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Ruhestätte
der am 18. Februar 1881
verunglückten Künstler.
Einhart Emil
geb. in Konstanz den 27. Nov. 1854.
Schnetzer Johann
geb. in Fürstenfeldbruck den 7. Sept. 1850.
Christ Adam
geb. in Bamberg den 12. März 1856.
Hößbacher Adolf
geb. in Frankfurt a. M. den 2. Okt. 1863.
Kraus Karl
geb. in Ulm a. D. den 8. Sept. 1857.
Gehrke Adolf
geb. in Berlin den 8. Nov. 1849.
Guttermann Ernst
geb. in Ulm a. D. den 6. Jan. 1859.
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Christ, Adam; 12.3.1856 (Bamberg) – 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Einhart, Emil; 27.11.1854 (Konstanz) – 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Gehrke, Adolf; 8.11.1849 (Berlin) – 20.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Guttermann, Ernst; 6.1.1859 (Ulm) – 20.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Hößbacher, Adolf; 2.10.1863 (Frankfurt a. M.) – 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Kraus, Karl; 8.9.1857 (Ulm) – 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Schnetzer, Johann; 7.9.1850 (Fürstenfeldbruck) – 19.2.1881 (München); Opfer des Kolosseum-Brandes; Goldarbeiter
Weitere Opfer des Kolosseum-Brandes
Emmerling, Otto; 30.10.1860 (München) – 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes; Bildhauer
Maier, Anton; – 19.2.1881 (München), 39 Jahre alt, Opfer des Kolosseum-Brandes; Photograph
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Die Katastrophe im Kolosseum in München am 19. Februar.
Ein von Jahr zu Jahr mit Spannung erwartetes Fest, welches an Originalität, Phantasie und Humor jedes andere Fest zu übertreffen pflegt, hat gestern Nachts mit einem so erschütternd tragischen Vorfalle geendet, daß demselben heute, nachdem die Folgen in ihrer ganzen erschreckenden Tragweite zu übersehen sind, dem so fröhlich begonnen Abend nur Töne tiefer Trauer nachklingen können.
Der am Feste zu Grunde gelegte Gedanke einer »Kneipreise um die Welt« war reich in den launigsten Details zur Aufführung gebracht worden. Der Saal und einzelne Theile der Galerien versinnlichten durch all die nationalen Bauten und die Landschaften aus aller Herren Länder jenes Programm in ganz überraschender Weise.
Hier war nämlich eine ganze Sippe von Eskimos, deren ungemein echt wirkendes, aber sehr gefährliches ganz aus losem Hanf hergestelltes Kostüm den bejammernswerthen Trägern desselben so verhängnißvoll werden sollte. Die Details über die Entstehungsart und Weiterverbreitung des Feuers sind zur Stunde nicht ganz festzustellen, da sich in Folge der begreiflichen Verwirrung und der anfänglich gemachten Bemühungen einer Panik vorzubeugen, sich die Berichte sich natürlich mannigfach widersprechen. Es scheint, daß man den Unfall nicht mit einer mit Zigarren begangenen Unvorsichtigkeit, sondern dem Umstürzen eines Lichtes zuzuschreiben hat. Ungefähr um drei Viertel auf zwölf Uhr sah man plötzlich zwei in Flammen stehende Gestalten nach verschiedenen Richtungen durch den Saal stürzen und sich am Boden wälzen, ehe nur ein Versuch zur Hilfe gemacht werden konnte. Gleichzeitig schlug auch an anderen Punkten die helle Lohe auf. Man stürzte nun mit Decken, Mänteln und Allem, was zur Hand war, zur Rettung der Opfer herbei. Wie wenig mit diesen Anstrengungen erreicht werden konnte, beweisen die entsetzlichen Nachrichten, welche man heute erfährt. Zwölf Verwundete sind in das Krankenhaus l. d. I. verbracht worden und vier derselben zur Stunde schon ihren Schmerzen erlegen; bei zweien befürchtet man noch den gleichen tragischen Ausgang. Gestorben sind: Otto Emmerling, Akademiker aus München, Emil Einhart, Akademiker aus Konstanz, Adam Christ, Akademiker aus Bamberg und Joseph Schnerzer, Goldarbeiter aus Bruck. Als schwer verwundet werden genannt: Anton Maier, Photograph aus München, Karl Kraus, Akademiker aus Ulm, Adolf Heßbacher, Akademiker aus Oberau bei Aschaffenburg, Gottfried Bechtold, Bildhauer aus Tirol, Ernst Gutmann, Akademiker, Wilhelm Eisele, Akademiker aus Altona, Görke, Akademiker aus Berlin und Adolf Spring, Maler aus Libau in Kurland. Die dem Vernehmen nach geringere Zahl der sich in Privatpflege befindenden weiteren verwundeten ist zur Stunde nicht bekannt; dieselben sollen sämmtlich mit Verletzungen leichterer Art davongekommen sein. Unter diesen befindet sich auch Herr Reichsrath Graf Karl von Arco-Valley, über dessen Befinden beruhigende Erklärungen abgegeben werden.
