Ω
FERDINAND
LANG
HOFSCHAUSPIELER
UND KOMIKER
1810
1882
12.6.54.55
Ω
Lang, Ferdinand; 28.5.1810 (München) – 30.8.1882 (München); Schauspieler
Lang, Regina (vh) / Hitzelsberger (gb); 1786 (Randersacker bei Würzburg) – 10.5.1827 (München); Sängerin
|||
* 28.5.1810 (München)
† 30.8.1882 (München)
Schauspieler
Hiesiges.
Der junge Schauspieler Lang versucht sich seit einiger Zeit in komischen Parthien und entwickelt darin eine angenehme Natürlichkeit. Das Publikum scheint sehr günstig für ihn gestimmt. Als »Florian« in der Raimund'schen Posse: »Der Diamant des Geisterkönigs,« wurde er gerufen. Für eine gewisse Sphäre des Komischen ließe sich sein Talent mit Erfolg ausbilden, doch muß mit Umsicht dabei verfahren werden.
Unterhaltungen für das Theater-Publikum. München, den 12. April 1833.
Familienverhältnisse fesselten mich zu verschiedenen Malen Jahre lang an München, an das heitre, lebenslustige Isar-Athen, wie es sich, im Hinblick auf seine Kunstschätze, gern zu nennen pflegt. Ich bin mein Lebelang eine Art von Theater-Narr gewesen; auch dort interessirte mich das Treiben der Bühne und der Künstler. Es war im Jahre 1834, als ich dort zum Erstenmale verweilte und den trefflichen Komiker Lang kennen lernte, der auch auf den Bühnen Berlin’s in neuerer Zeit mit vieler Anerkennung aufgenommen worden. Damals war in München noch eine tragische Geschichte lebhaft in der Erinnerung, die sich nur wenige Jahre vorher zugetragen, deren Held Lang gewesen, deren Opfer er beinahe geworden. Es liegt ein Dunkel auf derselben, das bis zur Stunde noch nicht aufgeklärt und darum ein erhöhtes Interesse in sich trägt. Ich erzähle sie, wie sie dazumal in München von Mund zu Munde ging und wie sie mir Freund Lang selbst bestätigt.
Es war im Jahre 1831. Lang, damals noch ein junger Mann, hatte auf der Königlichen Hofbühne zu München, seiner Vaterstadt, kurze Zeit vorher seine theatralische Laufbahn mit vielem Glück begonnen und sich bereits zum gerngesehenen Liebling des Publikums emporgeschwungen. Es war gerade das hübsche Lustspiel »Mamsell Bock« an der Tages-, oder vielmehr Abendordnung, in welchem Lang einen jungen Gecken mit um so größerem Erfolg darstellte, da das Publikum in dieser Rolle die glückliche Copie eines in München bekannten Originals erkennen wollte, seltsam genug, eigentlich nicht eines, sondern mehrerer Originale, namentlich eines jüdischen und mehrerer wallachischen; zu jener Zeit, wie auch jetzt noch, studirten nämlich mehrere junge Leute aus der Wallachei und Moldau auf der Münchener Universität. An einem November-Abende hatte Lang wieder die Rolle unter jubelndem Beifall des Publikums gespielt und begab sich nach Beendigung des Stücks nach seiner Wohnung, die sich im vierten Stock eines Hauses am Dultplatze, einer namentlich Abends öden Gegend Münchens befand. Die Localität war in der Art beschaffen, daß von der Straße eine Doppelflügelthür, von der der eine Flügel offen stand, in einen schmalen, langen, dunklen Hausflur führte, an dessen Ende der Aufgang zu den oberen Stockwerken sich befand. Lang tritt, in einen braunen Mantel gehüllt, in die Thüre und kaum in dem dunkeln Flur angelangt, fühlt er – die Dunkelheit verhinderte das Sehen – wie ein Mensch an ihm vorüberstreift, ihm einen Stich in den Unterleib beibringt und ehe Lang sich umdrehen kann, hört er, wie der Fremde die Flucht zur Thüre hinaus nach der Straße ergreift.
Der Verwundete sinkt zusammen und schleppt sich nun auf Händen und Füßen die vier Treppen hinauf, in die Wohnung seiner Eltern, wo er, im Blute schwimmend, ohnmächtig zusammenbricht. Herbeigerufene Ärzte erklären die Wunde, die mit einem Dolche beigebracht scheint, für lebensgefährlich. Am andern Morgen, als sich die Kunde von der Frevelthat verbreitet, herrscht natürlich bei dem Publikum, dessen Liebling sie betroffen, große Aufregung. Der Verwundete ist, da das Bubenstück im Finstern begangen, nicht im Stande, etwas Näheres über den Thäter anzugeben. Die Polizei, der von König Ludwig, einem großen Mäcen des jungen Künstlers, die unermüdlichste Thätigkeit empfohlen wird, ist nicht im Stande, dem Mörder auf die Spur zu kommen, obgleich alle Verdachtsgründe zur Erforschung desselben benutzt werden. Lange Zeit ist Lang dem Tode nahe. Seine Jugendkraft rettet ihn und nach siebenmonatlichem Schmerzenslager erscheint er als Genesener. Er tritt zum Erstenmale wieder in der Rolle auf, die dem Anschein nach, ihm jenes Unglück zugezogen hat. Das colossale Schauspielhaus ist bis zum höchsten Gipfel besetzt und der junge Künstler begeht unter Teilnahme des Publikums eine seltene Genesungsfeier. Nach Beendigung des Stücks wird er von seinen jungen Freunden in einem großen Fackelzug nach Hause geleitet und steigt diesmal unangefochten durch zwei Fackelreihen, die auf den vier Treppen von seinen Begleitern gebildet worden, nach seinem Stübchen hinauf. Am folgenden Tage erhält er von König Ludwig von Baiern das Decret seiner lebenslänglichen Anstellung.
