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15 – 1 – 50 (Schraudolph)

Ω

AKADEMIE
PROFESSOR
JOHANN
SCHRAUDOLPH
KIRCHEN UND
HISTORIENMALER
1808 – 1878

Ω

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Prof. Johann von Schraudolph

* 13.6.1808 (Oberstdorf/Allgäu)
† 31.5.1879 (München)
Historienmaler und Kirchenmaler

Münchener Sonntagsblatt (4.1.1863)

Christliche Künstler der Gegenwart.

In den letzten Jahrzehnten ist in dem mächtigen Aufschwung, welchen die christliche Kunst genommen hat, auch in unserem Deutschland eine unabsehbare Reihe von Kirchen, vom erhabenen Dome bis zum bescheidenen Landkirchlein herab, mit Kunstwerken geschmückt worden, von denen die meisten sowohl durch großartige Auffassung als durch gelungene Ausführung ein sprechendes Zeugniß für die Genialität und den Fleiß der Künstler ablegen, die sie geschaffen. Es ist eine der Aufgaben, welche das »Münchener Sonntagsblatt« sich stellt, dem katholischen Publikum von diesen Werken Nachricht zu geben, damit sie nicht bloß, wie es bisher wohl geschah, still und unbemerkt aus dem Atelier in die Kirche oder ihren sonstigen Bestimmungsort wandern, sondern der Gedanke, den sie darstellen, weiterhin bekannt werde und anregend fortwirke und so allmälig eine Galerie christlicher Kunstwerke sich eröffne.

Eine andere Aufgabe des »Sonntagblattes« ist es, dem Volke, wenn auch nur in kurzen Zügen, die Lebensgeschichte und nach Möglichkeit auch die Porträts jener wackeren Männer vorzuführen, welche unsere Gotteshäuser mit den Werken ihres Geistes und ihrer Hände schmücken und so an der lehrenden und heiligenden Thätigkeit der Kirche Antheil nehmen. Begreiflicher Weise ist es nicht möglich, in der Aufnahme dieser Lebensbilder im »Sonntagsblatt« eine bestimmte Rangordnung einzuhalten; aber einer der trefflichsten und berühmtesten unserer christlichen Meister hat dem Herausgeber gestattet, sein Bild an die Stirnseite dieses Blattes zu setzen und hier eine kleine Skizze seiner bisherigen Wirksamkeit mitzutheilen. Der Meister will damit nicht sich selbst und sich allein geehrt sehen, sondern die christliche Kunst und seine Kunstgenossen zugleich; der himmlische Geistesfunke, der ihn belebt, leuchtet auch in vieler Anderer Herzen, und darum sind alle christlichen Künstler geehrt in und mit dem frommen Meister:

I.
Johann von Schraudolph.

Johann Schraudolph wurde am 13. Juni 1808 zu Oberstdorf im Allgäu geboren. Schon als Knabe zeigte er entschiedene Vorliebe für die Kunst, und es trieb ihn mächtig sie üben zu lernen. Darum zog er zu seiner Ausbildung nach München. Der edle Schlotthauer nahm sich des reichbegabten Jünglings mit väterlicher Liebe an und erwarb sich das Verdienst, der christlichen Kunst einen ihrer geistvollsten und thätigsten Meister heranzubilden. Bald wurde Schraudolph's Tüchtigkeit erkannt und legte in den Fresken der Glyptothek in München ihre ersten Proben ab. Dann arbeitete er unter der Leitung des Professors, jetzt Direktors Heinrich von Heß an den prachtvollen Fresken der Allerheiligen- und Bonifaziuskirche in München und erhob sich dabei zu jener Selbstständigkeit in der Ausübung seiner Kunst, die ihm seit zwanzig Jahren den unbestrittenen Meisternamen einträgt.

Während er noch an den Fresken der Basilika malte, führte er zwei andere Arbeiten aus, die im Jahre 1844 vollendet wurden. Für die Gruftkapelle des Herzogs von Leuchtenberg bei St. Petersburg wurden das »Abendmahl,« »Jesus der Kinderfreund« und »Maria mit dem Kinde« in enkaustischer Manier auf Goldgrund, und »Noëmi und Ruth« für den Grafen Belweze in Oel gemalt.

Schraudolph war es nun auch, welchem König Ludwig von Bayern, als er dem Dome zu Speier, der Kaiser-Todtenstadt, i. J. 1843 einen seiner großartigen Architektur würdigen Bilderschmuck zu geben beschloß, die Aufgabe stellte, die Wände, die über den Kaisergräbern sich erheben, mit Fresken im großartigsten Styl zu zieren. Wenn gleich die Begeisterung für dieses Werk hell und rein in der Seele des Meisters flammte und ihn befähigte, sofort an die Lösung seiner Aufgabe zu gehen, wollte er doch zuvor noch die Werke jener großen Meister sehen, welche in einer früheren Blüthezeit der Kunst Unsterbliches geleistet haben, um an ihnen zu noch höherem Fluge des Gedankens und der Thatkraft sich zu erschwingen. Daher ging er im Dezember 1844 nach Italien und widmete 8 Monate vorbereitenden Studien, während im Dome zu Speier die nöthigen Vorarbeiten gemacht wurden. Am 8. Juni 1846 aber ging Schraudolph Mit seinem Bruder Claudius und dem Maler Joseph Mösl, seinen ersten Gehilfen bei diesem großen Werke, vom Altar, an welchem der Bischof die hl. Messe für das Gedeihen der Arbeit gelesen, weg an das Werk und malte an diesem Tage den Kopf von Gott Vater im Stiftchor. Dann arbeitete er fort Tag um Tag, und die Mutter-Gottes, zu deren Ehren das ganze Werk begonnen worden, schaute von der Höhe ihres Thrones auf ihren treuen Sohn segnend und schützend, und als er eines Morgens, da er eben zu malen beginnen wollte, von einem weichenden Brette hoch oben vom Gerüste herabstürzte, bewahrte sie ihn vor dem drohenden Tode und half ihm, daß er an einem Balken sich halten und wieder empor heben konnte. Die Schrecken dieses Falles vergaß der Meister am Haupte des Heilandes in der Krönung Maria's, das er an diesem Tage malte. Am 6. November wurde die Arbeit für dieses Jahr geschlossen. In den nächsten Jahren wechselten regelmäßig die Winter- und Sommerarbeiten der Künstler. Im Winter wurden die Kompositionen entworfen, im Sommer in Fresken ausgeführt. Als König Ludwig am 28. August 1847 den Dom besuchte, sprach er sich auf das Günstigste über die neuen Arbeiten aus.

