Ω
KLARA
METZGER-VESPERMANN
HOFOPERNSÄNGERIN
* 13. April 1799 † 6. März 1827
Ω
Vespermann, Klara (vh) / Metzger (gb) / Metzger-Vespermann (ps); 13.4.1799 (München-Au) – 6.3.1827 (München); Sängerin
Vespermann, Maria Katharina (vw) / Sigl (gb) / Sigl-Vespermann (ps); 1804 (Passau) – 30.7.1877 (München); Sängerin
Vespermann, Wilhelm; 1784 (Hannover) – 8.1.1837 (München); Regisseur, Sänger und Schauspieler
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Metzger (gb)
Metzger-Vespermann (ps)
* 13.4.1799 (München-Au)
† 6.3.1827 (München)
Sängerin
An der entseelten Hülle der unsterblichen Sängerin Frau Klara Metzger-Vespermann.
(Sie starb den 6. März, Morgens 5¼ Uhr an einer Entzündungs-Krankheit von vier Wochen an den Fraisen, in einem Alter von 27 Jahren, 11 Monate.)
Sonett.
O Tag des Jammers, mußtest du erscheinen
So früh, so rasch, wie auf des Blitzes Schwingen,
Das Machtgebot des Todes zu vollbringen,
Den schweren Schlag, den Tausende beweinen!
O Muse des Gesanges! Weh! Von Deinen
Der Melodie geweihten Lippen dringen
Nie mehr die Zaubertöne! Sie verklingen,
Die alles Herrliche in sich vereinen!
Gelähmet von der Bürde dieser Klage,
Kann Deinen Ruhm nicht nach Verdienst verklären
Mein schwaches Lied, am Ende Deiner Tage:
Doch in die Heimath bist Du fortgezogen,
In's goldne Wunderland der Himmels-Sphären,
Woher Du kamest auf Gesanges-Wogen!
München am 6. März 1827.
Friedrich Bruckbräu.
Eos 38. Blicke auf Welt und Kunst. Mittwoch, den 7. März 1827.
Miszellen zur Tagsgeschichte.
(München.) Das kunstliebende Publikum dieser Hauptstadt hat einen großen Verlust erlitten durch den am 5. d. M. Morgens erfolgten Tod der berühmten K. Hof- und Kammersängerin, Frau Clara Vespermann, geb. Metzger. Sie starb nach einem Uebelbefinden von einigen Wochen an den Folgen einer Entzündungs-Krankheit in einem Alter von 28 Jahren. So wie wir sie kannten, auf der Höhe ihrer Kunst, so erkannte sie das Publikum in allen deutschen Hauptstädten, wo Sie sich hören ließ, als eine der ersten Sängerinnen Deutschlands, und selbst die größten Künstlerinnen des Auslandes, namentlich Sigra. Catalani, waren von ihrem Gesange bezaubert. Nachdem sie in den Jahren 1816 und 1817 von dem verstorbenen Capellmeister v. Winter ihre erste Ausbildung zur Sängerin erhalten hatte, trat sie am 29. Aug. 18l7 zum erstenmal in der Oper: la figlia dell' Aria (die Tochter der Luft), als Semiramis auf, und erregte mit ihrer schönen und klangvollen Stimme große Hoffnungen. Bald darauf, zu Anfang des Septembers 1817, ging sie mit dem Ritter v. Winter nach Italien, wo sie sich zu Mailand und Genua vollends ausbildete, und mit Beifall auf den dortigen großen Bühnen aufgenommen wurde. Sie kehrte in der Folge in ihr Vaterland zurück, und erhielt sodann eine ihrem künstlerischen Werthe angemessene und würdige Anstellung bei dem K. Hof- und National-Theater. Ihre letzte Darstellung war die Rolle des Röschen in der Oper: Faust, am 21. Jan. d. J. Ihre glänzenden Leistungen sind in diesen Blättern seit einer Reihe von Jahren verdientermassen gewürdigt worden, die jetzt nur das Bedauern über einen Verlust ausdrücken können, der schwer oder kaum ersetzbar ist. Sanft ruhe ihre Asche!
Flora Nro. 48. Ein Unterhaltungs-Blatt. München; Donnerstag, den 8. März 1827.
Tages-Neuigkeiten.
Aus München.
Den 9. März. Gestern Nachmittags 4 Uhr wurde die verblichene allgemein betrauerte k. Kammer- und Hoftheater-Sängerin, Frau Klara Vespermann, auf die ausgezeichnetste Weise zur Erde bestattet. Die k. Sänger und Sängerinnen, so wir das Personal des k. Hoftheaters und die Hofmusik in Uniform, folgten dem mit Fackeln umgebenen bekränzten Sarge, dessen Bahrtuch von 8 k. Hofsängern getragen wurde. Dem Sarge folgten sodann die Leidtragenden, der Vater und Bruder der Verstorbenen, dann der k. Hoftheater- und Hofmusik-Intendant, Hr. Frhr. v. Poißl, gefolgt von den Vorstehern der verschiedenen Kunstzweige und den vorzüglichsten Mitgliedern der Bühne. An diese schloß sich das gesammte Frauenpersonal der Anstalt in tiefer Trauerkleidung, die k. Hofmusik und das übrige Personal des Theaters. Der Magistrat der Vorstadt Au, aus welcher die Verstorbene gebürtig war, ihr die letzte Ehre erweisend, folgte unmittelbar dem Vorstande der k. Bühne. Am Grabe wurde von dem k. Hofmusik-Personal ein feyerliches Grablied von Hrn. Kapellmeister Stuntz abgesungen. Viele der Tausende, welche oft von den Tönen dieser großen Sängerin entzückt und erhoben waren, waren mit Rührung und Trauer erfüllt. Ruh' und Friede der Unvergeßlichen!
Der Bayerische Volksfreund Nro. 30. München; Samstag, den 10. März 1827.
Blume
auf das
Grab der unsterblichen Metzger-Vespermann.
Es war der Meister längst vorausgegangen,
Und Engels-Chöre priesen jubelnd ihn,
Doch nimmer ward gestillet sein Verlangen,
Sein Auge fand Dich nicht, o Priesterin!
Sein Geist umschwebte Deine Lorbeerkrone,
Er brachte jetzt die Palmenkrone Dir,
Gerufen hat er Dich in jene Zone;
Nicht dieser Welt, nein, Du gehörtest ihr!
Vom Seraph flammt das Göttliche hernieder,
Und ewig grünet, was so früh verklärt;
Du kehrtest nur zur fernen Heimath wieder,
Nur kurze Weihe war Dir hier gewährt.
Und was wir auch so Schmerzliches empfinden,
Du lebest noch mit uns, verklärter Geist!
Laß immer uns noch Lorbeerkränze winden,
Wenn auch der Frost des Grabes sie zerreißt!
Ein schöner Stern ist unter jetzt gegangen,
Sein Schimmer aber bleibet noch zurück,
Ein mildes Licht, ein ewiges Verlangen,
Erinnerung, der Erde schönstes Glück.
Erinnerung an Dich, Du früh Verklärte,
Denn Deine Töne sind uns nicht verhallt,
Ein ew'ger Nachklang noch für diese Erde,
Mit ihrer Zartheit süßester Gewalt!
Ulrich v. Destouches.
Der Bayerische Volksfreund Nro. 30. München; Samstag, den 10. März 1827.
Blume auf Mad. Vespermann's Grab.
Jene Himmelstöne sind verklungen,
Die so oft von Deinem Mund geschwebt.
Und die Saiten, die so rein gebebt,
Sind für uns auf ewig nun gesprungen!
Doch das Höchste hattest Du errungen,
Was im Reich der Zaubertöne lebt,
Und wonach Du Selige gestrebt,
Ist auch immer ruhmgekrönt gelungen.
