Inhalt | Register | |



18 – 7 – 48* (Willers)

Ω

Das Grab ist nicht erhalten

Ω

|||

Ernst Willers

* 11.2.1802 (Vegesack/Oldenburg)
† 1.5.1880 (München)
Landschaftsmaler und Zeichner

Ein Jahr in Italien (1850)

[...] Aber alle wahrhaften Künstler, und so auch die Landschaftsmaler, sind in diesem Sinne, ohne es zu wissen, praktische Atheisten.

Das habe ich neulich wieder so recht empfunden, als ich mit F. das Atelier von Willers besuchte. Mein Oldenburgischer Partikularpatriotismus erfreut sich an der großen Anerkennung, welche unser Landsmann, der Landschaftsmaler Ernst Willers unter den Künstlern in Rom genießt. Ich sage unter den Künstlern, bei denen er neben Gurlitt für den größten deutschen Landschaftsmaler gilt. Dabei kann er aber sehr bequem verhungern. Denn in Rom kann man zwar ein großer Maler werden, aber damit ist noch keineswegs gesagt auch ein berühmter, d. h. ein solcher, dessen Bilder die reichen Touristen bestellen oder kaufen. Ernst Willers ist davon ein redendes Beispiel.

Dieser ächte Künstler hat die harte Lebensschule des Genies durchgemacht, ohne noch an ihr Ende gelangt zu sein. Von dem armen Lehrlinge eines Zimmeranstreichers in einem kleinen Städtchen an der Nordsee, der er noch in seinem zwanzigsten Jahre war, bis zu dem Range eines der ersten neueren Landschaftsmaler, ist ein weiter und schwerer Weg. Vor etwa eilf Jahren kam er nach Rom. Es währte geraume Zeit, bis er, an die öden Haidemoore seiner Heimath und an die wilde Natur des Bairischen Gebirgs gewöhnt, sich einlebte mit Aug und Sinnen in die ihm fremde Natur Italiens. Und wie sein ganzes Wesen auf langsame Entwicklung angelegt war, so gelang es ihm auch hier erst spät, aus den Eindrücken des Bunten und Grellen, die noch in seinen ersten italischen Landschaften vorherrschen, sich zur richtigen Auffassung und zum treuen Wiedergeben der ruhigen Harmonie in Farben und Linien zu befreien, welche seine spätem Werke auszeichnen. Er pflegt gern zu erwähnen, daß er hier seinem Freunde Rahl viel verdanke, der ihm die Augen rein gewaschen habe.

Steigt mit mir die stille Via di San Isidoro hinauf zu dem Atelier des Künstlers, wo er seit eilf Jahren neben seinem Freunde Riepenhausen wohnt, und wohin sich der Schritt der jährlich nach Rom touristenden Schooßkinder des Reichthums nur selten verirrt. Ein ächter Sohn des blonden Nordlandes, das scharfgeschnittene, schroffgeformte und doch so ungemein gutmüthige Angesicht von dem staatlichsten blonden Barte umschattet, eine Figur, die unwillkürlich an die alten Künstlergestalten erinnert, tritt uns entgegen, unbehülflich in jeder Form moderner künstlicher Geselligkeit, aber eine Seele rein wie Gold. Aus jedem Zuge seines Wesens, aus jedem Worte spricht die ächte Künstlernatur. Die Wände seines Ateliers sind bis zur hohen Decke hinauf geschmückt mit einer Reihe der ausgezeichnetsten Studien und Skizzen, von denen er einen Theil als Ertrag einer nach Sizilien und Griechenland kürzlich unternommenen Reise zurückgebracht hat. Daneben findet ihr die ganze Großartigkeit der Campagna di Roma, die romantische Wildheit der Sabinergebirge, Felsen- und Baumstudien in einer Fülle, wie sie keiner der jetzt in Rom lebenden Landschaftsmaler aufzuweisen hat, und die mit den zahllosen Schätzen seines Portfeuille an Handzeichnungen vielleicht einmal einen Kunsthändler zum reichen Manne machen werden.

»Mit Kraft begannen, die mit Schönheit enden!«

Dies Wort Immermann's findet im vollen Maaße Anwendung auf unsern Künstler, dessen Naturauffassung in der Landschaft sehr gut mit der Immermannschen Auffassung und Darstellung der Landidylle verglichen werden kann. Er hat sich in der letzten Zeit aus der bei ihm früher überwiegenden Neigung zu dem Wilden, romantisch Schauerlichen, zu derjenigen Ruhe und stillen Großheit erhoben, welche in seinem letzten Werke, Küstenlandschaft vor Sizilien, uns so bewundernswürdig entgegentritt.