Dieses tragische Ereigniß hatte aber noch einen zweiten romantischen Theil. Herr Lang ist Katholik. Seinem Cultus getreu, macht er am nächsten Jahrestage des Mordanfalls eine Reise nach dem berühmten baierischen Wallfahrtsort Alt-Oettingen, um dort vor dem Gnadenbilde der heiligen Jungfrau Dank zu sagen für seine Lebensrettung. Der Altar, auf dem das Marienbild thront, ist mit Votivtafeln umgeben, auf welchen, nach katholischer Sitte, von Denjenigen Gedenkzeichen aufgehängt sind, die durch Gebet Befreiung von ihren Leiden errungen. Lang gewahrt unter diesen Gedenkzeichen einen Dolch, bittet nach verrichteter Andacht den Kirchendiener, ihm die nähere Besichtigung des Mordinstruments zu gestatten. Dies wird bewilligt. Lang hat denselben Mantel an, den er bei dem Attentate getragen, in demselben befindet sich noch das Loch, das der Dolchstoß gemacht, man mißt die Oeffnung mit dem Dolche und dieser füllt sie genau aus. Lang wendet sich an den Pfarrer der Gnadenkirche und erfährt von diesem, daß vor einigen Monaten dieser Dolch eines Abends an der Votivtafel aufgehängt gefunden worden sei. Wer dies bewerkstelligt, sei unter der ungeheuren Menge der Wallfahrer nicht zu ermitteln gewesen. Vielleicht mag dem Priester das Mordwerkzeug auch unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses, das er nicht brechen darf, übergeben worden sein. Das Gericht in München requirirte den Dolch zur weitern Untersuchung der Frevelthat, die aber nie an’s Tageslicht gekommen.
Der berühmte Künstler hat, was an ihm verschuldet, vergeben. Vergessen kann er es wohl nicht, da, namentlich beim Wechsel der Jahreszeiten, die Schmerzen der Wunde ihn an den Unglücksfall mahnen. So hat Herr Lang, ehe er im Sommer 1853 Berlin zu Gastrollen besuchte, ein schmerzliches Krankenlager in Folge jener vor 22 Jahren erhaltenen Verletzung erleiden müssen. Sein heiteres Talent, sein köstlicher Humor aber sind ihm in frischer Kraft geblieben, wie dies seine Darstellungen auch den Berlinern bewiesen.
Fr. Tietz: Bunte Erinnerungen an frühere Persönlichkeiten, Begebenheiten und Theaterzustände des Berlin und anderswoher. Zusammengesucht von Fr. Tietz. Berlin, 1854.
Hr. Lang hat das Hauptrequisit für einen Komiker, gesunden, urwüchsigen Humor, in reichem Maße. Aber die Grenze der wirklich klassischen Leistungen des Hrn. Lang ist doch eine scharf gezogene: nur im Niedrig-Komischen braucht er keinen Rivalen zu fürchten; auf dem Parketboden des Salons dagegen bewegt er sich nicht mit der Feinheit, wie sie hier unbedingt nothwendig ist. Wir sind übrigens weit entfernt, diesem wackeren Künstler damit einen Vorwurf machen zu wollen; denn »Alles schickt sich nicht für Einen«, meinen wir, unsern Goethe parodirend; ja wir müssen sogar hinzufügen, daß die Rollen, die uns bei diesem Ausspruch vorschweben (Hofmarschall Kalb, Riccaut de la Marliniere), unserer Ansicht nach eigentlich gar nicht in sein Fach gehören. Als Schuster Wilhelm (»Verwunschener Prinz«), Bedienter Anton (»Die Neugierigen«) u. dgl. ist er in seinem eigentlichen Element. Auch in den Wiener Possen und namentlich in den Raimund'schen Stücken, leistet er sehr Verdienstliches. Seine Singstimme ist schlecht, aber zum Couplet-Vortrag immerhin ausreichend.
Die Deutsche Schaubühne. Organ für Theater und Literatur. Redigirt von Dr. Teodor Mehl. Hamburg; 1861.
Welcher Einheimische oder Fremdling, zumal Künstler, besuchte in München nicht das Gasthaus »zum grünen Baum« draußen an der Isar? Als die berühmte Schauspielerin Cramer zum Benefiz ihrer fünfzigjährigen Bühnenthätigkeit noch zuletzt als Oberförsterin in den Jägern von Iffland aufgetreten war, gaben ihr die Kollegen dort ein kleines Fest, bei welchem der König die Gesellschaft überraschte. Da die Heldin des Tages von ihm abgewandt saß, hielt Er zum Scherz ihr rasch die Augen zu und fragte mit seiner etwas stotternden Stimme: »Wer ist das?« »Ach, das sind Sie wieder, Lang,« rief die greise Künstlerin, »Sie kopiren den König prächtig.« »So,« rief Ludwig erstaunt, »er kopirt mich? Das möchte ich auch einmal hören. Vorwärts, Lang, kopiren Sie mich.« Der Komiker erschrak und sträubte sich, aber der Monarch bestand darauf: »Ich wünsche es und Ihr König befiehlt es.« Lang setzte sich an ein Seitentischchen und rief unter der angenommenen Manier Sr. Majestät: »Kabinetsrath Riedl soll heraufkommen!« Majestät wünschen? fuhr der Künstler im näselnden Tone des Gerufenen fort. »Ah, Bravo! ausgezeichnet!« applaudirte der anwesende König, »er kopirt meinen Riedl so gut, wie mich, und ist ein vorzüglicher Menschendarsteller, mit Iffland zu reden.« Aber der Komiker fuhr fort: »Riedl, schicken Sie morgen dem Schauspieler Lang aus meiner Kabinetskasse zweihundert Gulden« »Hören Sie auf, Spitzbube,« rief der König lachend, »brauchen mich nicht weiter zu kopiren, doch dießmal sollen Sie für Ihre Gastrolle das Honorar erhalten.«
Dr. Johann Nepomuk Sepp: Ludwig Augustus, König von Bayern und das Zeitalter der Wiedergeburt der Künste. Schaffhausen, 1869.