Aber jetzt bist Du bei Engel-Chören,
Und wie wir im Nachklang Dich noch hören,
Tratst Du ein in jenes ew'ge Land;
Doch was kann mein Blümchen Dir noch' dienen,
Jener Kranz wird ewig für Dich grünen,
Den die Kunst um Deine Schläfe wand!
A. v. K.
Der Bayerische Volksfreund Nro. 31. München; Dienstag, den 13. März 1827.
Die Kunst des Gesanges.
Dem Andenken der den 6. März 1827 gestorbenen Clara Vespermann, geb. Metzger, gewidmet.
Gesang, so lieblich in der seel' erhallend,
Du freundlicher obherrscher der empfindung,
Wenn du durch süßer töne klare windung
Hinschwebst, im reinsten kunstverhalt erschallend;
O lust, wenn zwischen höh' und tiefe wallend,
Voll wohlklang sich des liedes schöne bindung
Zu uns ergießt aus zarter stimme ründung,
So lieb dem herz, dem ohr so wohlgefallend!
Die holde kunst, ob klagend, kämpfend, fröhlich
Sie sich bewegt in klarer reihen tanze,
Wie rührt sie uns, wie fühlt sich Alles selig!
Dieß lob, verklärte Clara, dir gewunden
Die blumen des gesang's zum schönsten kranze,
Sey dein; dank dir so wonniglicher stunden!
B. J. Docen.
Eos 46. Blicke auf die Welt und Kunst. Mittwoch, den 21. März 1827.
Es sind bei der Redaction mehrere Anfragen wegen des der verstorbenen Sängerin Clara Vespermann zu errichtenden Denkmals und der zu haltenden Musikalischen Trauer-Feyer eingelaufen, die zu beantworten oder die desfallsigen Meinungen zu äussern, wir uns wirklich in einiger Verlegenheit befinden. Wir begnügen uns daher mit der bloßen Inhalts-Anzeige.
Die eingesandten Fragen und Bemerkungen stimmen im Wesentlichen in der Meinung überein, daß, wenn auch Dlle. Sigl, für welche in der zu Ehren der Sängerin gedichteten Cantate die Hauptparthie componirt ist, im gegenwärtigen Augenblicke ihrer bevorstehenden Verheiratung mit Hrn. Vespermann solche schicklicher Weise nicht wohl singen könne, so werde doch dadurch, daß Clara’s gefeierter Name auf eine Andere übergehe, ihr Andenken bei den Freunden und Verehrern ihrer hohen Kunst doch nicht so schnell erlöschen, um auch später noch die regste Theilnahme dafür zu erwecken, und man werde in Dlle. Schechner, einer würdigen Gefährtin auf dem Pfade ihres künstlerischen Ruhms, eine Sängerin finden, der es vorbehalten sey, die schönen Worte des Trauer–Gesanges vorzutragen, die ein geehrter und gefühlvoller Dichter der Verklärten sang.
Flora Nro. 175. Ein Unterhaltungs-Blatt. München; Sonntag, den 2. September 1827.
Deutschland.
München, 22. December. Gestern Abends von ½7 Uhr bis 9 Uhr hatte das große, schon früher angekündigte Vocal- und Instrumental-Concert zur Gedächtnißfeier für unsere zu früh entschlummerte Clara Mezger-Vespermann vor einer sehr zahlreichen und glänzenden Versammlung, welche II. KK. Majestäten mit Allerhöchst Ihrer Gegenwart beglückten, Statt. Ausgezeichnet wurden die Ouvertüre aus Oberon, das roncko brillant von Hrn. Faubel, eine Arie aus Oberon von Mdme Sigl-Vespermann, Variationen für das Violoncell von Hrn. Sigl und Variationen für die Harfe von Mdelle. Krings gegeben. Die darauf folgende Cantate, gedichtet von Eduard von Schenk und in Musik gesetzt von Hrn. Stunz ergriff alle Herzen und in vielen Augen schwammen Thränen wehmüthiger Empfindung für die, zu deren Erinnerung diese Feyer in das Leben trat.
Bayreuther Zeitung Nro. 256. Freitag, den 28. Dezember 1827.
96. Clara Vespermann, geb. Metzger,
kön. baier. Kapell- u. Hofsängerin zu München;
geb. im J. 1800, gest. d. 6. März 1827
(Haude- und Spenersche Ztg. 1827; Nr. 73. Musikal. Ztg. 1827; Nr. 21.).
Geboren in einer der Vorstädte von München, hatte sie durch ihre schöne gehaltvolle Stimme schon früh die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung auf sich gezogen. Ein Geistlicher der dortigen Pfarrei nahm sich zuerst ihrer an, lehrte sie Musik und Noten lesen. So kam sie in das Haus des Kapellmeisters Winter, der sie geeignet fand, an ihr seine Lehrmethode zu üben und dem, so wie ihr selbst, diese Vorkenntnisse sehr zu Gute kamen; denn mit Elementarlehre gibt sich ein großer Meister wohl nicht ab.
Als er sie hinreichend vorbereitet fand, ließ er sie zuerst in seinem Opferfeste (Mai 1816) auftreten und sie erhielt und wählte gern, in dankbarer Verehrung gegen ihren Lehrer, die Rolle als Myrha, in welche sie die ganze entzückende Naivetät des kindlichen Sinnes legte. Es war aber eben damals die Gesellschaft italienischer Operisten unter ihrem Impressar Cerra in München angelangt, welche mit ihrem Tancred das Publikum elektrisirte. Man fing an, nur mit einer Art von Hohn auf deutschen Gesang herabzusehen und die deutsche Oper mußte bei diesem ersten Anlaufe fast erliegen; keine Parthei hatte sich für dieselbe erklärt. Selbst die damalige Direction ließ sie gleichsam fallen, denn die Italiener waren jeden Tag, ja, so zu sagen, jede Stunde bereit, etwas Neues, gut im Spiel und Vortrag und in dem bezaubernden Style von Rossini dem erstaunten Publikum zu geben. So wendete sich Dem. Metzger, angeführt von ihrem Lehrer, nach dem Norden, besuchte Leipzig, Dresden, Berlin; Hr. Winter gab Concerte, ließ sein Alexanderfest und seine Schülerin hören und nahm eben da einen auf seine Nachfrage von Mailand her ihm vorgeschlagenen Contract für die nächsten Karnevalsopern an, schrieb seinen Mahomet und in Genua seinen Woldemar, in welchen beiden seine Schülerin auch Rollen sang.
Bei ihrer Rückkunft fand ihre Anstellung keine Widerrede. Vieles hatte sich geändert; der Patriotismus war erwacht; man dachte daran, die deutsche Oper wieder zu heben, ihr neuen Credit zu verschaffen und die gefährliche Nebenbuhlerin, wenn möglich, auszustechen. Demois. Metzger nannte sich nun, was in dasiger Kapelle aber noch nie in Gewohnheit gewesen, erste Hofsängerin, die Bewunderer ihres Gesanges nannten sie: die Einzige. Kein Concert, das nur von etwas Wichtigkeit seyn sollte, wurde veranstaltet, keine theatralische Darstellung gegeben, an welchen sie nicht den besten Antheil hatte. Sie gab den Aufführungen jeder Art Würde, zog die Zuhörer an und alles sprach nur von ihr, wollte nur sie hören. Bald verehelichte sie sich mit dem rühmlichst bekannten Schauspieler Hrn. Vespermann und machte nun häufige Reisen, auf welchen sie durch ihre Kunstleistungen auch im Auslande großen Ruf erwarb und ein ehrenvolles Andenken sich erhallen wird. Niemand hätte geglaubt, daß ihr Glanz so bald erlöschen, das Ende ihrer Laufbahn so nahe seyn sollte.