Auch die Wirren des Jahres 1848 und 1849 störten die wackeren Künstler und ihren Meister wenig in dem schönen Werke. »Im Monate Mai und Anfangs Juni 1849« – erzählt daS Büchlein: »Der Kaiserdom und seine Gemälde (Speier 1852) – war in dem Dom zu Speier ein interessantes- Schauspiel zu sehen. Innen die Maler mit den idealen Gebilden der heiligen Kunst, Alles in Harmonie und Frieden; außen die Truppen des »Volksheeres«, Freischärler in allen möglichen Uniformen, Blousen und Lumpen, bartumbuschte und unbebartete, mit Schießgewehren und mit Spießen und Sensen bewaffnet, viel arges Gesindel. Wenn aber diese Menschen in den Dom eintraten, da sah man sie insgemein von einem gewissen Schauer befallen, von heiliger Ehrfurcht ergriffen; auch die roheste Rohheit schien sich zu mildern und den zarteren Gefühlen der Religion Raum zu geben ... Der Kriegslärm kam näher und wurde immer stärker. Der Brand von Ludwigshafen leuchtete herauf zum Kaiserdom, der Kanonendonner von Waghäusel und Ubstadt hallte an seinen Mauern wieder; die Maler aber saßen drin und malten. Innerhalb dieser Mauern war ein Land des Friedens, während außen Landfriedenbruch und Kriegslärm.«

Im Jahr 1850 war der Bilderschmuck der Chöre, im Jahr 1853 auch der des Langhauses vollendet, und Meister Schraudolph hatte mit dem die reiche und sinnvolle Ornamentik herstellenden Dekorationsmaler Schwarzmann und mit den Schülern und Kunstgehilfen Claudius Schraudolph, Andreas Mayer, Joseph Mösl, Franz Wurm, Jakob Späth, Süßmayer, J. C. Koch, Max Bentele und Georg Mader ein Werk geschaffen, das noch späteren Jahrhunderten Gottes Ehre und der hl. Jungfrau Lob, aber auch der wackeren Künstler Meisterschaft verkünden wird. Die Offenbarung der Gnade Gottes zur Erlösung, Heiligung und Beseligung der Menschen,

dargestellt in der Geschichte Maria's und der anderen Schutzheiligen des Domes, ist der Grundgedanke, den Schraudolph in dem ganzen reichen Bilderkreis durchführte. Es ist nicht möglich, hier des Näheren denselben zu beschreiben; wer eine ausführliche Schilderung lesen will, nehme das obenerwähnte Büchlein zur Hand. Am besten aber ist es, eine Fahrt nach Speier zu machen und die Seele in dieses Meer von Gedankenfülle und Farbenpracht zu tauchen, das Meister Schraudolph mit der eigenen und der Kunstgenossen Hand über die Wände des Kaiserdomes ausgegossen hat; es wird Keinen gereuen.

Auf den wohlverdienten Lorbeern hätte nun der Künstler ausruhen können; er that es nicht, sondern wandte unermüdlich seines Geistes Kraft und seiner Hände Fleiß einer Reihe von anderen größeren und kleineren Werken zu, die alle ihm Ehre machen, von denen aber drei besonders hervorzuheben sind. Das erste ist das große Bild »Christi Himmelfahrt«, das im Auftrag des Königs Ludwig für die Pinakothek gemalt eine der Perlen in dieser reichen Kunstsammlung bildet. Das zweite ist die wunderschöne, tiefempfundene und farbenprächtige »Anbetung der Weisen und Hirten vor dem neugebornen Heiland zu Bethlehem«, das König Max für das Maximilianeum in München malen ließ, und das in diesem Blatt durch den Holzschnitt nachgebildet erscheint.

Das andere und letzte große Bild, das von Schraudolph im Aufträge des Königs Ludwig für die neue Pinakothek gemalt und im August vorigen Jahres daselbst ausgestellt wurde, zeigt den Heiland, wie er den Johannesjüngern auf ihre Frage, ob er der Messias sei, antwortet: »Gehet hin und berichtet dem Johannes, was ihr gehört und gesehen habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Todte stehen auf, Armen wird das Evangelium verkündet; selig ist, der sich nicht ärgert an Mir.« Sinnreich hat der Meister diese Wunderwerke, welche von der Allmacht des Heilandes Zeugniß geben, in lebensvollen Gruppen um Ihn herum dargestellt; der Eindruck, den dieses große und großartige Bild auf den Beschauer macht, ist ein überwältigender.

