Ω
Linke Spalte
Hier ruhen:
Dr. Franz Widnmann
k. Kreismedizinalrath,
1765 – 1848.
Maximiliana Widnmann
geb. Pöckhl,
1774 – 1855.
Anna M. Widnmann
1815 – 1851.
Dr. Eduard Widnmann
k. Bezirksarzt,
1803 – 1876.
Ludwig Widnmann
Apotheker u. Magistratsrath
1799 – 1881.
Max v. Widnmann
Bildhauer u. k. Professor
a. d. Akademie d. b. K.
1812 – 1895.
Theresia Widnmann
geb. Zenner, Apothekersgattin
1807 – 1851.
Katharina v. Widnmann
Akademieprofessorsgattin
1825 – 1892.
Augusta Widnmann
geb. Emoan,
Bezirksarztens-Wittwe
1828 – 1904.
Rechte Spalte
in Frieden:
Hermann Widnmann
Apotheker in Forchheim,
1832 – 1868.
Ludwig Widnmann
Mehlhändler,
1831 – 1876.
Katharina Widnmann
geb. Engl,
1835 – 1883.
Adolph Widnmann
Apotheker,
1827 – 1896.
Ludwig Widnmann
Oberkontroleur,
1853 – 1900.
Karoline Widnmann
geb. v. Bauer, Apothekersgattin
1829 – 1902.
Franz Widnmann
Kunstmaler & k. Professor
a. d. Kunstgewerbeschule
1846 – 1910.
Sybilla Widnmann
geb. Kraus, Apothekersgattin
1831 – 1873.
Karoline Widnmann
Apothekers-Tochter
1863 – 1922.
Ω
Widnmann, Adolf; 1827 – 1896; Apotheker
Widnmann, Anna M.; 1815 – 5.3.1851 (München); Kreismedizinalrats-Tochter
Widnmann, Augusta (vw) / Emoan (gb); 1828 – 1904; Bezirksarzts-Witwe
Widnmann, Eduard, Dr.; 1803 – 1876; Bezirksarzt
Widnmann, Franz Seraph Amand; 19.3.1765 (Marktoffingen) – 27.1.1848 (München); Kreismedizinalrat
Widnmann, Hermann; 1832 – 1868; Apotheker
Widnmann, Karoline; 1863 – 1922; Apothekers-Tochter
Widnmann, Karoline (vh) / Bauer, von (gb); 1829 – 1902; Apothekers-Gattin
Widnmann, Ludwig; 1799 – 1881; Apotheker und Magistratsrat
Widnmann, Ludwig; 1831 – 4.1876 (München); Mehlhändler
Widnmann, Ludwig; 1853 – 1900; Oberkontrolleur
Widnmann, Maximiliana (vh) / Pöckhl (gb); 1774 – 6.1855 (München); Medizinalrats-Witwe
Widnmann, Sybilla (vh) / Kraus (gb); 1831 – 1873; Apothekers-Gattin
Widnmann, Theresia (vh) / Zenner (gb); 1807 – 8.1851 (München); Apothekers-Gattin
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* 6.3.1846 (Kipfenberg)
† 30.8.1910 (Rodeneck/Pustertal)
Graphiker und Maler
Franz Widnmann †
(6. März 1846 – 29. August 1910.)
Unsere kritiklustige Zeit hat insbesondere an den Schulen der verschiedensten Gattungen häufig etwas zu nörgeln. Den Kunst- und Kunstgewerbeschulen z. B. pflegt heutzutage u. a. manchmal der Vorwurf gemacht zu werden, daß sie, dem Leben der Wirklichkeit entfremdet, für die praktische Betätigung nicht immer entsprechend vorbereiten.
Wir haben es nun heute mit dem Andenken eines Mannes zu tun, der weder »modern« sein wollte noch als Moderner gelten konnte. Da ist es denn doch wohl von besonderem Interesse zu sehen, daß seine Schüler, Leute, die unmittelbar im Kampfe des Lebens stehen, dankbaren Herzens gerade das eine unumwunden anerkennen, daß sie dem Toten vor allem eine gute Vorbereitung eben für die Praxis verdanken. Und der Umstand, daß sie alle mit Ehren vor der Gegenwart, ihren Bedürfnissen und Anforderungen bestehen, gibt ihnen zweifelsohne recht.
Am 1. Mai 1892 wurde Franz Widnmann zum Professor an der Kunstgewerbeschule (für die Figurenfachklasse) ernannt, nachdem ihm der Titel eines Kgl. Professors bereits am 7. Oktober 1881 verliehen worden. Er muß, wie uns vorliegende schriftliche Äußerungen verschiedener seiner Schüler beweisen, ein ebenso vorzüglicher als beliebter Lehrer gewesen sein. Und da der unmittelbare Zusammenhang zwischen ihm und dem kunstgewerblichen Schaffen der Gegenwart zunächst aus seiner Lehrtätigkeit sich ergibt, insofern, als seine Schüler das vermittelnde Band zwischen ihm und dem Leben sind, so liegt es vielleicht nahe, zunächst über diese seine Lehrtätigkeit das Nötige zu sagen.