Selten ist der Charakter eines Künstlers so ganz mit seinen Werken in Eins verwachsen, wie bei Willers, dessen rauhe, eckige, aber granitfeste und dabei doch wieder so kindlich einfache und so gutmüthig liebenswürdige Natur in seinen wilden Felsgebirgen und gewaltigen Eichen, wie in der Lieblichkeit seiner duftigen Thäler, seiner sonnenglühenden Fluren und Meeresgestade so treu sich wiederspiegelt. Jetzt hat er ein großes Landschaftsbild begonnen, das in jeder Beziehung sein größtes Werk zu werden verspricht: das Thal der Egeria mit der Aussicht auf die Campagna und den Monte Cavo (Jetzt vollendet im Besitze des Großherzogs von Oldenburg. 1849.). Dies Bild kann recht füglich dazu dienen, die Wahrheit meines obigen Fundamentalsatzes über landschaftliche Naturschönheit zu beweisen. Jeder, der es sieht, glaubt bei dem ersten Blicke das naturgetreue Portrait dieses schönsten und anmuthigsten aller Thäler der an malerischer Schönheit so reichen Umgegend Roms zu erblicken. Und doch zeigt die näher und sorgfältiger vergleichende Betrachtung alsbald, wie selbstständig der Maler mit schöpferischem Kunstgefühl die einzelnen Motive benutzt, hier ausgelassen, dort zugesetzt, hier verändert und umgestaltet, dort kopirt und nachgebildet hat, um jenen Eindruck eines in sich vollkommen abgeschlossenen Ganzen hervorzubringen, den jedes wahre Kunstwerk erzeugen soll, und den in der schönsten landschaftlichen Natur eben nur das schöpferisch thätige, kunstgeübte Auge des Malers wahrnimmt: dieser schöpferische Blick, um den der Dichter den Künstler beneidet, wenn er sagt:

»Ich möchte Bilder sehn, nicht malen können,
Nur um nicht von dem Häßlichen zu leiden;
Denn niemals hat's der Maler noch gesehen.«

Das Werk ist eines der größten Staffeleibilder moderner Landschaft, über eilf Fuß lang, sieben bis acht Fuß hoch. Man sieht von der Höhe schräg hinein in das reizende Thal. Im Vorgrunde fällt der Blick zur Rechten auf die Grotte der Egeria, aus der das erquickende Naß der reinen klaren Quelle hervorrieselt, und aus deren Tiefe uns das Marmorbild der ruhenden Nymphe aus dem Gehänge von Schlingpflanzen entgegenleuchtet. Eine Gruppe prachtvoller Eichen, deren Laubwerk sich scharf abhebt gegen die weißlichen Wolkenstreifen des blauen Himmels, krönt den Hügel, welcher sich über der Grotte wölbt, und spiegelt sich wieder in dem krystallenen Gewässer, das am Fuße der Quellgrotte leise dahin strömt. Weiter fernwärts schiebt sich das sanfte Hügelrund des »heiligen Hains« in das Bild hinein; denn die Kunst, die in der That die bergeversetzende Kraft besitzt, welche die Schrift dem frommen Glauben zuschreibt, hat hier auf dem natürlichsten Wege das nothwendige Wunder bewirkt. Sie hat jenen lieblichen Hügel von seiner Stelle, wo ihn die Eichen der Grotte in der Wirklichkeit dem Blicke verdecken, hervorgerückt an den Rand des Thales, das sich jetzt, von sanften Wolkenschatten durchschnitten, mit seinen grünen Cannapflanzungen und sonnigen Wiesengründen, seinen Lorbeergebüschen und Baumgruppen, weiter und weiter vor uns aufthut bis dahin, wo die stolze Bogenreihe der alten Wasserleitungen sich über die Hügelwellen der sonnegebräunten Campagna, wie ein versteinerter Heereszug lang hinstreckt zu den sanften Abhängen des Albanergebirgs. Der Monte Cavo, von dessen mittler Höhe Rocca di Papa herabschimmert, und auf dessen Gipfel ein scharfes Auge die duftigen Umrisse des Klosters wahrnimmt, schließt das Bild beruhigend ab mit der unaussprechlichen Schönheit seiner Linien, in deren sanftem Schwunge die felsige Starrheit des Gebirgs gleichsam zu bewegtem Leben erzittert. Die Sonne eines scheidenden Sommertags glüht und leuchtet auf den farbenduftenden Fernen, während die breiten, klaren, südlichen Schatten kühl und labend über die Vorgründe ziehen. Keine überlästige Staffage stört aufdringlich die Ruhe dieser in sich vollendeten Natur. Nur ein Trupp schwerwandelnder silbergrauer krummgehörnter Rinder, geführt von einem stattlichen schwarzgrauen Stiere, schreitet langsam von der Thalschlucht des heiligen Haines dem Quelle zu. Der Hirt folgt in der Ferne mit dem großen Wolfshunde. Aus der Grotte tritt eben eine Bäuerin der Campagna hervor, den gefüllten Henkelkrug auf dem Haupte. Alles in dieser Staffage ist der Landschaft untergeordnet, dienend dem Charakterausdruck und der Farbenharmonie des Ganzen, das eben als Ganzes auf das Schlagendste den Lessing'schen Ausspruch auch auf diesem Kunstgebiete bestätigt:

