Ω
PILOTY
FERDINAND
LITOGRAPH
1786 – 1844
FERDINAND
D. J. KGL. PROFESSOR
KUNSTMALER
1828 – 1895
Ω
Piloty, Ferdinand (d. Ä.); 28.8.1786 (Homburg/Rheinl.Pfalz) – 8.1.1844 (München); Lithograph
Piloty, Ferdinand von (d. J.); 9.10.1828 (München) – 21.12.1895 (München); Freskenmaler und Illustrator
Schorn, Karl; 16.10.1803 (Düsseldorf) – 7.10.1850 (München); Historienmaler
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* 28.8.1786 (Homburg/Rheinl.Pfalz)
† 8.1.1844 (München)
Lithograph
Piloty, Ferdinand, Sohn des k. b. Hofschauspielers Max. Piloty, wurde am 28. August 1786 zu Homburg im bayer. Rheinkreise geboren. Er genoß seinen ersten Unterricht im Zeichnen von dem damaligen königl. Hofmaler, spätern Professor der königl. Akademie der Künste, Moriz Kellerhofen, zu München.
Da indeß der letztere durch überhäufte Geschäfte abgehalten wurde, Piloty fortwährend zu unterrichten, übernahm solches der als Künstler und Staatsdiener gleich hochgeachtete königl. Central-Gallerie-Direktor, Christian v. Mannlich. Dieser würdige Mann leitete mit väterlicher Theilnahme die künstlerische Entwicklung des jungen Piloty, welcher die k. Akademie der bildenden Künste besuchte, und Privatunterricht durch v. Mannlich im Oelmalen erhielt. In der Folge für die neue Erfindung der Steinzeichnung enthusiastisch eingenommen, bestimmte derselbe seinen Zögling, den Pinsel niederzulegen, und sich jenem Fache ausschließlich zu widmen.
Nach mehrfachen glücklichen Versuchen in der Lithographie war Piloty's erste größere Unternehmung »die Herausgabe lithographirter Abbildungen aus dem königl. Handzeichnungs-Kabinete,« welche derselbe in Kompagnie vom Jahre 1808 bis 1815 mit dem günstigsten Erfolge betrieb. In letzterem Jahre erhielt er die allerhöchste Erlaubniß, in Verbindung mit andern Künstlern Meisterwerke der königl. Gemälde-Gallerien zu München und Schleißheim lithographiren und veröffentlichen zu dürfen.
Dieses Unternehmen erregte bald allgemeines Interesse, und Ferd. Piloty wußte mit seinen Konsorten durch Korrektheit der Zeichnung, so wie richtige und getreue Darstellung der herrlichen Werke dieser Gallerien sich einen ehrenvollen Namen in der Kunstwelt zu erwerben, und schon im Jahre 1816 belobte das Comité des arts zu Paris dieses Werk in einem eigenen an die Herausgeber gerichteten Schreiben, so wie in der Folge mehrere umfassende Rezensionen in öffentlichen Blättern des Auslandes sich sehr günstig hiefür aussprachen. Trotz der großen Konkurrenz mit höchst gelungenen lithographischen Erscheinungen des In- und Auslandes wird noch zur Stunde das Gallerie-Werk von Ferd. Piloty fortgesetzt, und hat vorzüglich in der neuesten Zeit durch unverkennbare Vervollkommnung bei den Kunstkennern die wohlgefälligste Aufnahme gefunden.
Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.
