Ω
AKADEMIE-
PROFESSOR
EDUARD
SCHLEICH D. Ä.
LANDSCHAFTS-
MALER
1812 – 1874
Ω
Schleich, Eduard (jun.); 15.2.1853 (München) – 28.10.1893 (München); Landschaftsmaler
Schleich, Eduard (sen.); 12.10.1812 (Schloß Harbach bei Landshut/Ndb.) – 8.1.1874 (München); Landschaftsmaler und Akademieprofessor
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* 15.2.1853 (München)
† 28.10.1893 (München)
Landschaftsmaler
Schleich: Eduard Sch. jun., Landschaftsmaler, geboren am 15. Februar 1853 in München, † am 28. October 1893 ebendaselbst, sollte sich, nach dem Willen seines Vaters, des berühmten gleichnamigen Malers (s. A. D. B. XXXI, 393) nicht zur Kunst wenden; besuchte die Volks- und Lateinschule, absolvirte 1872 als einer der Besten das Gymnasium, wo Sch. indessen schon als Schüler von Julius Zimmermann (geboren 1824 in Augsburg, † am 7. April 1906 zu München) mit leidenschaftlichem Eifer zeichnete und aquarellirte. Am liebsten hätte der Jüngling die Künsterlaufbahn betreten, allein der Vater, in Erinnerung des dornenvollen Weges, auf welchem er sich freilich so glorreich durchgerungen hatte, widerstand entschieden seiner Neigung und schickte ihn auf das Polytechnikum, um sich zum Architekten zu bilden. Obwohl der Sohn alle darauf bezüglichen Fächer fleißig betrieb, so stieß ihn doch der technische Theil derselben, insbesondere die Mathematik, entschieden ab, wogegen er im Zeichnen und Malen rühmlichst hervorstach. Da nunmehr das väterliche Talent unverkennbar vererbt schien, erlosch die bisherige principielle väterliche Abneigung und der Alte ertheilte ihm die erste Anleitung, ebnete die Wege, indem er jedoch jederzeit eindringlichst auf die unabsehbaren Mühen, Schwierigkeiten, Entbehrungen und Enttäuschungen hinwies, die jede Künstlerlaufbahn durchqueren. Da nach kaum halbjährigem Unterricht der väterliche Meister der damals grassirenden Cholera am 8. Januar 1874 rasch erlag, so suchte Sch. Rath und Hülfe an der Akademie, verließ dieselbe aber bald wieder, um im Umgang mit den bewährten Freunden des Vaters, zugleich in dessen Skizzen und Studien, die Räthsel zu lösen, wendete sich ebenso an das Studium der Natur, in welches ihn Jos. Wenglein liebevoll einführte und mit Rath und That weiter förderte. Die mit Recht bestaunten coloristischen Experimente seines Vaters fochten ihn wenig an, er vermied auch auf Studienreisen nach Paris, Belgien oder Frankreich fremde Stimmungen einzuheimsen: lieber kehrte er zu der ehedem von seinem Vater so treugepflegten deutschen Heimath zurück, die er mit hellen Augen erfaßte und wiedergab. Sch. hatte nicht bloß den Namen, sondern auch die außerordentliche Begabung des Vaters geerbt. Die Münchener Hochebene und das bairische Gebirge lieferten ihm fürderhin die Stoffe für seine Bilder. Er liebte lichte, sonnige, freundliche Stimmungen: dunstige, helle Sommermorgen mit schräg einströmenden Lichtwellen, prächtige thaufrische Scenen aus dem heimischen Laubwald, mit äugendem oder äsendem Wild staffirt. Sch. begann 1881 mit einem Morgen im Moos, mit einer Mondnacht aus den Isarauen, die ungetheilten freudigen Beifall fanden; 1883 kamen Eindrücke aus dem bairischen und ein Abend in dem herbstlich belaubten Thüringerwalde: unter dem Beschauer liegt in verlockender abendlicher Kühle das enge Waldthal, hoch darüber ragen die mächtigen im blendenden Lichte der sinkenden Sonne aufleuchtenden Bauten der Wartburg (Lützow's Zeitschrift 1883, XVIII, 497) Dann kam ein Nebelmorgen über sumpfiger Landschaft (Gartenlaube 1885, S. 269); ein Motiv aus Mittelfranken (Schillingsfürst) und eine Erinnerung an das Starnberger Mühlthal (1885), ein Herbstmorgen in den Bergen (1886). Das Jahr 1888 lieferte eine ganze Serie: den Frühling unter den Birken und einen epochemachenden »Buchenwald«: das volle heiße, weiße, unruhige Mittagsonnenlicht fällt über die Höhe in einen Holzschlag, zitternd, flimmernd, an allen Kanten glitzernd. Ein »Garteninterieur« im Frühling, mit blühenden Apfelbäumen brachte