»Wenn Kunst sich in Natur verwandelt,
So hat Natur mit Kunst gehandelt!«

Die Größe des Bildes wird durch die wunderbare Harmonie des Ganzen so gemäßigt, daß sie sich erst bei längerem Beschauen fühlbar macht. Es ist eben ein Werk groß und einfach wie die schöne Natur selbst. [...]

Ein Jahr in Italien III. Von Adolf Stahr. Oldenburg; 1850.

Kunst-Chronik (3.6.1880)

Nekrologe.

Ernst Willers † . Am 1. Mai Mittags ist in München einer der Altmeister der dortigen Kunst, der großherzoglich oldenburgische Hofmaler Ernst Willers, nach längerem schweren Leiden im 79. Lebensjahre gestorben. Er war noch einer der Koryphäen aus König Ludwig's Zeit und nur um ein Weniges jünger als Ernst Förster, der gleich ihm noch jener denkwürdigen Periode deutscher Kunst angehört und vor Kurzem das achtzigste Lebensjahr zurücklegte.

Millers war am 11. Februar 1802 zu Vegesack im Großherzogthum Oldenburg geboren, begann seine Vorbildung in Oldenburg, wendete sich aber schon gegen 1820 nach Düsseldorf, wo er vornehmlich den Unterricht von Cornelius und Mosler genoß und mit Eduard Bendemann, Wilhelm Kaulbach, Theodor Hildebrandt, K. F Lessing und J. W. Schirmer freundschaftlich verkehrte und nach dem Höchsten strebte.

Von Düsseldorf siedelte Willers auf einige Jahre nach Dresden über und fand in dem trefflichen Johann Christian Dahl Lehrer und Vorbild. Sein Aufenthalt in München, der sich an jenen in Dresden anschloß, bildete den Uebergang zu Italien, das seine zweite Heimat wurde. Von den sechsundzwanzig Jahren, die er in jenem Lande verlebte, trifft die weitaus größere Anzahl auf die ewige Stadt, wo Johann Christian Reinhart, Josef Anton Koch und v. Rhoden den weitestgehenden Einfluß auf ihn gewannen. Ebendort verband ihn innige Freundschaft mit Karl Rahl und Karl Rottmann. Willers war kein Maler, dessen Lebensweg von Atelier und Kneipe abgeschlossen wurde; er verkehrte viel mit Karl Vogt, Friedrich Hebbel und blieb, als Viktor Josef v. Scheffel schon längst aufgehört hatte, sein Schüler zu sein, noch bis an sein Lebensende mit ihm in anregendem Briefwechsel.

Von Rom aus unternahm Willers einen längeren Ausflug nach Sicilien und besuchte im Auftrage seiner heimischen Regierung zweimal Griechenland. Der Zweck dieser Reisen war einerseits seine weitere künstlerische Ausbildung, andererseits das Sammeln von Studien für die Ausführung von Aufträgen, mit denen ihn die Regierung betraut. In Athen und Theben traf er mit seinen Freunden Rahl und Rottmann zusammen, die sich gleich ihm herzlich des Wiedersehens freuten. Während seines Aufenthaltes in Rom erhielt Willers einen Ruf an die neuorganisirte Kunstschule, schlug denselben jedoch ohne Bedenken aus, um kurze Zeit danach, im Jahre 1863, nach Deutschland zurückzukehren und sich in München niederzulassen, wo er bis zu seinem Ableben thätig war.