Piloty Ferdinand (der Ältere), 1786 (Homburg/Rheinl.-Pfalz) – 1844, Lithograph; sein aus Venetien stammender Vater war mit Kurfürst Karl Theodor nach München gekommen; hier war P. Schüler von M. von Kellerhoven und J. Ch. von Mannlich, er wandte sich aber dann zur Steindruckkunst, wo er zusammen mit Strixner 432 Lithographien nach Handzeichnungen alter Meister herausgab, auch veröffentlichte er im Verein mit vielen anderen namhaften Künstlern ausgewählte Meisterwerke der Königlichen Gemäldegalerien von München und Schleißheim, ein Unternehmen, das allgemeines Interesse erregte; zusammen mit Loehle kam ein Galeriewerk der Münchner Pinakothek zustande; das von ihm gemeinsam mit Loehle gegründete »Lithographische Institut Piloty und Loehle« – in dem hauptsächlich Kartenwerke und Atlanten erschienen – gehörte seinerzeit zu den ersten lithographischen Anstalten Deutschlands.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 9.10.1828 (München)
† 21.12.1895 (München)
Freskenmaler und Illustrator
Piloty: Ferdinand P., Historien- und Genremaler, geboren am 9. October 1828 zu München, als der jüngere Sohn des gleichnamigen berühmten Lithographen (1786–1844), genoß mit seinem nachmals so gefeierten Bruder Karl v. Piloty (s. A. D. B. XXVI, 140) denselben Studiengang und Unterricht im Atelier des Vaters, bildete sich dann weiter auf der Akademie, insbesondere unter der Leitung seines späteren Schwagers Karl Schorn (siehe A. D. B. XXXII, 382), dessen coloristischen Vorzüge alsbald maßgebend wurden und bestimmend auf die beiden Brüder einwirkten. Nachdem Ferdinand P. schon 1848 mit der Figur eines »hl. Sebastian« auf der Kunstausstellung die ersten Proben seines Flügelschlages kundgegeben hatte, bethätigte er sich an dem großen Rundgemälde von Jerusalem, welches Ulrich Halbreiter (siehe A. D. B. X, 403), von 1848–50 zur Ausführung brachte, bei den figürlichen Staffagen, während der durch spätere Reisen nach Spanien, Algier und in den Kaukasus und seine interessanten Lebensschicksale so großes Aufsehen erregende Schlachtenmaler Theodor Horschelt (s. A. D. B. XIII, 160) die Pferde, Esel und Kameele, und August Löffler (s. A. D. B. XIX, 101) den landschaftlichen Theil auf sich nahm. Schon damals soll der junge P. beim Zusammenarbeiten durch seine kräftige Lichtwirkung die älteren Collegen zu einer helleren Farbengebung veranlaßt haben (Lützow's Zeitschrift I, 155). In den Kunstverein brachte P. 1849 eine »Wirthsstube«, in welcher ein alter Schnurrant Schmuckwaaren feilbietet; 1850 den »Tod des spanischen Malers Fernandez Arias im Spital«, nachdem derselbe noch kurz vor seinem Ende, wobei der kleine Murillo als Chorknabe assistirt haben soll, durch eine Zeichnung bewiesen hatte, wie unverdient er im höchsten Elend lebte. Dann folgten mehrere, nach dem Vorgang seines Bruders sehr coloristisch behandelte Genrestücke: ein »Aerztlicher Besuch«, die »Heimkehr vom Felde« und die »Erste Vakanz-Reise« (1855): drei mit Wanderstab, Ränzlein und Rauch-Utensilien stattlich gerüstete, das schöne Gebirgsland jauchzend begrüßende Studentlein, wobei die wonnigliche Reiselust den landschaftlichen Theil überwog (Julius Grosse in Beilage 124 »Neue Münchener Zeitung«, 25. Mai 1855). In zwei Varianten behandelte P. den »Thomas Morus im Kerker« (gest. von Schultheiß), wobei der Hauptaccent schon auf die realistische Darstellung der Kerkerwand und der Strohschütte fiel (Eggers' »Deutsch. Kunstblatt« 1856, VII, 291). Zwei Scenen (1857) aus »Raphaels