Da ihre Wohnung in den Kirchensprengel des Domes eingepfarrt war, so wurde bei dem feierlichen Gottesdienste in der Domkirche Mozarts Requiem von der königl. Kapelle aufgeführt, mit großer Wirkung, wie man es in dieser großen Tempelhalle kaum erwartet hatte. Die Stimme der beliebten Sängerin war ein Halb-Sopran (Mezzo Soprano), welchen ihr Lehrer bei der ersten in einem öffentlichen Concerte gesungenen Arie bis in G herabgezogen und bis dreigestrichenen C erhöht hatte. Vom eingestrichenen E bis zum zweigestrichenen G war das natürliche Diapason (Stimmumfang), in welchem sie aussprach und eigentlich sang. Ihre Gestalt und Gesicht waren angenehm und anziehend und ihr ganzer Körper, mittler weiblicher Größe, schön gebaut, war von dem Reiz beweglicher Grazie durchflossen.
Neuer Nekrolog der Deutschen. Ilmenau, 1829.
V.’s [Wilhelm Vespermanns] erste Gattin, Clara, geborene Metzger, geb. 1799 in der Vorstadt Au zu München, wurde, als man ihre ausgezeichnete Stimme und ihr Gesangstalent kennen gelernt hatte, ihre Ältern aber weder Sinn noch Mittel hatten, das Mädchen zur Sängerin bilden zu lassen, von dem Kapellmeister Winter als Pflegetochter angenommen. Im J. 1817 betrat sie die Bühne als Myrrha mit glänzendem Erfolge; Winter selbst begleitete sie dann auf einer Reise durch Deutschland, wo sie an allen großem Bühnen mit Auszeichnung sang. Ihre Ausbildung zu vollenden, ging sie 1818 nach Italien und verdunkelte auch dort durch den Zauber ihrer Stimme die gefeiertsten Sängerinnen. Im J. 1820 kehrte sie nach München zurück und erhielt dort eine glänzende Stellung bei der Bühne; bald nachher verehelichte sie sich mit Vespermann, dessen Einwirkung auf ihren Vortrag höchst bedeutend war und ihr die künstlerische Vollendung gab. Leider starb sie hier schon im J. 1827.
Clara Metzger-V., wie sie sich nach ihrer Vermählung nannte, hatte eine Mezzosopranstimme von ziemlich weitem Umfange; allein sie wirkte weniger durch Höhe und Tiefe, weniger durch Kehlenfertigkeit und Gewandtheit, als durch einfache Natürlichkeit ihres Gesanges, durch die kindliche Reinheit und Innigkeit ihrer Töne. Unschuld und ernste Naivetät hatten nie eine entsprechendere Darstellerin, so in der Stimme wie im Vortrage, in der herzgewinnenden Erscheinung wie in der Darstellung, in dem wahrhaft kindlichen Gemüthe wie im künstlerischen Ausdruck desselben. Winter erklärte, er liebe seine »Myrrha« erst, seit Clara ihn gelehrt, sie ganz zu verstehen; Weber hielt sie für die einzige und unerreichbare Agathe, und behauptete, sie singe die süßeste Wehmuth in die Seele und die reinste Thräne in das Auge.
Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für gebildete Stände. Leipzig, 1847.
Vespermann, 2) (Clara, geb. Mezger) geb. 1799 in der Vorstadt Au in München, früh schon zeigte sie besondre Vorliebe zum Gesange, wirkte auch als Kind schon auf dem Hoftheater, wo sie besonders als jodelnder Tyrolerknabe großes Aufsehen machte, und den Kapellmeister Winter veranlaßte, ihr Unterricht zu geben, der sie denn als Pflegetochter in sein Haus nahm. 1817 betrat sie als Myrrha und Semiramis die Bühne mit großem Beifall. Bald darauf ging Winter mit ihr nach Leipzig, Dresden, Berlin etc. wo sie mit schönem Erfolge sang, und dann nach Italien, wo sie sich vollends ausbildete, und auf den dortigen Bühnen, selbst in der Scala, glänzende Anerkennung fand. Nach ihrer Rückkunft erhielt sie als Hof-Theatersängerin eine ihren Verdiensten würdige Stellung. 1820 verheirathete sie sich mit dem Vor. [Wilhelm Vespermann], der rücksichtlich des Spiels und des Vortrags des Recitativs einen überaus günstigen Einfluß auf sie übte. Als Agathe nannte sie Weber selbst einzig und unerreichbar. Ihre Stimme war kräftig, rein, metallreich, hatte einen Umfang von fast 3 Octaven, sie vereinte unendliche Kehlfertigkeit mit einem ausgezeichneten Portamente; was aber vor Allem bezaubernd wirkte, war die einfache schlichte Natürlichkeit ihres Gesanges, die keine Kunstbildung geschmälert hatte; ihre Töne quollen unmittelbar aus voller Seele, und ergriffen deshalb den Hörer mit hinreißender Gewalt. Schon 1827 machte eine Blutergießung im Kopfe ihrem Leben ein Ende. Sie ward auf das Feierlichste zur Erde bestattet, die zu schnell diese herrliche Blüthe wieder verschlang.
Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde. Altenburg und Leipzig, 1846.
Klara Metzger, geboren 1799 in der Vorstadt Au, wurde, als man ihre ausgezeichnete Stimme und ihr Gesangstalent kennen gelernt hatte, vom Hofkapellmeister Winter als Pflegetochter angenommen, der auch ihre gesangliche Ausbildung leitete. Später ging Klara Metzger zur höheren Ausbildung nach Italien und verdunkelte dort durch den Zauber ihrer Stimme die gefeiertsten Sängerinnen. Im Jahre 1820 kehrte sie zur Hofbühne zurück, bald nachher verehelichte sie sich mit Vespermann, dessen Einwirkung auf ihren Vortrag höchst bedeutend war und ihr die künstlerische Vollendung gab. Klara Metzger-Vespermann wirkte weniger durch eine blendende Höhe und Kehlenfertigkeit, als durch einfache Natürlichkeit, durch die kindliche Reinheit und Innigkeit ihrer Töne. Karl M. v. Weber hielt sie für die einzige »Agathe« und behauptete, sie singe die süßeste Wehmuth in die Seele und die reinste Thräne in das Auge. Leider starb sie schon 1827, kaum 28 Jahre alt.
Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.
Vespermann: Clara V. geborene Metzger, seit 1821 mit Wilhelm V. verheirathet, hatte der deutschen Opernbühne kaum ein Jahrzehnt angehört, als sie am 6. März 1827 in der Blüthe ihrer Jahre und ihres Ruhmes starb. 1799 als armer Leute Kind in der Au bei München geboren, kam sie frühzeitig in Berührung mit dem Theater und erregte durch ihre Stimme die Theilnahme des Hofcapellmeisters Peter v. Winter, der sie als Pflegetochter in sein Haus nahm und sie sorgfältig für den Sängerberuf vorbereitete. Nachdem sie im Winter 1814/15 im Concert die ersten Proben ihres Könnens abgelegt, wagte sie im Frühjahr 1816 als »Myrrha« im »unterbrochenen Opferfest« den ersten Schritt auf die Bühne. Da trotz des Erfolges München ihr im Augenblick keinen Wirkungskreis bieten konnte, begleitete sie ihren Lehrer auf Kunstreisen nach dem nördlichen Deutschland, sang mit Beifall in den von ihm zu Leipzig und Dresden veranstalteten Concerten und wandte sich im Winter 1816/17 mit ihm nach Italien, wo sie zu Venedig, Mailand und Genua in den von Winter geschriebenen Opern »Mahomet« und »J due Valdomiri« durch ihre weitgediehene Coloraturfertigkeit sich Bewunderung erwarb. 1819 wurde sie für die Münchner Hofoper verpflichtet und machte sich hier zunächst durch ihre Wiedergabe einiger Rollen der älteren italienischen Oper, wie Paisiello’s »Molinara«, Zingarelli’s »Romeo« einen Namen, die größten Erfolge aber erzielte sie bald mit den Bravourpartien der damals in Mode gekommenen Rossini’schen Opern. Als Rosine, Desdemona, Tancred, als Boiëldie’s Prinzessin von Navarra und Mozart’s Zerline eroberte sie 1820 und 21 auch die Gunst der verwöhntern Wiener, die ihrem in allen Lagen schön ausgeglichenen, quellenden Mezzosopran, ihrer Leichtigkeit in Rouladen und Passagen und ihrer Anmuth und Unerschöpflichkeit im Verzieren und Verändern ein ganz besonders feines Kunstverständniß entgegenbrachten. Der Geschichte der »deutschen Oper« gehört Clara Metzger-V. als erste Agathe der Münchener Bühne an; Weber selbst soll ihre Leistung in dieser schwierigen Rolle als einzig und unerreichbar bezeichnet haben. Ein halbes Jahr nach ihrem Tode, der in München die aufrichtigste Trauer hervorrief, heirathete Wilhelm V. ihre Collegin Catharina Sigl, die von nun ab den Namen Sigl-Vespermann führte.