Ferdinand Lang,
K. Bayrischer Hofschauspieler.
(Fünzigjähriges Künstlerjubiläum.)
Aus echtem Künstlerblute stammend, schon unter den Vorfahren seiner beiden Eltern finden sich Namen, die am Theaterhimmel des vorigen Jahrhunderts als glänzende Sterne prangten, wurde Ferd. Lang am 28. Mai 1810 in München geboren. Der Wunsch des Vaters ging dahin, daß der Sohn sich für Instrumentalmusik ausbilden und dereinst sein Nachfolger als erster Violinist der Hofkapelle werden sollte. Demgemäß erhielt Ferdinand denn auch sorgfältigen und strengen Unterricht im Violinspielen. Sein Herz war aber nicht bei dieser Kunst, seine Wünsche nahmen einen anderen Flug – nach der Bühne. Der Drang des jungen Ferdinand, sich der Schauspielkunst zu widmen, wurde allmälich so stark, daß er schließlich die Scheu und Angst, sich seinem Vater mit diesem Herzenswunsch zu entdecken, überwand und mit der sehnlichen Bitte, ihn Schauspieler werden zu lassen, vor den Alten trat. Dieser, dem damit ein Lieblingsplan in die Brüche ging, war Anfangs sehr aufgebracht und bezeugte durchaus keine Lust, nachzugeben. Die Mutter trat aber als Vermittlerin auf und brachte durch ihr gütiges Zureden den Vater Theobald endlich dahin, daß er nicht länger widerstrebte und seinen Ferdinand nun selbst zu dem trefflichen Künstler, dem Hofschauspieler Urban, führte. Dieser erkannte alsbald das hier schlummernde Talent und nahm unsern Ferdinand mit Freuden als Schüler an. Schon nach sechsmonatlichen Studien war derselbe soweit gefördert, daß er am 7. Juni 1827 am Hoftheater in München in der Rolle des Aegisth in Voltaire’s »Merope« mit großem Erfolge auftreten und demnächst engagirt werden konnte, und zwar als jugendlicher Liebhaber mit einer Gage von jährlich 200 fl. In diesem seiner Individualität weniger zusagenden Rollenkreise wäre er vielleicht für immer geblieben, wenn ihn nicht ein Zwischenfall, der ihn allerdings an den Rand des Grabes brachte – am 25. November 1831 wurde er nach der Vorstellung in der Flur seiner Wohnung meuchlerisch überfallen und durch einen Stich in den Unterleib auf den Tod verwundet – auf seiner Erholungsreise nach Wien geführt hätte, wo ihn sein Schwager, der bekannte Schauspieldirektor Karl, erst auf sein hervorragendes komisches Talent aufmerksam machte. Zwar gastirte er bei dieser Gelegenheit noch dreimal am Burgtheater in Liebhaberrollen unter großem Beifall, aber von da ab blieb doch Raimund, den er in seinen Glanzleistungen sah, das Ideal, dem er nachstrebte, und er ruhte, nach München zurückgekehrt, nicht eher, als bis ihm die Rolle des Staberl anvertraut war, deren glänzende Durchführung den Beweis lieferte, daß er erst jetzt in dem seinem Talente angemessenen Fahrwasser sei. Von nun ab ist Lang’s Stern in stetem Aufsteigen begriffen, und er gilt noch heute als bester vielleicht als einziger Vertreter der sogenannten süddeutschen Komik.
Hr. Lang spielte von Beginn seiner Thätigkeit am Theater bis zum Tage seines Jubiläums im Ganzen 5521mal, wovon 3523mal im Kgl. Hoftheater, 629mal im Kgl. Residenztheater, 652mal im Kgl. Theater am Gärtnerplatz und 717mal bei Gastrollen in den verschiedensten Städten.
Die Festlichkeiten der Jubiläumsfeier fanden in der letzten Vorstellung von »Zu ebener Erde und im ersten Stock« einen glänzenden Abschluß. Die Ansprache Richters an Lang am Schlusse der Posse lautete wörtlich: (Nachdem Hr. Sigl das Stück beschlossen hatte mit den Worten: So nehmt denn meinen Segen und seid glücklich! und Lang sich eben erhob, begann Richter:) »Halt! Mein lieber Damian Stutzl-Lang, nimm auch unsere Glückwünsche zu Deinem Wohnungswechsel von ebener Erde in den ersten Stock, auch unseren Segen beim Eintritt in einen bedeutungsvollen Lebensabschnitt. – Doch warum willst Du eigentlich Wohnung wechseln? Seit 50 Jahren wohnst Du in diesem Hause, und nicht nur zu ebener Erde und im ersten Stock, nein, in aller Herzen von ebener Erde bis zum fünften Stock, und frage herum, ob irgend Eines Dir die Wohnung kündigen will!? – Ein halbes Jahrhundert in diesem Hause unausgesetzt in Thätigkeit, welch‘ lange Zeit in einem kurzen Menschenleben! Nur wenigen Schauspielern ist es vergönnt, ihre Wirksamkeit in voller Rüstigkeit, ungeschädigt durch das Alter, auf so lange Zeit auszudehnen! Noch Wenigeren aber, dies auf einer und derselben Bühne zu thun! Und welche aufreibende Thätigkeit! Jeder Abend auf der Bühne ist ein Kampf, jede neue Rolle ein erneuter Kampf – nicht immer ein neuer Sieg! Leicht blickt sich’s von dort unten hier herauf; schwer, recht oft schwer und beklommen von hier oben dort hinunter! Zumal wenn wir mit einer neuen Schöpfung hierhertreten und trotz reiflichen Studiums und Ueberlegens des glücklichen Ausgangs nicht sicher sind! – Vor zehn Jahren, bei Gelegenheit Deines vierzigjährigen Dienst-Jubiläums war mir der ehrenvolle Auftrag geworden, Dir die Glückwünsche und Gefühle der Collegen auszusprechen, – heute sehe ich mich zu meiner hohen Freude in dem gleichen Falle. Wir schieden damals von Dir mit den Worten:
Auf Wiederseh’n, Du lieber Jubilar,
Den goldnen Lorbeerkranz im Silberhaar!