Leben« und dessen »Sterbelager« geriethen in einen etwas gar zu novellistischen Ton (Jul. Grosse in Bd. 104 »Neue Münchener Zeitung«, Mai 1858). Für das »National-Museum« mit Fresken betraut, die theilweise sehr unmalerische Stoffe boten, entschädigte sich P. klüglich durch stimmungsvolle Lösung dieser Probleme. Wie wäre denn der »Stiftung eines Spitals« auf anderem Wege beizukommen? Noch schwieriger war das Thema wie »Der vierzehnjährige Pfalzgraf Georg Johann von Veldenz 1558 bei der Reformation der Heidelberger Universität die Dankrede hält«. Um die Darstellung einer Rede zu ermöglichen, ließ der junge Maler alle Register seiner coloristischen Begabung spielen. Ungleich bessere Motive bot eine Begebenheit aus dem »Bauernkrieg« (1525), wo die treuen Landleute von Weilersbach einen aufrührerischen Haufen gefangen nahmen. Noch glücklicher war die Aufgabe, die »Blüthezeit der freien Reichsstadt Augsburg im 16. Jahrhundert« in ein Bild zu bringen. Hier excellirte P. in virtuoser Freskotechnik und überbot alle in dieser historischen Galerie mitwirkenden älteren und jüngeren Zeitgenossen mit seiner glänzenden Manier, womit er ihnen ein selbstbewußtes »anch' io sono pittore« vorzureiten schien. Auch der mit Kostümen getriebene Makart-artige Prunkaufwand verblüffte alle Beschauer, obwohl der Opernspektakel der modernen Bühne unverkennbar mitspielte. Als Repräsentanten dieser reichen, kunst- und prachtliebenden Augsburger Mediceer wählte P. den reichen Hans Fugger, welcher in einem offenen Marmorsaale den Besuch der gleichgesinnten Patricierfamilie Franz Welser's empfängt; der schönen, ihre Eltern begleitenden Philippine bietet der junge Erzherzog Ferdinand eine Rose; im Hintergrund zeigt der alte Holbein den staunenden Frauen ein Tafelbild, davor ist um die klugblickende Herrin des Hauses eine Humanistengruppe placirt; die halboffene Halle gewährt einen Ausblick auf die prächtigen Bauwerke der Stadt. Der Steinfließ des Bodens knallt ordentlich vor Glätte. Manches wäre sicher nicht einwandfrei; am meisten stört die leidige Theater-Convenienz und der faustisch-mephistophelische erzherzogliche Werber um das kokettirende Gretchen. Man denkt an Platen's Rüge, daß der »Floskelschwall« vom Publicum »immer als schöne Sprache« gepriesen wird. Das Bild beanspruchte auch eine räumliche Ausdehnung, wie außer dem »Turnier« Schwolser's bisher kein Maler im Nationalmuseum eine solche Wandfläche in Anspruch genommen hatte. Es war eine »Conversatione«, wie selbe schon der Urbinate mit der sogenannten »Disputa« und »Schule von Athen« inscenirte, Schorn mit der deutschen und englischen Geschichte versuchte, Kaulbach mit der »Reformation« und mit dem Freskencyklus an der Neuen Pinakothek versinnlichte; Wilhelm Lindenschmidt bearbeitete verschiedene andere Fächer, wie Musik und Gelehrsamkeit, bis Karl v. Piloty mit dem riesigen culturhistorischen Münchener Stadtbild alle seine Vorgänger übertrumpfte. – General v. Spruner (s. A. D. B. XXXV, 325), der intellectuelle Urheber dieser historischen Galerie, welcher seinen Künstlern oft härtere Nüsse aufgab, lieferte als Hodeget unserm Ferdinand P. das nöthigste Material. Schließlich erhielt P. auch noch die »Verteidigung der Festung Gaëta«, wobei sich die Königin Maria von Neapel durch unerschrockenen Heroismus und wahre Charitas auszeichnete, ein Thema, welches als weiteres Prototyp der Piloty-Schule gelten mag. Auch das große, für die historische Galerie des Maximilianeums bestimmte, im bestechendsten