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12 – 2 – 27 (Jacobi)

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FRIEDRICH
HEINRICH
von JACOBI
* 1743 † 1819
PHILOSOPH
UND DICHTER

Ω

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Friedrich Heinrich von Jacobi

* 25.1.1743 (Düsseldorf)
† 10.3.1819 (München)
Dichter, Philosoph und Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Eos (31.3.1819)

Friedrich Heinrich Jacobi*
* Aus der GrabesFeyer bey der Beerdigung Friedrich Heinrich Jacobi’s. k. b. Geheimrathes etc. – München den 12. März 1819.

Friedrich Heinrich Jacobi war der Sohn eines angesehenen Kaufmanns und FabrikUnternehmers in Düsseldorf, aber stammend aus einer Familie, in welcher der Betrieb der Wissenschaften einheimisch war. Nach einer sorgfältigen Erziehung wurde er als Jüngling nach Genf geschickt, um sich zu den väterlichen Geschäften vorzubereiten; indeß war der innere Trieb nach vielseitiger Ausbildung, nach Erforschung der Gründe des menschlichen Wissens und Glaubens so vorherrschend in ihm, daß er sich ihm ganz hingab. Er trat in den churpfalz-baierischen Staatsdienst für das Fach der Finanzen und der Leitung des Commerzes, und schloß früh eine sehr glückliche eheliche Verbindung mit einer Tochter aus dem angesehenen HandelsHause Clermont in Aachen. In eine wünschenswerthe Unabhängigkeit versetzt, brauchte er dem StaatsDienst nicht alle seine Zeit und Kraft zu widmen, und behielt die Freyheit der Lage und des Geistes, um seinen Trieb nach Erweiterung seiner Kenntnisse und nach Erforschung der Gründe des Wissens obliegen zu können. Bald erkannten ihn die scharfsinnigsten und berühmtesten Gelehrten unter seinen Zeitgenossen für ihres Gleichen; schriftstellerische Arbeiten, in freyer Muße und aus innerm Triebe erzeugt, verbreiteten seinen Ruhm.

Lange Zeit hindurch war in den siebenziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sein gastfreyes Haus bey Düsseldorf, so wie der Sitz häuslichen Glücks, so der Sammelplatz vieler ausgezeichneten Männer jener denkwürdigen Periode der deutschen Literatur. Gleich in dem ersten Jahr nach des Kurfürsten Maximilian Josephs III. Tod wurde er nach München berufen, um an den Berathungen über die Administration des Herzogthums Berg, jener gewerbreichen Provinz des damaligen baierischen Staates, Theil zu nehmen; da war es, wo er diese Stadt zuerst gesehen und hier einen freundlichen Empfang gefunden hatte. Das größte Verdienst indeß, das er sich um die eigentliche StaatsVerwaltung erworben, bestand darin, daß er den Mann, der nachher eine Reihe von Jahren mit der vollen Anerkennung seines Monarchen einen wichtigen und wohlthätigen Antheil an der Verwaltung des Vaterlandes in bedenklichen Zeiten nahm, den hochverdienten Heinrich Schenk, dessen Gebeine hier neben ihm ruhen, durch Anleitung und Ermunterung zu der Wirksamkeit beförderlich war, durch welche dieser sich späterhin auszeichnete.

Die Stürme des Krieges zu Anfang der neunziger Jahre bewirkten, daß der Geheimerath Jacobi mit zwey, durch die innigste Freundschaft ihm verbundenen Schwestern in Hamburg und in den dänischen Staaten eine ruhige Stätte suchte. Gegen zehn Jahre hat er dort gelebt, in der Stille die Wissenschaften pflegend und sich der theilnehmendsten Freundschaft ausgezeichneter Menschen erfreuend. Reisen nach England und Frankreich erweiterten in dieser Zeit den Kreis derjenigen, die ihm mit persönlicher Liebe ergeben waren. Vor vierzehn Jahren, als Baiern unter der glorreichen Regierung unsers allverehrten Königs neu aufblühte, nahm er München zu seinem Wohnort, wurde bald darauf von seinem Monarchen, der ihn gleich bey der Stiftung des Ordens der baierischen Krone mit dem CommandeurKreuz desselben auszeichnete, an die Spitze der Akademie der Wissenschaften gestellt, und nahm sich ihrer Leitung mit der ganzen Wärme seines edlen Herzens auf das thätigste an. Seit langer Zeit schon mit anhaltenden und oft eine große Heftigkeit erreichenden nervösen AugenLeiden geplagt, erbat er sich vor sieben Jahren Befreyung von AmtsGeschäften; aber er blieb in steter Theilnahme an dem Reich der Wissenschaften und in steter literarischer Thätigkeit.

