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Heinrich Heinlein

* 3.12.1803 (Weilburg a. d. Lahn/Kreis Wiesbaden)
† 8.12.1885 (München)
Landschaftsmaler

Artistisches München im Jahre 1835 (1836)

Heinlein, Heinrich, Landschaftsmaler, am 3. Dez. 1803 zu Naßau-Weilburg geboren, erhielt seine erste Erziehung am Gymnasium daselbst, wo der Hang zu bildlicher Darstellung sich auf mancherlei Weise schon bei ihm aussprach. In Mannheim, dem späteren Wohnorte seiner Eltern, sich dem Studium der Architektur widmend, betrieb er es weniger aus Liebe zum Fach, als um in der Nähe der Malerei zu bleiben, die zum Hauptberufe zu wählen, sein Vater aus eignen Ansichten, nicht gern zugab. In seinem neunzehnten Jahre besuchte er München, und in Folge der größeren Unabhängigkeit ergab er sich dem alten Hange, und vielleicht durch die malerische Schönheit des bayerischen Hochlandes und Tirols bestimmt, der Landschaftmalerei.

Seit der Zeit bereiste er meist das südliche Deutschland, die Schweiz und Oberitalien mit längerem Zwischenaufenthalt zu Wien und München. Am meisten jedoch scheinen ihm bis jetzt die Alpen zuzusagen, da die mehresten Motive seiner Bilder aus jener einsamen großen Natur geschöpft sind.

Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.

Die Bildende Kunst in München (1842)

In großartiger Auffassung und kühner Ausführung einzelner Gegenden des Hochgebirges mit seinen gewaltigen Felsenmassen, Schluchten, sprudelnden Bergwässern und tiefen Waldthälern steht Heinrich Heinlein beinahe unerreicht, bis jetzt noch unübertroffen da. Er ist geboren 1803, 3. Dezember zu Nassau-Weilburg, wo er die gelehrten Schulen besuchte, während sich sein Hang zu bildlicher Darstellung schon auf mancherlei Weise aussprach. Später sollte er sich in Mannheim, wohin seine Aeltern übersiedelten, der Baukunst widmen, bis er endlich die Akademie in München besuchen und ganz seiner Neigung für landschaftliche Darstellung leben konnte. Häufige Reisen in das Gebirgsland von Bayern, nach der Schweiz, Tyrol und Oberitalien nährten und förderten bei seiner tiefen lebendigen Anschauungsweise seinen natürlichen Hang zu Schöpfungen dieser Art, und so wählt er als Stoff für seine meistens großen Bilder gern die im tiefsten Waldgebirge gelegenen Thäler aus, welche nur von Gemsen und Hirschen besucht werden, und schildert dieselben mit der ringsumher ruhenden Waldeinsamkeit, die nur selten von dem Laut eines Aars und dem Rauschen der dunklen Tannen unterbrochen wird, in treuer Versinnlichung. Am liebsten weilt er im bayerischen Hochgebirge, am Hintersee bei Berchtesgaden oder ähnlichen Schluchten, und versetzt uns durch seine wahre und kühne Schilderung eben dahin, wo der dunkelgrüne See inmitten einer tiefen Schlucht sich lagert, welche durch steile, mit schwarzen Tannenwäldern besetzte Höhen eingeschlossen wird. Die Schlucht liegt im dunklen Schatten; nur durch eine ungeheure Felsenspalte bricht das helle Sonnenlicht herein, und beleuchtet einen Theil des Sees und des hervorspringenden Felsens. Aber jenseits, über diese Höhen herein, streben die sonnenbestrahlten Alpengipfel empor; ein Hirsch klettert über das wild zerklüpftete Gestein des Vordergrundes dem See zu.

In ähnlicher großartiger Auffassung sind die meisten seiner Gebirgslandschaften behandelt; wenn er z. B. die via mala schildert, wie sie zwischen und an den ungeheuern Felsenwänden sich hinanwindet, menschliche Kunst hie und da einen Stütz- und Uebergangspunkt über die Schluchten angebracht hat, die Gießbäche herniederstürzen, und die Sonnenstrahlen einzelne Theile beleuchten, wodurch die schauerlichen Tiefen des anderen Theiles um so furchtbarer hervorgehoben werden; oder wenn er schildert, wie anfangs zwischen großen Steinblöcken, an den hohen Felswänden, sich der Weg hinanzieht zu den Häusern, welche wie große Vogelnester hingebaut sind, und die Gletscherhäupter darüber hinwegragen; oder wenn er den Bellatfall bei Hohenschwangau im gewaltigen Strome herniederstürzen läßt.

Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.

Universal-Handbuch von München (1845)

Heinlein, Heinrich,
geboren 1803 zu Nassau-Weilburg; nachdem er einige Zeit am Gymnasium studirte, widmete er sich früher der Architektur, kam sodann nach München und wählte sich für sein Fach im Jahre 1824 ausschließend die Landschaftsmalerei. Die Motive zu diesen Gegenständen holte sich derselbe aus dem Alpenlande, der Schweiz, Tyrol und dem bayerischen Oberlande; Bilder von diesem Künstler befinden sich in den Händen vieler Kunstliebhaber und sind sehr gesucht.

Universal-Handbuch von München. München, 1845.

Ansichten und Bemerkungen über Malerei und plastische Kunstwerke (1846)

Ich gehe nun zu einigen Bildern der neueren Epoche meiner eigenen Sammlung über, von denen ich namentlich heraushebe:

16b. Heinrich Heinlein, in München, 1803 geboren, einer der besten Landschaftsmaler. Grosse Leichtigkeit, viel Studium in der Farbengebung, Kraft und Treue der Natur zeichnen ihn aus. Sein schönes, grosses Oelgemälde (In meiner Sammlung, 72 Zoll breit und 52 Zoll hoch), Gegend aus dem Kanton Graubündten mit der Via mala und seinen 11,000 Fuss hohen Alpen, mit mehr als 300 Gletschern und vielen Wasserfällen , gehört zu seinen gelungensten Kunstwerken. Der Prospekt zeigt eine tiefe Felsenschlucht, wo die Vegetation schon halb erstarrt ist, und der Sommer nur drei Monate dauert. Die Felsenmassen, so wie die Beleuchtung sind meisterhaft; die Baumgruppen, die vortretenden Gründe sind harmonisch, von grösster Wahrheit, und denen eines Ruysdael und Everdingen an die Seite zu setzen.

Freiherr Max von Speck-Sternburg: Ansichten und Bemerkungen über Malerei und plastische Kunstwerke. Leipzig, 1846.

Münchener Künstlerbilder (1871)

Heinrich Heinlein,
Landschaftsmaler.

Deutschland ist vorzugsweise reich an tüchtigen Landschaftsmalern der verschiedensten Richtung. Einer der hervorragendsten ist ohne Zweifel Heinrich Heinlein, der am 3. December 1803 zu Weilburg im Nassauischen geboren ward. Sein Großvater väterlicher Seite war Spezerei- und Conditorei-Waaren-Händler in Mannheim und hatte zwei Söhne, welche dem Berufe des Vaters folgten. Heinrich’s Vater hielt sich in der ersten Hälfte der neunziger Jahre bei seinem Bruder auf, der in Paris ein Geschäft gegründet und sich dort niedergelassen hatte, und kam von da an den Hof des Fürsten von Nassau-Weilburg, wo er zum Vorstand der Conditorei ernannt wurde. Heinrich’s Mutter, eine geborne Riedel, stammte dagegen aus einer Künstlerfamilie: ihr Vater und ihre vier Brüder waren ausübende Architekten, sie selbst malte in Pastell Portraits. Die Folgen der französischen Revolution trieben den Fürsten von Nassau-Weilburg nach Bayreuth. Hier lernte die Fürstin Heinrich’s Mutter kennen und schätzen. Ihr feiner Geschmack in Handarbeiten verschaffte ihr die Stelle einer Kammerfrau der Fürstin. In derselben Zeit malte sie auch die Portraits mehrerer Mitglieder der fürstlichen Familie. Später begleitete sie den fürstlichen Hof nach Weilburg zurück und verband sich dort ehelich mit Heinrich’s Vater.

Die Eltern konnten dem Knaben um so mehr alle Aufmerksamkeit zuwenden, als er das einzige Kind blieb, und unter ihren Augen erhielt er durch Hauslehrer den ersten Unterricht, den sie, selber im Besitze einer höheren Bildung, als man bei ihren sozialen Verhältnissen im Allgemeinen erwarten durfte, und durch den Umgang mit hervorragenden Personen des Hofes fortwährend in geistiger Regsamkeit erhalten, sorgfältig überwachten.

