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14 – 12 – 36 (Hafen)

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Beda Hafen
Schriftsteller
* 18.2.1875 † 16.2.1933

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Beda Hafen

* 18.2.1875 (München)
† 16.2.1933 (München)
Schriftsteller

AZ am Abend (15.11.1926)

Beda Hafen
Der imaginäre Lebenslauf eines Münchener Dichters

Beda Hafen, dessen eigenartiger und interessanter Kopf wohl den meisten Münchnern schon aufgefallen ist und der den bekannten Münchener Künstler Professor Hans Best zur Herstellung einer gelungenen Porträtbüste reizte, ist Württemberger, belastet mit dem unsteten Blute eines Vaters, der um die Mitte der vorigen Jahrhunderts halb Amerika durchwanderte und dem beweglichen Blute einer indianischen Mutter aus dem Grenzgebiet von Texas und Kansas.

Die Eltern müssen dem Knaben allerhand Energien vererbt haben, denn als junger Gymnasiast erledigte er in einem Jahre das Pensum von drei Jahresklassen, indem er nach Umfluß des ersten Schuljahres von der ersten Gymnasialklasse direkt in die vierte Gymnasialklasse übertrat.

So kam es, daß er nach bestandenem Examen noch zu jung für den Besuch der Landesuniversität war und eine längere Reise nach dem Orient antrat. Wegen Entführung der jüngsten Tochter des Sultans von Lahore wurde Beda Hafen in Wawrapur lebendig bis zum Halse eingemauert. Doch bereits in der vierten Nacht erschien die schöne Sultanstochter und fütterte den Märtyrer so reichlich mit Affenbrotbaumfrüchten, daß sein Körper an Umfang gewann und die Mauer sprengte. Hafen ritt nun auf einem weißen Elefanten über Kabul, Teheran und Bagdad und gelangte am 11. Mai 1896 an den Bosporus.

Hier ging ihm der Elefant ein und das Geld aus, so daß er gezwungen war, in Konstantinopel eine Stellung als Nachtwächter und Hundefänger anzunehmen. Hier war es nun, wo das Lieblingskind des verflossenen Sultans Abdul Hamid, Selima, auf den prächtigen Haarbalg des jugendlichen Nachtwächters aufmerksam wurde. Abdul Hamid ließ den Träger dieses Haarschopfes sofort ins Schloß rufen, kaufte ihm kurzerhand seinen Balg für 3000 Piaster ab und sicherte sich gleichzeitig das Vorkaufsrecht aus die Jahresschur für die Dauer von 24 Jahren.

Und wirklich erschien Jahr für Jahr immer kurz vor dem Beiramsfeste der Leibbarbier des Sultans bei Beda Hafen, schor ihn eigenhändig und übermittelt er ihm die ausbedungenen [?]nensumme. Noch heute ruht Selima, die inzwischen ihr Domizil an der Seine aufgeschlagen hat, ausschließlich auf Kissen, die mit Haaren von Beda Hafen gefüllt sind. Die Verleihung des Osman-Ordens, den als erster kein Geringerer als der Seeheld Nelson trug, ist ein Zeichen des Vertrauens, das Beda Hafen beim türkischen Herrscher genoß.

Bereits nach Umfluß eines Jahres hatte Hafen seine Stellung als Hundefänger und Nachtwächter aufgegeben und bezog, im Genusse der glänzenden Einnahmequelle aus dem Verkauf seiner Haare, die Universitäten Tübingen, München, Freiburg i. Br., studierte Philosophie und Rechtswissenschaft, hörte Vorlesungen über Kunst und Literatur, schriftstellerte seit 1900 in München, machte den Weltkrieg vom Anfang bis zum Ende als Offizier eines württembergischen Reserveregiments mit und wurde wiederholt verwundet und ausgezeichnet.

Im Jahre 1900 erfand Hafen die hutlose Mode, entging in Stuttgart mit großer Mühe den be- und handgreiflichen Nachstellungen eines Mützenfabrikanten und verschob den Eintritt einer Glatze um vierzig Jahre.

Beda Hafens sportliche Leistungen sind bekannt: Mit 18 Jahren durchschwamm er die Minnehaha-Wasserfälle in Nordamerika, mit 19 den Regensburger Strudel und mit 25 den Glockenbach in München.

Und nun kommen wir zu Beda Hafen als Schriftsteller. Gott Apoll und die neun Musen stunden seinerzeit an seiner Wiege und wimmelten nur so. Was hat Beda Hafen im Laufe der letzten 25 Jahre nicht alles verbrochen! Igel und Stachelschweine, wadenbeißende Köter, saftige Apfelsinen, Granatäpfel, Galläpfel, zuckersüße Birnen, exotische Pflaumen, Rosen, Nelken und widerborstige Saudisteln.

Das alles muß man gesehen haben, das alles muß man gekostet haben!

Hafen reitet den Pegasus nachklassischer Latinität ebenso schneidig wie das hochgezäumte Luftpferd des 16. und 17. Jahrhunderts, den schwarzen Hengst der Polemik ebenso kunstgerecht wie den niedlichen Zelter des Liedes, die Rosinante des romantischen Abenteuers ebenso freudig wie das mutwillige Springroß der lyrischen und erotischen Ballade, aber er kennt auch den Ritt auf dem deutschen Vollblut des vaterländischen Sanges.

Seil 25 Jahren liegen die literarischen Produkte Beda Hafens zerstreut in der Münchener »Jugend«, in den »Fliegenden Blättern« und vielen anderen Orten.

Die Herausgabe einer Auswahl unter dem Titel »Sprünge und Seitensprünge« ist in Vorbereitung. Hafens Weltanschauung scheint pessimistisch zu sein. Er singt im Schlußvers seines Malerliedes:

»Die Bilder werden aufgehängt;
Den Malern aber wird's geschenkt.
Es läßt sich wirklich nicht bestreiten:
Wir leben in humanen Zeiten!"

Dieselbe melancholische Stimmung spricht auch aus seinem »Werdegang des Rindvieh's«; dort schreibt er vom jungen Rind:

»Zwei Jahre geht's auf Kälberhaxen,
Dann ist das Rindvieh ausgewachsen
Als Stier, als Ochse oder Kuh.
Der Mensch braucht zwanzig Jahr dazu.«

Wenn Beda Hafens Buch erschienen sein wird, dann geht hin und kauft es in Massen!!

AZ am Abend Nr. 264. München; Montag, den 15. November 1926.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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