Colorit ausgeführte Oelbild mit der »Heerschau der Königin Elisabeth über ihre englische Armada (1588)« blieb sachgemäß in dem engbegrenzten Niveau eines ceremoniellen Kostümstücks befangen. Inzwischen zeichnete P. viele Holzschnitt-Illustrationen zu Shakespeare, insbesondere zu »Othello« und »Romeo und Julia«, zur Stuttgarter Prachtausgabe von Schiller's »Gedichten« und malte allerlei, oft sehr harmlose Genrebilder, z. B. Kinder, die dem Bildniß ihrer Mutter einen Schnurrbart anmalen; »Egmont und Klärchen«, einen »Ritter beim Juwelier« (als Neuauflage von »Goldschmieds Töchterlein«), Karl V. in San Yuste, die »Wiedergenesung«, »Liebling in Gefahr« (eine junge Dame schützt ihr Kätzchen vor einem Hund), Bruder Kellermeister vor einem Stückfaß eingeschlafen à la Grützner, aber auch den Grafen Eberhard von Württemberg vor der Leiche seines Sohnes, die komische Scene »Nach der Sitzung« mit den im Weinkeller sich restaurirenden Rathsherren (gest. von Fleischmann; vgl. Lützow's Zeitschr. 1868 III, 76) und einen derselben Zopfzeit ungehörigen »Stadtarzt«. Infolge einer italienischen Reise brachte P. eine »Mutter mit ihrem Kind« und die »Predigt eines Mönches am Fischmarkt in Rom«, wobei P. mit Lenbach's »Titusbogen« rivalisirte. Nachdem der Künstler durch weitere Reisen nach Paris und Wien sich erfrischt hatte, entwarf P. die lebenswahren Culturscenen für das Rathhaus zu Landsberg: das »Bürgertanzfest«, wobei Herzog Ernst 1873 wacker mithielt (Nr. 51 »Ueber Land und Meer« 1886, 55, 1093) und die »Spitalbesichtigung durch Ludwig den Brandenburger«; zwei andere Bilder hatte Eduard Schwoiser (geb. 18. März 1820 zu Brüsau in Mähren, † 3. September 1902 zu München) gemalt. Für König Ludwig II. schuf P. einen Cyklus für das Schloß Neuschwanstein mit Episoden aus dem »Wartburgkrieg«, wobei namentlich die phantastischen Scenen mit dem unheimlichen Zauberer Klingsor in origineller Weise gelangen. Ein lebensgroßes Porträt König Ludwig II. in Feldmarschallsuniform lieferte P. für den Sitzungssaal der Landtagsabgeordneten (1876). – Dann trat P., welcher unter der steigenden Popularität seines celebren Bruders Karl Piloty vielfach zurückstand, demselben aber in unverbrüchlicher Treue völlig congenial ergeben blieb, von der Oeffentlichkeit zurück, ohne jedoch Pinsel und Palette ruhen zu lassen, da Ferdinand P. bei der malerischen Ausschmückung der königlichen Bauwerke in Linderhof und Herrenchiemsee (nebenbei auch mit einem Oelbild »Das Urtheil Salomo's«) vielfach in Anspruch genommen wurde. Gegen drohende Kränklichkeit stärkte er sich in der freien Natur als unermüdlicher Nimrod. – Ferdinand P. (er starb am 21. December 1895 zu München) war Inhaber der Ludwigs-Medaille für Kunst und Wissenschaft, Ehrenmitglied verschiedener Akademien, mit dem Titel und Rang eines köngl. Professors. – In früherer Zeit übte er auch das Erbe seines Vaters, die Lithographie, und zeichnete mehrere Bilder z. B. nach Gegenbauer ( Graf Eberhard der Rauschebart) und Philipp Foltz (Cid Campeador) auf Stein. – Eine große Zahl seiner besten Compositionen wurde von Schultheiß, Fleischmann, J. L. Appold u. A. in Stahlstich und Holzschnitt oder durch Hanfstängl und Jos. Albert in Photographie vervielfältigt und volksthümlich gemacht. Nicht so naturwüchsig und erfrischend wie viele Andere, mehr mit dem Verstand schaffend, imponirte dieser Maler doch durch den Respect vor der Kunst, durch die Strenge und Gewissenhaftigkeit, die er auf seine Arbeiten verwendete.