Vor wenigen Jahren noch sah und bewunderte man in den Münchener Lokalkunstausstellungen prächtige, im großen Stil gehaltene, mit wunderbarer Energie durchgebildete Kreide- und Kohlenzeichnungen von Willers' Hand: mächtige Waldbaumpartien aus Rom und Ariccia, Olevano und Tivoli, aus Sicilien und Griechenland, welche in ihm einen der vorzüglichsten Landschafter der älteren, jetzt nur noch in der Tradition lebenden Schule erkennen lassen.

Willers barg unter etwas derber Außenseite eine vielseitige Bildung und ein treffliches Herz, das treu an seinem großen Vaterlande hing und Jedem sich öffnete, der Rath und That nöthig hatte. Wie er selber gern mit jüngeren strebenden Künstlern verkehrte, so fanden sich diese von dem jovialen, biederen Herrn lebhaft angesprochen, dessen Porträt u. A. Eduard Grützner im »Klosterstübchen« und im »Jägerlatein« — an dem langen grauen Bart und der Adlernase unter den klugen funkelnden Augen kenntlich — angebracht hat.

Carl Albert Regnet.

Kunst-Chronik Nr. 34. Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst. Leipzig; 3. Juni 1880.

Kunstvereins-Bericht für 1880 (1881)

Nekrologe.

Ernst Willers,
Oldenburgischer Hofmaler,

geboren 1804 zu Oldenburg, machte seine ersten Studien in Dresden und begab sich dann nach München. Hier hatte schon zu Anfang der 30er Jahre sein Name in der Kunstwelt einen guten Klang. Mächtig förderte ihn eine Reise nach Italien, wo er eine große Anzahl von Zeichnungen sammelte und mit seinen Aquarellen reichen Beifall erntete. Insbesondere erregte 1838 in Rom eine »Ansicht der Umgebung von Olevano« sowohl durch bedeutenden Umfang als meisterhafte Durchführung eine ungewöhnliche Ueberraschung und Aufmerksamkeit. Im Beginn der vierziger Jahre ging Millers nach Griechenland, welches er nach allen Richtungen durchstreifte, einen wahren Schatz der anziehendsten Studien einheimsend, in denen ebenso die an schönen Linien reiche Landschaft als auch die frischen Scenen aus dem Volksleben nebst der trümmerreichen Architektur mit gleicher Trefflichkeit behandelt waren. Ein großes Bild von »Athen« mit weiter Fernsicht, ausgestellt 1845 zu Rom, trug den Ruhm des Malers weit über die Alpen und in seine Heimath. Willers besuchte aber auch Sicilien, wo die großartigen Ueberreste der altgriechischen Bauwerke seinen Blick fesselten, doch gewann die Landschaft selbst bald wieder die Oberhand. Ein großes Gemälde mit dunklem Wald und prächtigen Piniengruppen, mit weiter Fernsicht auf das Meer und die Gebirgskette, machte 1846 viel von sich reden. Damals erschien auch eine eigene Schrift über Willers von H. Hettner, mit Vorwort von Stahr (Oldenburg 1816), welche eine treffliche Charakteristik des Künstlers enthält. In anerkennendster Weise erfolgte aus Oldenburg seine Bestallung als Hofmaler.

Den Grundzug aller seiner Schöpfungen bildet eine ideale Natur. Sein eigenstes Gebiet war demnach die historische Landschaft, die er im grandiosen Sinn eines Poussin und Claude Lorrain cultivirte. Ein imposanter Ernst spricht aus seinen Waldbildern; auch in der Idylle blieb er immer gemessen und feierlich. Obwohl er die Ruhe in der Stimmung vorzugsweise liebte, so war er doch auch Meister des Sturmes, des furchtbaren, wipfelbeugenden, walddurchfegenden Elementes. Mächtig der Farbe wie wenige seiner Art, machte er davon nicht mehr Gebrauch als ihm mit kluger Berechnung und haushälterischer Sparsamkeit der Effecte nothwendig schien.