eine duftige, frische Lenzstimmung in höchst poetischer und naturwahrer Weise zur Geltung. Dann ein nebeliger »Morgen« in einer Thalniederung mit äsenden Rehen; der Reiz der Ebene bei Freising (1889); ein colossales Bild schilderte die flache Gegend zwischen Feldmoching und Schleißheim mit ihren feinen Beleuchtungseffecten, ihrer zarten duftigen Ferne und einem klaren, lichtdurchflutheten Himmel; eine ähnliche Fernsicht von Dachau aus bis in die Alpen hatte ehedem sein Vater auf die Leinwand gebannt. Die Ausstellung des Jahres 1890 gewährte einen tiefen Einblick in die überraschende Schaffenskraft des Malers. Da erschien ein Vorfrühling aus den Isarauen: noch sproßt kein Grün, doch das blattlose, in dichtem Gewirr den Thalboden deckende Strauchwerk zeigt schon abwechslungsreiche Farben, die in Verbindung mit dem fahlen Gras, mit den überwinterten welken Blättern und den tiefen Tönen der Nadelbäume ein entzückendes coloristisches Ganze geben. Zwei andere Bilder entstammen der Ebene: das eine schildert im Vordergrunde ein Stück sumpfigen Terrains mit reicher, sommerlicher Flora, blühendem Schilf, formenschönen mächtigen Blattpflanzen, eine Viehherde als Staffage. Das andere giebt eine Sommerabendstimmung: das Dorf im Vordergrunde liegt schon in tiefem grauen Schatten, aber der ganze Himmel ist noch hell und leuchtend, mit kleinen vom Abendwind verstreuten Wölkchen. Ein weiteres Bild gewährt den Einblick in Frühjahrgärten mit Blüthenbäumen; auf dem Gras schimmert noch der Thau und Morgendunst. Abermals führt er uns in einen Wald, im vorgeschrittenen Frühjahr, helles gebrochenes Morgenduftlicht wogt über dieses freundliche Stückchen Erde. Wie hat der Meister die stillste Natur in ihrem heimlichen Schaffen, hoffenden Treiben, Keimen und Werden belauscht! wie verstand Sch. mit allem technischen Raffinement schön zu malen, immer überzeugend und wahr zu sein; ein echter Dichter im Bereich der Farbe. Das »Wie« aller dieser Arbeiten hält ihrem gegenständlichem Reiz die Waage. Seine ganze Art hatte sich organisch zur möglichsten Höhe entwickelt. Er malte hell, farbig, breit, flott, ohne bei aller Minutiosität gequält zu werden. Die einfachsten Motive und scheinbar unbedeutendsten Gegenden wußte er interessant zu machen, überall weht ein idealer Duft. Was er, nicht allein mit dem Stift, sondern auch mit der Flinte auf dem Rücken Wald und Au durchschweifend, zu seines Herzens Lust und Entzücken fand, wußte er festzuhalten und so wiederzugeben, daß es dem Beschauer unwiderstehlich die Seele erfüllte, ihn erquickte und erheiterte.
Das Vertrauen seiner Freunde berief ihn zu Commissionen und in Ausstellungen, wo er seine schweren, vielseitigen Verpflichtungen glänzend löste, und als tüchtiger Rathgeber die gemeinsamen Interessen förderte. Aber mitten im schönsten, glücklichsten Schaffen und Familienleben ereilte ihn das lauernde Unheil. Schon im Herbst 1891 trübte sich sein heller Geist. Im folgenden Winter schien die Krankheit zu schwinden zur größten Freude der Angehörigen, die wetteifernd alles aufboten, die gefährdete Gesundheit zu retten. Doch Ende April 1893 trat die Krankheit heftiger und kräftiger auf und trennte ihn von den Seinen, bis den ganz Umnachteten der Tod in einer Heilanstalt vom martervollen Dasein erlöste. Eine Ausstellung vieler fertiger Landschaften und Studien erweckte ebenso freudige Bewunderung wie auch die erneute Klage um die heillos zerstörte Frische und den edlen, sonnigen Geist.
Vgl. Nekrolog im Münchener Kunstvereins-Bericht, 1893, S. 73. – A. Rosenberg, Gesch. der modernen Kunst, 1894, III, 130. – Singer 1901, Nr. 205 weiß nur daß Sch. »wie der Vater malte«. Eine kurze Uebersicht s. Leistungen gibt der fleißige Bötticher 1901, II, 577.
Hyac. Holland.
Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1908.
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* 12.10.1812 (Schloß Harbach bei Landshut/Ndb.)
† 8.1.1874 (München)
Landschaftsmaler und Akademieprofessor
Eduard Schleich.