Widnmanns Beliebtheit ist über allen Zweifel erhaben. Wenn man ausführlichere Mitteilungen seiner Schüler liest, so stellt man ihn sich unwillkürlich als etwas derben, aber gemütlichen Altbayern vor. Das entspricht jedoch nicht den Tatsachen: mag er sich in München auch gut akklimatisiert haben, die Wiege seiner Vorfahren stand nördlich der Donau, in jenem Grenzland zwischen fränkischem und schwäbischem Volkstum, durch das sich in zahlreichen Windungen die fischreiche Altmühl schlängelt. Freilich ist er selber schon verhältnismäßig früh ins Süddonauland gekommen.
(Widnmanns Vater stammte aus Eichstätt, seine – übrigens schon früh verstorbene – Mutter aus Kipfenberg, ebenfalls im Tal des genannten Flusses gelegen. Hier in Kipfenberg, wo Widnmanns Vater Gerichtsarzt war, wurde unser Künstler auch geboren, verhältnismäßig früh aber siedelte die Familie nach Schrobenhausen über, das ihm so zur zweiten Vaterstadt wurde; vgl. hierzu und auch sonst den Nekrolog im Rechenschaftsbericht 1910 des Kunstvereins München, Seite 19. Ein ganz besonders inniges Verhältnis verband ihn stets mit seiner Stiefmutter, der Schwester der verstorbenen Mutter, an der er wie an einer leiblichen Mutter hing, die ihm, dem Junggesellen, später jahrelang den Haushalt führte und ihm nur wenige Jahre im Tode vorausging. Franz besuchte die deutsche Schule in Schrobenhausen, die Lateinschule zu Neuburg a. D., aus der ja so mancher Treffliche und Berühmte hervorgegangen. Dann kam er nach München zur Vorbereitung auf die Akademie der bildenden Künste an die von Prof. Dyck geleitete Zeichnungsschule des Vereins zur Ausbildung der Gewerbe (jetzige Kunstwerbeschule) – hier wird später wieder anzuknüpfen sein.)
Ohne den Unterton süddeutscher, um nicht zu sagen münchnerischer Gutmütigkeit und Herzlichkeit hätte Widnmann übrigens manchem zunächst als weniger angenehmer Lehrer erscheinen mögen. Mit Lob z. B. war er karg, und wenn er zu einem sagte: »Das hätten's aber schon noch besser machen können«, so lag darin eine Anerkennung und beileibe kein Tadel beschlossen. Vor allem aber verlangte er, was die Jugend nicht immer liebt: sorgfältige intensive Arbeit. Streng sah er z. B. auf genaue Zeichnung, Oberflächlichkeit war ihm ein Greuel und konnte auch bei ihm gar nicht aufkommen.
Seine Schüler aber danken ihm gerade diese strengen Forderungen, danken ihm, daß er sie »mit Liebe« arbeiten lehrte. Seine Beliebtheit war ja wohl auch hauptsächlich in der Trefflichkeit seiner Lehrmethode begründet, über die sich seine Schüler selbst am wenigsten im unklaren bleiben konnten. Er verlangte von ihnen, wie oben angedeutet, ziemlich viel, aber er ließ dabei jedem seine Selbständigkeit, seine Eigenart und beeinflußte keinen durch seine persönliche Art und Weise. Darin liegt vor allem eine Erklärung für die manchem vielleicht merkwürdig erscheinende Tatsache, daß ein so völlig »unmoderner« Lehrer seine Schüler doch fürs moderne praktische Leben trefflich ausstattete: er gab jedem eine solide, feste Grundlage, im übrigen aber ließ er jeden sich frei und selbständig entwickeln. Aus diesem Grunde, und da er sich um jeden in gleicher Weise annahm, völlig unparteiisch und geduldig um jeden, auch den weniger Begabten sich bemühend, zog auch keiner seiner Schüler je entmutigt von dannen. Wenn es aber nottat und wenn er konnte, dann half er auch gern noch weiter hinaus ins Leben, wie denn überhaupt eine weitgehende Hilfsbereitschaft allen gegenüber, die sich in Notlage befanden oder die er in Notlage glaubte, ein wesentlicher Charakterzug Widnmanns gewesen zu sein scheint. Vielleicht war Helfen und Wohltun ihm, dem einsam Alternden, ein ganz besonderes Herzensbedürfnis.
Wahrlich, es ist eigen Ding um das Fortleben der Menschen in ihrem Werk! Widnmann war z. B. u. a. auch Mitarbeiter an den »Dekorativen Vorbildern«, die bei Jul. Hoffmann in Stuttgart erschienen: es wird heutzutage, wohl kaum jemand noch nach diesen musizierenden Amoretten usw. greifen. Aber das, was er seinen Schülern fürs Leben mitgegeben, wirkt fort bis heute und wohl noch so manches Jahr.
Freilich – und darauf kommt m. E. alles an –, ein Feind der Moderne war Widnmann nicht. Über sein Verhältnis zu ihr wird sich allerdings an anderer Stelle besser reden lassen; aber das eine wollen wir doch hier vorwegnehmen: er selbst bezeichnete seinen Standpunkt ihr gegenüber damit, daß er sagte, er wolle sich um die modernen Sachen nicht mehr annehmen, das überlasse er den Jüngeren. Aus diesen Worten laßt sich das eine wenigstens unschwer entnehmen, daß er zwischen sich und der modernen Richtung keineswegs eine unüberbrückbare Kluft gähnen sah.