Unmittelbar nach dem Unglücksfalle waren anwesende Aerzte mit augenblicklicher Hilfeleistung zur Hand: genannt werden und die Herren Professor Dr. Rüdinger und Dr. Rigauer. Herzerreißend war der Anblick des jetzt von seinen Leiden erlösten Opfers Joseph Schnerzer als man ihm in der Vorhalle den ersten Verband anzulegen bemüht war. Von Brust und Armen hing die Haut des Unglücklichen verbrannt und aufgerollt herab.
Ein grellerer Gegensatz als der zwischen dem tollphantastischen Fastnachtsjubel einer maskirten Künstlergesellschaft und den plötzlichen Wehelauten in den Flammen zu Grunde gegangener junger und hoffnungsreicher Menschenleben läßt sich gewiß nicht denken. Wohl die meisten Besucher sind mit dem Gefühle einer schneidenden Dissonanz nach Hause gekehrt und der so lang dauernde und so lustig begangene diesjährige Münchener Karneval wird von diesem Abend eine schwarze Signatur behalten.
Freiburger-Zeitung Nr. 16. Mittwoch, den 23. Februar 1881.
München, 22. Febr. Ueber das Unglück im Colosseum schreibt die »Süddeutsche Presse« noch Folgendes: Von der vier im Krankenhause noch behandelten Ueberlebenden der Katastrophe befanden sich heute Vormittag außer dem nur leicht verletzten Alfons Spring aus Libau auch Gisecke aus Altona recht zufriedenstellend, Ernst Guttermann aus Ulm und Bechtold aus Sulz in Vorarlberg weniger gut. Der gestern Vormittag verstorbene Adolf Görke aus Berlin sollte Anfangs von seinem hier eingetroffenen Bruder nach Berlin heimgeholt werden, wird aber heute Nachmittag mit den bekannten fünf Opfern beerdigt. Wie wir hören, hat der k. Staatsanwalt am k. Landgericht München I bereits officielle Untersuchung über die Ursachen des Unglücks eingeleitet und befindet sich solche im Gange.
Den gestrigen Mittheilungen ist noch nachzutragen, daß die Künstler die Utensilien zu ihrem verhängnißvollen Costüme bei dem Herrn Hofseilermeister Schwaiger in der Fürstenfelderstraße gekauft hatten. Derselbe machte sie auf die Feuergefährlichkeit des Wergs aufmerksam und erbot sich, dasselbe vorher in Salzwasser absieden, oder mit Wasserglas behandeln zu lassen, was aber abgelehnt wurde. Bei der Anfertigung der Costüme wurde von einigen der Künstler geraucht, was andere nicht leiden wollten. Ein übrig gebliebenes Eskimocostüm wurde gestern zur Probe in Brand gesteckt. In fünf Secunden stand es in Flammen, in fünfzehn brannte es durch und durch und in fünfunddreißig Secunden war es verzehrt. Hinsichtlich der Thätigkeit der Feuerwehr ist ebenfalls Untersuchung angestellt und dabei gefunden worden, daß allerdings in einer der Spritzen kein Wasser war. Es war dies aber eine transportable Handspritze, welche nie vorher gefüllt ward. Das Arrangement im Colosseumssaal war feuerpolizeilicher Beschau unterzogen worden; daß aber beim Festabend offene Lichter in den Hütten zur Verwendung kommen werden, war nicht bekannt. Ein Sachverständiger zur Controle während des Festes wäre also doch am Platze gewesen.
