Inhalt | Register | |



14 – 5 – 57* (Sanguinetti)

Ω

Das Grab ist nicht erhalten

Ω

|||

Francesco/Franz Sanguinetti

* 1800 (Carrara)
† 15.2.1870 (München)
Bildhauer

Bayerische National-Zeitung (29.9.1839)

München, 27. Sept. Auf der Ballustrade der von der Strasse zu dem Portale führenden Treppe des neuen Bibliothekgebäudes sind nun die vier dahin bestimmten, acht Fuß hohen Figuren von weissem Kalkstein aufgestellt, die dem Ganzen zur sinnvollen Zierde gereichen. Homer, Thucydides, Hippokrates und Aristoteles, als Repräsentanten aller Hauptrichtungen der Literatur in ihrer formellen und positiven Entwicklung, zeigen sich in ernster, würdiger Gestalt, in sizender nachdenklicher Stellung, mit charakteristischen Attributen. Diese Statuen sind aus dem Atelier der Bildhauer Mayer und Sanguinetti hervorgegangen.

Bayerische National-Zeitung No. 155. Sonntag, den 29. September 1839.

Neues allgemeines Künstler-Lexicon (1845)

Sanguinetti, Francesco, Bildhauer, geb. zu Carrara 1804, erhielt den ersten Unterricht in seiner Vaterstadt, und bezog 1818 zur weiteren Ausbildung die Akademie der Künste in Berlin, wo er bald der Lieblingsschüler des berühmten Rauch ward, indem kein anderer den Geist dieses Meisters in dessen Skizzen so erfasste und wiedergab, als Sanguinetti. Desshalb sandte ihn Hauch 1829 nach München, um das Modell zu der Statue des höchstseligen Königs Maximilian auszuführen. Nachdem er sich dieses Auftrages zur vollen Zufriedenheit sowohl seines Meisters als des regierenden Königs Ludwig von Bayern entlediget hatte, unternahm er eine Reise durch Italien, um durch das Studium der Antike die letzte Reife zu erlangen, aber nach seiner Rückkunft war es ihm nicht lange mehr möglich in Berlin zu bleiben, indem ihn die grossartigen Kunstschöpfungen des Königs Ludwig unwiderstehlich nach München zogen. Doch Sanguinetti erwarb sich auch in München bald einen geachteten Namen, und geniesst somit seit mehreren Jahren eine ehrenvolle Selbstständigkeit.

Zu Berlin arbeitete er im Atelier des Professors Rauch, und lieferte einige Werke, die ein tüchtiges Talent verriethen. Darunter erwähnen wir vornehmlich einer Statue des Hylas in Marmor. Dann führte er auch mehrere Büsten in Marmor aus, wie jene des Generals Lestock, des Majors Scharnhorst u. a.

Auch in München zeichnen sich seine Werke unter dem vielen Vortrefflichen, welches die Plastik daselbst bereits geliefert hat, aus. Von ihm sind die Statuen des Aristoteles und Hippokrates am Portale des neuen, von Gärtner erbauten prachtvollen Bibliothekgebäudes, die Statuen der Heiligen Ottilia und Lucia über dem Portale des neuen Blinden-Institutes, die Statue des Ornamentisten im Giebelfelde der Glyptothek, die Statuen Correggio’s, Hemling’s und Velasquez’s unter den Standbildern berühmter Künstler auf dem Dachgesimse der Pinakothek, die 16 Cariatyden im Thronsaale der k. Residenz, u. A. Dann führte Sanguinetti im Auftrage des Königs für die bayerische Ruhmeshalle mehrere Büsten in Marmor aus, wie jene von Albrecht Dürer, Abbé Vogler, Conrad Peutinger, Baron Kreitmayer, und in letzter Zeit jene des Feldherrn Tilly. Sein Werk sind ferner auch die Medaillons von bayerischen Herzogen in der Aula der Universität und die Portraitmedaillons an der Facade dieses Prachtgebäudes, in gebrannter Erde ausgeführt.

Dr. Georg Kaspar Nagler: Neues allgemeines Künstler-Lexicon oder Nachrichten von dem Leben und Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter etc. Bearbeitet von Dr. G. K. Nagler. München, 1845.

Allgemeine Zeitung (19.2.1870)

München, 17 Febr. Am 15 d. starb dahier der Bildhauer Francesco Sanguinetti. Geboren 1800 zu Carrara, studierte er zuerst in der Heimath unter der Leitung seines Vaters, und folgte schon im Jahr 1818 dem Meister Rauch nach Berlin, wo er bald dessen Lieblingsjünger wurde. Rauch sendete ihn 1829 nach München um die sitzende Kolossalstatue des Königs Maximilian Joseph I (mit den zu dessen Denkmal gehörigen Reliefs) zu modelliren. Nach einer kurzen Reise nach Italien kehrte Sanguinetti 1831 nach Berlin zurück, um mehrere Büsten nach Rauchs Modellen, auch eine Statue des Hylas in Marmor, selbständig auszuführen.