Es ist dies etwas, was nicht alle Piloty-Schüler von sich sagen können bzw. sagen konnten. Als solcher begann nämlich Widnmann – um an die oben gegebene kurze Aufzählung seines Lebensganges anzuknüpfen – seine Laufbahn (nach vorhergegangenem Besuch der Schulen von Strähüber, Anschütz & A. Wagner), und auch er hat damals, der Mode folgend, ein historisches Gemälde geschaffen, das den (auch von Schiller verewigten) Heldenmut einer deutschen Landesmutter gegenüber dem gefürchteten Alba zum Gegenstand hatte. Das Bild wurde 1873 in Wien mit einer Medaille ausgezeichnet. Aber so vielfach sich Widnmann auch fort und fort mit Malerei beschäftigte, und zwar bis zuletzt, seine schlichte natürliche Herzlichkeit, die wir schon kennen lernten, als wir von seiner hilfsbereiten, wohltätigen Gesinnung sprachen, bewahrte ihn glücklich vor der Gefahr, die gerade die Nachahmung Pilotys in sich barg: vor dem Aufgehen in einem äußerlichen, kalten, leeren Pathos. Viel mehr als zum Historienbilde »großen Stils« fühlte er sich zu schlichten, treuen Bildnissen hingezogen, zum Stilleben, zu Landschaftsstudien, nicht zuletzt auch zu innigen religiösen Bildern, und gerade aus letzteren klingen Töne, die an die besten Deutschen des älteren 19. Jahrhunderts erinnern, gelegentlich an Rethel und dann wieder an Schwind. Auch seine unleugbare Fabulierlust, die in seinen dekorativen Arbeiten manchmal so anmutig zutage tritt (vgl. die Geschäftskarte für »giftfreie« Weihnachtsbaumkerzen Abb. 611), manchmal wieder fast gewaltsam unterdrückt zu sein scheint (namentlich auf der Mehrzahl der Adressen), weist zurück in Zeiten, die vor der Pilotyschen Veräußerlichung der Geste, der Situation liegen.
Es ist dieser Umstand auch für die kunstgewerbliche Tätigkeit Widnmanns nicht ohne Bedeutung. Man kann ja das kunstgewerbliche Schaffen nicht loslösen von der gesamten übrigen Kunstproduktion einer Epoche; und wie der malerische Geschmack allmählich ins Äußerliche, ins Leer-Dekorative unter dem Schein besonderer Gedankentiefe und Empfindungsstärke sich verlor, so ging's auch im Kunstgewerbe: äußere Prunkhaftigkeit, die ihre Zwecklosigkeit unter einer Fülle gedankenreicher Beziehungen zu verbergen suchte, bekam die Vorherrschaft. Widnmann aber, dessen ganze Persönlichkeit, wie wir sahen, der geschilderten Richtung in der Malerei widerstrebte, mehr der ungekünstelten, dabei wahreren und schlichteren Art der vorausgegangenen Zeit entsprach, machte zwar im Kunstgewerbe, bei dem die rein persönliche Betätigung naturgemäß viel leichter zurücktreten muß wie in der Malerei, in dem der Zwang der Mode viel stärker ist, die »altdeutsche« Richtung usw. mit, aber er verlor sich nicht in ihr, und wer speziell die in diesem Hefte abgebildeten graphischen Sachen Widnmanns durchsieht, der erkennt alsbald, daß ein Künstler wie er, unter dessen Feder gelegentlich die anspruchslos-sinnige Linienführung der Romantiker wach wurde (vgl. die Skizze einer Einladungskarte zur Habenschadenfeier Abb. 610), auch niemals ganz das Verständnis für die Notwendigkeit verlor, das zum Druck bzw. zur Vervielfältigung durch die Buchdruckerpresse Bestimmte typenartig wirken zu lassen, nicht irgendwie »malerisch« bzw. zeichnerisch (vgl. das Kopfstück für »Daheim« Abb. 606), er sieht mit Interesse und vielleicht mit Verwunderung, daß Widnmann gar nicht ungern auf das Drum und Dran unsachlichen Ornamentenbrimboriums zum Vorteil einer klaren Formensprache verzichtete (vgl. die Kopfleiste der Münchener Stadtobligationen von 1897 Abb. 615), daß er die flächige, plakatartige Mirkung des modernen Ex-libris keineswegs verkannte (Abb. 632–634) und sich gegen Ende seines Lebens noch mit vielem Glück und gutem Geschick an einer so modernen Aufgabe wie der Gewinnung einer neuen Briefmarkenserie für das Königreich Bayern beteiligte (Abb. 617–631).
Kurz, das eine darf man unter allen Umständen behaupten: die Richtung des Kunstgewerbes, deren Gott der Schnörkel und deren Prophet Makart war, konnte Widnmann nicht mit Leib und Seele zu den Ihren rechnen. Es konnte das überhaupt eigentlich keine Richtung je: der Mann, dessen Lehrerfolge nicht zuletzt darin gipfelten, daß er nach Erfüllung des Notwendigen jeden Schüler nach seiner Fasson selig werden bzw. arbeiten ließ, er wahrte sich auch im allgemeinen persönlich seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Auch von ihm gilt so Goethes Wort:
Höchstes Glück der Erdenkinder
Ist doch die Persönlichkeit.