Alles jubelte diesem Wunsche entgegen, und wir sind heute gekommen, das damals gegebene Versprechen einzulösen. – Aber so Manche sind nicht erschienen; sie haben nicht Wort gehalten und sind zu dem heutigen Rendezvous nicht gekommen; besonders eine junge, Dir damals herzlich zujauchzende Person blieb aus! Ach! Sie haben diese Bretter – welche die Welt bedeuten – verlassen, der größere Theil der Nichterschienenen hat sogar diese Welt selbst verlassen. Wir aber sind noch da, Dank sei es einer gütigen Vorsehung, und sind nicht allein da, sondern auch noch ebenso thatkräftig und vollwirkend da, wie vor zehn Jahren. Du hast das in den letzten Tagen vollauf bewiesen als Valentin, Staberl, Damian! Wer konnte in Deinem Staberl den 68jährigen Mann vermuthen? Warst Du nicht vielmehr ein flink umherspringender 28jähriger Jüngling?! Und hast Du nicht auch in der ernsten Richtung unseres Repertoirs einen ganzen Künstler gestellt? Ich erinnere nur an Deine Leistungen bei der vorjährigen Aufführung der Shakespeare’schen Königsdramen. Und bist Du nicht sogar ein thatkräftiges Mitglied der Oper noch heute? Du legtest großartiges Zeugniß davon ab in den lustigen Weibern, im schwarzen Domino, in den Meistersingern. (Hier lehnte Lang in höchst komischer Geberde den seiner Meinung nach unverdienten Sängerruhm ab.) So bist Du also ein Juwel der königlichen Kunstanstalt. Man darf Dich mit ganzem Recht einen Brillant in der Künstlerkrone des Hoftheaters nennen, und um Dir diese unsere Ueberzeugung symbolisch auszudrücken, oder es Dir – wie man sagt – durch die Blume zu verstehen zu geben, haben wir uns erlaubt, als Erinnerung an diesen festlichen Tag Dir diesen Brillanten im Ring zu widmen, den ich Dir hiermit an den Finger stecke mit dem herzlichsten Wunsch, daß gleich ausdauernde Härte, Unverletzbarkeit und gleiches Feuer, wie dieser Stein besitzt, Dich befähigen möge, noch ferner in bisheriger Thätigkeit der Hofbühne und ihrem Künstlerkreise anzugehören. Und so rufe ich denn: Gott erhalte uns unseren Lang noch länger als lang und schließe mit den Worten von damals:
»Es lebe hoch der theure Jubilar,
Den goldnen Lorbeerkranz im Silberhaar!«
Eine festliche Scene spielte sich des Morgens im Bureau des kgl. General-Intendanten Frhrn. v. Perfall ab, der dort in Gegenwart der sämmtlichen Beamten des Hauses, der Regisseure und Hofkapellmeister dem Jubilar mit königlicher Genehmigung ein Ehrengeschenk in Form eines Pokales, an dem in sinnreicher Form zweitausend Mark in Gold angebracht sind, unter Worten der herzlichsten Anerkennung als einen Hausschatz überreichte, eine kleine Gegengabe für den Schatz, den Lang’s Herzenheiterkeit und Kunst für die Hofbühne und ihre Freunde stets bildete und hoffentlich noch lange bilden wird. Auch bei diesem Anlaß verleugnete sich der Komiker nicht. Er dankte in der drolligsten Weise und erregte die allgemeinste Heiterkeit. Ferner erhielt Hr. Lang auch von der Dante-Stiftung in Neapel das Ehrendiplom und die goldene Medaille.
Deutscher Bühnen-Almanach. Berlin, den 1. Januar 1878.
Ferdinand Lang betrat am 7. Juli d. Js. zum ersten Mal als »Aegisth« in Voltaire's »Merope« die weltbedeutenden Bretter in seiner Vaterstadt und gefiel derart, daß er für das Liebhaberfach sofort für die Hofbühne engagirt wurde. Allein nicht in diesem Fache, sondern auf komischem Gebiete sollte Lang erst seine eigentliche Bedeutung finden. Mit der Rolle Florian im »Diamant des Geisterkönigs«, die er zum erstenmal am 8. April 1833 creirte, trat er in's komische Fach über und bethätigte im nächsten Jahre als »Staberl« seine glänzende Meisterschaft auf diesem Gebiete. Es bedurfte nur mehr einer kurzen Spanne Zeit und Ferdinand Lang galt bald als einer der vorzüglichsten deutschen Komiker. Am 7. August 1878 konnte Lang sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum begehen. München, dem er so unzählige freudige Stunden geschaffen — Lang trat während der 50 Jahre seines hiesigen Engagements 5540 mal auf — nahm die Gelegenheit wahr und feierte den Jubilar auf herzlichste Weise. Ehrungen auf der Bühne, des Hoftheaters und Gärtnerplatztheaters wechselten mit Fackelzug, Serenade und einem großartigen Kellerfest, auf welchem der unvergeßliche Bürgermeister Dr. Erhardt in prächtiger Rede über die darstellende Kunst den Jubilar feierte. Aber auch seine Souveräne würdigten Lang's Verdienste um die heitere Kunst, in ihnen fand er großmüthige Gönner und Förderer. Außer den Anerkennungen König Ludwigs I., verlieh König Max II. dem Künstler die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, während ihm Ludwig II. gelegentlich seines Jubiläums einen goldenen Becher durch Baron von Perfall überreichen ließ. Der Künstlerstammbaum Lang ist von den ersten Anfängen der Hofbühne bis in unsere Tage hinein mit den Geschicken derselben eng verbunden; eine Genealogie der Familie Lang hat bereits in einem früheren Kapitel seine Stelle gefunden. Papa Lang, wie ihn das Volk so gerne nannte, ist am 30. August 1882 gestorben.