Die volle Grandiosität seiner gestaltungsreichen Phantasie documentirte Willers mit besonderer Vorliebe in Kohlenzeichnungen und Cartons, welche er, wie es scheint, zu seines Herzens eigener Erbauung ausführte, ohne Bestellung und ohne besondere Aussicht auf eine solche. Er war eben durchweg Künstler, und die Ausübung seiner Gaben bot ihm genug beseeligenden Lohn. Seine Bedürfnisse und Ansprüche an das Leben waren gering und bescheiden. Auch mit der Ausstellung seiner vollendeten Werke hielt er gern zurück, nur bisweilen, gleichsam als Beweis, daß außer dem landläufigen Realismus auch noch Heil zu finden, und die Träger einer idealen Richtung nicht ausgestorben seien, ließ er dann, am liebsten in den sommerlichen Expositionen der Münchener Künstler-Genossenschaft, einen Cyklus los.

Nach seiner Rückkehr aus Italien blieb Willers in München, wo er sich in behaglicher Stille einspann, von wenigen gekannt und gewürdigt, nur der Ausübung der Kunst zugewendet. Willers gehörte zu der kleinen Zahl derjenigen Glücklichen, welche im Bewußtsein ihres Werthes und der Richtigkeit des von ihnen gefundenen Weges ihre eigene Bahn wandeln, mit liebenswürdiger Bescheidenheit sich niemals überheben, jedes ehrliche Streben achten, jede anmaßliche Aufdringlichkeit aber spurlos abzuschütteln und vornehm zu übersehen wissen. Der erste Eindruck bei persönlicher Berührung bot nichts gewinnendes oder anziehendes. Seine ernste Erscheinung mit dem schönen feingeschnittenen langbärtigen und kurzhaarigen Haupte war fesselnd und achtunggebietend, die Rede wortkarg und knurrig beinahe. Erst bei weiterer Berührung, und wenn das Gefühl des Verstandenseins aus dem sonst stechenden Auge blitzte und seelenvoll aufleuchtete, dann that sich allmählich der ganze Mann auf und gewährte Einblick in ein warmes, unendlich klares und anziehendes Gemüth. Sein Portrait hat Rahl 1857 gemalt und Grützner im »Jägerlatein« zu dem alten Förster benützt, der mit innigem Vergnügen den classischen Schnurren zuhört, womit ein grüngeröckelter, nagelschuhiger Jünger Nimrods eine gemischte Gesellschaft erlustigt.

Am 1. Mai erlag der 79jährige Künstler, der bis in die letzten Tage sich die volle Frische des Geistes und Körpers bewahrt hatte, den Folgen einer Lungenentzündung. Ein goldächter, braver Mensch und bedeutender Künstler.

Kunstvereins-Bericht für 1880. München; 1881.

Meine Gemäldesammlung (1881)