Noch heute sind von ihm Kopien der großen Italiener (Tizian usw.) vorhanden, aber in seinem Schaffen (ich meine hier natürlich seine Gemälde) erinnere ich mich keiner Anlehnung an ihr Vorbild. Und so unleugbar in seinen graphischen Arbeiten einige Male der Einfluß Ferdinand Barths leicht verspürbar ist (vgl. z. B. die erste Erlenmeyer-Adresse aus dem Jahre 1895 Abb. 635), so wenig laßt sich dieser Einfluß irgendwie als tief oder nachhaltig feststellen.
Schier unerschöpflich ist der Reichtum an graphischen Arbeiten, die er lieferte. Eine Hauptrolle darunter spielen die Adressen und Ehrenbriefe, unzählige Male ist er mit Ausführung von solchen betraut worden. Er besaß auch zweifelsohne ein besonderes Geschick für derlei Aufgaben, deren er sich stets vornehm und stets eigenartig zu entledigen wußte. Fürwahr, es ist sicher keine Kleinigkeit sich hier nicht zu wiederholen und für den langweilig-geschraubten Text solcher Ehrungen trotzdem stets eine würdige, wenn möglich charakteristische künstlerische Form zu finden. Er machte aber auch diese Dinge, so vertraut sie ihm allmählich werden mußten, niemals nur so »aus dem Handgelenk«; sorgfältige Vorarbeiten schenkte er sich auch hier nicht und mit größtem Eifer trieb er z. B. auch hiefür Draperiestudien (vgl. Abb. 642–644), wie er denn bei den Adressen ganz besonders seiner Vorliebe für Putten, Amoretten und schön drapierte Frauengestalten sich hingeben konnte. Wenn er also von seinen Schülern stets und als Erstes ehrliches Arbeiten verlangte, so ging er in seinen eigenen Arbeiten mit bestem Beispiel voran.
Viele andere graphische Arbeiten außer den genannten wären noch zu erwähnen, offizielle und zu privatem Gebrauch bestimmte, ja, es läßt sich nicht leicht eine Art graphischer Betätigung denken, die ihm fremd geblieben wäre. Und alle fertigte er mit der gleichen Sorgfalt und der gleichen kühlen Ruhe, die seinen Arbeiten, so selbständig er ihnen entgegentrat, in der Ausführung durchweg etwas Unpersönliches gibt: er selbst tritt in ihnen stets zurück. Wer sich freilich der feinen, subtilen Ausführung von Widnmanns Zeichnungen voll erfreuen will, der muß zu den Originalskizzen greifen; bei den früheren Reproduktionsverfahren ist manche Feinheit verloren gegangen. Eine Vorstellung von seiner Vielseitigkeit aber mag folgende Übersicht geben. Er entwarf Wandkalender, Buchumschläge, Gedenkblätter, Fest- und Grußkarten (vgl. die Radfahrerfestkarte vom Jahre 1890, Abb. 612, den Verlobungsglückwunsch Abb. 608), Tanzordnungskarten, eine in der farbigen Ausführung außerordentlich glückliche Festpostkarte für die Jubelfeier des Kadettenkorps (250. Wiederkehr seines Gründungstages), Titelumrahmungen (Abb. 616); er illustrierte Festzeitungen (z. B. für das Schützenfest 1881, Abb. 613), zeichnete Theaterzettel für private Theatervorstellungen (Abb. 603) usw. Dabei griff er, wie die Abbildungen erkennen lassen, bald zu den Zierformen des Rokoko, bald zu denen einer neutralen oder modernisierten Renaissance, aber gerade wenn man die von ihm so häufig verwendeten Kinderfigürchen an sich vorüberziehen läßt, erkennt man deutlich eine Entwicklung; die anmutigen kleinen Gestalten werden immer freier, jugendlicher, sozusagen heller im Ton, immer mehr durch zarte Konturen begrenzte Flächen, die durch ihre Beziehung auf einen ebenfalls immer mehr als Fläche wirkenden Hintergrund ornamentale, nicht zeichnerische Wirkung ergeben (vgl. insbesondere die Neujahrsglückwunschkarte Abb. 607).
