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17 – 3 – 22* (Seeberger)

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Das Grab ist nicht erhalten

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Gustav Seeberger

* 1812 (Markt-Redwitz/Oberfranken)
† 21.4.1888 (München)
Architekturmaler

Augsburger Neueste Nachrichten (23.7.1862)

München, 22. Juli. — Hr. Maler Gustav Seeberger von hier, der vor etwa 20 Jahren die zum Steinheilischen Pyroskop gehörigen Panorama-Ansichten der Stadt und Umgebung vom Petersthurme aus aufnahm und auf Steinplatten malte, ist seit mehreren Wochen damit beschäftigt, alle jene Veränderungen darauf nachzutragen, welche sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre ergaben und welche die Thürmer bei Bestimmung der Brandstelle begreiflicher Weise nicht selten in Verlegenheit brachten.

Augsburger Neueste Nachrichten Nr. 107. Mittwoch, den 23. Juli 1862.

Allgemeine Zeitung (24.4.1888)

Bayerische Chronik.
München, 23. April.

(Architekturmaler Gustav Seeberger †.) Am 22. d. starb der Architekturmaler Gustav Seeberger. Derselbe wurde zu Markt-Redwitz in Oberfranken im Jahre 1812 geboren. Seine erste Kunstbildung erhielt er auf der kgl. Kunstschule in Nürnberg. Von dort ging er 1840 zu seiner weiteren Ausbildung nach München. Er wurde als Lehrer der Perspective an der hiesigen kgl. Akademie der bildenden Künste angestellt und im Jahre 1865 zum Professor an derselben ernannt. Sehr häufig lieferte er die architektonische Staffagenzuthat zu den Gemälden anderer Meister. Er wurde, namentlich in den späteren Zeiten seiner Künstlerwirksamkeit, von ihm befreundeten Malern für die Anordnung und Ausführung des architektonischen Beiwerks an ihren Bildern dergestalt stark in Anspruch genommen, daß er nur selten an die Hervorbringung eigener selbständiger Bilder mehr denken konnte. Indessen fehlt es daran nicht, namentlich an solchen, welche in seine frühere Periode fallen. Von denselben heben wir die Darstellung der Taufcapelle in der Kirche zu San Marco in Venedig, 1856; die Schloßcapelle zu Eger in Böhmen mit sehr reicher Staffage; Ansicht des alten, damals schon stark abgetragenen, jetzt ganz abgerissenen Kostthores in München; ein Klostergang; Studierzimmer eines Gelehrten; Kreuzgang in St. Zeno bei Reichenhall hervor. Nicht minder rührig und erfolgreich war Seeberger im Fache der Lithographie beschäftigt. Für das König Ludwig I.-Album führte er an lithographischen Arbeiten aus: München vom St. Petersthurm aus gesehen (diese Reproduction nach dem eigenen Bilde); Innenansicht des Münsters zu Ulm, nach Maximilian Emanuel Ainmiller; Rundschau in Rom, nach Michelangelo Barberi dortselbst; Tempel des Zeus in Selinunt (Insel Sicilien), nach Leo v. Klenze; aus der Sebalduskirche in Nürnberg, nach Karl Friedrich Mayer daselbst; Gebäude im mittelalterlichen Stil, nach Franz Michael Neher; Syrakus, nach Friedrich August Stiller in Berlin. Im Jahre 1860 gab er im Verlage von Lotter zu München das sehr verdienstliche Werk: »Grundzüge einer neuen Methode für angewandte Perspective« heraus — ein Buch, welches um seiner Gründlichkeit und praktischen Darstellung willen in hohem Grade anzuempfehlen ist.

Allgemeine Zeitung Nr. 114. München; Dienstag, den 24. April 1888.

Allgemeine Zeitung (10.3.1889)

Nekrologe Münchener Künstler.
LIII.