[...] Auch der treffliche, seinen vielen Freunden erst kürzlich in vorgerücktem Alter entrissene Ernst Willers faßte die Natur mit hohem Sinne auf. Er hatte ihr tief in das Auge geschaut, und wußte ebenso ihre heiter lächelnden Scenen, wie ihr düsteres, geheimnißvolles Grauen wiederzugeben. Durch siebenundzwanzigjährigen Aufenthalt in Rom war er fast zum Italiener geworden; aber auch Griechenland hatte er auf zweimaligen Reisen genau kennen gelernt. Und selbst als er im Alter in seine nordische Heimath zurückgekehrt war, blieb sein Sinn immer diesen beiden Ländern zugewandt. Oft habe ich noch in den letzten Jahren in dein Atelier des edlen, mir unvergeßlichen Mannes, während ich in seinen überschwänglich reich gefüllten Mappen blätterte, mir im Gespräche mit ihm die herrlichen Gegenden zurückgerufen, in denen ich, wie er, geweilt. Mir vergönnten günstige Sterne noch, in jedem Winter den geliebten Süden wieder aufzusuchen, während er, durch die Verhältnisse und das zunehmende Alter an den deutschen Herd gebannt, sich in hoffnungsloser Sehnsucht nach dem milderen Himmel verzehrte. Aber vielleicht ist gerade diese Entfernung von jenen ihm so theuern Ländern den Werken seiner letzten Lebensjahre zu gute gekommen. Nachdem er die Umrisse der früher geschauten Landschaften in trefflichen Zeichnungen und Farbenskizzen mit nach Hause gebracht, umkleidete die Ferne dieselben mit noch magischerem Glanze, lieh ihm die Erinnerung noch wärmere Tinten für die Ausführung. Ich habe keine von Willers' früheren Leistungen gesehen; aber seine Freunde versichern, die Aussicht vom Parke Chigi bei Ariccia nach dein Meere zu, das letzte größere Werk seiner Hand, gehöre zu dem Allervorzüglichsten, was er geschaffen habe. Aus dem Schatten mächtiger Bäume, die von üppigem Pflanzenwuchse umgeben sind, gleitet der Blick nach dem duftigen Vorgebirge der Circe, das in dämmernder Ferne aus den Wellen taucht und mit dem ganzen geheimnißvollen Reize umgeben ist, in welchem es früher der Wanderer auf der Reise durch die pontinischen Sümpfe vor sich liegen sah. Seitdem die Eisenbahn erbaut und die ältere Straße verlassen ist, entgeht dem Reisenden dieser Anblick; und auch wer den schöngeformten, von dem märchenhaften Zauber der homerischen Dichtung umflossenen Berg von der Höhe der Peterskuppel oder den Hügeln Albanos aus gewahrt, empfindet bei dem Anblicke kaum noch den süßen Schauer, mit dem er die frühere Generation durchbebte, da er ihr als Hüter eines fast unerreichbaren Wunderlandes erschien. Denn jetzt hängt es fast von dem Willen eines Jeden ab, in wenigen Stunden die Strecke zu durchmessen, die ihn von dem Platen'schen »Lenz des Erdballs«, der »Parthenopäischen Flur« trennt, während früher derjenige der römischen Künstler, dem dies vergönnt war, von den Uebrigen schon als ein Auserwählter betrachtet wurde. In solchem Sinne hat Willers sein Capo Circello aufgefaßt, und der Geist seiner ersten Skizze ist auf das viel spätere Bild übergegangen. Wie er mir erzählte, vermochte er während seines Aufenthaltes in Rom viele Jahre hindurch sein Verlangen nach weiteren Reisen nicht zu befriedigen, und alsdann suchte er stets vorzugsweise die Höhen auf, von denen aus er Auge und Seele nach dem circeischen blauen Felsen hinüberschweifen lassen konnte. Wie viele Vortheile mit dem erleichterten Verkehre unserer Zeit verbunden sein mögen, so hat derselbe doch auch manches Phantasiegebilde, manche poetische Empfindung unbarmherzig zerstört. Seit der Einführung der Dampfschifffahrt ist im ganzen Bereiche des mittelländischen Meeres kein Platz mehr für die Sagenwelt der Odyssee. Auch die süßschmerzlichen Gefühle, mit welchen Goethe am Abende vor seinem Abschiede von Rom alle Plätze der ewigen Stadt in der Gewißheit, sie zum letzten Male zu betreten, nochmals besuchte, kann sich, wenigstens in dieser Stärke, fast nur noch die Einbildungskraft vergegenwärtigen, da bei der Leichtigkeit der Reise dorthin den Meisten doch die Hoffnung des Wiedersehens bleibt. Ich selbst habe bei meinem ersten Abschiede von Rom Aehnliches empfunden, wie Goethe, bin aber seitdem noch mehr als dreißig Male wieder hingekommen. Schon einige Jahre vor dem letztgenannten Bilde vollendete Willers seine große Ansicht der Akropolis von Athen. Im Colorit ist er hier wohl weniger glücklich gewesen; das überallhin verbreitete, durch keinen Schatten unterbrochene Licht erzeugt eine gewisse Monotonie, die allerdings bei der ziemlich baumlosen Umgebung der griechischen Hauptstadt schwer zu vermeiden war. Desto trefflicher sind das felsige Terrain und die Architektur wiedergegeben, und zwar mit einer Treue, mit einer sinnlichen Leibhaftigkeit, daß man bei Betrachtung des Gemäldes die Hochburg von Athen fast kennen lernen kann, wie aus der Anschauung der Wirklichkeit. Vorn erblickt man die riesigen Säulen des Tempels des olympischen Zeus; über sie hinweg die Südostseite der Akropolis, deren Hauptanziehungspunkt jetzt die Reste des erst nach Willers' Besuch von Athen aufgegrabenen Dionysostheaters bilden. Sich gegen den Hintergrund wendend, gleitet das Auge nach dem Piräus, dem Meere und Salamis hin. [...]

Meine Gemäldesammlung. Von Adolf Freidrich Grafen von Schack. Stuttgart; 1881.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


Erstellt mit jutoh digital publishing software (Anthemion Software Ltd.)