Es ist nicht wohl möglich die Bedeutung eines so hoch über das gewöhnliche Maß hervorragenden Künstlers wie Eduard Schleich auch nur annähernd zu erfassen, wenn man sich die Richtung nicht klar gemacht hat, welche sich in ihm gewissermaßen verkörpert. Gar Mancher, der täglich die Worte Styl und Stimmung im Munde führt, käme in arge Verlegenheit, wenn er sagen sollte, welche Begriffe er damit verbindet.
Ist der Styl, etwas Bleibendes, innerlich Nothwendiges, der dauernde Charakter der Natur, durch Form und Farbe ausgesprochen, unwandelbar wie der Verstand, so zeigt sich uns dagegen die Stimmung als etwas Wechselndes, Zufälliges, als der vorübergehende Charakter der Natur, durch Licht- oder Farbenwirkung zum Ausdruck gebracht, beweglich wie das Leben des Gemüthes. Demnach ist wohl keine von allen Kunstfragen müßiger als die, ob die stylisirte, oder ob die Stimmungslandschaft höher zu stellen sei. Für den Künstler handelt es sich nur darum, zu welcher von Beiden er sich stärker hingezogen fühlt; für den Beschauer noch weiter darum, was Jener in der einmal gewählten Richtung leistet. Der Stylist wie der Stimmungslandschafter verfolgen dasselbe Ziel, wenn auch auf verschiedenen Wegen. Der Eine erreicht die poetische Wirkung durch charakteristische Auffassung und Wiedergabe einer stylvollen Natur, der Andre durch Festhalten einer auf Auge oder Gemüth wirkenden Stimmung. Der wahre Unterschied zwischen Beiden liegt keineswegs in dem stärkeren oder schwächeren Betonen der Farbe, sondern darin, daß der Stylist zunächst den in der Form sich aussprechenden Charakter der Natur in's Auge faßt und seine Farbe hienach, wenn und soweit es nöthig, modifizirt, wobei ein mehr oder minder selbstständiges Verhalten der künstlerischen Anschauung zur Natur nicht ausbleiben kann, während der Stimmungslandschafter zunächst die Farbe in Betracht zieht und dem Formcharakter nur in die zweite Reihe stellt. Man könnte Jenen dem epischen, diesen dem lyrischen Dichter vergleichen.
Kein Kunstzweig räumt der künstlerischen Individualität einen weiteren Spielraum ein als die Landschaftsmalerei; in ihr spiegelt sich die subjective poetische Empfindung klarer ab, als irgend anderswo, in ihr bedient sich der Künstler in fast unbeschränkter Weise der Form, wie der Farbe, um jene zum Ausdruck zu bringen. Und gerade darin liegt das wahrhaft ideale Element der Landschaftsmalerei, das nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Nur ein wahrhaft poetisches Talent wird in diesem Kunstzweige wirklich Bedeutendes leisten und als ein solches im vollsten Sinne des Wortes tritt uns Eduard Schleich entgegen.
Durch seine Werke weht jener ideale Duft dichterischen Empfindens, welcher allein die Seele der Natur zu versinnbildlichen vermag. In ihnen schauen wir jenes tiefe Sichversenken des Künstlers in das innerste Leben und Weben derselben, welches, vor dem lauten Geräusche des Tages zurückbebend, in eine ideale Einsamkeit flieht, um dort in ahnungsvoller Beschaulichkeit seiner selbst zu genießen. Gleich den Klängen einer fremdartigen Melodie gemahnt uns diese, halb schwermüthige, selten heitere, aber immer empfindungstiefe Poesie, wie die regellosen, aber wunderbar ergreifenden Accorde der vom Hauche der Natur selbst beseelten Aeolsharfe gegenüber der rauschenden eleganten Musik der Concerte und Opern. Schleich ist eine innerlichst musikalische Natur; die Farben sind die Töne, die er zu wohlklingenden Harmonien zu verbinden weiß, und in Harmonieen löst er scheinbare und selbst wirkliche Dissonanzen auf. Sein Grundton aber ist ein vorwiegend ernster, elegischer. Motive, die in der Hand eines Andern völlig werthlos wären, erhalten in seiner eine Tiefe der Bedeutung, welche sich kaum ahnen ließ und so das glänzendste Zeugniß für seine dichterische Begabung ablegt.
Aus dem Gesagten erklärt sich leicht seine Vorliebe für die Wirkung von Mondnächten, in deren Wiedergabe er eine seltene Meisterschaft besitzt. Wir stehen inmitten eines weit gestreckten Moores; der Himmel ist stark bewölkt, das Schilf schwankt im Winde; im Wasser zwischen den schlanken Rohren glitzert das bleiche Mondlicht. Ein roher Knüppeldamm führt in das Moor hinein, und wir scheuen uns fast ihn zu betreten, nicht als ob wir unbekannten Gefahren entgegen zu schreiten fürchteten, sondern weil unser tönender Schritt die geheimnißvolle Ruhe der Natur stören wird. Unwillkührlich gedenken wir vor dem Bilde der Schilflieder des unglücklichen Lenau.