Wenn schon der Ruhm, den Schraudolph durch die prachtvollen Bilder im Kaiserdome sich erworben, und den Tausende und Tausende ihrer Beschauer in alle Welt getragen haben, einiger Lohn für sein Wirken ist – der schönste und beste Lohn erwartet ihn in der Ewigkeit – so haben ihm auch die Könige Ludwig und Maximilian ihre Anerkennung angedeihen lassen. Im Jahre 1848 verlieh ihm König Ludwig das Ritterkreuz des Verdienstordens vom hl. Michael; am 1. Okt. 1849 ernannte ihn König Max zum Professor an der Akademie der bildenden Künste und verlieh ihm zu Neujahr 1862 das Ritterkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone, mit dem die Führung des Prädikates »von« verbunden ist. Als dieses Ereigniß vom Vereine für christliche Kunst in München, den Schraudolph seit seiner Gründung i. J. 1860 als erster Vorstand mit Umsicht und Liebe leitet, am 14. Jänner vorigen Jahres mit einer Art von Familienfest begangen wurde, sprach Dr. Kuhn in seiner Festrede, sich an den Gefeierten wendend, folgende Worte, mit denen wohl am Passendsten diese kurze Skizze geschlossen wird: »Mögen Sie noch lange dieser ehrenden Auszeichnung sich erfreuen, noch lange ebenso ehrenreich als rührig mit verbündeten Geistern, die wir in unserer Mitte zählen, auf dem Gebiete der religiösen Kunst fortarbeiten und so nicht allein eine Zierde Bayerns, sondern der ganzen deutschen Kunst bleiben!«

Münchener Sonntagsblatt No. 1. Illustrirtes Volksblatt für Belehrung und Unterhaltung. Sonntag, den 4. Januar 1863.

Allgemeine Zeitung (12.6.1879)

Nekrologe Münchener Künstler
(S. Beil. Nr. 47 zur »Allg. Ztg.« vom 16 Febr. 1879.)

V. Johann v. Schraudolph.

Johann Schraudolph, welcher am 13 Juni 1808 zu Oberstdorf im Allgäu geboren wurde, lernte von seinem Vater das Tischlerhandwerk, gleichzeitig aber auch schon wacker Zeichnen und Oelmalen, da derselbe mit der den Allgäuern überhaupt eigenen vielseitigen Geschicklichkeit einer von ihm gegründeten Feiertagsschule vorstand. So kam's daß unser Johannes, als er 1825 zur weiteren Ausbildung versuchsweise nach München zog, schon allerlei technische Kenntnisse mitbrachte. Eine weitere Bildung war ihm indessen nicht zutheil geworden; den Mangel derselben mußte er später schmerzlich und durch das ganze Leben genug empfinden. Denn wenn wir auch seinen eigenen Ausspruch: er habe nie etwas anderes als die Bibel und die Legende der Heiligen gelesen, nicht geradezu wörtlich nehmen dürfen, so steht doch hingegen so viel fest, daß er sich in das Studium der Kunst-Historie und der Geschichte nie absonderlich vertiefte, mit den Dichtern auf einem etwas gespannten Fuße blieb und von den übrigen Wissenschaften sehr naive Anschauungen hegte. In den Mappen der Autographen-Sammler dürften Briefe von seiner Hand zu den größten Seltenheiten zählen, da Schraudolph in dieser Hinsicht die Meinung des trefflichen Michel Neher (S. Beil. Nr. 348 zur »Allg. Ztg.« vom 13 Dez. 1876) theilte, der lieber ein ganzes Bild gemalt als eine Korrespondenz erledigt hätte.

Anfänglich schien es furchtbar schwer bei völliger Mittellosigkeit in der baiwarischen Hauptstadt festen Fuß zu fassen. Schon war Schraudolph daran blutenden Herzens in die Heimath zurückzukehren, als er dem guten Schlotthauer gerade noch rechtzeitig in die Hände fiel. Dieser edle, immerdar hülfsbereite, treffliche Künstler griff ihm liebevoll unter die Arme, wehrte die dräuenden Sorgen des Unterhalts, wies dem strebsamen Jüngling die Bahn, ebnete die Wege, schuf ihm Gelegenheit zur Entfaltung und Verwerthung seiner rasch hervortretenden Fähigkeiten. Schraudolph arbeitete auch mit eisernem Fleiße, modellirte sogar ein Basrelief, copirte ein Blatt aus Holbeins Todtentanz für die durch Schlotthauer besorgte Neuausgabe dieses Werkes, malte Bildchen aller Art, entwarf einen Carton für das erste neue nach Regensburg bestimmte Glasfenster. Dann kam Schraudolph als Schlotthauers Gehülfe in die Glyptothek, wo er Gelegenheit hatte die Praktik der Freskomalerei gründlich kennen zu lernen. Damit war der erste Schritt gethan in einer Kunstübung worin Schraudolph später so große Erfolge errang. Seine Handfertigkeit und sein Farbensinn, dazu das leichtfließende Componir-Talent empfahlen ihn an Heinrich Heß, als dieser Gehülfen für den großen Bilder-Cyklus in der Allerheiligen-Hofkirche suchte. So war der junge Mann nicht allein alsbald geborgen, sondern auch schon im Stande mit seinen Ersparnissen das väterliche Heim von einigen drückenden Sorgen zu entlasten. Es ist ein schöner rührender Zug des treuen Herzens, ebenso daß er baldmöglichst seine jüngeren Brüder, den trefflichen Claudius (geboren 1813) und den freilich minder begabten Matthias (geboren 1817), nach München kommen ließ, ihre Ausbildung überwachte und sie zu tüchtigen Künstlern und Gehülfen an seinen Werken heranzog.

Zu Schraudolphs frühesten Arbeiten gehört unter vielen anderen eine Reihe von Bildern zur biblischen Geschichte, welche im Verlage des k. Central-Schulbücher-Verlags erschienen (1832) und das erste illustrirte Lehrmittel bildeten. Unseren mit Prachtwerken aller Art überladenen »Kleinen« würde dasselbe heutzutage schwerlich mehr genügen; wir nahmen das damals mit staunender Bewunderung hin, ebenso wie den von G. Görres und Franz Pocci herausgegebcnen »Festkalender.« Was Schraudolphs Bilder betrifft, so zeichnete sie dieser selbst auf Stein. Sie können als das Programm aller seiner späteren Schöpfungen gelten. Er hat den eng gezogenen Kreis kaum mehr erweitert; Schraudolph wurde freier, formgewandter, ohne an Originalität, welche überhaupt nie seine starke Seite war, besonders zu gewinnen.