Weilburg, auf einem Felsen erbaut, dessen höchste Höhe Schloß und Kirche krönt, zählt zu den malerischesten Partien des Lahngrundes. Theils angebaute theils mit Buchen und Eichen reich bewachsene Hügel umgeben das Städtchen, hier und dort in schroffen Granit- und Porphyrwänden an den Fluß abfallend, den stattliche Mühlen beleben, während im Südost das ferne Taunusgebirge, im Norden der dunkle Westerwald den Horizont begrenzen. Ein Knabe von so reicher Begabung und Empfänglichkeit für die Außenwelt hätte kaum der Hinweisung der Eltern bedurft, um schon in der frühesten Jugend ein offenes Auge und Ohr für Formen, Lichtwirkungen und Laute in der Natur zu haben. Diesen Eindrücken mußte er sich denn auch, Alles um sich her vergessend und halb unbewußt, hingeben. Oft stahl sich der Gymnasiast, im Schwarme der Kameraden zu den Spielen derselben ausziehend, aus dem tollen Lärm weg und stellte sich, wenn dieser im hallenden Walde sich fern und ferner verloren, der wiederkehrenden hehren Stille und Einsamkeit. Brauste an stürmischen Herbstabenden der Wind in den Bäumen und drang dazwischen das Rauschen des Flusses durch, so hielt ihn nichts im Hause, und er konnte Stunden lang draußen umherschweifen und dem Zuge der Wolken am Monde vorüber zuschauen.

Heinrich’s Vater, ein großer Verehrer von Musik und Schauspiel, hatte während eines früheren Aufenthalts in München viel mit Musikern und Schauspielern verkehrt und pflegte im Zimmer auf- und abgehend Monologe und ganze Scenen aus Shakspeare’s Tragödien zu recitiren, wobei er an seinem Sohne einen aufmerksamen Zuhörer hatte. Einstmals las er aus Ossian’s Gedichten, und diese Lectüre, so räthselhaft und unverständlich dem Knaben das Ganze blieb, brachte ihrer großartigen Naturbilder und pathetischen Stellen wegen auf den Knaben, der entzückt war, derartige Empfindungen in Worten ausgedrückt zu hören, eine wahrhaft elektrische Wirkung hervor.

Heinrich machte seine Gymnasialstudien durch, ohne sich eben ausgezeichnet zu haben. Er galt für einen zerstreuten und träumerischen Jungen, der, so lebhaft er sich für die Vorträge über alte Geschichte, Mythologie und Naturkunde interessiren mochte, mit dem Griechischen und Lateinischen immer auf gespanntem Fuße lebte.

Am Hofe zu Weilburg gab es zwar einen eigenen Hofmaler, Namens Verflassen, aber gleichwohl zeichnete Heinrich nicht unter dessen, sondern unter Leitung seiner Mutter, wie er denn auch im elterlichen Hause Unterricht im Klavier- und Violin-Spiel erhielt.

Ein an sich unbedeutender Zufall aus jener Zeit mag hier kurz erwähnt werden, weil der Eindruck auf ein kindlich unverdorbenes Gemüth lange Jahre noch nachzitterte. Heinrich bemerkte einst im Hofgarten Kameraden, die eben das Nest eines Singvogels ausnahmen, glaubte sich ungesehen und verschwieg die Sache, weil er nicht den Angeber machen wollte. Des andern Tags wurde er von den Thätern derselben That angeklagt und vom Lehrer, der nun ein Motiv für des Knaben Streifereien im Walde gefunden zu haben wähnte, um ein Exempel zu statuiren, mit aller Strenge abgestraft. Die Eltern kannten ihren Sohn und trösteten ihn mit der Hoffnung, seine Unschuld werde früher oder später an den Tag kommen. Und diese Hoffnung ward auch nicht getäuscht. Heinrich aber lief in den geliebten Wald, dort Balsam für sein wundes Gemüth zu suchen. Ein leichtes Frühlingswetter zog heran, die Wolken zerstreuten sich nach ein paar majestätischen Donnerschlägen, es regnete leise, die Abendsonne brach wieder durch, der nasse Wald funkelte in ihren Strahlen, ein Regenbogen spannte sich über das Thal und eine fröhliche Amsel hatte gar nicht aufgehört zu schlagen. Da betete der Knabe heiß und innig, Gott möge es ihm gewähren, daß er sein Leben lang im Walde bleiben dürfe und er nicht gezwungen wäre zu den Menschen zurückzukehren. Der Himmel erhörte des Knaben Gebet insofern, als er als Landschaftsmaler den größten Theil seines Lebens in der Natur oder mit Darstellungen aus ihr verbrachte, welche einsiedlerische Beschäftigung ihn mit der Welt wenig in Berührung kommen ließ.