Und wieder sehen wir uns vom Lichte des Mondes umflossen. Wer es glänzt auf den blanken Kuppeln von St. Maria della Salute und spielt wie flüssiges Silber über den Wellen der Lagune an den Marmorstufen, welche von der Riva degli Schiavoni zu jener hinabführen. Dunkle Gondeln schaukeln träumerisch hin und her. Lichte Wölkchen ziehen über den Himmel und lassen die wunderbaren Formen der Paläste an der Piazzetta und am Canal grande noch phantastischer hervortreten. Sei uns gegrüßt, du Königin der Meere!
Dann führt uns der Künstler hinab an die flachen Ufer der Schelde, die langsam dem Meere zuschleicht. Es ist, als ob selbst die Lüfte etwas vom holländischen Phlegma angenommen hätten; die Wolken, hinter denen der Mond schläferig hervorschaut, bewegen sich nur schwerfällig dahin, die Segel der Boote hängen schlaff von den Raaen herab, der Fluß liegt still wie ein See.
Aber diese Ruhe ist nicht des Künstlers wahres Element, das ist Bewegung, lebensfrische, energische Bewegung. Er liebt es mit gewaltigen Massen zu wirken, bald läßt er unsern Blick über weite Ebenen schweifen, über denen grandiose Wolkenformen sich aufbauen, bald verlegt er den Schwerpunkt seiner Wirkung geradezu in diese selbst.
Wir stehen im Hofgarten zu Dachau; vor uns liegt die weite Hochebene Münchens, viel verleumdet und doch ewig schön; dem zu früh heimgegangenen Christian Morgenstern gebührt das Verdienst, sie für die Landschaftsmalerei entdeckt zu haben. Noch breitet über einen Theil derselben das Sonnenlicht seinen Zauber, aber vom Westen her zieht in majestätischer Ruhe ein Heer dichtgeballter Gewitterwolken und sendet dunkle Schatten voraus. Unser Standpunkt ist ein hoher. Mit geringen Mitteln wußte der Künstler in uns die Empfindung rege zu machen, als ob das Terrain, über welches unser Auge bis zu den fernen Alpen wegfliegt, einen Schritt vor uns jäh und unvermittelt abfalle. Unser Herz klopft dem großartigen Schauspiel entgegen, das in wenigen Minuten beginnen wird.
An die Stelle der Ebene bei München tritt die vom nähergerückten Hochgebirge begrenzte, reichbebaute mit freundlichen Ortschaften belebte, im Charakter der Umgebung des Chiemsees, in welcher Fruchtfelder und Waldpartien lieblich wechseln. An den Bergen zieht ein mächtiges Gewitter hin und gibt die prächtigsten Lichteffecte. Ein Regenbogen spannt sich leuchtend über das Land und drückt den Gedanken des Wohlthuenden und Versöhnlichen der großen Naturerscheinung prägnant aus.
Weite Wasserflächen üben auf Schleich keinen geringeren Reiz, als weite Ebenen. Seine ganze Meisterschaft in der Behandlung der Luft concentrirt sich in dem Kampfe der Sonne mit dem Nebel, der über dem See liegt. Er weiß ihn so täuschend und zugleich so künstlerisch schön darzustellen, daß man jeden Augenblick das Durchbrechen der Sonne erwartet. Denn daß der Sieg ihr bleibt, das zeigen die leuchtenden Reflexe auf dem Spiegel des Sees, das Wogen und Wallen der feuchten Dünste, die unter ihren erwärmenden Strahlen in Bewegung kommen.
Aber nicht immer wird die Sonne Siegerin im Kampfe. Wir stehen in eintöniger Fläche; unendlich stürzt der Regen herab und legt einen dichten Schleier zwischen uns und die einsamen Baumgruppen, die dort und da zwischen den Wiesen aufsteigen. Der Anblick ist ein völlig trostloser, und doch können wir unser Auge nicht abwenden von so viel Wahrheit und Poesie; denn – wie sehr wir dem Gedanken widerstreben möchten – Poesie ist auch im strömenden Regen. Aber es bedarf des dichterischen Gemüthes eines Schleich, um sie in so überzeugender Weise zum Ausdruck zu bringen.
Dort regnet es wohl auch, aber es ist einer jener warmen leichten Sommerregen, die Natur und Menschen gleich wunderbar erquicken. Die Bäume und Sträucher werfen bereits wieder leichte Schatten, die Ebene glitzert und flimmert in den Strahlen der Sonne, welche eben durch die dünnen Wolken bricht, die vor unsern Augen wegzufliegen scheinen.
