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19 – 13 – 1 (Bruckbräu)

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* 1791 † 1874
FRIEDRICH WILHELM
BRUCKBRÄU
DICHTER UND
ÜBERSETZER

Ω

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Friedrich Wilhelm Bruckbräu

Baron Belial (ps)
* 14.4.1792 (München)
† 23.12.1874 (München)
Dichter und Übersetzer

Panorama von München (1835)

Dichter, Schriftsteller, Journalisten.

Neben diesen Müller ist unbedingt Bruckbräu zu stellen. Auch er ist ein Dichter, und die Dresdener Abendzeitung brachte viele Sonnette und andere Sachen von ihm an’s Tageslicht, und die geistreichen Corresponznachrichten aus München in jenem Blatte rührten ebenfalls durch viele Jahre von ihm her.

Bruckbräu hat außerdem »die Gardinenseufzer,« »den Papst im Unterrock« und »das galante München« geschrieben; Werke, bei deren Nennung einem gebildeten Menschen die Haut schaudert. Alle kritischen Blätter Deutschlands haben längst ihrem Verfasser seinen Platz angewiesen. Dieser Bruckbräu war Einer von denen, die stets vom Scandale lebten. Er glaubte, daß es ihm gelinge» würde, die obscöne Literatur wieder in Aufnahme zu bringen. Unsere Zeit hat aber den Geschmack daran verloren, und Bruckbräu schreibt so fad und geistlos, daß selbst die alten Herren, die aus früherer Gewohnheit darnach griffen, das Zeug mit Ekel wegwarfen.

Sein Blatt, welches er gründete und redigirte, hieß »der Bayerische Beobachter und das Münchener Conversationsblatt.« Jenes war der politische Theil, unbedeutend und nur Nachdruck, dieses brüstete sich mit Originalität und enthielt außer den schon erwähnten Inseraten einen eigenen Artikel: »Münchener Conversation,« der Haarsträuben erregte, wenn man sich einen Augenblick überreden wollte, daß wirklich unsere Conversation über dergleichen Gegenstände und in solcher Art geführt würde. Zum Glücke war dieß aber nicht der Fall.

Bruckbräu stellte sich gern als ein Opfer der Verfolgungen mächtiger Feinde dar. Er erzählte unter Anderm, daß ihm einst von hoher Hand eine starke Rolle mit Kronenthalern gesendet wurde, von dem Wunsche begleitet: »er möge die Schauspielerin H* nicht mit seinen bösen Kritiken verfolgen.« Er aber habe das Geschenk schnöde zurückgewiesen, mit dem kurzen Bemerken: »er verkaufe seine Stimme nicht.« Dieß hochherzige Benehmen sey aber die Quelle aller später erduldeten Unbilden gewesen. Der vornehme Gönner der H* hatte von Bruckbräu’s Treiben, wie es schien, eine durchaus falsche Meinung. Für die Hälfte jener Summe würde er unbedingt ein ganzes Jahr hindurch in dem »Münchener Conversationsblatt« nicht nur die H* nach Herzenslust haben loben, sondern ihre Gegner noch überdieß schmähen können. Denn so machte es ein Jeder hinsichtlich der Gegenstände seines Hasses oder seiner Neigung. Die Insertionskosten waren aber nur sehr gering.

Bruckbräu’s Verfolgungen oder vielmehr Bestrafungen lagen jedoch ganz andern Ursachen zum Grunde. Seine Taktlosigkeit trat überall zu klar an den Tag. Von dem Augenblicke an, daß er sein lächerliches Aushängeschild »Censur-Frei!« welches so gedruckt war, von seiner Kneipenwirthschaft herunternehmen mußte, war er bemüht einen elenden Ton der Unterwürfigkeit anzustimmen, der oftmals um so empörender wirkte, wenn man ihn mit dem noch vor Kurzem vernommenen in Einklang zu bringen gedachte. All sein Streben, mußte man glauben, ging nun darauf hin, das höchste Wohlgefallen der Regierung auf sich zu ziehen. Während dieser Bemühungen aber unterliefen dann wieder Artikel, welche nicht nur Zweifel über seine Besserung erregten, sondern sogar als Beweise einer boshaften Gesinnung gelten mußten, die gleichsam unter einer schicklich gewählten Maske desto sicherer ihre Hiebe anbringen konnte. So erschien zu einer Zeit, wo die Werbung für Griechenland, nicht ohne einige Hindernisse, in’s Werk gesetzt werden sollte, und alle Blätter, Bruckbräu’s nicht ausgenommen, aus vollen Backen den Enthusiasmus für Hellas und seine Verbindung mit Baiern anzufeuern bemüht waren, plötzlich – über Nacht – ein Artikel im Conversationsblatt, worin nach alten Chroniken, die Niemand mehr kannte, eine Schilderung des Elends enthalten war, dem in frühern Zeiten baierische Kriegsknechte auf Zügen nach dem Morgenlands ausgesetzt gewesen waren. Dieß saubere Pröbchen Münchener Conversation, woran ohne Bruckbräu kein conversirender Münchener gedacht hätte, kam dem Unbesonnenen etwas theuer zu stehen. Jetzt ist er von München entfernt worden und lebt – als Zollbeamter in einem obscuren Städtchen. Seine treffliche Redaction ist in andere Hände übergegangen.