Heinrich Welti: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1895.
Vespermann Klara (geb. Mezger) geb. 1799 in München, in der Vorstadt Au. Schon als Kind wirkte sie auf dem Hoftheater mit, und da sie besondere Vorliebe zum Gesang zeigte und ihre Stimme angenehm wirkte, nahm Kapellmeister Winter daselbst Veranlassung, sie auszubilden. Er fand besondere Freude an ihrem Talent und nahm sie schließlich als seine Pflegetochter in sein Haus. Sie erregte dazumal schon als jodelnder Tirolerknabe großes Aufsehen.
1816 betrat sie als »Myrrha« in Winters Oper »Zaira« das erstemal die Bühne und gefiel außerordentlich. Nachdem sie noch als »Semiramis« aufgetreten war, unternahm sie eine längere Gastspielreise, auf der sie Leipig, Dresden und Berlin berührte, und fand überall, auch am Skalatheater in Mailand, glänzende Aufnahme und Anerkennung. 1819, bereits als dramatische Sängerin von Ruf, nach München zurückgekehrt, trat sie in den Verband der Hofbühne, und wurde in Würdigung ihrer Verdiente mit dem Titel einer Hoftheater-Sängerin ausgezeichnet.
Ihr Gatte, Wilhelm Vespermann, nahm entschieden den günstigsten Einfluß auf ihr Spiel und ihren Gesang. Ihre Stimme hatte einen Umfang von drei Oktaven, und entzückte sie durch ihre unendliche Kehlenfertigkeit und die einfache, schlichte Natürlichkeit ihres Gesanges. Ihr hinreißender Gesang verstummte nur zu bald. Schon 1827 (6. März) machte ein Schlaganfall ihrem Leben ein frühzeitiges Ende. V. wurde von allen Komponisten, in deren Opern sie sang, mit Lob überschüttet, und nannte Weber sie als »Agathe« im »Freischütz«, welche Partie sie am 5. April 1822 in München kreierte, »einzig und unerreichbar«.
Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.
Vespermann Klara, geb. Metzger, 1799 (München-Au) – 1827, Hofopernsängerin; armer Leute Kind, kam V. früh mit dem Theater in Berührung; durch ihre Stimme erregte sie die Teilnahme P. von Winters, der sie als Pflegetochter annahm und für den Sängerberuf vorbereitete; 1816 trat sie zuerst als Myrrha im »Unterbrochenes Osterfest« auf die Bühne; auf weiteren Tourneen errang V. durch ihre äußerst gediegene Koloraturfertigkeit in Leipzig, Dresden, Venedig, Mailand und Genua Bewunderung; 1819 wurde sie Mitglied der Münchner Hofoper; die größten Erfolge erzielte V. in Bravourstücken der Opern Rossinis; Hauptrollen: Rosine, Desdemona, Tankred, Prinzessin von Navarra, Zerline; sie war die erste Agathe der Münchner Bühne; K. M. von Weber hat ihren ausgeglichenen, quellenden Mezzosopran, ihre Leichtigkeit in Rouladen und Passagen und ihre Mimik sehr gelobt; V. war mit dem Hofschauspieler Wilhelm V. verheiratet.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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Sigl (gb)
Sigl-Vespermann (ps)
* 1804 (Passau)
† 30.7.1877 (München)
Sängerin
Vespermann, 1) Clara, s. Metzger. – 2) Catharine, geborene Sigl, und daher auch Sigl-Vespermann genannt, zweite Frau des verstorbenen berühmten Schauspielers Vespermann zu München, ward um 1802 geboren und machte 1818 ihre erste Kunstreise, auf welcher sie namentlich zu Berlin als Consertsängerin großen Beifall fand. Aus ihrer Jugendzeit wissen wir nichts Näheres mitzuteilen. Seit 1820 lebte sie zu München als Königliche Hofsängerin, und verließ diese Stadt seitdem auch nur selten, und dann immer nur auf kurze Zeit, um einen Kunstausflug zu machen. Daher kommt es, daß ihr Name keine so große Celebrität erlangt hat, als er hinsichtlich ihrer Leistugen in der That hätte erlangen können. Ihre Stimme hatte einen bedeutenden Umfang und viel Biegsamkeit. Sie war bis 1833 eine der bedeutendsten deutschen Gesangsvirtuosinnen. Auch der Klang ihrer Stimme hat, obschon etwas Scharfes zugleich, doch auch etwas Wohlthuendes und Angenehmes.
Als die Cholera zu München grassirte, ward auch sie von dieser gräßlichen Krankheit befallen, und wenn gleich durch geschickte ärztliche Behandung wieder davon geheilt, blieb ihre Gesundheit doch so angegriffen, daß sie ihren Abschied vom Königl. Hoftheater zu München nehmen und ein Paar Jahre ohne alle Thätigkeit leben mußte. Erst im Jahre 1837 versuchte sie es wieder, in Concerten öffentlich aufzutreten, und machte auch Glück. Mußte man sich auch gestehen, daß ihre Stimme bedeutend gelitten hatte, so zollte man doch der Vortrefflichkeit und Fertigkeit ihres Vortrages gern den schuldigen und verdienten Beifall. Mehr zur Erholung, als um als Sängerin zu glänzen, unternahm sie hierauf auch ein kleine Reise über Stuttgart, Frankfurt u. s. w., und ließ sie sich irgendwo öffentlich hören, so krönte der glänzendste Erfolg das Unternehmen. Jetzt lebt sie fortwährend in München in völliger Zurückgezogenheit.
Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst. Stuttgart, 1840.
Vespermann, 3) (Katharina, geb. Sigl) geb. 1802 in München, wo sie ihre musik. Bildung erhielt und bereits 1818 die Bühne betrat, seit 1820, war sie als Hofsängerin angestellt; 2. Gattin des Vor. [Wilhelm Vespermann] 1833 wurde sie von der Cholera ergriffen und sah sich in Folge derselben genöthigt, der Bühne zu entsagen; gastirt hat sie wenig und ist daher minder bekannt als sie verdient. Ihre Stimme war klangvoll und angenehm, nur in den Mitteltönen schneidend scharf; sie hatte große Fertigkeit im Gesange und einen gefühlvollen Vortrag; als Darstellerin war sie weniger talentvoll. Sie lebt jetzt zurückgezogen in München.
Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde. Altenburg und Leipzig, 1846.
Katharina V., geborene Sigl, geb. 1802 zu München, wurde ebenfalls unter Winter’s Aufsicht gebildet und betrat die Bühne 1818 mit Glück und Beifall. Im J. 1820 wurde sie angestellt und hat, mit wenigen Ausnahmen, nur in München gesungen. Später wurde sie die zweite Gattin Vespermann’s und wirkte bis 1833 fort, dann verlor sie durch die Cholera die Stimme, Kaharina Sigl-V. war eine Bravoursängerin mit großer und schöner Stimme; nur ihre Mitteltöne waren oft schneidend scharf. Ihre Hauptwirkung lag in ihrer Kraft sowol als in ihrer Kehlenfertigkeit; ihre Darstellungen waren kalt und entbehrten der höhern künstlerischen Bedeutung.
Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für gebildete Stände. Leipzig, 1847.
St. Katharina Sigl-Vespermann.
Lebensskizze einer Sängerin aus der Blüthezeit der Münchner Oper.
Von jener Pleiade, die Ende der Zwanziger und Anfangs der Dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts so hell an Münchens musikalischem Kunsthimmel leuchtete, erlosch am 30. Juli d. Js. auch noch der letzte Stern. Wer von den Opern-Besuchern seiner Zeit fühlte sich nicht wie von den Lüften eines verlorenen Paradieses angehaucht, wenn er des Siebengetirnes Löhle, Pellegrini, Bayer, Wepper, der beiden Damen Vespermann und Schechner gedenkt? Welch ein Ensemble und welche Einzelnleistungen bei der Aufführung eines »Don Juan«, »Macbeth«, »Tell«, einer »Zauberflöte«, »Stummen«, »Euryanthe«, »Iphigenie«, »Vestalin« jener Tage, von deren gewaltiger Wirkung die Epigonen kaum mehr eine Ahnung haben!
Den Reigen des Scheidens eröffnete nach ihrem letzten Auftreten in Spohr's »Faust« die Sängerin Klara Vespermann, geborene Metzger, im Anfange des Jahres 1827, damit eine nur 11jährige ruhmvolle Künstlerlaufbahn im kaum erreichten 28. Lebensjahre schließend. Ihr folgte etwa um 1832 da Tenorist Wepper in der Blüthe der Jugend und zu den schönsten Hoffnungen berechtigend. Hierauf traf das Todesloos Löhle, der durch den Silberklang seiner Stimme und seine unübertreffliche Gesangskunst völlig das Lächerliche seiner äußeren Erscheinung vergessen zu machen wußte. Auch der größten dramatischen Sängerin, welche die Münchener Bühne jemals besaß, Nannette Schechner, war für ihre eminenten Triumphe nur eine kurze Spanne Zeit gegönnt, indem sie um die Mitte der Dreißiger Jahre von ihrer künstlerischen Wirksamkeit und in den Vierzigern aus dem Leben schied. Da unvergeßliche Bayer, ein äußerst wohllautender tiefer Tenor von durch und durch chevaleresker Erscheinung, dessen vielseitiges Talent ebenso wohl im ernsten wie im heiteren Genre zu glänzen wußte, nahm von der Bühne Abschied 1845 mit einem Auftreten in »Catharina Cornaro«, während die wie aus klingendem Erz gegossene treffliche Baßstimme Pelegrini's dem Zahne der Zeit zehn Jahre länger zu widerstehen vermochte, beide aber noch in den besten Mannesjahren – wenn wir nicht irren, Anfangs der Sechziger – aus dem Leben schieden. Als die letzte Ueberlebende dieser Künstlerschaar, gleichsam das noch einzige Wahrzeichen einer schönen Vergangenheit, freilich auch schon seit mehr als vierzig Jahren dem öffentlichen Wirken entzogen, war uns bisher noch Katharina Sigl-Vespermann geblieben. Ihre über mehr als zwei Jahrzehnte sich erstreckenden eminenten Leistungen auf dem Gebiete der Bühnen- und Konzertmusik mögen bei dem Anlasse ihres vor wenigen Wochen erfolgten Abtretens von der Bühne des Lebens einen kurzen Rückblick auf ihren Lebensgang rechtfertigen.
Katharina Sigl ist 1803 in Passau und zwar in der Innstadt daselbst als eines der musikalisch angelegten Kinder einer dortigen Bürgerfamilie geboren. (Hiernach ist die Angabe mehrerer Blätter zu berichtigen, welche München als ihren Geburtsort bezeichneten. D. B.) Ihrem älteren Bruder Ignaz Sigl, später als Cellist eines der tüchtigsten Mitglieder des Münchener Hoforchesters, begegnen wir als 5jährigen Knaben mit seiner damals 12 Jahre alten Schwester Anna Sigl als Violinisten um 1806 konzertirend in Frankfurt a/M., worauf sie bis 1810 einen großen Theil von Europa bereisten, namentlich auch in Prag, Siena, Neapel Konzerte gaben und überall reichen Beifall ernteten.
Ueber unsere Katharina, von welcher, als einem siebenjährigen (?) Wunderkinde, welches Alter sie auch nach Art der Wunderkinder mehrere Jahre lang behauptete, die uns bekannten musikalischen Berichte zum erstenmale im Jahre 1812 sprechen, melden sie uns, daß sie mit ihrem Bruder Ignaz in Berlin mehrere Konzerte gab. Sie sang hiebei Arien aus Zingarelli's »Romeo und Julie« von Portogallo und kleine Duette mit dem Sänger Stümer, welche Leistungen nicht ohne Kunst und von besonderer Zartheit gewesen seyn sollen. Noch im Herbste desselben Jahres produzirte sich die Familie Sigl in Breslau; Katharina sang die Cavatina: Onbra adorata, und wurde sehr beklatscht; gleichwohl äußerte ein hiedurch allerdings keine glänzende Divinationsgabe beurkundender Kritiker: daß aus ihr schwerlich eine gute Sängerin werden würde. Unbeirrt durch dieses ungünstige Prognostikon setzte sie nicht nur ihre Reisen, sondern auch ihre Studien eifrigst fort. Im Jahre 1819 trat sie mit ihrem jüngeren Bruder Eduard, der ursprünglich ebenfalls Cellist, dieses Instrument Anfangs der Dreißiger Jahre mit bestem Erfolg mit dem Fache eines Baß-Buffo vertauschte und als solcher wie als Regisseur bis auf die jüngste Zeit an der Münchener Oper thätig ist, in vielen Konzerten zu Amsterdam, Berlin, Weimar u. a. O. auf.
Im Jahre 1820 an der k. italienischen Oper in München engagirt, sang Katharina Sigl unter anderem die Amenaide in »Tancred«, ging aber bereits im folgenden Jahre hauptsächlich als Koloratursängerin zur Münchener deutschen Oper über. In dieser Eigenschaft wirkte sie von nun an mit steigendem Erfolge in vielen Opern neben Maria Vespermann; so im »Wasserträger«, in der »Zauberflöte«, »Don Juan.« Die »Königin der Nacht« in der zweitgenannten Oper sang sie schon im neunzehnten Jahre. Um 1822 erblicken wir sie auf der Höhe ihres Ruhmes; ihre seltene Bravour, reine Intonation und treffliche Methode, ihr bedeutender Stimmumfang, ihre glockenreine Höhe, ihr graziöses Spiel erzielten in den damals modernen italienischen Opern von Rossini, im »Sargin« von Par, als »Konstanze« in der »Entführung«, als »Massinissa« in »Sofonisbe«, als »Ninette« in der »diebischen Elster«, als »Aennchen« im »Freischütz« stets außerordentlichen Beifall und sicherten ihr bei jedem Auftreten den glänzendsten Erfolg. Unbedenklich konnte sie deshalb auch im Jahre 1823 unmittelbar nach Henriette Sonntag in Wien in mehreren Rollen derselben auftreten. Das Jahr 1826 brachte ihr die Ernennung zur k. bayerischen Kammersängerin. Aber auch das heitere Genre bereicherte durch ihr Auftreten in »Doktor und Apotheker«, den »Sieben Mädchen in Uniform«, den »Wienern in Berlin« ihr bereits sehr mannigfaltiges Repertoire.
Am 6. März 1827 starb ihre berühmte Rivalin Klara Metzger, damals verheirathet an den in München auch jetzt noch in gutem Andenken stehenden trefflichen Hofschauspieler Vespermann. Gegen Ende dieses Jahres trat derselbe in zweite Ehe mit unserer Katharina, von da an Sigl-Vespermann, welches Bündniß kinderlos blieb und im Jahre 1837 durch den Tod Vespermanns an der Cholera, die unmittelbar vorher seine Gattin glücklich überstanden hatte, gelöst wurde.