Und wieder war es eine stürmische Nacht; Regenschauer um Regenschauer zog über das Land, und mit krankhaft bleichem Lichte steigt die Sonne über den Horizont empor, um den zweifelhaften Kampf mit den noch immer dichten Wolken aufzunehmen, den sie gestern unentschieden abgebrochen. In solchen Stimmungen muß Schleich geradezu unerreichbar genannt werden.
Es ist wunderbar, mit welch' unendlich einfachen Motiven derselbe Künstler oft zu wirken weiß, dem kein Blick ins Land zu weit, ja dem der Himmel darüber manchmal zu eng scheint. Ein kleines Stück Moor, ein einsames Kornfeld, ein paar Bäume auf der Ebene genügen ihm, um uns unwiderstehlich zu fesseln, um uns in die geheimsten Schönheiten der Natur einzuweihen. Keiner weiß mit solcher Meisterschaft den eigenthümlichen Zauber darzustellen, der dem Himmel über unsrer bayerischen Hochebene eigen ist; kein Andrer versteht es bei gleicher Großartigkeit der Auffassung, die uns unwiderstehlich packt, und bei gleicher Gewalt der Stimmung, der wir uns nicht zu entziehen vermögen, die bedeutendsten Erscheinungen der Natur in poetischer Weise mit so scheinbar geringen Mitteln festzuhalten, wie Schleich. Fesseln auch manche seiner Bilder nicht auf den ersten Blick, so doch später mit desto größerer Entschiedenheit und Nachhaltigkeit, sei es durch Größe und Adel der Conception, sei es durch ihre geradezu unübertroffene Farbe. Eine reichquellende Phantasie und eine unglaubliche Fülle von künstlerischen Erfahrungen schützen ihn auch bei größter Productivität vor Wiederholungen. Sein Hauptwerth dürfte übrigens nach unserm subjektiven Dafürhalten in der Darstellung von Scenen unruhigen und heftigen Lichtwechsels liegen, die wir schwerlich anderswo so durch und durch harmonisch vorgetragen finden, während hinter scheinbarer Monotonie (und hie und da wohl auch Skizzenhaftigkeit) sich ein Reichthum und eine Durchbildung der Luftsperspective birgt, die selbst sehr genau behandelte Landschaften nicht immer aufzuweisen haben.
Münchener Propyläen Nr. 28. Wochenschrift für Literatur, Theater, Musik und bildende Kunst. München, 1869.
Eduard Schleich,
Landschaftsmaler.
Eduard Schleich, nach Carl Rottmann unzweifelhaft der bedeutendste von allen Münchener Landschaftsmalern, ist am 12. October 1812 im Schlosse Haarbach, Bezirksamts Vilsbiburg, wenige Stunden von der alten Herzogsstadt Landshut, geboren. Nachdem er den üblichen Vorunterricht genossen, verbrachte er einige Jahre im k. Erziehungsinstitute zu Amberg in der Oberpfalz, verließ jedoch die Studien bald, um sich der Kunst zu widmen, wozu ihn lebhafte Neigung von früher Jugend an gezogen, obwohl es an äußeren Elementen fehlte, welche dieselbe hätten wecken oder steigern können.
Eduard Schleich ist vorwiegend Autodidakt; er bildete sich erst an der Natur und dann durch das Studium der alten Meister in den Sammlungen zu München und Schleißheim. Wie die meisten Münchener Künstler empfing er die ersten tiefer gehenden Natureindrücke auf Reisen in das bayerische Gebirge und Tyrol und er verwerthete selbe auch in den Bildern jener ersten Periode. Erst später erschloß sich ihm die ganze künstlerische Bedeutung der Ebene mit ihrer großen Luftperspective, in deren Behandlung er eine so außerordentliche Meisterschaft erreichen sollte. In späteren Jahren dehnte er seine Studienreisen weiter aus, sah Oberitalien, Belgien und Frankreich, sowie Holland, und nahm dort in Natur und Sammlungen eine Menge neuer Eindrücke in sich auf, welche von wesentlicher Einwirkung auf seine künstlerische Entwickelung waren.
Es ist nicht wohl möglich, die Bedeutung eines so hoch über das gewöhnliche Maß hervorragenden Künstlers, wie Eduard Schleich, auch nur annähernd zu erfassen, wenn man sich nicht die Richtung klar gemacht hat, welche sich in ihm gewissermaßen verkörpert.
Gar Mancher, der täglich die Worte Styl und Stimmung im Munde führt, käme in arge Verlegenheit, wenn er sagen sollte, welche Begriffe er damit verbindet.