Vgl. Nagler, Monogrammisten, 1860, II, 854 (Nr. 2348). – Spruner, Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums, 1868, S. 562. – F. Pecht, Gesch. der Münchener Kunst, 1888, S. 253. – Nr. 355. d. Allgem. Zeitung v. 23. December 1895. – Kunstvereins-Bericht für 1895, S. 84. – Fr. v. Bötticher 1898, II, 276. – Louise v. Kobell, König Ludwig II. und die Kunst, 1896.
Hyac. Holland.
Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1896.
Piloty Ferdinand (der Jüngere), 1828 (München) – 1895, Maler, Illustrator und Akademieprofessor; er bildete sich u. a. in Rom, Paris und Wien aus und stand sehr unter dem Einfluß K. Schorns und seines Bruders Karl P., mit dem er das Streben nach malerischem Effekt teilt.
Hauptwerke: Fresken im Maximilianeum und Alten National- (jetzigen Völkerkundlichen) Museum an der Maximilianstraße in München, im Rathaussaal von Landsberg a. Lech (Szenen aus der bayerischen Geschichte) und im Schloß Neuschwanstein (Sängerkrieg auf der Wartburg), Supraporten in Herrenchiemsee; ferner lieferte P. Illustrationen zu Werken von Schiller und Shakespeare.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 16.10.1803 (Düsseldorf)
† 7.10.1850 (München)
Historienmaler
Bayern.
München. – Am 7. d. starb der ausgezeichnete Maler Karl Schorn, Prof. der Historienmalerei an der Akademie der bildenden Künste, nach langen Leiden im kaum erreichten 47sten Lebensjahre. Nur zu früh folgte er dem berühmtrn Rottmann ins Grab, ohne das von König Ludwig ihm aufgegebene große Bild »die Sündfluth« ganz zu vollenden.
Oberpfälzisches Zeitblatt Nro. 122. Freitag, den 11. Oktober 1850.
Deutschland.
Bayern.
München, 8. Okt. Gestern Abends starb der ausgezeichnete Maler Karl Schorn, Professor der Historienmalerei an unserer Akademie der bildenden Künste, nach langem Leiden in kaum erreichtem 47. Lebensjahre.
Landshuter Zeitung Nr. 242. Samstag, den 12. Oktober 1850.
Karl Schorn.
(Aus der »Allgemeinen Zeitung«.)
München, 11. Oktober. Wenn leidenschaftslose Ruhe bei sonst günstigen Verhältnissen eines der bewährtesten Mittel ist, das Leben zu verlängern, so kann es nicht überraschen, wenn Menschen, deren Herzen Vulkane sind, ungewöhnlich rasch verkohlen, zumal wenn die Gluth verschlossen brennt und ein feiner Nervengeist sie nährt. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich den Freund, dessen Körperhülle seit gestern die Erde deckt, während er nach gewöhnlicher Rechnung noch lange über ihr hätte wirken können, zu jenen Menschen zähle; gewiß aber gehört er zu denen, deren Andenken nicht spurlos verschwinden wird, weder vor den Fernstehenden, noch vor uns, die wir ihn kannten und liebten.