Ihre brillantesten Partien in der Zeit von 1827 bis 1832 waren: Palmide in dem »Kreuzritter« von Meyerbeer, Julia in der »Vestalin«, welche sie während der Anwesenheit Spontini's in München unter dessen eigener Leitung sang, die »schöne Müllerin« von Paösiello, »Euryanthe« von C. M. von Weber, Elvira in der »Stummen vonn Portici,« als welche sie stets das ganze Publikum zum Entzücken hinriß, und Moina in Chelards »Macbeth«, in welch' letzter Oper sie in der Regel gleichzeitig auch die Partie der ersten Hexe darstellte.
War schon bei der eigenthümlichen Natur ihres Organs, eines Soprano acutissimo, der vom tiefen a bis zum viergestrichenen f mehr als dritthalb Oktaven umfaßte, sowie bei ihrer, wenn auch zähen, doch nicht sehr kräftigen Konstitution eine lange Dauer ihrer Leistungsfähigkeit nicht zu erwarten, so wurde dieselbe außer dem bereits erwähnten Cholera-Anfalle auch noch durch wiederholte nicht minder bedeutende Krankheiten zum großen Bedauern des Publikums wie der Hoftheater-Intendanz, die sie stets wegen ihrer Trefflichkeit und Vielseitigkeit als eine Hauptstütze des Opern-Repertoirs betrachtete, mehrmals unterbrochen. Im Jahre 1838 sah sie sich durch ihre Gesundheitsverhältnisse zu einjährigem Schweigen verurtheilt, worauf sie zuerst im »Konzert am Hofe« von Auber wieder auftrat, aber alsbald – im Mai 1833, kaum 30 Jahre alt, jedoch schon 23 Jahre in der Oeffentlichkeit thätig – von der Bühne Abschied nahm, und im März 1834 für immer quieszirt wurde.
Von da an erfreute sie noch mehrere Jahre lang in den Konzerten von München, Augsburg und anderen bayer. Städten durch Koloratur- und Bravour-Leistungen und schließlich durch den reizendsten Vortrag von kleineren Gesängen, die ihrer Kunst und den beaux restes ihrer Stimme stets gerne lauschende Zuhörerschaft, bis sie etwa um 1841 ihren liederreichen Mund schloß.
Konnte ihr aber auch die Kunst, der sie ihr Leben gewidmet hatte, keine Kränze mehr bieten, so blieb doch sie ihr – hiedurch als wahre Künstlerin sich erweisend – mit dem regsten Interesse und mit unveränderlicher Liebe treu bis an ihr Lebensende. Innerhalb der nahezu 36 Jahre ihrer Zurückgezogenheit vom öffentlichen Auftreten verfolgte sie unablässig mit der lebendigsten Theilnahme alle musikalischen Vorgänge auf der Bühne und im Konzertsaale; wenn es ihre Gesundheit nur irgend gestattete, fehlte sie bei keiner interessanten Aufführung und wendete sowohl den Darstellenden wie den vorgeführten älteren, neueren wie neuesten Werken die gespannteste Aufmerksamkeit zu. Die älteren Besucher der hiesigen Akademie-Konzerte werden sich noch recht wohl erinnern, wie König Ludwig I., von gleichem Interesse beseelt, bei seinen Rundgängen während der Pausen die freundliche Madame Sigl-Vespermann an ihrem ständigen Platze regelmäßig zu finden und mit ihr einige heitere Worte zu wechseln wußte.
Im Uebrigen lebte sie still und zurückgezogen, sich ganz dem Verkehre und den Interessen ihrer Verwandten widmend, die an ihr stets die aufopferndste und treueste Beratherin und Helferin fanden.
Im vergangenen Frühjahre erkrankte sie ernstlich; insbesondere von heftigen asthmatischen Leiden gefoltert, vermochte ihre Natur der nahenden Auflösung doch noch unerwartet lange Widerstand zu leisten, bis endlich der Tod in den Abendstunden des 30. Juli d. J. ihren Leiden ein Ziel setzte.
Eine außergewöhnliche Theilnahme des Münchener Publikums gab sich bei ihrer Beerdigung kund: außer einer Anzahl ihrer ehemaligen Kollegen und Kunstgenossen, von denen übrigens viele der Theaterferien wegen von München abwesend waren, folgten Männer aus allen Ständen ihrem Sarge. Ein stimmungsvoller Grabgesang von G. Stunz mit Posaunen-Begleitung, vorgetragen von dem Chorpersonale des k. Theaters am Gärtnerplatze, erfüllte mit melodischen Trauerklängen das weite Leichenfeld, als die schwarze Scholle die sterbliche Hülle der geschiedenen Sängerin für immer den Blicken entzog.
Katharina Sigl-Vespermann war mittlerer Größe, fein und zierlich gebaut, von einnehmenden, wenn auch nicht gerade hübschen Gesichtszügen, doch mit einem geistvollen Auge und ungemein lebendigem Mienenspiele ausgestattet. Ihre Domäne auf der Bühne war das Anmuthige, Graziöse, Elegante, Liebliche und Muntere, wobei es ihr jedoch an rechter Stelle durchaus nicht an Noblesse, Leidenschaft und Feuer gebrach.
Ihr Leben war sie stets höchst anspruchslos, heiter, sehr gutmüthig und freundlich gegen Jedermann; mit derselben liebenswürdigen verbindlichen Miene, mit demselben dankbaren Lächeln, mit dem sie für die ihr während ihrer Künstler-Laufbahn so zahllos gespendeten Hervorrufe dem Publikum dankte, erwiderte sie jeden Gruß der ihr in München täglich begegnenden vielen Freunde und Bekannten. Und daß diese sowie die Annalen der Münchner Kunst ihr ein ehrendes Andenken bewahren werden, darf als gewiß angenommen werden, wenn auch an ihr das Wort des Dichters:
»Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze«
gleichwohl bereits sich erfüllt hat.
München.
Der Sammler Nr. 104. Belletristische Beilage zur »Augsburger Abendzeitung«. Donnerstag, den 30. August 1877.
Das größte Ereigniß des Theaterjahres 1820 ist jedoch das Engagement der Koloratursängerin Katharina Sigl und das des genialen Ferdinand Eßlair. Katharina Sigl war 1803 zu Passau geboren und kam, 17 Jahre alt, an die Münchener Oper. Katharina sang frühzeitig und bereiste als Wunderkind mit ihrer Familie verschiedene Städte. Schon damals machte ihre zierliche, feine Erscheinung und noch mehr ihre silberhelle Stimme berechtigtes Aufsehen. In späteren Jahren, das ist die Zeit ihres hiesigen Engagements, erntete sie als Aennchen (Freischütz), Königin der Nacht (Zauberflöte), Elvira (Stumme) große Triumphe. K. Sigl war von 1827–1837, nach dem Tode der Klara Metzger, mit dem Schauspieler Vespermann verheirathet und gehörte der Hofbühne dreizehn Jahre an. Nach ihrem Abschied von der Bühne sang sie zwar noch in Concerten, mußte aber 1841 auch dieser künstlerischen Thätigkeit entsagen. Die Künstlerin hatte durch die Cholera völlig ihre Stimme verloren. Katharina Sigl war eine Bavoursängerin mit großen und schönen Mitteln, die jedoch in der Mittellage oft hart und schneidend klangen. Ihre Hauptwirkung lag in ihrer Kraft und in einer großen, oft staunenswerthen Kehlenfertigkeit. Dagegen war ihre Darstellung wenig natürlich und entbehrte der höheren künstlerischen Bedeutung. K. Sigl-Vespermann starb am 30. Juli 1878 in München.
Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.