August Lewald: Panorama von München. Zweiter Theil. Stuttgart, 1835.

Beilage zur Augsburger Postzeitung (11.1.1875)

Deutsche Dichter.

»Es muß auch solche Käuze geben.
Schade daß es wahr ist und wahr ist’s,
daß es schade ist.«

RB. Im Laufe des Jahres 1874 starben in München zwei sogenannte Dichter. Es waren sehr eigen geartete Naturen; jeder ein Charakterkopf, aber kein anziehender. Jeder erfreute sich eine Zeitlang einer gewissen Blüthe, als diese zu Ende ging, suchten sie sich gefährlich oder fürchterlich zu machen, um dann in neidloser Stille zu verschwinden. Beide ergänzen sich wechselseitig als Schriftsteller und »Literaten« – aber im schnödesten Sinne des Wortes.

Ersterer, welcher am 29. Juli spurlos und unbemerkt schied, hieß ehedem Carl Wilhelm Vogt. […]

Der zweite ist der am 26. Dezember begrabene k. Oberzollbeamte Friedr. Wilhelm Bruckbraeu. Geboren am 14. April 1792 zu München, [Sein Vater war der General-, Zoll- und Mauth-Direktionsrath Jos. Bruckbräu (geb. 1760, gest. 1832) der gleichfalls schriftstellerte und in die wenigen Münchener Blätter Beiträge lieferte (vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen. X. B. S. 985. Nr. 1391)] studirte er daselbst, trieb neuere Sprachen, trat in den Mauth- und Zolldienst, redigirte 1817 die »Eos« und seit 1829 den »Bayerischen Beobachter« und das Münchener »Conversationsblatt«.

Die Poesie war ihm keine hohe mächtige Göttin, wohl aber eine tüchtig mit Butter versorgende Kuh; seine Feder war in verschiedenen Branchen sattelgerecht: schlüpferige Geschichten zu verfassen, Schauerromane aus dem Französischen zu übersetzen oder Gebetbücher zu schreiben; vielleicht sind auch allerlei »Prophezeiungen eines alten Schäfers« und allerlei ähnlicher Unrath auf seine Rechnung zu setzen. August Lewald, der zwar allerlei Schwankungen erlebte und auf verschiedenen Schultern Wasser trug, dieser Journalistik gegenüber aber immer wie ein Edelmann sich betrug, kannte den »Herrn von Bruckbräu« wie man ihn damals nach Münchener Sitte nannte, sehr genau und zeichnete schon 1835 in seinem »Panorama von München« (Stuttg. 1835. II, 102) ein nicht sehr einladendes Porträtbild. Er erwähnt die »Gardinenseufzer«, den »Papst im Unterrock« und »Das galante München« und nennt das »Werke, bei deren Nennung einem gebildeten Menschen die Haut schaudert«; nach Saphir’s schnödem Vorbild »lebte er nur von Scandal und Obscönität« und bewährte sich unter dem Ministerium Wallerstein als servil und liberal, ersteres nach oben, letzteres nach unten. Während er auf der einen Seite sich Verfolgungen aussetzte, verstand er sehr wohl die geheimen Wege der Polizei zu ebenen.