Mit einer Begeisterung und einem Fleiße der überhaupt durchs ganze Leben ihm zur Seite stand, schloß er sich, getragen von der freudigen Zuversicht des Gelingens, an Heinrich Heß an. Schraudolph wäre vielleicht mit gleichem Erfolg unter Cornelius, Peter Heß oder Rottmann vorwärts gegangen, hätte möglicherweise sogar als Verwaltungsbeamter oder Finanzmann eben so sicher sich ausgezeichnet. Heinrich Heß zog ihn (um 1832) zur Ausschmückung der Allerheiligen-Hofkirche, wo Schraudolph bald selbständige Arbeiten unter den Augen des Meisters entwarf; dazu gehören die Scenen aus der Geschichte des Moses: die Gesetzgebung am Sinai und die Speisung, das Schlagen des Wassers aus dem Felsen; auch die Gestalten des David und Saul, Samuel und Josua, Marcus und Lucas sind von Schraudolph, während zu den von Joh. Bapt. Müller (Joh. Bapt. Müller starb am 27. Juni 1869 zu München. Vgl. Beil. Nr. 180 zur »Allg. Ztg.« vom 29 Juni 1869) gemalten »sieben Gaben des heiligen Geistes« Schraudolph nur den Carton entwarf. Gerade diese Leistung reichte hin ihm unter seinen Mitstrebenden, wie J. Binder, Max Seitz (geboren 1811 zu München, seit 1835 in Rom), C. Koch und J. Moralt, einen gewissen Vorrang einzuräumen.

Unterdessen war mit dem sanften und immer liebenswürdigen Claudius Schraudolph auch der geniale Joseph Anton Fischer (Joseph Anton Fischer, geboren am 28 Febr. 1814 zu Oberstorf, gestorben am 20 März 1859 zu München.) nachgekommen. Beiden blühte das Glück alsbald Italien betreten und unter Ernst Försters Leitung nach alten Meistern in Padua, Florenz und Mailand zeichnen zu können. Nach Fischers Rückkehr wurden ihm, gemeinsam mit Joh. Schraudolph, einige Cartons zu den Fensterbildern der Auer Kirche übertragen – ein seltsames Experiment zwei verschieden geartete Naturen an eine und dieselbe Aufgabe zu spannen. So entstanden »Mariens Besuch bei Elisabeth,« »der Tod der Gottesmutter,« »die Kreuzschleppung und Grablegung Christi.« Natürlich gab es alsbald mannichfache Gelegenheiten, wo ihre Anschauungen und Gefühle weit auseinander gingen, zumal der jüngere Fischer von einem größeren Schönheitssinn und einer ursprünglicheren Frische getragen und geleitet wurde. Es kam zu scharf differirenden Erörterungen, und Schraudolph behielt leider immerdar eine gewisse eifersüchtelnde Animosität gegen den geistig weit überlegenen jüngeren Collegen, dessen reine Seele kein Arg kannte. Man trennte die beiden. Schraudolph übernahm allein noch zwei Cartons (»Christus als Knabe unter den Schriftgelehrten« und »die Aufnahme Mariens in den Tempel«), um dann ganz zu den Arbeiten in der Basilika überzugehen, während Fischer noch neun weitere Schöpfungen (die übrigen hatten Röckel und Ruben übernommen) vollendete und dann die Compositionen zu den von König Ludwig in den Kölner Dom gestifteten Fenstergemälden begann.

In der Basilika räumte Heinrich Heß seinem Schüler einen noch größeren Spielraum ein, indem er ihm nicht nur zwei kleinere Episoden und zwei Figuren von den die Apsis schmückenden Glaubensboten, sondern von dem großen an den Wänden des Hauptschiffes hinlaufenden Fresken-Cyclus aus dem Leben des Bonifacius fünf Bilder übertrug – eine Auszeichnung welche Schraudolph auch in glücklicher Weise löste. Hier schuf er (die ausführliche Schilderung mag in der von Beda Stubenvoll verfaßten »Beschreibung der Basilika,« München 1875 S. 61 ff., nachgelesen werden) wie Winfrid (Während in einer benachbarten Zeitschrift die Gelehrten gerade in langen Abhandlungen streiten über die Schreibung und Bedeutung des unserem Heiden-Apostel von Gregor II geschöpften »Beinamens,« erlauben wir uns in »Bonifacius« nichts zu sehen als eine wörtliche Translation des angelsächsischen Namens Winfrid.) den heidnischen Friesen predigt, die Bischofsweihe des Bonifacius, die Fällung der Donar-Eiche bei Geismar, die Salbung Pipins zum König der Franken und das Begräbniß des Bonifacius. Schraudolph stand mit diesen Arbeiten ebenbürtig neben seinem Meister und bewährte »stellenweise, z. B. in den Köpfen der Bischofsweihe, oder bei dem Bilde des Begräbnisses, eine bis dahin in München noch nicht erreichte Höhe technischer Vollendung in Verbindung mit edler Charakteristik und feingefühlter Zeichnung.« (Vgl. Ernst Förster: Gesch. der deutschen Kunst. 1860. V, 12l. Der Nekrologist eines benachbarten Blattes vindicirt unserem Schraudolph irrigerweise auch das (von Kräutle gestochene) »Abendmahl« im Refectorium des St. Bonifaz-Klosters; diese Coena Domini ist jedoch durch Heinrich v. Heß selbst componirt und gemalt.) Es macht dem wackeren Heß alle Ehre daß nach seiner Ablehnung den Dom in Speier auszumalen, er für diese Arbeit seinen zum anerkannten Meister durchgebildeten, geliebten und ausgezeichneten Schüler in Vorschlag brachte. Während Schraudolph noch zu Speier malte, kam Erzbischof Sibour und verlangte die Ausschmückung einer Pariser Kirche. Ebenso bot ihm Bischof Räß von Straßburg seinen Münster an – Schraudolph lehnte jedesmal ab, ohne einen anderen zu nennen oder zu empfehlen.