Man pflegt ein Bild stylisirt zu nennen, dessen Urheber nicht sowohl die Natur in ihrer Erscheinung stricte wiedergeben, als vielmehr im Bewußtsein derselben hinsichtlich ihrer Form und Farbe, ohne sie wesentlich zu verändern, frei schöpferisch verfahren wollte. So erscheint uns der Styl als etwas Bleibendes, innerlich Nothwendiges, als der dauernde Charakter der Natur, durch Form und Farbe ausgesprochen, unwandelbar wie der Verstand. Wir verbinden damit den Begriff des Idealisirens, weil, wie wir gesehen, das Kunstwerk nicht aus dem Verlangen nach einfacher Nachahmung, sondern aus dem Drange entsprungen ist, der Schönheitsidee Ausdruck zu geben, mit welcher der Künstler die Idee der Natur auffaßte und durch einen gewissermaßen zweiten Schöpfungsproceß das im Kunstwerke zu erreichen trachtete, was sie in ihrer Wirklichkeit so bedeutsam nicht darzubieten vermag.
Andrerseits zeigt sich uns die Stimmung als etwas Wechselndes, Zufälliges, als der vorübergehende Charakter der Natur, durch die Wirkungen des Lichtes und der Farbe zum Ausdruck gebracht, beweglich wie das Leben des Gemüthes.
Es ist deshalb wohl keine von allen Kunstfragen müssiger, als die, welche von beiden Landschaften höher zu stellen sei, die stylisirte oder die Stimmungslandschaft. Für den Künstler aber handelt es sich nur darum, zu welcher von beiden er sich stärker hingezogen fühlt; für den Beschauer noch weiter darum, was Jener in der einmal gewählten Richtung leistet.
Der Stylist wie der Stimmungslandschafter verfolgen das nemliche Ziel, wenn auch auf verschiedenen Wegen. Der Eine erreicht die poetische Wirkung durch charakteristische Auffassung einer stylvollen Natur, der Andere durch Festhalten einer auf Auge oder Gemüth wirkenden Stimmung. Der wahre innerliche Unterschied zwischen Beiden liegt keineswegs in dem stärkeren oder schwächeren Betonen der Farbe, wie man häufig behaupten hört, sondern darin, daß der Stylist zunächst den in der Form sich aussprechenden Charakter der Natur in’s Auge faßt und seine Farbe hienach, wenn und soweit nöthig, modificirt, wobei ein mehr oder minder selbständiges Verhalten der künstlerischen Anschauung zur Natur nicht ausbleiben kann, während der Stimmungslandschafter zunächst die Farbe in Betracht zieht und den Charakter der Form erst in die zweite Reihe stellt. So könnte man Jenen dem epischen, Diesen dem lyrischen Dichter vergleichen.
Kein Kunstzweig räumt der künstlerischen Individualität einen weiteren Spielraum ein, als die Landschaftsmalerei. In ihr spiegelt sich die subjektive poetische Empfindung klarer ab, als irgend anderswo, in ihr bedient sich der Künstler in fast unbeschränkter Weise der Form wie der Farbe, um sie zum Ausdruck zu bringen. Und gerade darin liegt das wahrhaft ideale Element der Landschaftsmalerei, das nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Nur ein wahrhaft poetisches Talent wird in diesem Kunstzweige Bedeutendes leisten, und als solches im vollsten Sinne des Wortes tritt uns Eduard Schleich entgegen.
Durch seine Bilder weht jener ideale Duft dichterischen Empfindens, der allein im Stande ist, die Seele der Natur zu versinnbildlichen. In ihnen schauen wir jenes tiefe Sichversenken des Künstlers in das innerste Leben und Weben derselben, welches, vor dem lauten Geräusche des Tages zurückbebend, in eine ideale Einsamkeit flieht, um dort in ahnungsvoller Beschaulichkeit seiner selbst zu genießen. Gleich den Klängen einer fremdartigen Melodie gemahnt uns diese halb schwermüthige, selten heitere, aber immer empfindungsvolle Poesie, wie die regellosen aber wunderbar ergreifenden Accorde der vom Hauche der Natur selbst beseelten Windharfe gegenüber der rauschenden eleganten Musik der Opern und Concerte.
Schleich ist eine innerlichst musikalische Natur. Die Farben sind die Töne, die er zu wohlklingenden Harmonien zu verbinden weiß und in Harmonien löst er scheinbare und wirkliche Dissonanzen auf. Sein Grundton aber ist ein vorwiegend ernster, elegischer. Motive, die in der Hand eines Andern völlig werthlos wären, erhalten in seiner eine Tiefe der Bedeutung, welche sich vorher kaum ahnen ließ und so das glänzendste Zeugniß für seine dichterische Begabung ablegt.