Nach München übergesiedelt arbeitete er anfangs größtentheils nach Schwanthalers Entwürfen und erwarb sich durch seine geschickte Ausführung in Stein einen rühmlichen Namen unter den gleich mitstrebenden Genossen Xaver Schwanthaler († 23 Sept. 1854), Leeb († 5 Juli 1883), Lossow (aus Bremen) und Gg. Zell. Nach Ludwig Schwanthalers Modellen meißelte er die an der Steintreppe der Hof- und Staatsbibliothek sitzenden Statuen des Aristoteles und Hippokrates, nach Konrad Eberhard die Standbilder der hl. Ottilia und Lucia am Portale des Blindeninstitutes. Zu Sanguinetti’s selbständigen Arbeiten gehören etliche Medaillon-Porträte von Gelehrten an der Facade der Universität, sowie die Herzogbilder in der Aula daselbst. Ferner entstanden die damals viel genannten Büsten des Ministers Karl Grafen v. Seinsheim, des Grafen v. Rechberg und einer vielgerühmten Münchener Schönheit, die Statue Memlings an der Pinakothek, desgleichen die des Ornamentisten im Giebelfelde der Glyptothek. Auch eine Anzahl kleiner Charakterstatuetten schuf Sanguinetti, z. B. die des Baumeisters Fr. Gärtner (noch in der Akademie) und einige humoristische Porträtfiguren, welche der Kunstverein erwarb.

Der überaus fleißige Mann erfreute sich bald eines behäbigen Wohlstandes und gründete einen eigenen Herd in einer mit drei Kindern gesegneten glücklichen Ehe. Der Abend seines Lebens wurde aber mit herben Schicksalsschlägen heimgesucht. Goethe’s goldene Wirthschaftsregel, daß der nicht von der Erde geborne Mann sich nicht mit der Erde einzulassen habe, bewährte sich auch hier in trauriger Weise: Sanguinetti verlor ein kleines Landgut (bei Starnberg), welches der Künstler nicht zu bewirthschaften verstand; dann fiel seine schön aufgeblühte Tochter, erst 19 Jahre alt, unter der Mörderhand eines eifersüchtigen Studenten (7 Oct. 1858); seine schöne Bildersammlung verschwand unbezahlt mit einem gewissenlosen Kunsthändler; zuletzt verlor er im Jahr 1866 sein mühsam erspartes Vermögen und wurde sogar zum Verkauf seines kleinen Hauses gezwungen. Sein letztes Werk, welches der seit fünf Jahren von der schmerzhaftesten Gicht geplagte, ehedem so bildschöne und baumstarke Mann nicht mehr vollenden konnte, war eine für das Nationalmuseum bestimmte Statue König Maximilians II, dessen Büste (noch als Kronprinz) seine erste selbständige Leistung in München gewesen war. Das ist der traurige Ausklang eines reinen, ursprünglich schön angelegten Künstlerlebens.

Allgemeine Zeitung Nr. 50. Augsburg; Samstag, den 19. Februar 1870.

Augsburger Postzeitung (22.2.1870)

Lokales und Provinzielles.

Am 15. ds. starb in München der Bildhauer Sanguinetti. Der Allg. Z. entnehmen wir über denselben folgende biographische Notizen: Geboren 1800 zu Carrara studirte Sanguinetti zuerst in der Heimath unter der Leitung seines Vaters und folgte schon 1818 dem Meister Rauch nach Berlin, wo er bald dessen Lieblingsschüler wurde. In den Dreißigerjahren siedelte er nach München über, wo er Anfangs größtentheils nach Schwanthaler’s Entwürfen arbeitete und sich durch seine geschickte Ausführung in Stein einen rühmlichen Namen erwarb. In der Folgezeit entstand eine Reihe geschätzter, selbständiger Arbeiten. Der sehr fleißige Mann erfreute sich bald eines behäbigen Wohlstands und gründete einen eigenen Herd in einer mit 3 Kindern gesegneten Ehe. Der Abend seines Lebens wurde aber mit herben Schicksalschlägen heimgesucht. Sanguinetti verlor ein kleines Landgut (bei Starnberg), welches der Künstler nicht zu bewirthschaften verstand; dann fiel seine schön aufgeblühte Tochter, erst 19 Jahre alt, unter der Mörderhand eines eifersüchtigen Studenten (sie wurde von K Ferner am 7. Oktober 1838 erschossen); seine schöne Bildersammlung verschwand unbezahlt mit einem gewissenlosen Kunsthändler; zuletzt verlor er im Jahre 1866 sein mühsam erspartes Vermögen und wurde sogar zum Verkauf seines kleinen Hauses gezwungen. Sein letztes Werk, welches der seit 5 Jahren von der schmerzhaftesten Gicht geplagte, ehedem so bildschöne und baumstarke Mann nicht mehr vollenden konnte, war eine für das Nationalmuseum bestimmte Statue König Maximilian’s II.

