenschaften und sein gefälliges, verträgliches Wesen, ihm alle Jahre bei jeder neuen Saison wieder eine Anstellung finden ließen.
Als Leporello war er ausgezeichnet. Es war seine Meisterrolle. Sowohl im Gesang wie im Spiel gab er hier ein ihm allein angehöriges Bild, von der glücklichsten Laune durchzogen. In München fand man, daß er einige Farben zu stark auftrage, allein dies war der deutschen Umgebung zur Last zu legen, wie ich schon oben erwähnte. Ich sah die Rolle auch in Paris von ihm, und muß gestehen, daß sie mir dort bei Weitem weniger grell erschienen ist.
Neben Leporello stelle ich seinen Dandini in der Cenerentola. Auch den Geronimo in der heimlichen Ehe gab er sehr gut. Er ist zur rechten Zeit gestorben, denn er entging dadurch einer schneidenden Kränkung. Stets hatte er gewünscht dieses alte Meisterwerk Cimarosa’s wieder auf das Theater Rossini’s zu bringen, um sich den Parisern als Geronimo darin zu zeigen. Er rechnete auf einen sichern Triumph. Im vorigen Jahre erzählte er mir frohlockend, daß nun endlich seine Bemühungen bei der Administration Anklang gefunden hätten und daß im Laufe des nächsten Winters il matrimonio segreto aufgeführt werden würde. Aber die Austheilung war schon getroffen und in den Blättern lange vor dem Beginne der stagione bekannt gemacht, ehe man noch einmal wußte, daß der Tod Santini abhalten würde nach Paris zu kommen. Und Lablache hatte den Geronimo. – Die französischen Blätter haben noch nicht einmal die Nachricht von seinem Tode gegeben, da Herr Severini, der Geldmensch, es wahrscheinlich nicht der Mühe werth hielt, die Redaktionen davon in Kenntniß zu setzen. Nur von seiner Krankheit ist eine kurze Meldung geschehen.
August Lewald: Künstler-Porträts; Allgemeine Theater-Revue. 1836.
Santini, Felice, geb. zu Parma im J. 1798, bildete sich zu einem vortrefflichen Baßsänger und betrat in Venedig zum ersten Male die Bühne in Rossini‘s »Ingnanno felice«. Morlachi, der ihn 1818 hörte, engagirte ihn darauf für die dresdner italienische Oper. Hier sang er eine Reihe von Jahren und ging dann an die italienische Oper nach Paris (1828), von wo aus er 1834 nach München sich begab hier aber schon im J. 1836 starb. Besonders ausgezeichnet war er in Buffo-Partien, namentlich wenn er sich der Uebertreibungen enthielt, die man ihm zuweilen nicht mit Unrecht zum Vorwurf gemacht hat. Seine Stimme war nebenbei schön und umfangreich; in der Tiefe reichte sie bis zum großen D.
Universal-Lexikon der Tonkunst. Offenbach, 1840.
Santini, Felice, geb. zu Parma im J. 1798, bildete sich zu einem vortrefflichen Baßsänger und betrat in Venedig zum ersten Male die Bühne in Rossini‘s »Ingnanno felice«. Morlachi, der ihn 1818 hörte, engagirte ihn darauf für die dresdner italienische Oper. Hier sang er eine Reihe von Jahren und ging dann an die italienische Oper nach Paris (1828), von wo aus er 1834 nach München sich begab hier aber schon im J. 1836 starb. Besonders ausgezeichnet war er in Buffo-Partien, namentlich wenn er sich der Uebertreibungen enthielt, die man ihm zuweilen nicht mit Unrecht zum Vorwurf gemacht hat. Seine Stimme war nebenbei schön und umfangreich; in der Tiefe reichte sie bis zum großen D.
Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Offenbach, 1861.