Karl Schorn ist 1802 in Düsseldorf geboren. Als ich ihn kennen lernte war er 21 Jahr alt, ein schöner, feiner junger Mann, voll Feuer der Rede und Bewegung und begeistert für die Kunst wie für Cornelius, der seinem Geist die ersten Schwingen angesetzt und sein Talent sehr hoch hielt. Seine Neigung hatte ihn in die Nebelfelder der nordischen Mythologie gezogen, und er glaubte dem Odin und Thor, dem Baldur und der Freia feste Gestalten geben zu können, und den Deutschen ihren ursprünglichen Himmel aufschließen zu müssen. Ich habe die Zeichnung seit der Zeit (nahebei 30 Jahre) nicht wieder gesehen, erinnere mich aber, daß sie uns allen durch die Freiheit und Kühnheit der Komposition und durch einen klar ausgesprochenen Schönheitssinn imponirte. Als Cornelius im Jahre 1825 nach München ging und ihm ein großer Theil seiner Schüler dahin folgte, wandte sich Schorn nach Paris, in der Hoffnung von französischen Meistern die Mittel der Ausführung zu gewinnen, die nach seiner Meinung daheim nicht zu finden waren. Denn er gehörte zu den ungeduldigen Seelen, die an der Pflanze die Blüthe haben wollen unter jeder Bedingung, und wenn sie eine fremde daran heften müßten. Im ganzen wenig erbaut kehrte er nach zwei Jahren aus Paris zurück und kam nach München, noch zeitig genug um in Gemeinschaft seiner alten Genossen an den Arkadenmalereien Theil zu nehmen und die Sinnbilder des »Ueberflusses« und der »Schutzwehr« auszuführen. Nach der Zeit zeichnete er mehrere Cartons für Glasfenster, welche der König Ludwig dem Dom zu Regensburg zum Geschenk machte, und ging hierauf nach Berlin, und zwar in das Atelier des Prof. Wach. Hier erst, darf man sagen, entschied sich seine künstlerische Richtung, aber höchst auffallenderweise ohne alle Beziehung zu dem Meister an den er sich angeschlossen, der ihn wie seinesgleichen betrachtete, ebenso wenig aber auch in Verbindung mit seinen ersten Jugendeindrücken durch Cornelius. Den Impuls zu der ihm eigenen Richtung nahm er nicht von der Macht des bildnerischen Formsinnes, auch nicht von der Fülle dichterischer Ideen, sondern aus seinem politischen Bewußtsein. Schorn war ein Mensch von der glühendsten Freiheitsliebe, von dem unversöhnlichsten Haß gegen das Unrecht und die Gewalt der Gewaltigen, ein Schwärmer für Schwärmer. Aber er war weit entfernt Propaganda machen zu wollen; seine Gesinnung hatte er für sich, kaum für vertrauliche Gespräche (vom öffentlichen Leben hielt er sich ganz fern) und für seine Kunst. In der Geschichte suchte er sich Zeiten und Helden, die für ihn reden sollten von dem, was seine Seele bewegte, und stellte sie dar; aber eben diese Zeiten und Helden, durch unklare, heftige, selbst unlautere Leidenschaften getrübt, hinderten die Gestaltung einer reinen Form, und drängten ihn zur Ergänzung derselben durch Aeußerlichkeiten. Das erste bedeutende Gemälde, das aus dieser Richtung hervorging, war Cromwell vor der Schlacht von Dunbar (es kam meines Wissens nach Königsberg), das zweite, das Verhör der Wiedertäufer in Münster (im Besitz des Königs von Preußen). In beiden Werken sind die Empörer nicht blind parteiisch, aber doch mit entschiedener Vorliebe dargestellt: in letzterem der Gegner, der Bischof von Münster, mit scharfer Bezeichnung seiner Nichtberechtigung zum Richteramt. Dennoch behandelte er geistliches Ansehen mehrentheils mit gemüthlichem Humor, ließ Leo X das Bildniß Luthers studiren, und zeigte mehrfach in seinen Bildern die frommen Brüder im Klosterkeller. Mit der Bestellung auf das Bild der Wiedertäufer ging Schorn