Vespermann: Catharina Sigl, die von nun ab den Namen Sigl-Vespermann führte. Catharina Sigl wurde um 1802 in Passau geboren. Ihre Jugend verlebte sie großentheils auf Reisen in Deutschland, Italien (1809), Frankreich, Holland, wo ihre Eltern sie und zwei ältere Geschwister als Wunderkinder vorzuführen suchten. 1812 und 1813 trat die zehnjährige Kleine bereits als Sängerin in Berlin auf und wagte sich an die berühmte Arie des Romeo von Zingarelli. 1818 und 1819 concertirte sie mit ihrem Bruder Ignaz, einem jugendlichen Cellisten, in Paris und Amsterdam. Ihr erstes Engagement fand sie in München 1820 bei der italienischen Oper. 1821 wurde sie Mitglied des Münchener Hoftheaters, an dem sie nun durch ein Jahrzehnt das Rollenfach des hohen Soprans mit großem Erfolg und dauernder Beliebtheit vertrat. Sie sang die Königin der Nacht, Susanne, Elvira, Myrrha, Marzelline (Fidelio), schuf für München die Rollen des Aennchen (Freischütz), der Euryanthe und Rezia und wurde nur zeitweise durch die stimmbegabtere Nannette Schechner in Schatten gestellt. Gastspiele in Wien (1822), Nürnberg (1824) und Stuttgart (1826) verbreiteten ihren Ruf als Meisterin des Ziergesanges. 1833 wurde sie in Ruhestand versetzt. Sie starb zu München am 30. Juli 1877.
Vgl. Franz Grandaur, Chronik des kgl. Hof- und Nationaltheaters in München. Blum-Herloßsohn-Marggraff, Allg. Theaterlexikon VII, 167 f. Allgemeine musicalische Zeitung, Jahrgänge 1809–1833.
Heinrich Welti: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1895.
Vespermann Katharina (geborene Sigl), geboren 1802 in München, erhielt ihre musikalische Bildung in ihrer Vaterstadt, wo sie 1818 die Bühne betrat. Sie gefiel und erhielt bereits 1820 den Titel einer Hofsängerin. Trotzdem sie eine angenehme klangvolle Stimme besaß und einen gefühlvollen Vortrag hatte, war sie nur wenig außerhalb Münchens bekannt, da sie fast gar nicht gastierte. Doch in ihrer Vaterstadt wurde sie nach ihrem vollen Werte geschätzt und zu den beliebtesten Mitgliedern der Hofbühne gezählt. Die Künstlerin zog sich am 1. April 1833 infolge einer schweren Erkrankung von der Bühne gänzlich zurück. Sie verblieb auch ferner in München, wo sie von der Außenwelt nahezu abgeschlossen lebte und hochbetagt am 30. Juli 1877 starb. Sie hatte Gelegenheit, während ihres Engagements am Münchener Hoftheater mehrere Opernpartien zu kreieren, darunter: »Marzellina« in »Fidelio« am 1. Juli 1821, »Ännchen« in »Freischütz« am 15. April 1822, »Euryanthe« am 21. Dezember 1825, »Rezia« in »Oberon« am 29. März 1829 und »Elvira« in »Stumme« am 8. Januar 1830.
Ludwig Eisenberg's Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.
Vespermann Maria Katharina, geb. Sigl, genannt »Sigl-Vespermann«, 1804 (Passau) – 1877, Hofopernsängerin; auf Tourneen wurde sie mit ihren Geschwistern bereits als »Wunderkind« vorgeführt; schon mit 10 Jahren trat sie als Sängerin in Berlin auf und konzertierte mit ihrem Bruder Ignaz, einem Cellisten, in Paris und Amsterdam; 1821 wurde V. Mitglied des Münchner Hoftheaters, an dem sie ein Jahrzehnt lang das Rollenfach des hohen Soprans vertrat.
Hauptrollen: Königin der Nacht, Susanne, Elvira, Myrrha, Marzelline, Ännchen (Freischütz); Gastspiele in Wien, Nürnberg und Stuttgart verbreiteten den Ruf der einstigen Rivalin und späteren Nachfolgerin Klara in der Ehe Vs. mit Wilhelm V. als Meisterin des Ziergesangs; 1833 trat sie schon in den Ruhestand.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 1784 (Hannover)
† 8.1.1837 (München)
Regisseur, Sänger und Schauspieler
Todes-Anzeige.
Dem unerforschlichen Rathschlusse des Allmächtigen hat es gefallen, unsern innigst geliebten Gatten, Vater und Bruder
Wilhelm Vespermann,
Königlichen Hofschauspieler und Regisseur,
heute Morgens um halb fünf Uhr im 53ten Jahre seines Lebensalters aus diesem Zeitlichen abzurufen.
Indem wir dieses, uns so tief erschütternde, Ereigniß hiemit zur Kenntniß unserer Verwandten, Freunde und Gönner bringen, bitten wir um stille Theilnahme, und empfehlen den theuren Hingeschiedenen der frommen Erinnerung.
München, den 8. Jänner 1837.
Catharina Vespermann, geb. Sigl, Königl. Hofsängerin, als Gattin,
Marie Vespermann, als Tochter,
Christ. Vespermann als Schwester, im Namen sämmtlicher Verwandten.
Die Beerdigung findet am Dienstag, den 10. Jänner Nachmittags 3 Uhr vom Leichenhause aus statt.
Die Bayer'sche Landbötin Nro. 4. München; Dienstag, den 10. Januar 1837.
Inland.
München, 8. Jan. Einer der ersten Mimen der teutschen Bühne ist nicht mehr! Hr. Wilhelm Vespermann, K. b. Hofschauspieler und Regisseur, starb heute Morgens 4½ Uhr an der asiatischen Brechruhr, 53 Jahre alt. Allzugroße Aengstlichkeit, welche der gefeierte Künstler vor der Seuche seit dem Beginn derselben hatte, und in Folge welcher derselbe seit drei Monaten das Haus nicht verließ, soll die Hauptursache seines Todes seyn. Die Nachricht von dem Absterben dieses für die K. Hofbühne unersetzlichen Künstlers hat unter allen Ständen eine ungemeine Sensation hervorgebracht. Heute Nachmittags 2 Uhr wurde die Leiche desselben in dem mit vier Pferden bespannten Leichenwagen auf dem Kirchhof beigesetzt. Auch seine Gattin, die gefeierte Sängerin Mad. Sigl-Vespermann liegt noch krank darnieder. Ebenso ist der K. Hofsänger, Hr. Löhle, schwer erkrankt. (A. Ab. Z.)
Allgemeine Zeitung von und für Bayern Nr. 12. Tagsblatt für Politik, Literatur und Unterhaltung. Nürnberg; Donnerstag, 12. Januar 1837.
D. 8. zu München der Schauspieler Vespermann – im 52. J. an d. Cholera. Er war zu Hanover geboren. Nicht allein das Hoftheater zu München, sondern auch die deutsche Schauspielkunst hat den Tod dieses Künstlers, der in seinen komischen und chargirten Rollen Vortreffliches leistete, zu betrauern. Er trat zum letzten Mal als »Verschwiegener wider Willen« in Kotzebues kleiner Posse auf, eine unter diesen Unständen so ominöse als bedeutungsvolle Rolle.
Neuer Nekrolog der Deutschen. Weimar, 1839.