Der Tod des regierenden Fürsten zog am Hofe mancherlei Veränderungen nach sich. Heinrich’s Vater, an Jahren schon vorgerückt, kam um seine Entlassung aus dem Hofdienste ein und sie ward ihm mit der erbetenen Vergünstigung bewilligt, sein Ruhegehalt im Ausland verzehren zu dürfen. Es zog ihn nach der Heimat; er siedelte nach Mannheim über und bewohnte dort wieder sein elterliches Haus. Heinrich war, als er Abschied nahm von dem Ort, an dem er das Licht erblickt und seine ersten und wärmsten Eindrücke erhalten hatte, der Zeuge war von allen Freuden und Leiden seiner Jugend, erst fünfzehn Jahre alt; er sollte ihn erst nach achtunddreißig Jahren wieder betreten. Was er bis dahin an Kunstwerken gesehen, beschränkte sich auf die romanischen und altdeutschen Baudenkmäler an der Lahn und am benachbarten Rheine, denen man damals eben wieder mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden begann. In Mannheim dagegen lernte er in der dortigen Gallerte mehrere ausgezeichnete Werke der italienischen und niederländischen Schule kennen. Daran reihten sich zwei Säle mit als vorzüglich bekannten Pariser Abgüssen berühmter Antiken. Für das klassische Alterthum durch seine Lectüre und die Vorträge am Gymnasium hochbegeistert, war ihm dagegen von bildlichen Darstellungen aus jener Zeit nichts Bedeutendes zu Gesicht gekommen. Nun trat ihm in den Antiken die vergangene Welt mit ihrem stolzen, ruhigen Adel bezaubernd entgegen. Dazu kam der Eindruck der Italiener, der Niederländer; Alles wirkte so berauschend auf den kaum den Knabenschuhen entwachsenen Jüngling ein, daß er Bildhauer, Historien-, Genre-Maler zugleich hätte werden mögen.

Er war in das Alter getreten, in dem er sich zu einem Lebenslaufe entschließen sollte. Seine Eltern drängten ihn nicht zur Fortsetzung seiner Studien und hätten es nicht ungern gesehen, wenn er sich dem Kaufmannsstande gewidmet hätte. Er seinerseits trug die Kunst im Herzen, aber als er es einmal wagte sein Geheimniß anzudeuten, da sprach sich sein Vater mit Entschiedenheit dagegen aus, was man ihm in einer Zeit nichts weniger als verdenken konnte, in der sich außer wenigen vereinzelt stehenden Liebhabern Niemand um Kunst und künstlerisches Schaffen bekümmerte. Nun hatte er sich nach Art junger Leute einmal darin versucht, Mühlen, Eisenhämmer und dergleichen plastisch nachzubilden. Dies und der Umstand, daß die Brüder seiner Mutter zu Berlin und Bayreuth in höheren Bauämtern standen, gab die Veranlassung, daß er sich der Architektur zuwenden sollte. Er seinerseits ging um so bereitwilliger darauf ein, als er dadurch innerhalb der Grenzen der Kunst eintrat. Bauinspector Dyberhoff, ein Schüler Weinbrenner’s, hatte nach des Letzteren Art einen Salon für seine Schüler eingerichtet. Bei ihm trat Heinlein nun ein und machte während drei und einem halben Jahre daselbst seine theoretischen Studien durch, um darauf seine praktische Carriere als Bauconducteur in Mannheim zu beginnen.

Obwohl vielfach von seinem Berufe in Anspruch genommen, wußte er demselben doch manche Stunde abzugeizen, die er darauf verwendete, in der Gallerie nach der Antike zu zeichnen, sich im Componiren zu versuchen und sich mit der Technik der Oelmalerei bekannt zu machen. Seine damalige Begeisterung für Schiller’s Wilhelm Teil und die Schweizergeschichte im Allgemeinen machte sich in einigen in Oelfarbe ausgeführten Compositionen aus dem genannten Drama und aus den Schlachten von Sempach und Morgarten Luft.