Wenn die graphischen Arbeiten Widnmanns im Rahmen seines Lebenswerkes, absolut betrachtet, schließlich auch nicht gerade die Hauptrolle spielen (von den Adressen vielleicht abgesehen), für die Würdigung seines eigentlichen Wesens, für ein Eindringen in sein Verhältnis zu den verschiedenen Zeitströmungen sind sie weitaus am wichtigsten. Lauter werden natürlich andere Zeugnisse seines Könnens sprechen, etwa die dekorativen Malereien großen Stiles, wie er solche auch ausführte. Mit anderen Pilotyschülern erhielt er schon früh einen derartigen Auftrag in Berlin (Ausschmückung des Pringsheimschen Hauses), darauf malte er Wandbilder für das Spielzimmer S. kgl. Hoheit des Prinzen Leopold usw. An erster Stelle aber wäre hier wohl der umfangreiche Wandfries für das Schloß des Fürsten Thurn und Taxis zu erwähnen, Jagdszenen, die Heimkehr von der Jagd u. dgl. darstellend (Abb. 658); dazu gehört die Studie des Denglers (Abb. 641), die sehr deutlich zeigt, wieviel ernste Arbeit, wieviel Liebe und Sorgfalt er auch hier auf jedes einzelne Teilstück verwendete. Man vergleiche übrigens den Charakterkopf dieses Bauern mit den ebenfalls abgebildeten Aktstudien (Abb. 645) und es wird hier wie dort ein gewisser durchgeistigter Gesichtsausdruck auffallen. Man kann immerhin zugeben, daß die Neueren – etwa ein Erler – durch stärkere Betonung des Flächenhaften, durch schärfere Konturierung, vor allem auch durch Farbenwahl und Farbenverwendung den Stil des dekorativen Freskos viel besser treffen, aber man möchte anderseits wünschen, daß jene durchgeistigte, vornehmere Auffassung des Menschen, wie wir sie z. B. bei Widnmann sehen, etwas weniger außer Kurs gekommen wäre. Ein andermal, wo es die stilistische Eigenart des Raumes gestattete (es handelt sich wahrscheinlich um einen Entwurf für König Ludwig II.), kehrte er freilich auch bei einem stuckierten Wandfries zu seiner Liebhaberei für allegorische Verwendung von Amorettenfiguren zurück (Abb. 656 u. 658), wie die Skizze zu einem dekorativen Wandgemälde der Galathea und ihres Gefolges (Abb. 659) ebenfalls den Einfluß der Vorbilder des heroisch-galanten Zeitalters der französischen Ludwige verrät. Für die damalige Zeit aber, in der diese Arbeiten und Entwürfe entstanden, jene Zeit, die einen ausgeprägten Stil für das dekorative Wandbild nicht besaß, die obendrein in architektonischer Hinsicht allenthalben Anleihen machte, war das Eingehen auf den jeweiligen Raumcharakter unentbehrlich und Widnmanns Vielseitigkeit war hier gerade am Platze. Wie gut wußte er z. B. anderwärts, – wie bei den für die Barfüßerkirche in Augsburg bestimmten Glasfenstern (Abb. 653) – den religiösen Charakter zu treffen; bemerkt sei, daß hier nur das Figürliche, nicht auch die dekorative Einfassung von ihm stammt.
Wirklich fremd muten uns von Widnmanns Arbeiten heute dagegen die eigentlichen kunstgewerblichen Gebrauchsgegenstände an, die er entwarf, wenigstens größtenteils. Wir denken hiebei an Sachen wie z. B. die von Lichtinger ausgeführte Zinnkanne (Abb. 650) oder an das zinnmontierte Glas (Abb. 652). Deutlich werden wir uns hier des Gegensatzes zwischen einst und jetzt bewußt, zwischen jenen Tagen, da die »Verzierung«, das Anpassen aufzusetzender Zierformen Ziel des Strebens war, und der Gegenwart, die auf Verbesserung, Veredelung der gebrauchsfähigen Form an sich ausgeht. Damals konnte es vorkommen – und es ist, wie das mir zur Verfügung stehende Quellenmaterial erweist, auch Widnmann passiert –, daß das ausführende Geschäft den ursprünglichen Entwurf des Künstlers irgendwie abändern mußte, weil die von letzterem vorgesehenen kunstvollen Zierate einfach so nicht anzubringen waren. Widnmanns Arbeiten auf diesem Gebiet machen übrigens den Eindruck, daß die Ornamentierung die Gebrauchsfähigkeit wenigstens nicht direkt beeinträchtigt; und daß bei wirklichen Prunkgeräten (vgl. den Entwurf zu einem Muschel-Prunkgefäß Abb. 649) die Zweckmäßigkeit auch heute noch zurückstehen muß, haben uns in allerletzter Zeit erst gewisse Experimente Bruno Pauls, Troosts, Veils u. a. bewiesen.
Die meisten eigentlichen Prunkarbeiten Widnmanns gehören übrigens der Geschichte an, die meisten von ihnen waren nämlich für die Schlösser König Ludwigs II. bestimmt oder entworfen. Denn (vgl. den S. 362 genannten Nekrolog) schon bald wurde er in diese Tätigkeit hineingezogen. Speziell erhielt er den Auftrag zu Plafond- und Wandgemälden im Treppenhaus der Salle de Mars im Ankleide- und Badezimmer in Herrenchiemsee, eine Tätigkeit, die an seine vorhergehenden dekorativen Malereien (s. o.) unschwer anknüpfen konnte; hier kommen mehr die kunstgewerblichen Entwürfe in Betracht, die er für den König lieferte. Für die Erschließung seines künstlerischen Wesens und Schaffens sind sie freilich im allgemeinen nur insofern fruchtbar zu machen, als sie auf der einen Seite einen neuen Beweis für seine außerordentliche Vielseitigkeit liefern, auf der anderen einen weiteren Beleg für seine Gabe sich unter fast völligem Zurücktreten einer persönlichen Art in eine gestellte Aufgabe, in einen gegebenen Rahmen einzufühlen und einzufügen. Bei den für Ludwig II. arbeitenden Künstlern muß man ja überhaupt vielfach die unpersönliche Art bewundern, wie sie auf die Wünsche ihres hohen Auftraggebers eingingen und die von ihm gestellten Aufgaben lösten. Die wenigstens in späterer Zeit vom König gewählten historischen Formen reden freilich selber eine solche unpersönliche, die Eigenart des Künstlers völlig erdrückende Sprache; der Kunstgeschichte werden sie einst die Feststellung der Autorschaft nicht wenig erschweren.