Im Jahre 1831 hatte Schraudolph mit einer »Madonna« zuerst den Kunstverein beschickt. Seit 1839 kamen drei weitere Oelbilder dieser Art, welche der Reihe nach zuerst Prinz Karl von Bayern, dann König Ludwig 1840 und der Kunstfreund Karl Waagen (1842) erwarb. Das mittlere von diesen dreien gewann trotz seiner Unbedeutendheit durch den auch als Kunstvereinsprämie für 1841 vertheilten Stich von J. M. Enzing-Müller die weiteste Popularität; das Original erhielt (Nr. 302) seinen Platz in der Neuen Pinakothek. Gleichzeitig sah man im Kunstverein (1842) zwei sorgfältigst durchgeführte Skizzen, vor denen unsere heutige Kunstjüngerschaft erstaunt erbeben würde; damals nannte man noch bescheiden eine »Skizze« was nun ob der minutiösen Durchbildung, als unerreichbare Vollendung bewundert würde. Es waren, je 15 Zoll breit und 7 Zoll Höhe, »die Weihe des Bonifacius zum Bischof« und die »Predigt desselben vor den Friesen,« beide, wie auch die spätere Folge, im Besitze des allmächtigen Kunstbeschützers Leo v. Klenze. Darauf folgte (1843) die in ein stark verwaschenes Gewand costümirte »hl. Agnes« (Neue Pinakothek Nr 216 gestochen von Aug. Volckert) und »Ruth und Nemi auf der Reise nach Bethlehem« (42 Zoll hoch, 54 Zoll breit, im Besitze des Grafen Belvèse in Paris, lithographirt von P. Herwegen als Nietenblatt des Salzburger Kunstvereins für 1863). Das nächste Jahr (1844) brachte einige Engel, eine Madonna, einen Christus als Kinderfreund und ein Abendmahl, ziemlich große Zeichnungen, welche in der griechischen Kirche zu Serjefski im Auftrag des Herzogs von Leuchtenberg zur Ausführung kamen.

Schraudolph unternahm am 1 Dec. 1844, im Ausblick auf die bevorstehende große Aufgabe womit ihn König Ludwig betraute, eine achtmonatliche Studienfahrt nach Rom. Dann ging er mit gesammelter Kraft an die Ausführung seines größten Werkes im Dom zu Speier.

Die ersten Entwürfe reiften schon während des römischen Aufenthalts. Abweichend von der Praxis vieler Zeitgenossen, welche ihren Gehülfen einen größeren Spielraum überlassen, schuf Schraudolph die Compositionen zu sämmtlichen Bildern in der Kuppel und den drei Chören, ebenso entwarf er den größten Theil der Bilder im Langhause, nur einzelne übertrug er den unmittelbar unter seinen Augen und streng nach seinen Intentionen schaffenden Schülern. Die Cartons zu den wichtigsten Gemälden zeichnete er selbst. Auch behielt er nicht nur die Ausführung der schwierigsten Bilder für den eigenen Pinsel, sondern überwachte selbstverständlich alle Arbeiten seiner Gehülfen tagtäglich mit Rath und That.

Nachdem den ganzen Winter und Frühling hindurch die nöthigen Vorarbeiten rasch begonnen waren, hub Schraudolph am 8 Juni 1846 mit seinem Bruder Claudius und Joseph Mesl zu malen an. Eine Geschichte des ganzen Werkes kann ebensowenig unsere Aufgabe sein wie eine Beschreibung des mächtigen Bilder-Cyclus, wozu der gelehrte, fromme und liebenswürdige Bischof Dr. Nikolaus v. Weis in geistreicher, historisch und dogmatisch richtiger Weise die Grundidee gab. Doch mögen einige Zwischenfälle hier erwähnt werden. Noch im Laufe des Sommers war des Malers Leben plötzlich gefährdet; rücktretend zum Beschauen der Arbeit gerieth Schraudolph an ein nicht gehörig befestigtes Brett, es wich und der Künstler stürzte, fing aber im Fallen, glücklicherweise schnell besonnen, einen Balken, an welchem er sich starken Arms wieder emporarbeitete.

Der Rummel des Jahres 1848 drang zwar nicht in die heiligen Hallen; daß König Ludwig dem Thron entsagte, änderte nichts an dieser künstlerischen Aufgabe, da König Maximilian mit gleichem Interesse dieselbe zu fördern beschloß. Schlimmer drohte das nächste Jahr! Der Brand von Ludwigshafen leuchtete herauf zum Kaiserdome, der Kanonendonner von Waghäusel und Ubstadt hallte an seinen Mauern nieder; eines Tages brach buntes Freischaaren-Gesindel in Blousen mit Sensen und Spießen in den Dom. Aber die wilden Gesellen wurden still, schauten fast andächtig zu den ruhigen Malern hinauf und zerstoben lautlos wie von scheuer Ehrfurcht ergriffen! Jeden Sommer kam Schraudolph wieder, meist mit anderen Gehülfen, bis er endlich am 10 Sept. 1853 an dem großen Schlußbilde, welches er ganz im Sinne eines mittelalterlichen Meisters ex voto schuf, den letzten Strich that.