Vespermann, 1) (Wilhelm), geb. zu Hannover 1784, betrat 1802 daselbst die Bühne in untergeordneten Rollen. Bald darauf begab er sich zum Director Thomala, der Lippstadt, Detmold, Herfort, Bielefeld u. a. kleine Städte besuchte; er sang und spielte hier lange Zeit Alles. Dann ging er nach Bremen, wo er eine Reihe von Jahren den Monostatos in der Zauberflöte, den Gärtner in Camilla, den Antonio im Wasserträger u. s. w. sang; im Schauspiel den Tempelherrn im Nathan, Melchthal im Teil, Anton in den Verwandtschaften und obendrein in der Pantomine den Pierrot spielte! Die plötzliche Krankheit eines Schausp. bewog ihn, die Rolle eines komischen Alten zu übernehmen, und der äußerst glückliche Erfolg brachte ihn zu dem Entschluß, sich diesem Fache vorzüglich zu widmen. Hierin und in den Rollen der Intriguants bewegte sich nun V. mit entschiedenem Beifalle auf den Bühnen zu Hannover, Braunschweig und Magdeburg, wobei er noch immer Buffopartien sang. 1811 ging er nach Carlsruhe, wo er mit allgemeinem Beifalle spielte. Nach einer Reihe Gastrollen in Straßburg, war er in Augsburg, Wiesbaden, Mainz, Cöln u. s. w. engagirt. Dann ging er nach München zu Gastrollen und erhielt dort ein Engagement, das ihm später lebenslänglich gesichert wurde. Hier wurde er bald heimisch, Alles gewann ihn lieb; er heirathete die Folg. und starb 1837. V. gehörte in die Reihe jener Bühnenkünstler, welche stets künstlerisch der Aufgabe Herr sind und dadurch jenes Product hervorbringen, welches durch den glücklichen Verschmelz der Natur und der Kunst entsteht. In intriguanten Rollen fehlte ihm zuweilen die Intensivität des Charakters und er pflegte zu äußerlichen Behelfen zu flüchten; Ironie, den Ernst des Scheines, den Zwiespalt des Menschlichen mit dem Dämonischen förderte er zwar effectvoll, aber nicht immer ästhetisch zu Tage. Hingegen war er auf dem Boden höherer Komik vollendeter Meister. Es waren nicht etwa Portraits, sondern Charaktergemälde, psycholochische Darstellungen dieser oder jener Leidenschaft und Lächerlichkeit die er lieferte. V. war ein Seelenmaler, jeder Licht und Schattenstrich wahr, aus dem Leben herausstudirt und den geheimsten Gemüthsbewegungen abgelauscht. Dabei besaß er ein treffliches Organ, eine höchst ausgebildete Sprache, ästhetische Bildung, umfassende Kenntniß des Theaters und der Bühnenkunst. Sein Mephistopheles, Soliman, Shylock, Oheim, Schneider Fips, Rath Seger etc. bleiben unvergeßlich.
Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde. Altenburg und Leipzig, 1846.
Vespermann (Wilh.), Schauspieler, geb. zu Hannover 1784, betrat nach einer wenig fruchtbaren Jugend schon 1802 die Bühne in kleinen Rollen und ging, da diese seinen innern Trieb nicht befriedigten, zu einer reisenden Gesellschaft, bei welcher er im eigentlichsten Sinne Alles spielte.
Ein Zufall führte ihn in Bremen auf seine eigentliche Berufsbahn, indem er bei plötzlichem Erkranken eines Collegen eine komische Rolle übernahm und damit dergestalt wirkte, daß er sich diesem Fache fast ausschließlich widmete. Als Komiker war er nacheinander zu Hannover, Braunschweig, Magdeburg, Karlsruhe und bei den meisten großem Theatern Süddeutschlands engagirt, bis er 1812 in München eine lebenslängliche Anstellung erhielt. Hier starb er am 8. Jan. 1837.
Als Intriguant und Charakterrollendarsteller, was V. früher vorzugsweise war, stand er außerhalb seines Berufskreises; im Komischen dagegen bildete er das innere Seelengemälde aus; er strebte nach wirklichen Charakterbildern und einer psychologischen Herausbildung der menschlichen Verkehrtheiten, die er darstellen sollte. Dies gab seinen Leistungen eine höhere Weihe, die auf diesem Gebiete doppelt wohlthut, weil sie so selten ist.
Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für gebildete Stände. Leipzig, 1847.
Vespermann: Wilhelm V., namhaft als langjähriges und verdientes Mitglied der Münchener Hofbühne, wurde 1784 zu Hannover geboren und betrat dort auch 1802 zuerst die Bretter. Seine Lehrjahre verbrachte er auf Wanderfahrten mit der Gesellschaft des Directors Thomala und fand dann auf längere Zeit Anstellung in Bremen, wo er in kleinem Gesangspartien (Monostatos, Antonio im Wasserträger) und in jugendlichen Rollen (Melchthal, Tempelherr) thätig war. Als weitere Stationen seiner Künstlerlaufbahn werden Hannover, Braunschweig, Magdeburg, Karlsruhe (1811), Augsburg, Wiesbaden, Mainz, Köln bezeichnet. Gleichzeitig vollzog sich seine Wandlung vom jugendlichen Helden zum Charakterdarsteller und Chargenspieler. Im J. 1816 kam er als Gast nach München und stellte sich als Franz Moor bei der ersten Aufführung der »Räuber«, die dort stattfand, mit solchem Erfolge vor, daß er 1817 für die Hofbühne angeworben wurde. Schon 1821 zum Regisseur befördert, entfaltete er eine reiche Thätigkeit als Darsteller wie als Spielleiter im Drama, wo ihm neben Eßlair namentlich das Conversationsstück zugewiesen war. Seine berühmtesten Rollen waren: Franz Moor, Soliman, Antonio (Tasso), Selbitz, Shylock, Mephisto (1830), besonders beliebt aber war er in Chargen wie Schneider Fips, Rath Seger u. dergl. Er starb zu München am 8. Januar 1837.
Heinrich Welti: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1895.
Vespermann Wilhelm, geboren in Hannover 1784, beschloß frühzeitig, zur Bühne zu gehen und betrat bei einer reisenden Gesellschaft im Jahre 1801 das Theater. Er mußte sich im Anfang mit untergeordneten Rollen begnügen und ging es ihm auch nicht besser, als er zu Direktor Thomola in Hannover kam. Auch mit diesem zog er in kleinen Städten umher und sang und spielte alles. Erst während seines Engagements in Bremen kam er zu ersten Partien. Sein schöner Bariton ließ ihn Verwendung in der Oper finden, sowie er im Schauspiel als Liebhaber gerne gesehen war. Das ging längere Zeit so fort. Da erkrankte einmal ein Schauspieler, und da Not an Mann war, mußte V. dessen Rolle, einen komischen Alten, übernehmen, und der äußerst glückliche Erfolg, den er an diesem Abend in diesem Fache errang, bestimmte ihn, sich vorwiegend mit charakterkomischen Rollen zu beschäftigen, ohne jedoch sein eigentliches Fach gänzlich aufzugeben. Bald darauf kam er nach Hannover zurück und hier, sowie in Braunschweig, Magdeburg, Karlsruhe, Augsburg, Wiesbaden und Köln, wo er überall – allerdings nur kürzere Zeit – im Engagement war, trat er mit entschiedenem Beifall auf. Nachdem er sich und seine künstlerische Kraft nun eine Reihe von Jahren an ersten Theatern erprobt hatte, nahm er 1817 eine Berufung an das Münchner Hoftheater an, wo er bald heimisch wurde und alles für sich einzunehmen wußte. 20 Jahre wirkte er daselbst in allererster Stellung und starb am 8. Januar 1837, allgemein betrauert. Wie schon erwähnt, begann er mit Liebhaberrollen (»Tempelherr«, »Melchthal« etc.), sang dabei gleichzeitig den »Monostratos« in der »Zauberflöte«, den »Antonio« im »Wasserträger« etc., trat dann in das ausgesprochene Charakterfach (»Mephisto«, »Shylock«, »Polonius«) über und wendete sich schließlich charakterkomischen Rollen zu. Auf dem Boden der höheren Komik wurde er vollendeter Meister. Er kannte das Theater wie wenige seiner Kollegen und lebte nur für dasselbe. Unter seinen komischen Partien blieb der »Schneider Fips« unvergeßlich. V. war zweimal verheiratet; das erstemal mit der Sängerin Clara Mezger und das zweitemal mit der Sängerin Katharina Sigl.
Ludwig Eisenberg's Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.