Es könnte zwischen Widnmanns Mitarbeiterschaft bei Ausschmückung der Schlösser Ludwigs II. und dem oben über seine Selbständigkeit Gesagten ein Widerspruch gefunden werden. In Wirklichkeit besteht aber keiner. Widnmann hatte schon sehr früh selber angefangen Prunk- und Luxusgegenstande zu entwerfen ähnlich denen, die jetzt von ihm verlangt wurden; die früheren Jahrgänge unserer Zeitschrift, speziell aus dem Anfang der siebziger Jahre (Vgl. Jahrg. 1871 Bl. 1 u. 7; – 1872 Heft 1, Bl. 1; Heft 7, Bl. 1; – 1873 Heft 1, Bl. 1; Heft 11 Bl. 1; – 1877 Bl. 4 u. 35; – 1891 Tafel 29 (der Zeitschrift des Bayer. Kunstgewerbevereins). Graphische Arbeiten finden sich in den Jahrgängen 1872 (Heft 5, Bl. 1), 1883 (Tafel 18), 1891 (Tafel 17).) brachten so manches Stück dieser Art von ihm. Als nun die Aufträge des Monarchen an ihn kamen, da reizte es ihn offenbar das graziöse Formenspiel dieser Geschmacksrichtung zu versuchen. Wie sein Nachlaß ausweist, regte ihn die Tätigkeit auf diesem Gebiet auch zu gelegentlichen Versuchen über den Kreis der Bestellungen hinaus an. Er fertigte damals (Abb. auf den Seiten 377–385) Zeichnungen zu Schlitten, zu einem Thronsessel, zu Servicen und Tischgeräten, Schreibzeugen, Uhrständern, Prunkleuchtern, Nachtlichtern, für Fächer usw. Den Meister in der Verwendung von Putten und Amoretten finden wir auch hier wieder heraus und ein Blick auf das für den König entworfene Nachtlicht erfreut z. B. durch die schöne Linie welche durch die sich anschmiegenden Gestalten gebildet wird.
Aber wie wir oben schon sagten: er ließ sich von keiner Richtung dauernd, mit Leib und Seele, gefangen nehmen. So war es auch hier. Wie schon die Betrachtung seiner graphischen Arbeiten ergab, fand er sich auch wieder zu einfacheren Formen zurück, zu Formen zugleich, die seinem inneren Wesen viel mehr entsprachen. Es ist unterhaltend und belehrend zugleich die Veränderung des Puttenmotivs unter diesem Gesichtswinkel zu betrachten. Auch darauf wurde oben schon einmal hingewiesen. Das wechselnde Spiel aber zwischen seiner Neigung, möglichst vielartig und vielseitig sich zu betätigen, und dem Grundzug seines Wesens, der den Moden seiner Zeit nicht immer entsprach, ist höchst reizvoll zu beobachten. Daß er aber nichts unversucht lassen, alles kennen lernen wollte, solange die Spannkraft des Körpers und Geistes dazu vorhanden war, zwingt uns nicht nur Achtung ab, sondern läßt ihn zugleich auch wieder als vielseitigen, erfolgreichen Lehrer erscheinen. Es wäre nicht nur ungerecht sein Werk mit den in der Gegenwart gültigen Maßstäben einseitig zu messen (verglichen haben wir es damit wohl auch), es ergäbe auch ein falsches Bild von seinem Verhältnis zur Gegenwart. Jetzt, am Schlusse unserer Ausführungen, erkennen wir deutlich, wie sich dasselbe gestaltete: indem er, was seine Zeit gebar, aufnahm und gewissermaßen durch seine Seele durchgehen ließ, es so gewissermaßen überwindend, half er auf seine Weise das Neue, das Heutige vorbereiten. Indem er in seiner Zeit Treffliches leistete, diente er ihr und lebte er in ihr: das Beste, was man vom Manne verlangen kann; indem er aber mithalf, daß die Zeit in den verschiedenen Richtungen und Moden, in die sie sich zu verlaufen und zu verirren drohte, nicht stecken blieb, hat er auch der Zukunft, der Gegenwart gedient. Wenn wir aber aus dem Vorhergehenden gewissermaßen ein Fazit ziehen, so erhebt sich letzten Endes noch eine sehr nachdenkliche Frage, die nämlich, ob Naturen wie Widnmann – wollen wir sie etwa »neutrale« nennen – nicht zu allen Zeiten für das Kunstgewerbe und für die Heranbildung von Kunsthandwerkern wertvoll, ja unentbehrlich sind. Das Wesen alles Kunstschaffens, hat man gesagt, ist der Wechsel; wechselnd sind namentlich die Ansprüche, die beim Kunstgewerbe die Bedürfnisse der Abnehmer ergeben. In dem Augenblick, da alle wirklichen Künstler auf ein Extrem schwören, wäre bei jedem Wechsel des Bedürfnisses bzw. des Geschmackes die Produktion zunächst dem Pfuschertum ausgeliefert. Insofern sind die »Neutralen«, die ehrliche Arbeit lehren, eine Art Reserve und Jungbrunnen zugleich. Dr. Karl Lory.
Dr. Karl Lory: Kunst und Handwerk. Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbevereins zu München. München, 1910/1911.