Selbstverständlich hatte Schraudolph seine früheren Collegen als Beiständer und Mithelfer eingeladen. Aber es gab manchen Korb und Stoß und Puff. Denn da der Meister drängte und trieb, und selbst, mit dem besten Beispiel vorangehend, die gleiche aufreibende Thätigkeit von seinen Genossen forderte, stand mancher gelassen ab oder ging auf eigenen Pfaden weiter. In erster Reihe half ihm sein treuer Bruder Claudius, welcher inzwischen auch im griechischen Königsschloß zu Athen als tüchtiger Frescotier sich erprobt hatte, dann der wackere Tiroler Hellweger, der rastlose Franz Wurm, welcher gleichfalls in Athen einige Wandbilder geschaffen hatte, aber zu viel eigenen Geist und unruhige Wanderlust hegte, alsbald von Schraudolph weg nach Frankreich pilgerte, wo er als Glasmaler an der Kathedrale zu Nantes und bald darauf mit Fresken in England sich glänzend bethätigte, bis dieser viel erfahrene Odysseus wandermüde schon 1866 in seiner Allgäuer Heimath endete. Da war ferner der liebenswürdige Andreas Mayer aus Unter-Thingau, Jos. Mesl aus Kestendorf bei Salzburg († 1851), Joh. Karl Koch aus Hamburg (geb. 1806), Süßmaier, der hochbegabte Joh. Kaspar aus Günzburg (geb. 1822), der bildschöne Jacob Speth († 1855 zu Dietenheim in Württemberg), der unermüdliche Max Bentele, endlich Georg Mader aus Steinach, welcher durch die Fresken in der Kirche zu Brunecken (Pusterthal) einen bleibenden Namen errang, dazu noch der kleine, aber reich begabte Adolf Baumann (geb. 12 Dec. 1829, gest. 5 Febr. 1865): das waren die Mannen mit deren theilweiser oder wechselnder Beihülfe Meister Schraudolph das große Werk anhub, durchführte und glücklich vollendete, wobei freilich auch der biedere Jos. Schwarzmann (aus Prutz in Tirol 1806 geboren) nicht vergessen werden darf, welcher die schwere Verpflichtung das Ganze mit passender Ornamentik zu überkleiden in wirklich künstlerischer Weise löste.

Natürlich erfuhr das ganze Unternehmen die verschiedenste Beurtheilung. Die doctrinäre, theoretisirende Zunft der stubengelehrten Archäologie konnte den Schreck nicht verwinden daß ein romanischer Dom mit Schöpfungen im modernen Styl »geschändet« und nicht mit kauzend verzwickten Gestalten und gleichzeitigem ornamentalen Schnickschnack ausgemustert ward. Das archaistische Lamento wurde vom Fortissimo der unbedingten Bewunderer übertönt, welche die vom wissenschaftlichen Standpunkte leise auftauchenden Einwürfe als flagrante Ketzerei verdammten; sie brachten in Prosa und gebundener Rede ihre Gefühle zum Ausdruck, und selbst der heutige Dichter des »Odilo« griff in die damals noch amaranthene Tonweise seiner Lyra. Dagegen fehlte es auch nicht an näselnden Kritikern, welche in verstockter Böswilligkeit des Herzens einzelne Bilder mit Lob erhoben, von denen sie zu wissen wähnten daß dieselbe nicht aus des Meisters eigenen Händen kamen! Schraudolph machte kein Hehl daraus, sondern gab jedem die Ehre, wobei er freilich ganz im volkthümlichen Styl niemals beizufügen vergaß: die Sachen seien nur deßhalb so gut geworden weil er beständig dahinter war, sonst hätten, wie er sattsam zu verstehen gab, wohl arge Dinge passiren können. Als im Jahr 1850 eine Serie von 15 Zeichnungen im Münchener Kunstverein erschien, stand unter jedem Bild auch der Name des betreffenden Künstlers (Z. B. die Himmelfahrt Mariens, von Claudius Schraudolph; Kaiser Konrad III empfängt den hl. Bernhard, von Andreas Mayer; Abzug des hl. Bernhard aus Speier und wie der Heilige einen lahmen Knaben heilt, von J. C. Koch; Petrus weiht den hl. Stephanus von J. Mesl (dessen Name jedoch immer unrichtig Mösl geschrieben wurde); der hl. Stephan vor dem hohen Rath von Claudius Schraudolph; auf Gebet des Papstes Stephan stürzt ein Götterbild, von J. Mesl; Enthauptung des Papstes Stephan, von Andreas Mayer u. s. w.); bei einer zweiten Serie im Jahre 1851 gab, wenn mich mein Gedächtniß nicht trügt, Schraudolph nur Werke von seiner Hand.