Weniger Reiz hatte damals, woran wohl die unbedeutende Umgebung Mannheims die Hauptschuld trug, die landschaftliche Natur für Heinlein, so daß auch die Landschaften in der Galerie ihn minder lebhaft in Anspruch nahmen als die historischen Bilder dortselbst; und dies berechtigt wohl zu dem Schluß, er würde sich damals, wäre er Herr seines Willens gewesen, der Historienmalerei zugewendet haben. Doch nachdem der mächtige Reiz der Neuheit nachgelassen und nachdem er noch keineswegs durch bereits erworbene Fähigkeit und Gewandtheit am figürlichen Kunstfach festzuhalten vermochte, so begannen seine ursprünglichsten, wärmsten und eigensten Empfindungen wieder mit aller Kraft sich geltend zu machen und mit Everdingen, Ruysdael und Salvator Rosa, von denen die Galerie und Privatsammlungen gute Werke enthielten, in sympathetischen Rapport zu treten.

Er verließ um jene Zeit das väterliche Haus, um zu seiner Mutter-Bruder, dem Baurath Riedel in Bayreuth zu gehen. Die Reise ging durch das Neckarthal, den Odenwald, den Maingau bis an den Fuß des Fichtelgebirges zu Fuß, wie fast alle späteren Reisen Heinlein’s. Vom Morgengrauen bis zur sinkenden Nacht im Freien, über Berg und Thal, allen Erscheinungen der Tageszeiten und des Witterungswechsels begegnend, war seine Seele den Eindrücken der Natur doppelt geöffnet, und der Enthusiasmus für sie erwachte mit neuer stärkerer Gewalt als je.

Heinlein’s Beschäftigung auf dem Bureau seines Oheims war eine wahrhaft trostlose; keine Spur von künstlerischen Elementen, nur Kostenvoranschläge für Reparaturen öffentlicher Gebäude und dergleichen. Sein Oheim sah des jungen Mannes Qual; als Ausländer war für ihn im bayerischen Dienste wenig oder gar nichts zu hoffen, er hielt ihn darum nicht fest. Nun gab es Ausflüge in’s Fichtelgebirge, in’s benachbarte Böhmen, in die an Naturschönheiten überreiche fränkische Schweiz, nach Pommersfelden, wo die berühmte Galerie ihn fesselte, nach Nürnberg u. s. w., und der Oheim freute sich herzlich der Studien, die der Neffe von seinen Wanderungen heimbrachte.

Im Herbste des Jahres 1822 kam August Riedel von der Münchener Akademie zu seinem Vater nach Bayreuth heim, und währeud seines Aufenthaltes daselbst wurde der Entschluß gefaßt, es solle Heinlein seinen Vetter nach München begleiten. Sein Vater willigte ein, da er einsah, daß es für seinen Sohn in Bayreuth nichts zu lernen gab. Heinlein wurde an der Akademie in die Abtheilung für Architektur aufgenommen und setzte seinem Lehrer, Professor und nachmaligem Direktor Gärtner, der ihm freundlich entgegen kam, das Mißliche seiner Lage auseinander; er sprach von seiner unüberwindlichen Lust zur Malerei und von des Vaters unabänderlicher Abneigung dagegen. Gärtner rieth ihm, in Anbetracht seiner Vorkenntnisse in der Baukunst, neben seinen dahin schlagenden Studien daheim seiner Neigung zu folgen, das Uebrige werde sich schon finden, und Heinlein folgte dem Rathe seines hochverehrten Lehrers mit leichterem Herzen.

Inzwischen erschlossen ihm die nahen Alpen eine neue Welt. Die großen gewaltigen Formen, diese nur von Einbäumen (einer einfachsten Art von Schiffen, aus einem Baumstamm gehauen) befahrenen einsamen Seen, diese weithin sich streckenden Moore und Wälder mit vielhundertjährigen riesigen Bäumen, Alles so ursprünglich und bedeutend, und im Hintergrund die gigantischen Felsgebirge mit ihren Gletschern erfaßten seine Seele mit nie geahnter Macht. Die ihm so geheimnißvollen Berge, die Einsamkeiten, die Wildnisse uralter Wälder, deren Boden ein Chaos gestürzter Bäume bedeckte, die mit ihren bemoosten Aesten bis in den Grund nachbarlicher Gewässer hinabreichten, die stillen, unergründlich tiefen smaragdenen Bergseen, die riesigen Felswände, über welche ferne Wolken zogen, sie selber riesige Denkmäler gewaltsamer Naturerschütterungen, die brausenden, schäumenden und stäubenden Wasserfälle und Gebirgsströme, sie waren seine Welt, sie sind es noch, und kaum vermag ein anderer Künstler mit Stift und Pinsel derartige Eindrücke so energisch wiederzugeben, wie Heinlein.