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* 16.10.1812 (Eichstätt)
† 6.3.1895 (München)
Bildhauer
Max Widnmann, geboren 1812 in Eichstädt. Er kam im Jahre 1825 nach München, besuchte vom Jahre 1828 an die Akademie und arbeitete nach Schwanthalers zweiter Rückkehr nach Italien ohngefähr drei Jahre bei ihm und für ihn, begab sich 1836 nach Italien und weilte in Rom bis zum Jahre 1839. Durch den Anblick der herrlichen Ueberreste des Alterthums richtete sich seine Neigung in der Kunst vorzüglich auf den klassisch griechischen Styl. In diesem Geiste führte er einige Reliefe aus : Hylas von den Nymphen in das Wasser gelockt; Odysseus am Hofe des Königs AlkinosS vom Gesange des Demodokos bewegt; Helene von der Venus dem Paris zugeführt, und zwei Statuen: Cyparissus und eine weibliche Figur, welche ihr Gewand auf der Schulter befestigen will. In Rom vollendete er eine Zeichnung, ebenfalls den Schild des Herkules nach Hesiod, den er jetzt in Wachs zu bossiren beschäftigt ist. Die Muse Euterpe mit Amor, als Relief in Marmor ausgeführt, war sehr zart gehalten. Sein neuestes Werk ist eine lebensgroße Gruppe in Gyps: Apollo fängt die aus Eifersucht von ihm tödtlich getroffene Coronis in seinen Armen auf und ist vergeblich bemüht, sie wieder ins Leben zurückzurufen. Eine andere Grnppe von eben so entschiedener Wirkung führte er schon früher in Gyps aus: Simson und Delila. Das Weib sitzt mit halber Neigung des entblößten Oberleibes gegen Simson gewendet, der ganz nackt zu ihren Füßen sitzend eingeschlafen ist. Sein Haupt ruht in seiner Linken, die er auf den linken Schenkel gestützt hat, während sein rechter Arm auf Delias linken Schenkel ruht. In ihrer Rechten hält sie noch die Scheere nach seinem schon geschorenen Haupte hin, indem sich ihr Kopf nach der anderen Seite bedeutungsvoll hinwendet.
Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.
Widnmann: Max Ritter v. W., Bildhauer und Akademieprofessor, geboren am 16. October 1812 zu Eichstätt als der Sohn eines Arztes (welcher erst bei den dortigen Fürstbischöfen, dann beim Herzog von Leuchtenberg als Medicinalrath in Diensten stand), erhielt eine wissenschaftliche Bildung an den dortigen Lehranstalten, wendete sich aber, angeregt durch eine im Besitze der Eltern befindliche Bildersammlung, ganz zur Kunst und bezog schon 1825 die Münchener Akademie, wo er durch Konrad Eberhard (1768–1859) der antiken Kunst zugeführt und bei Ludwig Schwanthaler (1802–1848) für die Bildhauerkunst bestimmt wurde. Ein dreijähriger Aufenthalt bei Thorwaldsen zu Rom (1836–1839) führte den schwärmerischen, schönheitstrunkenen Jüngling ganz in die der antiken Kunst zugewendete Richtung. Hier componirte W., mit brennendem Ehrgeiz schaffend, viele Gruppen und Reliefs, wie »Simson und Delila« (Kunstblatt 1835 S. 418), einen von den Nymphen geraubten Hylas, den »Odysseus bei Alkinoos« und eine von Venus dem Paris zugeführte »Helena«. In Rom faßte W. nach Schwanthaler's Vorbild (Schild des Achill) den Plan zu einem »Schild des Herakles«, welcher indessen erst 1842 zur Ausführung gelangte (vgl. Nr. 19 Kunstblatt, Stuttgart 1843, mit Abbildung), ebenso arbeitete er damals schon an den »Umrissen zur Odyssee«, welche später vollendet und durch Schütz im Contour-Stich vervielfältigt wurden (München bei Mey u. Widmayer. Vgl. Julius Grosse in der Beilage 162 zur Neuen Münchener Ztg. vom 9. Juli 1859 u. Beilage 13 vom 15. Januar 1861). Nach seiner Rückkehr verarbeitete W. seine Projecte, schuf im Auftrage König Ludwig I. zahlreiche Büsten für die bairische Ruhmeshalle (z. B. General und Pferdemaler C. W. v. Heideck, Hans Holbein, Georg v. Frundsberg, Christoph Amberger, Karl Rottmann, Orlando di Lasso, Joh. Georg v. Herwart, Joh. Mändl), insbesondere aber das Modell zu dem kolossalen Standbild des Fürstbischof Echter v. Mespelbrunn, welches (in Erzguß durch F. v. Miller ausgeführt) vor der durch ihn gegründeten Universität zu Würzburg aufgestellt wurde (1847). Für diese Leistungen gelangte W. nach Schwanthaler's Ableben (1848) an dessen Stelle als Professor an der Akademie, welche er bis 1887 in voller Thätigkeit, einmal auch als ihr interimistischer Director, bekleidete. Während seiner Lehrthätigkeit bildete W. eine ganze Reihe von Schülern, unter denen freilich mancher, wie Lorenz Gedon († 1883), Joh. Hirt, Sirius Eberle und die so hervorragenden Michel Wagmüller († 1881) und W. v. Ruemann (dieser seit 1887 als Nachfolger Widnmann's an der Akademie) seinen Lehrmeister überstrahlte! W. erhielt durch König Ludwig I. eine ganze Reihe von Aufträgen zu kolossalen Standbildern, z. B. des Tondichters Orlando di Lasso (1848), des