[...]
Am 25. November 1831 wurde zum erstenmal das Lustspiel »Demoiselle Beck« von J. C. Mand aufgeführt. Herr Lang spielte die Rolle des jüdischen jungen Banquiers Heimfeld mit großem Beifall. Besonders als er folgende Stelle betonte: »Wie viel der Adel werth ist, weiß unsere Familie besser als die älteste im Lande, denn die hat ihren Adel nicht bezahlt wie wir« brach ein endloses, stürmisches Bravogeschrei los, so daß Herr Vespermann, welcher darauf zu sprechen hatte, wenigstens eine Minute nicht dazu kam. Nach der Vorstellung wurde Herr Lang, als er sich nach Hause begab, unter seiner Hausthüre meuchelmörderisch angefallen und durch einen Dolchstich in den Unterleib lebensgefährlich verwundet.
Nach zweimonatlichem Krankenlager wieder glücklich geheilt, hatte Se. Majestät König Ludwig I. die hohe Gnade, demselben ein Benefize und einen längeren Urlaub zu bewilligen.
Das Erstere hatte einen glänzenden Erfolg. Ein lang anhaltender, herzlicher Empfang des Publikums wurde Herrn Lang bei seinem Wiederauftritte zu Theil; der Meuchelmörder aber wurde nie entdeckt.
[...]
Eine Anekdote, die freilich einem späteren Abschnitt angehören würde, möge hier gleichfalls noch ihre Stelle finden:
»Als die berühmte Schauspielerin Cramer zum Benefize ihrer 50-jährigen Bühnenthätigkeit noch zuletzt als Oberförsterin in den »Jägern« von Iffland aufgetreten war, gaben ihr die Kollegen im Gasthaus »zum grünen Baum« draußen an der Isar ein kleines Fest, bei welchem der König die Gesellschaft überraschte. Da die Heldin von ihm abgewandt saß, hielt er zum Scherz ihr rasch die Augen zu und fragte mit seiner etwas stotternden Stimme: »Wer ist das?« »Ach, das sind Sie wieder Lang,« rief die greise Künstlerin, »Sie kopiren den König prächtig.« »So«, rief Ludwig erstaunt, »er kopirt mich? Das möchte ich auch einmal hören, vorwärts. Lang, kopiren Sie mich.« Der Komiker erschrak und sträubte sich, aber der Monarch bestand darauf: »Ich wünsche es und Ihr König befiehlt es.« Lang setzte sich an ein Seitentischchen und rief unter der angenommenen Manier Sr. Majestät: »Kabinetsrath Riedl soll heraufkommen!« Majestät wünschen? fuhr der Künstler im näselnden Tone des Gerufenen fort. »Ah, Bravo! ausgezeichnet!« applaudirte der anwesende König, »er kopirt meinen Riedl so gut wie mich, und ist ein vorzüglicher Menschendarsteller, mit Iffland zu reden.« Aber der Komiker fuhr fort: »Riedl, schicken Sie morgen dem Schauspieler Lang aus meiner Kabinetskasse zweihundert Gulden —« »Hören Sie auf, Spitzbube,« rief der König lachend, »brauchen mich nicht weiter zu kopiren, doch diesmal sollen Sie für Ihre Gastrolle das Honorar erhalten.«
[...]
Ferdinand Lang, der früher Liebhaber spielte, warf sich unter mir [Theodor von Küstner] in das komische Fach und erlangte darin eine große Beliebtheit beim Publikum. In seiner Komik war so gar nichts Gemachtes, sie erregte die größte, unbefangenste Heiterkeit. Lang war zugleich ein trefflicher Coupletsänger. Es ging ihm, wie vielen beliebten Komikern: kam ihm ein glückliches Impromptu auf die Zunge, so mußte es heraus, auch wenn es gegen die gesetzlichen Vorschriften war. Nachdem er mehrere Verweise deshalb erhalten, konnte er es sich doch nicht versagen, als er nach einem Stück hervorgerufen wurde, mit einem großen Schloß vor dem Munde zu erscheinen, was natürlich einen rauschenden, tobenden Beifall zur Folge hatte. Er erhielt Muse und Zeit den Rausch in einem mehrtägigen Arrest auszuschlafen.
Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.
Lang Ferdinand, geboren am 28. Mai 1810 in München, stammte aus echtem Künstlerblute und schon unter den Vorfahren seiner Eltern finden sich Namen, die am Theaterhimmel des XVIII Jahrhunderts als Sterne leuchteten. Sein Vater Theobald Lang wirkte als erster Geiger in der Hofkapelle in München, seine Mutter Regina, geborene Hitzelberger war eine hervorragende Kraft der Münchener Hofbühne. Beide wollten, daß der Sohn sich auf dem Gebiete der Instrumentalmusik gut ausbilde und ließen ihm daher eine tüchtig fachmännische Schulung angedeihen. Allein Ferdinand hatte nur einen Wunsch, Schauspieler zu werden. Es dauerte lange Zeit, bis der Vater einwilligte, allein, nachdem der Hofschauspieler Wilhelm Urban das Talent des jungen Mannes geprüft und dasselbe anerkannt hatte, und auch die Mutter als Vermittlerin auftrat, willigte der Vater schließlich ein, und nach sechs bis siebenmonatlichen Studien konnte der junge Mann am 7. Juni 1827 in der Rolle des »Ägisth« in »Merope« von Voltaire am Hoftheater in München seinen ersten Bühnenversuch wagen. Er gefiel und wurde als jugendlicher Liebhaber engagiert.