im Anfang der 40er Jahre von Berlin nach Italien, kehrte aber nicht nach Berlin zurück, sondern blieb in München, wo er das eben erwähnte Bild malte, das bei seiner Vollendung zu der Meinung Veranlassung gab, als sei es in Folge der Ausstellung der belgischen Bilder (von Gallait und de Biesve) entstanden, obwohl es zur Zeit dieser Ausstellung nahebei vollendet war. Schorn war in keiner Verbindung mit der belgischen Schule gewesen, aber thatsächlich befand er sich mit ihr in gleicher Richtung und blieb dabei, wie weit sie ihn auch von dem ersten Antrieb seiner Jugend entfernen mußte. Nach Vollendung der Wiedertäufer entwarf er den Carton zu einem sehr großen Gemälde menschlicher Verworfenheit und des über sie hereinbrechenden Gottesgerichtes in der Sündfluth. Dieses Werk, in welchem für Liebe und Mitgefühl keine Handbreit Raum ist, weil alles, was darin dargestellt ist, das ganze Geschlecht mit Mann und Weib und Kind, mit Herrschern, Priestern und Unterthanen, nichts werth ist als daß es zu Grunde geht, hat etwas trostloses, vernichtendes. Denn keines der dargestellten Verbrechen ist von der Erde verschwunden, und der Richterspruch schwebt noch über ihr, und die Geretteten sind kaum von fern angedeutet. Aber die Größe und Kühnheit des Gedankens, das Ergreifende der Darstellung gegenüber den gewöhnlichen Sündfluthbildern, die sich in nichts von vergeblichen Rettungsversuchen bei einer Ueberschwemmung unterscheiden, bestimmten König Ludwig den Künstler mit der Ausführung des Gemäldes für die neue Pinakothek zu beauftragen. Bald darauf ward Schorn auch Professor an der Akademie der Künste zu München, und widmete sich neben seinem Gemälde mit großem Eifer der Heranbildung junger Talente in der von ihm vertretenen Richtung. Die Vollendung aber seines großen Werkes sollte er nicht erleben. Schon seit längerer Zeit kränkelnd und manche Heilmittel vergeblich versuchend, erlag er endlich am 7. Oktober seinen Leiden, ohne daß man mit Bestimmtheit wußte, wo ihr eigentlicher Wurzelstock war. Die Sektion hat seinen ganzen Körper in normalem Zustand und nur das kleine Hirn zerstört gefunden. Nur wenige haben ihn genau gekannt; sein vertrautester Freund war von seinem zwanzigsten Jahre an ohne Unterbrechung bis zum letzten Scheiden Hermann Stilke in Düsseldorf; aber auch wer ihn nur von ferne kannte muß von ihm sagen: er war ein Mann von Charakter und ein guter Mensch!
Beilage zu Nro. 247 der Neuen Münchener Zeitung. Donnerstag, den 17. Oktober 1850.
Schorn Karl, 1803 (Düsseldorf) – 1850, Historienmaler und Akademieprofessor; Sch. erhielt seine Ausbildung in Berlin und Paris und war in München Schüler von P. von Cornelius, seit 1847 Professor an der Münchner Kunstakademie; neben vielen Arbeiten aus der Geschichte, Mythologie und Legende nahm er an der Ausführung der Fresken in den Hofgartenarkaden in München teil und zeichnete die Kartons zu den Seitenfenstern des Regensburger Doms; eine Reise nach Italien gab Stoff zu launischen Genrebildern; sein größtes Werk ist das 1843–1845 im Auftrag König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen ausgeführte Gemälde »Die gefangenen Wiedertäufer vor dem Bischof Franz zu Münster«, das auf der Berliner Ausstellung von 1846 das größte Aufsehen erregte; für die Neue Pinakothek malte Sch. in kolossaler Dimension die Sintflut; charaktertiefe Auffassung und Sinn für Farbe waren die Grundzüge seines Talents; seine Szenen aus dem Klosterleben wirken für Katholiken oft verletzend.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.