Aus dem Gesagten erklärt sich mit Leichtigkeit seine Vorliebe für die Wirkung von Mondnächten, in deren Wiedergabe er eine seltene Meisterschaft besitzt. Nicht minder gilt dies von der Darstellung von Regenschauern. Sogenannte schöne Gegenden sucht man bei Schleich vergebens, obwohl ihm kein Blick in’s Land zu weit, ja der Himmel darüber oft zu eng scheint. Ein kleines Stück Moor, ein schilfbewachsener Teich, ein einsames Kornfeld, ein paar Bäume auf der Ebene genügen ihm, um den Beschauer unwiderstehlich zu fesseln, um ihn in die geheimsten Schönheiten der Natur einzuweihen. Keiner weiß mit solcher Meisterschaft den eigenthümlichen Zauber wiederzugeben, welcher dem Himmel über der bayerischen Hochebene eigen, der schon Claude Lorrain begeisterte; kein Andrer versteht es bei gleicher Großartigkeit der Auffassung, die uns unwiderstehlich packt, und bei gleicher Gewalt der Stimmung, der wir uns nicht zu entziehen vermögen, die bedeutendsten Erscheinungen der Natur mit scheinbar so geringen Mitteln in so poetischer Weise festzuhalten, wie Schleich. Fesseln auch manche seiner Bilder nicht auf den ersten Blick, so doch später mit desto größerer Entschiedenheit und Nachhaltigkeit, sei es durch Größe und Adel der Conception, sei es durch unübertroffene Schönheit der Farbe. Eine reichquellende Fantasie und eine unglaubliche Fülle von künstlerischen Erfahrungen schützen ihn auch bei größter Productivität vor Wiederholungen. Sein Hauptwerth liegt übrigens in der Darstellung von Scenen unruhigen und heftigen Lichtwechsels, die man schwerlich bei irgend einem andern Meister so durch und durch harmonisch vorgetragen findet, während hinter scheinbarer Monotonie und hie und da wohl auch Skizzenhaftigkeit sich ein Reichthum und eine Durchbildung der Luftperspective birgt, die selbst sehr genau behandelte Landschaften nicht immer aufzuweisen haben.
Die Werke eines so productiven Künstlers hier auch nur annähernd aufzuzählen, daran kann aus naheliegenden Gründen nicht gedacht werden. Doch mag es versucht sein, das eine und andere kurz zu charakterisiren.
Wir stehen inmitten eines weitgestreckten Moores; der Himmel ist stark bewölkt, das Schilf schwankt im Winde; im Wasser zwischen den schlanken Rohren glitzert das bleiche Mondlicht. Ein roher Knüppeldamm führt in das Moor hinein und wir scheuten uns fast denselben zu betreten, nicht als ob wir unbekannten Gefahren entgegen zu gehen fürchteten, sondern weil unser tönender Schritt die geheimnißvolle Ruhe der Natur stören würde. Unwillkürlich gedenken wir vor dem Bilde der Schilflieder des unglücklichen Lenau.
Und wieder sind wir vom Lichte des Mondes umflossen. Aber es glänzt auf den blanken Kuppeln von Sta. Maria della Salute und spielt wie flüssiges Silber über den Wellen der Lagune an den Marmorstufen, welche von der Riva degli Schiavoni zu jener hinabführen. Dunkle Gondeln schaukeln träumerisch hin und her, lichte Wölkchen ziehen am Himmel und lassen die fantastischen Formen der Paläste an der Piazetta und am Canal grande noch fantastischer hervortreten.
Dann führt uns der Künstler hinab an die flachen Ufer der Schelde, die langsam dem Meere zuschleicht. Es ist, als ob selbst die Lüfte etwas vom holländischen Phlegma angenommen; die Wolken, hinter denen der Mond schläfrig hervorschaut, bewegen sich nur schwerfällig dahin, die Segel der Boote hängen schlaff an den Raaen und der Fluß liegt still wie ein See.
Aber diese Ruhe ist nicht des Künstlers wahres Element. Das ist Bewegung, lebensfrische, energische Bewegung. Er liebt es mit gewaltigen Massen zu wirken, bald läßt er unsern Blick über weite Ebenen schweifen, über denen grandiose Wolkenformen sich aufbauen, bald verlegt er den Schwerpunkt seiner Wirkung geradezu in diese selbst.
Nun befinden wir uns im Hofgarten zu Dachau, vor uns liegt die weite Hochebene Münchens, viel verleumdet und ewig schön. Noch breitet über einen Theil derselben das Sonnenlicht seine Zauber, aber von Westen her zieht in majestätischer Ruhe ein Heer dichtgeballter Gewitterwolken und sendet dunkle Schatten voraus. Unser Standpunkt ist ein hoher, mit geringen Mitteln wußte der Künstler in uns die Empfindung rege zu machen, als ob das Terrain, über das unser Auge bis zu den fernen Alpen wegfliegt, einen Schritt vor uns jäh und unvermittelt abfalle. Unser Herz klopft dem großartigen Schauspiel entgegen, das in wenigen Minuten beginnen wird.