L. blieb dem Kunstinstitute seiner Vaterstadt seit dieser Zeit bis zu seinem Ableben getreu. Viele Jahre wurde er ausschließlich in jugendlichen und Liebhaberrollen aller Art beschäftigt (er erschien unter anderem am 12. April 1830 bei der Erstaufführung des »Faust« in München in der Rolle des »Schüler«, die er auch 1854 bei den Mustervorstellungen in München spielte) und zählte, da er in den mannigfachsten Partien, im klassischen, wie im modernen Repertoir, in Trauer-, Schau- und Lustspielen etc. verwendet wurde, zu den meistbeschäftigten Münchener Schauspielern.
Niemand dachte, er selbst um wenigsten, daß komisches Talent in ihm schlummere, und daß er auf diesem Gebiete dereinst die größten Triumphe feiern werde. Da entschied ein Zwischenfall, dessen Veranlassung allerdings für L. hätte höchst tragisch werden können, über seine künstlerische Zukunft. Er wurde nämlich am 25. November 1831 nach der Vorstellung des Lustspiels »Demoiselle Bock«, in welchem Stücke er einen jüdischen Bankier mit ausgesprochenem Jargon darzustellen hatte, im Flur seiner Wohnung meuchlerisch überfallen und durch einen Stich in den Unterleib auf den Tod verwundet. Man erklärte sich den Überfall als Racheakt, den der Täter vermutlich infolge verletzender Anspielungen, die L. in seiner Rolle auf der Bühne vorbringen mußte, ausübte. Er schwebte längere Zeit in Lebensgefahr und verstrichen verschiedene Wochen bis zur Wiederherstellung.
Auf seiner Erholungsreise, die er nach Wien unternahm, war es sein Onkel, der bekannte Direktor Carl (Gatte von L.’s Tante, Margarete), welcher das hervorragend komische Talent in seinem Neffen erkannte, ihn darauf aufmerksam machte und darauf drang, daß er sich fortab in Komikerrollen, die sein eigentliches Feld wären, versuche. Dazu kam, daß L. Raimund, den er wohl schon einmal in München gelegentlich eines Gastspieles gesehen hatte, genau kennen zu lernen Gelegenheit fand, ihn in allen seinen Glanzleistungen sah, und von den Meisterschöpfungen des Gefeierten, so hingerissen wurde, daß Raimund sein Ideal wurde, dem mit allen seinen Kräften nachzustreben, sein heißester Wunsch blieb.
Trotz dieses Entschlusses, sich nunmehr als Komiker zu zeigen, gastierte er doch während seines damaligen Aufenthaltes in Wien im März 1832 als »Heinrich« (»Graf von Burgund«), »Philipp« (»Johanna von Montfaucon«) und »Anton« (»Die Verwandtschaften«) am Hofburgtheater und wußte den Beifall, den er daselbst errang, wohl hoch genug anzuschlagen. Nach München zurückgekehrt, setzte er alle Hebel in Bewegung, im komischen Fach eingeführt zu werden. Allein das ging nicht so rasch. Er mußte nach der Rückkehr von seiner Erholungsreise am 5. Mai 1832 zuvor wieder in einer Liebhaberrolle als »Paul« in »Standrecht« die Bühne betreten, und dauerte es nahezu zwei Jahre, bis er sein Vorhaben durchsetzte.
Er schlug auch die Übernahme des Rollenfaches seines 1833 verstorbenen Lehrers Urban ab, hatte noch manche andere Kämpfe zu bestehen, doch rastete und ruhte er nicht, bis ihm endlich am Faschingsdienstag 1834 die Rolle des »Staberl« anvertraut wurde, deren glänzende Durchführung den Beweis lieferte, daß er in der Tat den Beruf zum Komiker besitze, und daß er erst jetzt in dem seinem Talente angemessenen Fahrwasser sich befinde. Doch obzwar er nicht nur in den Staberlrollen, sondern auch als »Zwirn« in »Lumpaci«, »Dr. Kramperl« und anderen ausgesprochen komischen Rollen riesig gefiel, so mußte er immer noch nebenbei Liebhaber spielen.
Erst sein sensationeller Erfolg am 4. Januar 1836 als »Damian Stutzl« in »Zu ebener Erd’ und im ersten Stock«, schlug alle Zweifel nieder und man erklärte es direkt für eine Beeinträchtigung des Publikums, L. in anderen als in komischen Rollen zu verwenden.
So wirkte dieser hervorragende Künstler zur Freude aller Münchner, und war während seiner weit mehr als 50jährigen künstlerischen Tätigkeit sowohl der Liebling der Hofloge, als auch der Liebling der Besucher der letzten Gallerie, und blieb in Deutschland der beste, vielleicht der einzige Vertreter der sogenannten süddeutschen Komik. Strahlend ging sein Stern auf und erlosch erst mit seinem gänzlichen Scheiden von Bühne und Welt. In den letzten Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit erschien er nicht mehr allzu oft auf den Brettern und erstreckte sich sein Wirken fast ausschließlich auf »Staberl«, »Zwirn«, »Damian Stutzl«, »Valentin« (»Verschwender«), »Rappelkopf« (»Alpenkönig und Menschenfeind«) und »Freiherr von Rinnecker« im »Bürger und Junker«, welches Stück regelmäßig, wenn er auf dem Zettel erschien, vor ausverkauften Häusern gegeben wurde.
Ein überaus reiches und dankbares Feld öffnete sich ihm noch im Sommer 1870, als das Aktientheater am Gärtnerplatz auf Kosten des Königs übernommen wurde. Gastspielreisen unternahm er nicht all zu oft. Doch wo er auch immer erschien, wurde er mit Jubel empfangen. Dies geschah auch 1854, als er an den von Dingelstedt arrangierten Mustervorstellungen teilnahm (»Moses« in »Lästerschule«, »Licht« in »Zerbrochener Krug«, »Jetter« in »Egmont« und »Schüler« in »Faust«). L. war nur wenige Tage krank. Das letztemal erschien er als »Damian Stutzl« auf den Brettern. Bald darauf erkältete er sich und nach kurzem Krankenlager erfolgte am 30. August 1882 sein Ableben.