Außer der »Freimüthigen Widerlegung einiger Ansichten der neuesten Teutschheit« (München 1816) schrieb Bruckbräu auch einen »Katechismus über das Gewerbsgesetz und die Grundbestimmungen für das Gewerbswesen in den 7 ätern Kreisen des Königreichs Bayern« (Sulzb. 1826). Mit patriotischen Festliedern stellte er sich zu verschiedenen Zeiten ein »huldigend mit Sangesgluth.« Wenn es wahr ist, daß die Gelegenheit den Dichtet macht, so ist es auch richtig, daß diese Gelegenheitsdichter unregelmäßig sich für die größten ihres Zeichens halten. Auch patriotische Stoffe gestalteten sich unter seinen Händen, sowohl dramatisch, wie »Maria von Brabant, historisches Trauerspiel in 5 Aufzügen« (Dresden 1824) oder romanhaft, wie »Agnes Bernauer, der Engel von Augsburg, hist, romant. Zeit- und Sittengemälde« (2 Theile, München 1854) oder »Herzog Christoph der Kämpfer« (Augsb. 1844) und »Meister Schwanthaler und die Burg Schwaneck« (Augsb. 1853) oder er bebaute das Gebiet der Volkserzählung mit einem »Plinganser« (1857) und »Bayerischen Hiesel« (1843 2. Aufl.). Dann machte er sich wieder an eine »Geschichte der Mariensäule von 1638 bis 1855« (München 1855) und sammelte »Charakterzüge und Anekdoten aus dem Leben Max Joseph I. König von Bayern« (2. Aufl. München 1856).

Zwischendurch fallen ein Paar Taschenbücher für München und die Umgegend und für Reisende auf der München-Salzburger und Lindauer Eisenbahn. Am fruchtbarsten aber war Bruckbräu immer mit schlüpferigen Romanen, von denen der bekannte Literaturhistoriker Karl Gödeke (Grundriß. III, 727) mit Recht sagte, daß sie »ihm und der Literatur wenig Ehre machten«; darunter steht obenan der »Leibpage der Maria Antoinette« oder die »Geheimen Liebschaften der Pariser Hofdamen« (Stuttg. 1828), das »Orakel der Liebe« (1828), »Mittheilungen aus den geheimen Memoiren einer deutschen Sängerin« (1829), »Die Verschwörung von München, eine Gallerie von Liebschaften« (1829) u. s. w. Gleichzeitig wurde auch ein »Jesus und die Jungfrau« betiteltes »Gebetbuch« fabricirt (München 1829). Seine Uebersetzungen von Petrarca’s Gedichten (1827) und Thomson’s Jahreszeiten (1827, 1836) erhoben sich nicht über die Mittelmäßigkeit.

Zuletzt flüchtete Bruckbräu in den Schooß der »altkatholischen« Gemeinde und wurde als ein treues Glied derselben begraben.

Beilage zur Augsburger Postzeitung Nr. 2. 11. Januar 1875.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Bruckbräu Friedrich Wilhelm, 1791 (München) – 1874, Zollbeamter, Dichter und Schriftsteller; er studierte in München, leitete 1817 die »Eos«, 1829–1833 den »Bayerischer Beobachter«, »Eichenkron« 1832/33 und das »Münchner Konversationsblatt«, wurde 1833 Oberzollverwalter in Burghausen und lebte zuletzt wieder in München; er war auch der Herausgeber des »Taschenbuch für Reisende« (1855), Dichter und Übersetzer (u. a. von italienischen Operntexten); obwohl B. viele wertvolle Schriften verfaßte (Hauptwerke: Maria von Brabant, [Trauerspiel], Petrarcas Kanzonen, Sonette usw. – übersetzt – J. Thomsons Jahreszeiten, übersetzt, Jesus und die Jungfrau, Erzählungen, Novellen und Sardellen, Allgemeines Hilfsbüchlein in Schreib- und Rechnungsgeschäften, Der bayrische Hiesel, Burg Schwaneck und Meister Schwanthaler, Geschichte der Mariensäule, Ehrenspiegel des glorreichen Hauses Wittelsbach u. a.), so war er doch einer von denen, die stets vom Skandale lebten; Schriften wie Gardinenseufzer, Papst im Unterrock, Galantes München lassen bei Nennung die Haut eines gebildeten Menschen schaudern; B., der sich gern als Opfer der Verfolgungen mächtiger Feinde darstellte, wurde wegen seiner unsauberern Schriftstellerei zeitweise von München entfernt und als Zollbeamter in entlegene Gegenden versetzt, wogegen er anfangs heftigen, aber erfolglosen, Widerstand leistete.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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