Coburger Zeitung Nr. 46. Donnerstag, den 24. Februar 1881.
Von den zahllosen Gedenktagen der Münchner Kunstchronik ist der merkwürdigsten einer der 18. Februar. Da fand vor einem Vierteljahrhundert eine Maskenkneipe statt, die an Aufwand künstlerischer Kraft, sowie an Eigenart der Ideen alles in Schatten stellte, was man bis dahin auf diesem Gebiete gesehen hatte. Ein Riesenschiff auf der Kneipreise um die Welt, das war der Grundgedanke.
Rechts und links vom Verdeck und von den Segeln die Erdteile, die es berührte. Alle waren vertreten, die Chinesen mit einem verschnörkelten Turm, der viele Stockwerke in die Höhe ragte, der wilde Westen Amerikas mit einem festgefügten Blockhaus, die Sandwich-Insulaner in einer dämmernden Höhle, die Eskimos in tranbefeuchtetem Zelte, ja, sogar ein Pfahlbauernhaus konnte man sehen. All das belebt von den Inwohnern in streng entsprechender Gewandung.
Auf dem Verdeck des Schiffes endlich, wo unaufhörlich die Glocke zum Einsteigen lud, als lachende Passagiere so ziemlich alle Typen der Erde, von Kaiser und Königen angefangen bis herunter zum Handwerker, Urlauber und Hausknecht. Das strömte hinauf und hinunter, bald nach Asien, bald nach Amerika, bald nach Australien, am liebsten jedoch bliebs in Europa.
Dort gabs von allen Kneipen der Weltkugel doch noch immer die besten. In einem weißgetünchten Gewölbe hielten fromme Klosterbrüder selbstgebrautes Bier feil, echten Bliemchen und Schnaps gabs in der sächsischen Kaffeebude und in einem oberbayrischen Wirtshaus konnte man auf einer langen Bahn regelrecht Kegel schieben.
In besonders verschwiegenen Ecken jedoch wurden einige jener Kuriositäten gezeigt, die damals übermütige Künstlerlaune noch erzeugen durfte, ohne am andern Tag der Sittenkommission zu verfallen. So bot Madame Lutetia dem ruhelosen Wanderer gegen prompte Bezahlung ein mehr wie gastliches Heim, der Henker der spanischen Inquisition zwickte auf der Folterbank den Delinquenten unter Beistand der lieben Geistlichkeit ein Markstück nach dem andern heraus, und ein Riesenfernrohr auf dem Verdeck des Schiffes zeigte gegen fünfzig Pfennige Entgelt die fratzenhaftesten Perspektiven. Dazu siedelten wandernde Zigeuner und bliesen böhmische Musikanten greuliche Weisen.
Da plötzlich, so um Mitternacht, als der Trubel am höchsten war, stürzte etwas durch den Saal. Etwas, was nicht hergehörte, etwas Prasselndes, Brennendes. Unheimlich wars und doch nur ein Augenblick, so schnell, daß es kaum auffiel.
Was gabs denn? Neun Eskimos als wandelnde Feuersäulen. Die stießen in heller Verzweiflung gegen diese Welt von Leinwand und Holzgerüsten. Nichts brannte an, doch sie selber verkohlten unter furchtbarem Wehgeschrei draußen in der Vorhalle oder auf dem Weg zum Spital. Einige von dem Todesschiff sahen den Jammer und flohen davon, geschüttelt von Grauen; die meisten sahen ihn nicht. Sie kneipten fort bis zum frühen Morgen, als man sie aber am hellen Mittag mit der Schreckensbotschaft aus dem Bette jagte, da war’s, als grinste das Totengerippe selber zur Türe herein.
Und das uferlose Entsetzen griff weiter über die ganze Stadt. Auf Jahre lähmte es alle Unternehmungslust, alle Begeisterung, ja, es verschob mit der Zeit die ganze Linie des Münchner Karnevals. Denn wer nicht dabei gewesen war, schimpfte über die leichtfertigen Leute, und so mancher wollte in der Katastrophe den Finger Gottes erblicken, die gerechte Strafe für frevelhaften Uebermut.