Historikers Lorenz v. Westenrieder (1854), des Fürstbischof Franz Ludwig v. Erthal (1865 auf dem Domplatz zu Bamberg enthüllt, eine Abbildung in Nr. 1179 Illustr. Ztg., Lpz. 3. Febr. 1866); die Statuen von Iffland und Dalberg zu Mannheim, das Grabdenkmal der Großherzogin Mathilde von Hessen-Darmstadt u. s. w. Ein im schönen Linienfluß aufgebautes Werk war die Gruppe der von einem Panther überfallenen »Nomadenfamilie«, welche lange Zeit auf allen Ausstellungen herumwanderte, ohne eine bleibende Stätte zu gewinnen (Abbildung in Nr. 647 Illustr. Ztg., Lpz. 24. November 1855). Zu den besten Leistungen Widnmann's gehört auch die vor dem heutigen Café Luitpold aufgestellte Schiller-Statue (Abbildung in Nr. 1039 Illustr. Ztg., Lpz. vom 30. Mai 1863), wobei der Künstler sich nicht enthalten konnte, auf jene bei der »historischen« Schule ehedem so beliebte Bademantel-Drapirung zu verzichten. Dagegen wählte W. für das Münchener Goethe-Standbild, mit Benutzung der idealen Büste Trippel's, ein griechisches Kostüm, wodurch freilich der aus Stieler's Bildniß sprechende geheimräthliche Nimbus der weimarischen Excellenz vermieden wurde, doch birgt die Statue mehr als eine Achilles-Ferse, namentlich durch die theilweise Leibarmuth, platte Magerkeit und zerquetschte Breite der ganzen Figur, deren Anblick nur von einer Seite erbaulich und erhebend wirkt (Nr. 1346 Illustr. Ztg., Lpz. 17. April 1869). Das von Schwanthaler auf Matthias Corvinus modellirte und leider nicht zur Ausführung gebrachte Reiterstandbild übersetzte W. auf König Ludwig I., welches in der Münchener Ludwigsstraße zur Aufstellung kam, aber trotz großer Vorzüge im Gruppen-Aufbau, doch an einer heillosen Kostüm-Verquickung (classische Sandalen- und spanisches Krönungskostüm) leidet, ein artistischer Hiatus, welcher durch eine eigens deshalb von dem Künstler 1866 verfaßte Broschüre nicht erklärt werden konnte. Während der Fechter mit sarkastischen Waffen seine Gegner zu verwunden trachtete, bot er selbst sich als kritisches Object. Die Statuen auf Fr. v. Gärtner und Leo v. Klenze erhoben sich nicht über das herkömmliche Niveau und die freilich dem Charakter des Gebäudes angepaßte Statue des Benvenuto Cellini (in einer Nische der Glyptothek) läßt in ihrer olympischen Langweile den Meister der zierlichen Renaissance unmöglich errathen (Abbildung in Nr. 1003 Illustr. Ztg. vom 20. Septbr. 1862). Zweimal versuchte sich W. auch mit christlichen Stoffen, mit einer »Pietà« (1853) und einer »Madonna« (1882 für die neue Kirche zu Neuhausen), womit er ein ihm völlig fremdes Gebiet ohne besonderen Erfolg betrat; im letzteren Falle sogar mit einer Niederlage, da durch den allgemeinen Unwillen der Gemeinde das völlig untypische und willkürliche Werk beseitigt und durch eine geringfügige, aber im verständlichen Stylgefühl gehaltene Leistung ersetzt wurde. Zu Widnmann's besten Erzeugnissen zählten die Kolossal-Figuren des »Kastor und Pollux« am Treppenportal der neuen Akademie, deren Ausführung sich jedoch lange verzögerte, indeß sein Ehrendenkmal auf Peter Cornelius immer noch auf den Erzguß wartet. Auf für kunstgewerbliche Zwecke brachte W. manche Ideen zur Ausführung, z. B. einen Prachtkrug für den Grafen Thun, natürlich in stylgerechter Strenge auf jede Volksthümlichkeit im voraus verzichtend. W. war eine complicirte Natur, voll Idealität und Sarkasmus, den höchsten idalen Zielen nacheifernd, voll Begeisterung für eine nationale deutsche Kunst, deren Mittel und Wirkungskreis ihm doch nach dem ganzen Gange seiner Bildung immer wieder unter den Händen entrannen. Mit vielen Ehren und Auszeichnungen noch bei seinem achtzigsten Geburtstage gefeiert, vollendete der greise Künstler am 3. März 1895 zu München seine Laufbahn.
Vgl. Raczynski II, 508. – Vincenz Müller. Handbuch für München (1845) S. 184. – Nagler XXI. – Bettelheim, Biogr. Blätter (1896), 3. Hft., S. 226 ff.
Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1897.
Widnmann Maximilian, 1812 (Eichstätt) – 1895, Bildhauer und Akademieprofessor; auf der Münchner Kunstakademie war W. bedeutendster Schüler von Eberhard und Schwanthaler; nach einem Studienaufenthalt in Rom wirkte er seit 1839 dauernd in München, wo er sehr viele Standbilder schuf.
Hauptwerke: Fürstbischof Julius Echter in Würzburg, Orlando di Lasso, Schiller, Goethe, Westenrieder, Ludwig I. und Gärtner in München, Dalberg in Mannheim, Bischof Sailer in Regensburg und Fürstbischof Erthal in Bamberg, Marmorbildsäulen in den Nischen der Münchner Glyptothek; W., der zahlreiche Schüler beeinflußte, zählt zu den bedeutendsten Bildhauern Münchens.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.