Anerkennung und Ehren häuften sich. Am 1 October 1849 wurde Schraudolph zum Professor der Akademie ernannt, nachdem der Künstler zu Neujahr 1848 den Verdienstorden vom hl. Michael u. s. w. erhalten hatte. Bei Gründung des großen Maximiliansordens für Kunst und Wissenschaft war Schraudolph einer der ersten damit Ausgezeichneten. König Ludwig I hielt ihn immerdar in Ehren, besuchte häufig sein Atelier, wo er beinahe jedesmal neue Werke vorbereitet fand, von denen der großmüthige Mäcen manches für die neue Pinakothek erwarb. So befindet sich daselbst eine Reihe von Oelbildern, womit Schraudolph bewies daß, so viel eben an ihm lag, er den Wettkampf der Neueren nicht scheute, daß er »in die Farbe ging« und, ohne einem crassen Realismus zu verfallen, doch der Naturwahrheit huldigen könne. Wir nennen (vielleicht nicht ganz in der Zeitfolge ihrer Entstehung) die großen Bilder »Himmelfahrt Christi« (16 Fuß hoch und 12 Fuß breit), »Christus heilt die Kranken« (11 Fuß hoch, 16 Fuß breit) und die kleineren: »Maria und Magdalena in Begleitung des Jüngers Johannes auf dem Berge Golgatha sehen Christus an das Kreuz nageln« (1863, 6 Fuß hoch, 4 Fuß breit), eine ernste würdige Composition, welche mit dem wahren Ausdruck des Schmerzes erst recht zur Geltung kommt wenn man den Opernspectakel eines Paul Delaroche sich in Erinnerung ruft. Im Jahre 1864 kaufte der König eine »Madonna mit dem Kinde und den kleinen Johannes,« ebenso zwei kleine »schwebende Engel«, 1865 den »reichen Fischzug,« dem man jedoch wie der Bodenstedt'schen Shakespeare-Uebersetzung die Angst anmerkt jede Erinnerung an seine Vorgänger vermeiden zu wollen. Im Auftrage Königs Max II fertigte Schraudolph für das Athenäum eine große »Geburt Christi und Anbetung der heiligen drei Könige,« (Photographirt von Hanfstängl. Eine frühere »Anbetung der Hirten« nach einer Original-Kreide-Zeichnung erschien bei L. Meder in Heidelberg, Photographirt von J. Keller; ebendaselbst auch »der hl. Bernhard im Dom zu Speier«[denselben Gegenstand führte Schraudolph auch in Oel aus, und zwar für König Otto von Griechenland]) wobei der Künstler in wohlthuender Weise einen kühnen Griff in die neueste Assyrologie wagte, welche ihm aber mit einer »Esther vor König Ahasver« (1867) in Alma-Tadema's Manier glückte. Auch sonst wußte sein aushaltender Fleiß allen Ansprüchen zu genügen: er malte Engel für Fräulein Emilie Linder (nun im Museum zu Basel), zeichnete Cartons für englische, russische und deutsche Kirchenfenster, z. B. auch für die Landshuter Martinskirche, welche, obwohl durch Scherers liebevolle und prachtfarbige Durchführung getragen, auf die schlanke gothische Säulenhalle gar keine Rücksicht nahmen. Weiter entstanden noch zahlreiche Fresken, z. B. »Jairi Töchterlein« am südlichen Campo Santo zu München (Gemalt von Adolf Baumann; Holzschnitt aus der »Leipziger Illustrirten Ztg.« [daselbst auch früher Nr. 742 vom 19 September 1857 »die Steinigung des Stephanus« aus dem Dom zu Speier« in J. Webers »Weihnachtsalbum« für 1868. Leipzig, Tafel XX.). Er arbeitete rüstig weiter, freilich nicht mehr so wohlgemuth, da das Alter mit gichtischen Schmerzen fühlbar wurde. Immer seltener erklangen seine Lieder. Unser Maler gebot über eine prachtvolle Stimme, welche ihn auf den Brettern welche die Welt bedeuten zu großartigen Erfolgen und einem Heldentenor ersten Ranges befähigt hätte. Es war eine Lust ihn singen zu hören, wenn er, begleitet von einem »Bruder Claudi,« den Xylographen J. Blanz und Franz Kreuzer († 25 Januar 1872) die almerischen Weisen seiner Heimath erklingen ließ und, plötzlich ins Falset überschlagend, die bergfrischen Jodler mit einer Breite und Bravour und einem Metall jubelnd hinaussang die jeden Zuhörer zu staunender Fröhlichkeit hinrissen. Bei solch festlichen Abenden holte dann auch »der Claudi« seine Cither hervor und spielte in seelenvollen Klängen, daß selbst der unvergleichliche Petzmayer verwundert lauschte.

Wie sein Leben sich zu neigen begann, gab es mannichfach Trübes und Helles. Schraudolph hatte der Mehrzahl seiner Kinder ins Grab zu sehen; doch blühte auch eine Reihe von Enkeln. Als im Jahre 1870 zwei Söhne nach Frankreich zogen, mag er sein Vaterherz wohl bisweilen mit beiden Händen gehalten haben. Aber sie kamen glücklich wieder; der eine behauptet heute noch eine geachtete Stellung im Officier-Corps, der andere vertauschte das Porte épée wieder mit der Palette. Da aber dieser jüngere Claudius seine eigenen Wege ging und nicht der religiösen Kunst diente, mag seine Stellung im elterlichen Hause eine Zeit lang keine erfreuliche gewesen sein, bis der Vater, versöhnt durch die eminent coloristische Begabung und deren Erfolge – wir erinnern z. B. nur an Fausts Spaziergang am Ostertag (Beilage 271 »Allg. Ztg.« 1872) – wieder die alte Liebe gewährte. Im Jahre 1875 starb seine Gattin, mit welcher Schraudolph seit 1833 in zweiundvierzigjähriger glücklicher Ehe gelebt hatte; drei Jahre darauf verließ er die Akademie und den unterdessen doch verringerten Kreis der Schüler und trat in den erbetenen Ruhestand. Der folgende Winter brachte allerlei Leiden und Unwohlsein, was der immer noch rüstige Mann glücklich bestand, bis eine plötzliche Lungenentzündung am 31 Mai sein Leben abschloß.

Schraudolph war eine offene, echte und wahre Natur, ein ganzer Sohn seiner Berge; er blieb demüthig und bescheiden über sein eigenes Schaffen, aber stolz auf die heilige Kunst welcher er diente. Das Wort des afrikanischen Kirchenvaters: »Eure Weisheit sei ohne Hochmuth, aber eure Demuth sei nicht ohne Weisheit« schien unserem Schraudolph ganz auf den Leib geschrieben. Ein böswilliger Nergler freilich warf ihm das geflügelte Wort nach, als habe er in seiner Kunst beides zu vereinen gewußt und in ihr nicht allein die hohe himmlische Göttin, sondern auch die tüchtig mit Butter versorgende Kuh verehrt.