München und die deutsche Kunst hat dadurch einen gar schweren Verlust erlitten: die Kunst im allgemeinen, seine Vaterstadt im besonderen. Zur Charakteristik des bedeutenden Künstlers sei hier der tiefempfundenen Abschiedsworte, die Intendant von Possart seinem langjährigen Freunde und unvergeßlichen Kollegen ins Grab nachsandte, gedacht: »… L. überraschte nicht, er blendete nicht, aber er verwendete seine Naturgaben, den unwiderstehlichen Blick, den herzlichen Ton, den ungekünstelten Anstand seiner Bewegungen mit so bezwingender Wahrheit und Einfachheit, daß in wenigen Minuten das schöne Band der Sympathie zwischen Darsteller und Publikum geschlungen war. Er war ein Komiker, der es wagen durfte, sich mitten in den Rahmen einer hohe Tragödie zu stellen und den ungeheueren komischen Kredit, der ihn umgab, sobald nur sein Gesicht in der Coulisse sichtbar wurde, machte er vergessen durch die Charakteristik seiner Leistung. Die kleinste Partie erhielt in der Noblesse seiner Darstellungsweise, einen wohltuenden Anstrich. Er erteilte selbst der niedrigst-komischen Rolle durch die unerschütterlich diskrete Aufführung den künstlerischen Adelsbrief. Ferdinand Lang war ein aristokratischer Komiker und er besaß den charakteristischen Vorzug des Aristokraten, er war konservativ in seiner Kunst! Niemals hat er sich durch lauten oder durch zu geringen Beifall hinreißen lassen, nur eine Linie über die Grenze zu gehen, die sein künstlerisches Feingefühl ihm steckte. Wie er vor 30 Jahren in dieser oder jener Scene stand und sprach und spielte, so, genau so agierte er auch drei Dezennien später, und die Wirkung war in jungen, wie in alten Tagen die gleiche, unwiderstehlich zündende! Schlichte Wahrheit, rührender Herzenston und unbestechliche Decenz bildeten die Elemente seiner künstlerischen Eigenart! Sie geht mit ihm verloren!…«
Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.
Lang Ferdinand, 1810 (München) – 1882, Hofschauspieler und Komiker; zusammen mit Charlotte von Hagn genoß L. den dramatischen Unterricht bei W. Urban; seinen ersten Erfolg erreichte er in Raimunds »Pamphila«; nach einer schweren Verwundung durch einen Meuchler (1831) wandte er sich ausschließlich komischen Rollen zu und war als »Staberl« und Originalimitator König Ludwigs I. beim Volk sehr beliebt; L. war kein gewöhnlicher Spaßmacher, sondern ein bedeutender Charakterspieler, den sein Kollege E. von Possart einen aristokratischen Künstler nannte, dem künstlerisches Maßhalten vor allem zu eigen war.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
|||
Hitzelsberger (gb)
* 1786 (Randersacker bei Würzburg)
† 10.5.1827 (München)
Sängerin
Regina Lang, geb. Hitzelberger,
Hofsängerin zu München;
geb. i. J 1792, gest. d. 10. Mai 1827 (Fränk. Merkur. 1827 Nr. 135).
Aus Würzburg gebürtig machte die Verewigte im J. 1804 ihren ersten theatralischen Versuch auf dem dasigen Theater u. erregte bald die Aufmerksamkeit des Publikums durch ihre schöne Altstimme, die sie in der Folge immer mehr ausbildete, so daß sie bald einen Ruf zur k. Hofkapelle u. zum k. Hoftheater in München erhielt. Mehrere ihrer Leistungen, besonders Myrrha »im Opferfeste,« Benjamin in Mehuls »Jakob und seine Söhne« etc. sind noch im Andenken aller Freunde des Gesanges. Es gereichte ihr zum besondern Verdienst, daß sie bereits eine gute Methode und Schule zu einer Zeit darlegte, wo der Geschmack im Gesange noch nicht, wie später, durch das Bestehen der italienischen Oper so eigenthümlich heimisch gemacht worden ist.
Neuer Nekrolog der Deutschen. Ilmenau, 1829.
München, 25. Oktober. »Endlich hatten wir das sehnlichst erwartete Vergnügen«, so beginnt die Staatszeitung von München 1805, »Seine Majestät Napoleon, Kaiser in Frankreich und König in Italien hier eintreffen zu sehen.« Napoleon kam von Augsburg, fuhr in einem sechsspännigen Reisewagen, den der Reisemarschall Bernadotte begleitete. Unter Kanonendonner und Glockengeläute zog er durch die Neuhauser- und Kaufingerstraße über den Platz in die Residenzstraße und stieg unter dem Jubel des Volkes in der Residenz ab, wo er an der Treppe von dem kurfürstlichen Hof empfangen wurde. Der Einzug geschah um ½8 Uhr Abend, die Stadt war taghell beleuchtet; die Tags zuvor eingetroffenen k. Garde-Regimenter bildeten Spalier. Noch an diesem Abend empfing Napoleon eine Deputation Münchener Bürger, denen er sich sehr huldvoll zeigte und denen er auch versprach, beim nächsten Friedensschlusse Bayern nicht zu vergessen.
Am Morgen des nächsten Tages unternahm Napoleon eine Rundfahrt durch München. Achtspännig kam er dahergefahren, sein Mamluk Rustan saß auf dem Bock, eine Menge Generale in reich gestickter Uniform folgten ihm. Er, der Allgewaltige trug einfache Uniform, worauf nur das Ritterkreuz der Ehrenlegion zu sehen war, während sein Gefolge in Sternen und Orden strahlte.