Weniger poetisch veranlagt, aber trotz der mehr nüchternen Außenseite doch feinfühlig in seiner Kunst war Gustav Seeberger. Geboren 1812 zu Markt-Redwitz in Oberfranken, besuchte er die noch unter Albert Reindel florirende Kunstschule zu Nürnberg und kam, ausgerüstet mit festen Kenntnissen, 1840 nach München. Ein Jahr darauf brachte er schon Landschaften in den Kunstverein (Gewitter am Starnbergersee 1841, Partie aus dem Zillerthal 1842), neigte sich aber mit besonderer Vorliebe bald zu baulichen Ansichten (Kirche in Holzhausen 1841, Ansicht des Angerthors in München 1843) und blieb dann dieser Richtung zeitlebens zugethan, wozu Seeberger den Stoff aus Streifzügen in Schwaben, Altbayern und theilweise auch über den Alpen holte. Er liebte meistentheils ein kleines, die Gränzen einer gewöhnlichen Illustration nicht viel überschreitendes Format, wobei die Lust zu construirender Theorie fühlbar hervortrat. Erwähnenswerth und maßgebend für seine Thätigkeit waren beispielsweise die Bilder mit dem »Treppenhaus der neuen Bibliothek« (1844), eine »alte Capelle in Böhmen« (1845), ein »Klosterhof,« die »Taufcapelle der Ludwigskirche,« ein »Seitenportal der Frauenkirche,« die »Klosterkirche zu Bebenhausen« (1846), das öfter wiederholte »Studierzimmer eines Gelehrten« (1847 und, 1852), ein »Rathhaussaal« und die »Klosterzelle in Blaubeuern,« 1848 Partie aus St. Zeno in Reichenhall, 1849 das Arbeits- und Toilettenzimmer König Ludwigs I. in der Neuen Residenz und eine Partie aus der Marcuskirche in Venedig (1853). Wie ein Kleinplastiker eigene Nippsachen modellirt, so wählte Seeberger kleine Vorwürfe für seine Bilder, welchen er durch die Accuratesse der Zeichnung und den sauberen Vortrag anziehendes Interesse zu verleihen verstand. Auch lithographirte er Vieles für Buchhändler und Verleger, so z. B. die meisten architektonischen Bilder aus dem König Ludwig-Album, insbesondere die Blätter nach Ainmiller, Leo v. Klenze, F. C. Mayer, Neher und Anderen, und lieferte Zeichnungen für das »Malerische Bayern« von G. Franz, welche Von Poppel und Riegel in Stahl gestochen wurden und zum Besten dieses vorzüglichen Werkes zählen. Dazu gehört auch die Innenansicht der neurestaurirten Frauenkirche in Ernst Försters »Denkmale deutscher Kunst« (auch in dessen »Deutsche Kunst in Bild und Wort« 1879, S. 134). Seebergers eigentlichstes Fach aber war die Perspective. Hier schwamm er ganz in seinem Fahrwasser. Der sonst so trockene Mann thaute dann plötzlich auf, wenn er sein constructives Netz über ein Bild ziehen konnte und es überall klappte. Zu solchen geheimen Conferenzen luden ihn alsbald alle Maler, nachdem einmal sein wunderbares Ingenium bekannt geworden; es war ihm eine Wonne, ihre Bilder und Compositionen einzurenken und in perspectivische Wirkung zu setzen. Und hierin haben alle Professoren unsern Seeberger consultirt, ebensowohl Kaulbach, als Piloty, Schraudolph und sogar der in allen Sätteln gerechte Philipp Foltz aus Bingen — sie sündigten ohne viele Gewissensscrupel schon im voraus auf seine Hülfe, weil sie wußten, der hierin unerbittlich strenge Mann sei wirklich eine unumstößliche Autorität. Dazu zog Seeberger dann auch alles architektonische Beiwerk seiner Patienten in seinen Bereich oder zauberte gleich selber die Paläste, Säulenhallen und Ruinen auf, welche der im voraus der Hülfe vertrauende Componist klüglich gleich weiß oder leer gelassen hatte. Deßhalb wurde er auch wie ein unentbehrliches Möbel zuerst als Lehrer an der Akademie zugelassen, dann als Professor angestellt, wo er bis in seine alten Tage von einem Atelier in das andere gebeten und vollauf in Athem und Thätigkeit gehalten wurde, so daß er immer seltener zum eigenen Malen kam. Alljährlich begann er sein anfangs fast überschwemmtes Privatissimum und späteres Publicum, welches indessen stündlich sich lichtete, bis der gestrenge, pedantische Professor eines Tages immer vor leeren Bänken stand, da nun einmal nach dem Laufe der Welt die grünende Jugend bekanntlich jeder, auch der glänzendsten Theorie spinnenfeindlich gesinnt bleibt. Wußte man doch, wo zur Zeit der Noth der Helfer zu suchen sei und daß dann der vielumworbene Mann gewissenhaft erscheine. Seine selbstgewonnenen Principien gab Seeberger in einem eigenen Opus heraus, welches vier vielfach vermehrte und verbesserte Auflagen erlebte. [1] Schwelgend in allen gesetzmäßigen Hexereien der Verkürzung, malte Seeberger sogar einen »Blick von einem der Frauenthürme herab« (1855) — eine wahre Kuriosität. Von ihm stammt auch eine sinnreich erfundene Vorrichtung, wodurch der Thürmer bei Nacht die Stelle eines ausgebrochenen Brandes genau bestimmen kann. Dann saß er wieder viele Wochen tagtäglich auf dem Thurme der Peterskirche, um eine Rundsicht der Stadt zu zeichnen. Von seinen eigenen Oelbildern erwähnen wir noch eine »Taufcapelle in St. Marco zu Venedig« (1856), einen »Klostergang« (1859), die »Schloßcapelle zu Eger« (1863), Ansichten der Pfarrkirchen zu Tölz und Berchtesgaden (1864), der »Hof eines Hauses« (1867), dann als ein köstliches Bildchen seiner Art eine »Steinmetzwerkstätte« (1868) mit einem Motiv aus dem ehemaligen Regierungsgebäude am alten »Schrannenplatz,« ein paar Thurmscenen und Klosterhöfe, eine »Partie aus Reutlingen« (1872) u. s. w. Auch zeichnete Seeberger die Architektur für ein Renaissance-Fenster in der Universitätskirche zu Oxford. Im Sommer 1885 wurde der vielfach verdiente, nur zu eifrige Mann in den Ruhestand versetzt, genoß aber die verdiente Muse nur kurze Zeit, da er schon am 21. April 1888 nach kurzem Krankenlager schnell und unerwartet starb. [2]

[1] G. Seeberger: Grundzüge einer neuen Methode für angewandte Perspective. München 1860, 1874. Regensburg 1880 und München 1884. (Vgl. die humoristische Anzeige dieses Werkes in der Beilage Nr. 358 der »Allg. Ztg.« vom 24. December 1873 und Beilage Nr. 68 ebendas. vom 9. März 1877.)

[2] Vgl. auch Fr. Pecht: Geschichte der Münchener Kunst. 1888. S. 447.

Allgemeine Zeitung Nr. 69. München; Sonntag, den 10. März 1889.



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