Seine Schüler, welche er gerade nicht verzog oder verhätschelte, hielten ihn hoch und werth, und bewiesen dieß bei jeder Gelegenheit; sie inscenirten das Fest zur silbernen Hochzeit (1857) und überbrachten ihm, als im October 1874 das erste säculare Viertel seiner akademischen Lehrthätigkeit abgerundet war, ihren Dank in Form einer pompösen Adresse und eines prachtvollen Albums. Sie gliedern sich in eine ältere und eine jüngere Generation. Zu den ersteren zählen Julius Frank, Hugo Barthelme, Andreas Lochner (der, geboren 1824 zu Mainburg, auf schweren Wegen vom Handwerker zum Silberarbeiter sich erhob und zum Künstler durchdrang, aber schon am 13 Februar 1855 sein vielversprechendes Leben schloß), der obengenannte Adolf Baumann, Süßmaier, der auch ins Genrehafte bisweilen überspielende Max Zimmer und der arme Adam Huber, welcher, in seiner Art ein Stück Mintrop, vom Pflug durch den Soldatenstand zum Künstler durchschlug, über dem schweren Ringkampf um das Dasein aber erschöpft am 25 Februar 1863 erlag, gerade als das Leben mit schöneren Aufträgen eine günstige Wendung zu nehmen beliebte. Zu den jüngeren gehören Max Fürst, der auch als Sänger gerühmte Ludwig Glötzle, Joseph Zink und A. v. Felsburg. Auch der jetzt in der Specialität von Hochzeits- und Kindtaufbildern excellirende K. Herpfer zählte ehedem zu Schraudolphs Schülern, ebenso wie Matthias Schmid, welcher mit einer »Grablegung Christi« (1864. Photographirt von Albert, Holzschnitt in Nr. 1137 der „Illustr. Ztg.« Leipzig 15 April 1865) und einer »Verleihung der Schlüsselgewalt an Petrus« (1866. Photographirt von Albert) seinem Meister das »Wie er sich räuspert und wie er spuckt« wacker abgeguckt hatte, bis er plötzlich zu Piloty überging und, wunderbar schnell eingerenkt, das Mysterium seiner Palette erfaßte und, freilich auf einem ganz anderen Wege, durch seine »Pfaffenbilder« eines vielangefeindeten Namens sich erfreute.

Vielleicht hielt noch kein Lehrer seine Schüler in solch geistiger Unterwürfigkeit; jeder Versuch einer selbständigen Regung, der leiseste Hauch der Originalität wurde mit dem stereotypen: »Das hab' ich noch nirgends gesehen, das darf man nicht machen« kategorisch beseitigt. Dieses Wort, ebenso der immer wiederkehrende Rath: »Alles schön zusammen zu arbeiten,« ist für Schraudolph sehr charakteristisch. Nur wenige seiner zahlreichen Schöpfungen überraschen uns durch völlige Neuheit; die meisten lehnen sich an früheres an, oft in sehr fühlbarer Weise. Später wiederholte er sich selbst, eben so ungemüthlich und ermüdend wie Wilhelm v. Kaulbach. Auch er liebte den phraseologisch aufgeputzten »historischen« Kothurn, dasselbe Einwickeln seiner Figuren in aufgeblähte Drapirungen, welche seine Schüler bis zur Unerträglichkeit nachmachen mußten, diesen Floskelschwall und Stelzgang, welchen (wie Graf Platen bei den Dichtern verspottet) »stets als schöne Sprache liebt das Publicum.« Das anfänglich etwas sentimentale Colorit wurde dann in der Folge »schön,« abermals auf Kosten der Wahrheit, und die guten Apostel mit ihren glatten Modellköpfen gingen in ladenneuen, schneiderfrischen Gewändern und glattfrisirten Toiletten als himmlische Stutzer par excellence. Der Rückschlag macht sich jetzt schon fühlbar und wird unsere Kunst, welche wie im Traume historischer Erinnerungen dahinsäuselt und trotz alles Pochens auf Selbständigkeit doch nur Nachblüthen treibt, im Style der Bolognesischen Incamminaten, mit dem schmutzigen Realismus eines Caravaggio oder Luca Giordano nicht verschonen.

Allgemeine Zeitung Nr. 163. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Donnerstag, 12. Juni 1879.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Schraudolph Johann, von, 1808 (Oberstdorf/Allgäu) – 1879, Kirchen-, Historienmaler und Akademieprofessor; Schüler der Münchner Akademie, wurde Sch. nach Studien in Ravenna, Florenz, Perugia und Rom 1832 Mitarbeiter Heinrichs von Hess und 1849 Professor an der Münchner Akademie; er war an der Ausmalung der Allerheiligen-Hofkirche und an den Fresken der Basilika St. Bonifaz – und zusammen mit seinem Bruder Claudius Sch. und A. Baumann – des Kaiserdoms zu Speyer beteiligt.

Hauptwerke: Fresken, Szenen aus der Urkirche und dem Leben des hl. Bernhard von Clairvaux im Dom zu Speyer, Ölbilder: Petri Fischfang und Christus heilt Kranke in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, Kartons für Glasfenster in Maria-Hilf in München-Au, in St. Martin in Landshut und im Regensburger Dom; seine Fresken zeigen bei aller Idealität eine heute nicht mehr genügende Monumentalität, seine Ölbilder wirken mehr durch Sorgfalt im Detail als durch überzeugende Lebendigkeit, Schs. Tüchtigkeit zeigt sich vor allem in der Darstellung ruhiger, friedlicher Stoffe, wo er Klarheit der Schilderung und Schlichtheit des Erfassens beherrscht; dieser überzeugte katholische Künstler, der typische Vertreter der Nazarener, ist Begründer und erster Vorstand des Christlichen Künstlervereins.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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