Drey Söhne, alle in ansehnlichen StaatSAemtern zu Mainz und Düsseldorf, eine Tochter, verheirathet daselbst, lebten zwar den größten Theil der Zeit getrennt von ihm, aber ihre innigste Anhänglichkeit erfreute ihn auch aus der Ferne her. Noch im vorigen Jahre ward ihm das Wiedersehen mit einigen von ihnen zu Theil, ein Glück, welches er mit innigem Dank gegen die Vorsehung erkannte. Von seinen Söhnen hat er eine zahlreiche Reihe von Enkeln erlebt; zweyen derselben war das Glück beschieden, die letztern Jahre in dem Hause des verehrten Großvaters zu leben, und durch ihr Gedeihen seinen SpätAbend zu erheitern.

Auch von seinem ältern Bruder, dem in der deutschen Literatur unvergeßlichen Dichter Johann Georg Jacobi in Freyburg, zwischen dem und ihm das innigste Band brüderlicher Freundschaft statt fand, erhielt er einen Besuch in München bald darauf, nachdem er dem Ruf hieher gefolgt war; der Tod desselben schlug vor vier Jahren dem edlen Greise eine tiefe Wunde.

Ein SchwesternPaar von seltener GeistesBildung und Herzensgüte hatte, nach dem betrauerten, vor länger als zwanzig Jahren erfolgten Tod seiner Gattin, sich ausschließend dem schönen Geschäfte gewidmet, den über alles geliebten Bruder die treueste Pflege zu leisten. Eine innigere Freundschaft, als zwischen diesen drey Geschwistern statt fand, kann es auf der Erde nicht geben, aber auch keinen tiefern Schmerz, als die beyden zurückgebliebenen jetzt empfinden!

Sein Herz behielt eine jugendlich-lebendige Theilnahme an allem Guten und Schönen in der MenschenGeschichte, in Wissenschaft und Kunst; sein Haus blieb der SammelPlatz älterer und jüngerer Freunde, denn durch treue Freundschaft hat er viele erfreut, und ist hinwieder von vielen erfreut worden. Sie verschönerte noch mit ihrem sanften Glanze den AbendHimmel seines Lebens.

Seinem Könige war er mit der ganzen Innigkeit seines edlen Herzens ergeben, und die reine Freude über die großen RegentenHandlungen, welche jetzt eben der Gegenstand allgemeiner Bewunderung sind, und über den steigenden Ruhm des Vaterlandes, war die letzte herrschend« Empfindung, die ihn erheiterte und belebte.

Ein ruhmreiches Leben wurde mit einem sanften Tode gekrönt. Ein FieberAnfall, der die ersten Tage nicht bedenklich schien, wurde es durch hinzugetretene Betäubung, in welcher der 76jährige Greis am siebenten Tage entschlummerte, und seinen Freunden und Verehrern unvermuthet entrissen wurde, indem sie die Hoffnung nähren durften, ihn, trotz den Beschwerden, die vom Alter und einem reizbaren Körperbau unzertrennlich sind, noch eine Reihe von Jahren durch so treue Pflege, als ihm zu Theil geworden war, erhalten zu sehen.

Es folgt ihm von nah und fern eine unendliche Sehnsucht!

Eos Nr. 26. Eine Zeitschrift aus Baiern, zur Erheiterung und Belehrung. Mittwoch, den 31. März 1819.

Deutsches Dichter-Lexikon (1876/1877)

Jacobi, Heinrich Friedrich, jüngerer Bruder des Vorigen [Johann Georg Jacobi], wurde am 25. Januar 1743 zu Düsseldorf geboren und mußte sich dem Wunsche seines Vaters gemäß, der ihn für minder begabt hielt als seinen Bruder, in Frankfurt a. M. für den Handelsstand vorbereiten. In Genf, wohin er 1759 ging, flößte ihm der Umgang mit wissenschaftlich gebildeten Männern und das Studium und die Lektüre der französischen Sprache lebhafte Neigung zu wissenschaftlicher Beschäftigung ein. Er trennte sich daher nur ungern von Genf, um so mehr, als er das Geschäft seines Vaters übernehmen mußte (1763); doch verschaffte er auch hier seinem Drange nach Beschäftigung mit Literatur und Wissenschaft reiche Nahrung durch lebhaften brieflichen Verkehr mit Wieland, Goethe, Lavater, Sophie La Roche u. a. Als er durch Vermittelung des Grafen von Geltstein zum Mitgliede der Hofkammer ernannt wurde, in welcher Stellung er sich vorzüglich mit dem Zollwesen zu beschäftigen hatte, gab er das Geschäft seines Vaters auf und lebte nun ganz seiner Familie, seinen Freunden und seiner Liebe zu den Wissenschaften. Diesem Leben nach seiner Neigung konnte er in noch höherem Maße folgen, als er 1776 infolge seiner Verheiratung mit der durch Geist und Schönheit ausgezeichneten Betty Clermont in den Besitz eines bedeutenden Vermögens gelangte. Im Jahre 1779 erhielt er einen Ruf als Geheimrath im Ministerium für Zollangelegenheiten nach München; doch zog ihm sein Freimuth mancherlei Feinde und zuletzt die Ungnade des Kurfürsten zu, so daß er nach Düffeldorf zurückkehrte und in seine frühere Stellung wieder eintrat. Er lebte meist auf seinem in der Nähe gelegenen Landsitz Pempelfort und wurde hier von den bedeutendsten Männern und Frauen seiner Zeit aufgesucht. Auch machte er größere Reisen, 1780 durch Norddeutschland, 1784 nach England. Als durch die französischen Revolutionskriege die Rheingegenden vielfach bedroht wurden, verließ er 1798 seinen Landsitz und lebte abwechselnd in Wandsbeck, Hamburg und Eutin. Durch eine verfehlte Spekulation seines Bruders um einen ansehnlichen Theil seines Vermögens gebracht, nahm er 1805 eine Professur an der neu zu errichtenden Akademie der Wissenschaften in München an, deren Präsident er 1807 wurde. In dieser Stellung blieb er bis zum Jahre 1813, wo er mit voller Besoldung in den Ruhestand trat. Er starb in München am 10. März 1819.