An die Stelle der Ebene bei München tritt die vom nähergerückten Hochgebirge begrenzte, reichbebaute, mit freundlichen Ortschaften belebte im Charakter der Umgebung des Chiemsee’s, in welcher Fruchtfelder und Waldpartien lieblich wechseln. An den Bergen zieht ein mächtiges Gewitter hin und giebt die prächtigsten Lichteffecte. Ein Regenbogen spannt sich leuchtend über das Land und drückt den Gedanken des Wohlthätigen und Versöhnenden der großen Naturerscheinung prägnant aus.
Weite Wasserflächen üben auf Schleich keinen geringeren Reiz, als weite Ebenen. Seine ganze Meisterschaft in der Behandlung der Luft concentrirt sich im Kampfe der Sonne mit dem über dem See liegenden Nebel. Er weiß ihn so täuschend und zugleich so künstlerisch schön darzustellen, daß man jeden Augenblick das Durchbrechen der Sonne erwartet. Denn daß sie Siegerin sein wird, das zeigen die leuchtenden Reflexe auf dem Spiegel des Sees, das Wogen und Wallen der feuchten Dünste, die unter ihren erwärmenden Strahlen in Bewegung kommen.
Aber nicht immer siegt die Sonne. Wir stehen in eintöniger Fläche; unendlicher Regen stürzt herab und legt einen grauen Schleier zwischen uns und die einsamen Baumgruppen, die dort und da zwischen den Wiesen aufsteigen. Der Anblick ist ein völlig trostloser und doch können wir unser Auge nicht abwenden von so viel Wahrheit und Poesie, denn Poesie ist auch im strömenden Regen. Aber es bedarf des dichterischen Gemüthes eines Schleich, um das in so überzeugender Weise zum Ausdruck zu bringen.
Dort regnet es wohl auch, aber es ist einer jener leichten warmen Sommerregen, die Natur und Menschen gleich wunderbar erquicken. Bäume und Sträucher werfen schon wieder leichte Schatten, die Ebene glitzert und flimmert in den Strahlen der Sonne, die eben durch dünne Wolken bricht, welche vor unfern Augen wegzufliegen scheinen.
Und wieder war es eine stürmische Nacht; Regenschauer um Regenschauer zog über das Land und mit krankhaft bleichem Lichte steigt die Sonne über den Horizont empor, um den gestern unentschieden gebliebenen Kampf heute wieder aufzunehmen.
Schleich’s Verdienste um die deutsche Kunst wurden mehrfach offiziell anerkannt: er ist Ehrenmitglied der bildenden Künste und Professor, sowie Ritter des bayerischen Verdienstordens vom heil. Michael. Die Regierung bediente sich auch seiner umfassenden Kenntnisse, als sie im Jahre 1863 eine aus Künstlern und Gelehrten bestehende Commission zur Untersuchung des Pettenkofer’schen Regenerationsverfahrens einsetzte. Im Interesse der Kunstausstellungen in München, namentlich der von 1858, 1863 und 1869, entwickelte Schleich eine sehr ersprießliche Thätigkeit.
Schleich gründete keine Schule im gewöhnlichen Sinne des Wortes, d. h. er sammelte nie Schüler um sich; aber es giebt nur wenige jüngere Landschaftsmaler in München, die sich nicht seine Auffassung der Natur zum Vorbild genommen hätten, ja selbst auf ältere Kunstgenossen übt er einen weitgehenden Einfluß, so daß man ihn den Vater der neueren Münchener Landschaftsmalerei nennen möchte.
Carl Albert Regnet: Münchener Künstlerbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Kunstschule in Biographien und Charakteristiken. Leipzig, 1871.
Schleich Eduard, 1813 (Schloß Harbach bei Landshut/Ndb.) – 1874, Landschaftsmaler und Akademieprofessor; nach Studien auf der Münchner Kunstakademie wurde er bald wegen »Talentlosigkeit« zurückgewiesen, begann aber dann ohne Anleitung Landschaften zu malen, wobei ihm Chr. Morgenstern und K. Rottmann Vorbilder waren; entscheidenden Einfluß auf Schs. Stil machten die Niederländischen Meister; er bereiste die Alpenländer, die Niederlande und Oberitalien und schuf zahlreiche Landschaftsgemälde, die stimmungsvoll besonders große Luftperspektive zum Ausdruck brachten; Sch. gilt als einer der Begründer der Münchner Landschaftsschule.
Hauptwerke: Flache Gegend, Aussicht aus einer Hochalpe, Fernsicht von Dachau; St. Maria della Salute in Venedig.
© Dr. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.