Ein paar von ihm auf die akademischen Ausstellungen gegebene Bilder fanden freundliche Aufnahme und rühmliche, aufmunternde Besprechung in öffentlichen Blättern. Sein Vater, dem das Aufgeben des alten Berufes durch seinen Sohn noch ein Geheimniß war, wurde dadurch nicht wenig überrascht, und wenn er auch dem Willen des Sohnes nicht mehr mit der vorigen Entschiedenheit entgegentrat, so fühlte dieser es doch hart genug, daß die Unterstützung aus dem Vaterhause nun ausbleiben sollte. Dazu kam, daß Heinlein und einige andere jugendliche Tollköpfe wegen einiger Duelle mit der Polizei in Conflict geriethen und, als auch die Akademie ihre schützende Hand von ihnen abzog, die Stadt verlassen mußten. Da ergriff Heinlein den Wanderstab und wanderte in fünf und einem halben Tag nach Mannheim.

Aus gewohnten Verhältnissen gewaltsam herausgerissen, ohne Umgang mit Künstlern ward ihm die Kunst Alles. Aus jener Zeit stammen unter andern zwei Bilder, das eine eine wilde Bergschlucht, das andere Wilddiebe darstellend, die, in mondenheller Nacht von Jägern in ihrem Lager unter einer alten Tanne angegriffen, sich mit Feuerbränden vertheidigen. Die Neuheit der Gedanken zog. Die Bilder zur Industrie- und Kunstausstellung in Carlsruhe geschickt, erregten vielseitig Aufmerksamkeit, wurden günstig beurtheilt und verkauft. Dadurch ward Heinlein in die Lage gesetzt, die Schweiz und Oberitalien zu besuchen. Nach einem längeren Aufenthalt in Südtyrol kehrte er nach München zurück. Schon war er daran, den Gedanken einer Reise nach Wien aufzugeben, als er neuerdings durch den Umstand darin befestigt wurde, daß man ihm wegen der erwähnten früheren Conflicte das Copiren in der königl. Gemäldegalerie verwehrte. Um endlich diese alte und so ganz unbedeutende Geschichte hinter sich zu bringen, entschloß er sich nun rasch zur Abreise und schwamm noch im Spätherbst 1825 auf einem Flosse die Isar und Donau hinab nach der Kaiserstadt. Häufige Nebel verzögerten zwar die Reise, aber sie verschönten dieselbe auch durch mancherlei pitoreske Wirkungen und Effecte. Nachdem er in der großen, fröhlichen Stadt einmal zur Ruhe gekommen, ging es frisch an’s Arbeiten, und in kurzer Frist konnte er der Erzherzogin Karl, einer geborenen Prinzessin von Nassau-Weilburg, welche den Landsmann gnädigst empfing, ein paar Bilder vorlegen. Das erste zeigte einen stürmischen Bergsee, der einen von Raubvögeln umflatterten menschlichen Leichnam ausgeworfen. Das zweite stellte ein in melancholischem Spätabendlichte ruhendes Hochalpenthal dar, mit einem Begräbniß als Staffage! Es war natürlich, daß die hohe Frau bei aller Anerkennung der Bilder sich höchlich über deren Sujets wunderte. Nach damaliger Wiener Sitte zeigte Heinlein seine Bilder noch mehreren hohen Herren vor, aber überall bekam er den wohlgemeinten Rath, freundlichere Gegenstände zu wählen, denn die Kunst solle erheitern, meinten sie.

Nach einem Jahre waren seine Mittel erschöpft. Mit mehr Gewandtheit und weniger Leutescheu, als er damals hatte, wäre es ihm gelungen in der lustigen Stadt sich durchzuarbeiten. Er verkaufte, was er halbwegs entbehren konnte, um Reisegeld zu erhalten und legte im Herbste 1826 den Weg von Wien nach Mannheim (hundert deutsche Meilen) in ununterbrochenem Marsche von vierzehn Tagen zurück, eine Ausdauer, deren sich kein Osage zu schämen gebraucht hätte.