D.: 1) Woldemar, eine Seltenheit aus der Naturgeschichte (Roman); II. Flensburg 1779. Königsb. 1794. Leipz 1825. 2) Eduard Allwills Briefsammlung (Roman). Bresl. 1781. Königsb. 1792. Leipz. 1826. 3) Werke, herausgeg. v. Köppen und Roth; VI. Leip. 1812 bis 1824. [Inhalt: I. s. o. 2) II. III. VI. Vermischte Abhandlungen. IV. J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, herausgeg. von Fr. Roth. Ueber die Lehre des Spinoza, in Briefen an Herrn Moses Mendelssohn. [sep. Bresl. 1785]. V. s. o. 1)]. 4) Ausgewählte Werke; III. Ebd. 1854. 5) Aus F. H Jacobi’s Nachlaß. Ungedruckte Briefe von und an Jacobi und andere. Nebst ungedruckten Gedichten von Goethe und Lenz; heraugeg. v. Rud. Zöppritz; II. Dresd. 1869.

Franz Brümmer: Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Unter besonderer Berücksichtigung der Gegenwart. Eichstätt & Stuttgart, 1876/1877.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Jacobi Friedrich Heinrich, 1743 (Düsseldorf) – 1819, Philosoph, Dichter und Akademiepräsident; er war zuerst Kaufmann, wurde 1772 Beamter und war 1807–1812 Präsident der BAkdW; 1760–1764 wurde J. in Genf mit J.-J. Rousseaus Denken vertraut, 1775 lernte er J. W. von Goethe persönlich kennen (beider Einfluß auf Js. philosophischen Romane »Allwills Briefsammlung« und »Woldemar«), stand mit diesem und mit J. K. Lavater, Ch. M. Wieland, M. Claudius, J. G. Hamann, J. G. von Herder in zum Teil gegenseitig fruchtbaren freundschaftlichen Beziehungen, in Verbindung auch mit der Fürstin A. von Gallitzin und J. M. Sailer; mit seinem persönlichen Einfluß, seiner reichen Korrespondenz und seinen kritischen Schriften gegen M. Mendelssohn (wodurch er ungewollt eine Spinoza-Renaissance hervorrief), gegen J. Kant, gegen J. G. Fichte und F. W. von Schelling wurde J. neben Hamann zum Wortführer der gegen den Rationalismus der Aufklärung gerichteten Gefühls- und Glaubensphilosophie; ihre Wirkung erstreckte sich auch auf den Sturm und Drang, F. von Schiller und die Romantik, im theologischen Bereich katholischerseits bis in die Tübinger Schule, im protestantischen Bereich wurde ihr eigenes Anliegen später von F. E. v. Schleiermacher entfaltet; die Verstandeserkenntnis erfaßt nach J. nur das Nichtgöttliche, Endliche, Bedingte; ihre systematisch-geschlossene Ausbildung erweist sich notwendig als Atheismus; alle historischen und dogmatischen Fixierungen bedeuten bereits eine unvermeidbare Beschränkung und insofern Verfälschung; den Gegensatz von Verstand und Vernunft vermochte J. »mit dem Kopf ein Heide, mit dem Herzen ein Christ«, nicht zu überbrücken.

Hauptwerke: Über die Lehre Spinozas in Briefen an M. Mendelssohn, D. Hume über den Glauben (gegen Kant), Sendschreiben an Fichte, Über das Unternehmen des Kritizismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen, Von den göttlichen Dingen (gegen Schelling), Werke 6 Bde.

© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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