Augsburger Postzeitung Nr. 44. Dienstag, den 22. Februar 1870.

Allgemeine Deutsche Biographie (1890)

Sanguinetti: Francesco S., Bildhauer, geb. 1800 zu Carrara, erhielt von seinem Vater Gaetano S., einem vorzüglichen Musiker und Plastiker, den ersten Unterricht, folgte dann 1818 dem Bildhauer Rauch nach Berlin, wo er bald dessen Lieblingsschüler wurde, indem kein anderer den Geist dieses Meisters in dessen Skizzen so erfaßte und wiedergab als S. Deshalb sendete ihn Rauch 1829 nach München, um die sitzende Kolossalstatue des Königs Maximilian Joseph I. mit den zum Denkmal gehörigen Reliefs zu modelliren. S. löste seine Aufgabe sowol zur vollsten Zufriedenheit seines Meisters als auch des regierenden Königs Ludwig I., welcher in der Folge den Künstler immer im Auge behielt und mit Aufträgen betraute.

S. unternahm eine kurze Reise in seine Heimath, kehrte dann nach Berlin zurück, um in Rauch’s Atelier mehrere Büsten nach dessen Modellen zu vollenden und selbständig die Statue eines »Hylas« in Marmor auszuführen. Hierauf übersiedelte S. nach München, arbeitete anfänglich größtentheils nach Schwanthaler’s Modellen und erwarb sich durch seine geschickte Ausführung in Stein einen rühmlichen Namen ebenso wie Leeb, Xaver Schwanthaler, Lossow und Zell. Unter den die Steintreppe der Hof- und Staatsbibliothek schmückenden Statuen meißelte S. die Figur des Thucydides, auch die Statuetten der heiligen Ottilia und Lucia (nach Konrad Eberhard) über dem Portal des Blindeninstituts; ebenso ist die vorzügliche Statue des Ornamentisten im Giebelfelde der Glyptothek Sanguinetti’s Werk.

Im Gebiete der Kleinplastik erwies er sich gleichfalls thätig. S. modellirte die Charakterfigur eines »Münchener Bierwirths«, meißelte eine zierliche »Frauenhand« in Marmor (1833), schuf einen heiteren »Bettelknaben« (1834, in Erz gegossen von Stiglmayer) und zwei kleine Bildnißstatuetten von Leo v. Klenze und Fr. v. Gärtner (1835); später brachte er noch in den Kunstverein eine Statuette des Königs Maximilian II. (1850), der Königin Marie (1853) und eine Büste der Baronin v. Redwitz (1851).

Nach Schwanthaler’s Skizzen fertigte S. die Statuen des Correggio, Memling und Velasquez unter den Standbildern berühmter Künstler, welche das südliche Dachgesimse der Alten Pinakothek schmücken. Sein Werk sind ferner die Medaillons von bairischen Herzogen in der Aula der Universität und die Porträtmedaillons (in gebrannter Erde) an der Hauptfaçade dieses Prachtgebäudes, ebenso die 16 Karyatiden im Thronsaale der Residenz. Dann führte S. im Auftrage des Königs für die bairische Ruhmeshalle (Bavaria) mehrere Büsten in Marmor aus, wie jene von Albrecht Dürer, Konrad Peutinger, Gf. Tilly, Andreas Wolf, Wiguläus Frhr. v. Kreittmayr, Abbé Vogler u. s. w. Zu seinen späteren Leistungen gehören zwei Victorien am Siegesthor, etliche Halbfiguren (Kränze haltend) am Nationalmuseum und die Genien auf der Bekrönung des Maximilianeum.

Während S. unter redlicher Arbeit alterte, hatte er noch das Unglück, daß seine einzige Tochter Friederike, völlig schuldlos, von ihrem eifersüchtigen Bräutigam am 7. October 1858 ermordet wurde. Am 15. Februar 1870 legte S. sein müdes Haupt zur Ruhe; er hatte, so viel es in seinen Kräften stand, beigetragen, der unter König Ludwig’s Aegide rasch erblühenden Stadt einen würdigen Theil ihres decorativen Schmuckes zu verleihen.

Vgl. Raczynski 1840, II, 683. – Nagler 1845, XIV, 264. – Nekrolog in Beil. 50 der »Allgem. Ztg.« vom 19. Februar 1870. – Lützow 1870, V, 106.

Hyac. Holland.

Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1890.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


Erstellt mit jutoh digital publishing software (Anthemion Software Ltd.)