Die Eltern wünschten nun ihren einzigen Sohn bei sich zu behalten. Er ehrte den Wunsch durch einen mehrjährigen Aufenthalt im Vaterhause, der nur durch Ausflüge in den Schwarzwald, in die Vogesen, das Hardtgebirge und in die Rheinlands unterbrochen wurde. Daneben las er viel, aber mit guter Wahl und verkehrte mit wissenschaftlich gebildeten Männern, was zu seiner inneren Reife beitrug.

Im Jahre 1829 ging er durch den Schwarzwald und die Schweiz nach den Tyroler- und den bayerischen Alpen und im Herbste desselben Jahres wieder nach München. Hier hatte inzwischen König Ludwig eine noch nie dagewesene Kunstthätigkeit hervorgerufen. Wieder mit jungen Männern in Verkehr getreten, die künstlerische Begeisterung aus allen Gauen Deutschlands dort versammelt, begann er selbst seine Thätigkeit wieder mit regem Eifer und glücklichem Erfolge. Jährlich trieb ihn die Liebe zu den Eltern nach Mannheim, wo er indeß bald den um die Zukunft seines Sohnes beruhigten Vater verlor. Ein Jahr später folgte ihm die Mutter, während den auf Besuch anwesenden Sohn eine schwere Krankheit auf dem Lager festhielt. Genesen veräußerte er sein väterliches Haus und siedelte nach München über, wo er sich ansässig machte und im Jahr 1832 mit einer Bürgerstochter von Traunstein verband, welche ihm drei Mädchen schenkte. Kaulbach malte ihn im Jahre 1840 in dem Costüme, in dem er sich bei dem berühmten Maskenfeste desselben Jahres betheiligt hatte.

Die Motive zu seinen meisten Bildern entnahm der Künstler dem Hochgebirge, in der festen Ueberzeugung, daß derjenige, dem es nicht gelingt, sich Material aus diesen der Landschaftsmalerei so reiche und großartige Mittel darbietenden Gegenden anzueignen, auch in den entferntesten Welttheilen nicht glücklicher damit sein werde. Seit dem Jahre 1830 erscheint Heinlein’s Ruf fest begründet. Eigenthümlich ist, daß er seine Kenntnisse der Baukunst in keinem seiner zahlreichen Bilder verwerthete. Gemälde von ihm befinden sich in der Neuen Pinakothek zu München und in den Galerien von Carlsruhe, Stuttgart, Hannover, Mainz, Braunschweig, Leipzig und Prag, wobei besonders einige zu erwähnen sind, welche die Privatsammlungen des Fürsten Rohan, der Grafen Auerswald, Thun, Rostiz und Anderer schmücken. Eine große Auswahl anderer gelangte durch den Ankauf in Kunstvereinen und durch Bestellung in die Hände von Privaten und wurde so über ganz Europa zerstreut. Im Jahre 1846 nahm ihn die Akademie der bildenden Künste zu München in die Zahl ihrer Ehrenmitglieder auf und im Jahre 1852 zeichnete ihn König Maximilian durch die Verleihung des bayerischen Civilverdienstordens vom heil. Michael erster Classe aus.

Heinlein’s künstlerische Kraft hat im Laufe der Jahre nicht abgenommen. Als die internationale Kunstausstellung von 1869 im Glaspalaste zu München bedeutende Werke aus der ganzen civilisirten Welt versammelt sah, da gehörten Heinlein’s groß und energisch gedachten, tief poetisch empfundenen Bilder mit zu den Arbeiten, vor welchen wirkliche Kenner am liebsten verweilten und Niemand trug Verlangen nach einer anderen Technik als der gediegenen und markigen, welche der wackere Künstler vor vielen Jahrzehnten sich angeeignet hatte.

Carl Albert Regnet: Münchener Künstlerbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Kunstschule in Biographien und Charakteristiken. Leipzig, 1871.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Heinlein Heinrich, 1803 (Weilburg a. d. Lahn/Kreis Wiesbaden) – 1885, Landschaftsmaler; nach Besuch der Münchner Kunstakademie trat H. schon 1825 mit zwei großen Tiroler Ansichten auf, die sein ungewöhnliches Talent und seine Richtung darlegten und ihn zum Ehrenmitglied der Akademien München und Wien machten; er liebte düstere Waldschluchten, Gletscher in geisterhaft wirkendem Licht; auf der internationalen Ausstellung in Wien brachte er zwei Motive aus dem oberen Lechtal und aus Ampezzo; H., der sich ursprünglich im Baufach betätigte, gilt als Landschaftsmaler im strengen romantischen Sinn.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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