Da zog er hin, der Heros, vor dem die ganze Welt zitterte; der Mann mit dem gelben Marmorgesicht, mit den ehernen Zügen, die von der Hand des Todes gemeiselt schienen, wenn nicht ein paar dunkle Sterne aus den steinernen Zügen lebendig hervorgebliizt hätten, und bewundernd neigte sich die Menge und staunte ihn an, wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
An diesem Abend und an den folgenden waren zwei Festopern: »Das unterbrochene Opferfest« von Winter und »Don Juan« von Mozart. Der Kaiser wohnte den Aufführungen immer je einen Act lang bei. Das Haus war zum Erdrücken voll. Bei der Ankunft Napoleons erschollen minutenlange Hochrufe, Trompeten und Pauken erdröhnten und aus allen Logen kam der Zuruf: »Es lebe der Kaiser.« Das Haus selbst bot einen glänzenden Anblick.
Der Kaiser nahm in der Mitte der kurfürstlichen Loge seinen Platz, rechts von ihm saß Kurfürstin Friederike Wilhelmine, links Max Josef. Den ersten Rang nahmen die Prinzessinnen, Herzoge und Fürsten ein, Parquet und Parterre gehörte der Generalität und ihren Adjutanten, und der Diplomatie; in den übrigen Rängen vertheilte sich das Offizierscorps und diejenigen Staats- und Hofbeamten, welche im Range eines Raths standen, durften der Vorstellung auf der Gallerie anwohnen. Im Proscenium standen auf jeder Seite zwei Gardisten von der Kaisergarde mit den großen Bärenmützen und aufgepflanztem Bajonett. Die ganze Festversammlung war in großer Gala und es läßt sich der überaus glänzende Anblick wohl denken. Es muß gewesen sein, als wäre der Glanz des mächtigen Sternenmeeres in das Opernhaus herabgestiegen, so glänzte und gleißte das ganze Haus von dem Feuer der Brillanten und Demanten. Die Opern dirigirten die Kapellmeister Winter und Cannabich. Einen großen Eindruck machte die herrliche Stimme und große Gesangskunst der Sängerin Regina Hitzelberger auf Napoleon. Der Intendant wurde in die kaiserliche Loge beschieden und mußte dem Imperator alles wissenswerthe über diese Kraft mittheilen, zugleich ließ Napoleon der Künstlerin ein Riesenbouquet durch einen seiner Adjutanten auf der Bühne überreichen und ihr ein glänzendes Engagement [1] in Paris anbieten.
Zu Max Josef aber neigte sich hierauf der Kaiser und sagte: »N'est-cè pas, mon cher frère, demain nous aurons le plaisir d'entendre aussi la chanteuse dans la résidence?«
Am nächsten Tag, 28. Oktober, fand das Hofconcert in dem prunkhaft ausgestatteten Residenzsaal statt und bei dieser Gelegenheit zeichnete Napoleon die Sängerin wiederum ganz besonders aus. Nach dem tief empfindungsvollen Vortrag der Cavatine: »Porgia mor qualche ristoro« (heil'ge Quelle reiner Triebe) aus »Figaro« trat der Kaiser vor die auf dem Podium stehende Sängerin hin und sagte: »Mademoiselle, je vous admire!« Die verwirrt dastehende Künstlerin verbeugte sich ehrfurchtsvollst, doch der Kaiser fuhr fort: »Cet instant vous a placé au-dessus de moi, car vous avez conquis sans faire de blessures!«
[1] Regina Hitzelberger ist der kaiserlichen Einladung nach Paris nicht gefolgt und heirathete 1808 den Hofmusiker Lang; sie wurde, wie schon bereits erwähnt, die Mutter unseres nun gleichfalls verstorbenen Komikers Ferdinand Lang. Regina Lang, geb. Hitzelberger, starb 10. Mai 1827.
Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.
Bedeutender war Regina Hitzelberger, geboren 1786 in Würzburg. Auch sie erhielt von ihrer Mutter Sabine den ersten Gesangsunterricht, und auch sie wurde bald Mitglied der Münchner Hofoper und bayerische Kammersängerin. Obwohl ihre Stimme zu den schönsten des Kunstinstitutes zählte, bildete sie sich doch noch bei ersten Meistern weiter aus. 1805 erlebte sie die große Auszeichnung, dem Kaiser Napoleon, der sie im Münchner Hoftheater im »Unterbrochenen Opferfest«, im »Don Juan« und in »Castor und Pollux« hörte, so außerordentlich zu gefallen, daß er ihr mit einem für damalige Verhältnisse ganz ungewöhnlich großen Gehalte ein Engagement als französische Kammersängerin bot. Allein sie schlug gleich ihrer Mutter diesen überaus schmeichelhaften Antrag aus, blieb weiter in München, wo sie bis November 1811 als bejubeltes Mitglied der Hofbühne wirkte. In diesem Jahre entsagte sie dem Theater, um ihre Tätigkeit nur mehr als Hofsängerin auszuüben. Am 10. Mai 1827 starb die Künstlerin, allgemein betrauert, in München.
Dieselbe vermählte sich am 19. Oktober 1808 mit dem Hofmusikus Theobald Lang, aus welcher Ehe der später so gefeierte Münchner Komiker Ferdinand Lang stammte.
Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.
Lang Regina, geb. Hitzelsberger, 1789 (Randersacker bei Würzburg) – 1827, königliche Kammersängerin; sie wurde 1805 vom Intendanten J. M. von Babo als Sängerin engagiert, später heiratete sie den Hofmusikus Theobald Lang; sie, die Mutter des Komikers Ferdinand L., war eine der gefeiertsten Kammersängerinnen (Sopran); sie sang die Bravourpartie der Telaira in P. Voglers »Castor und Pollux« und hatte als Benjamin C. M. von Weber begeistert; Meyerbeer versuchte sie vergebens für Paris zu gewinnen; seit 1811 beschränkte sich L. auf ihre Tätigkeit als Hofsängerin.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.