Den Künstlern wurde bös in die Suppe gespuckt; nur zweimal noch kamen sie mit solchen Kneipen. Die aber erreichten nicht mehr jene schönste und grauenvollste. Und der Münchner schimpfte kräftig weiter. Er ist von Haus aus ein guter Kerl, der, was malt und bildhauert, gern leiden mag. Nur dürfens die Herren nicht gar zu bunt treiben; die Behaglichkeit muß gewahrt bleiben. Die Kneipe mit allen Zutaten hätte ihm trefflich gefallen, die Späße hätte er belacht, am stärksten die Zoten – das Unglück war ihm zu viel. Kein Pietist, kein Mucker, praktischer Katholik auf allen Gebieten, sieht er, trotzdem er gern in die Kirche geht, streng darauf, daß ihm die Alleinseligmachende mit ihren Vorschriften in keiner Weise lästig falle. Das Dogma kennt er nicht, Fanatismus ist ihm direkt zuwider, und doch, der Witze auf die Religion waren zu viel, und was die Unsittlichkeit betrifft, so hätten die dummen Maler auch etwas mehr Maß halten können. »Muaß ma a net alleweil gar a so sei.« Das ist sein Wahlspruch, und den zitierte er hartnäckig von da an, wenn er auf den Unglücksabend zu sprechen kam. Erst nach und nach zog ein leises Vergessen ein, und so tauchte mit den Jahren ein Faschingsbild auf, das der Münchner und die neue Generation etwas besser verstand.
Josef Ruederer: München; Der Fasching. München, 1907.
Und dann, im Winter, unter dem Regiment der Narrenkappe, am 19. Februar, verwandelte sich eine Stunde fröhlichen Lebens zu einem grauenhaften Trauerspiel der Jugend. In Kils Kolosseum hielten die Kunstakademiker ihr Faschingsfest ab, das eine heitere Reise um die Welt illustrierte. Alle wilden Völker waren da zu fidelen Sitten dressiert. Rings um den großen Saal, in dem sich viertausend vergnügte Menschen durch eine einzige Türe versammelt hatten, wimmelte es von lustig bevölkerten Wigwams, Kralen, Pfahlhäusern und Laubhütten. Nicht weit von dieser einzigen Tür – im Säulengang, der den Saal umzog – hatte die Bildhauerschule des Professors Max Wiedemann eine Eskimotruppe installiert, unter den niederen Dächern zweier Schneehöhlen, in denen Hofbräu als Tran verschluckt und Heringe auf rußendem Ölflämmchen gebraten wurden. Es sah sehr malerisch aus: wie diese heiteren Zottelmännchen sich im rotbraunen Zwielicht drängten, Gesicht und Hände glänzend von Fett, in dicken, täuschend aus Werg und Watte nachgemachten Eisbärengewändern, mit »wasserdichten« Schellackringen um Hals, Handgelenke und Fußknöchel.
Gelächter und Stimmengewirr. Den überfüllten Saal durchrauscht die Fatinitzaquadrille, Champagnerpfropfen knallen wie die Gewehrschüsse eines Vorpostengefechtes, der Frohsinn wird turbulente Mitternachtsstimmung, wird toller Rausch des ausgelassenen Übermutes, und im Zuge der heißgewordenen Luft bewegen sich diese schreienden Farben an den Wänden: die komischen Schildereien, die Wimpel und Fähnchen, die Festons und Girlanden, der künstliche Rosenfrühling und dieser verschwenderisch angebrachte Papierschmuck.
Aus der kleineren Eskimohütte prasselt eine fidele Lachsalve heraus. Was war denn los? Ach, nur so eine kleine Dummheit, die ein bisserl gefährlich hätt’ ausfallen können! Auf der Heringstonne, die als Tischchen diente, ist eine Talgkerze umgefallen, und das purzelnde Flämmchen streift die Ärmelzotten eines Eskimo. Ein jähes Aufleuchten. Doch zwei junge, keck zugreifende Hände ersticken flink den aufzüngelnden Schein. Und nun lacht man über den kleinen Schreck. Die Talgkerze wird wieder angezündet, mit aller nötigen Vorsicht natürlich.
Aber einer unter diesen weißgrauen Zottelbären – ein junger Berliner – will die heitere Stimmung nicht mehr finden. »Nee« sagt er, »hier is es nich jemietlich, ick jehe!« Er tritt aus her Eskimohütte. Hinter ihm ein gellender Schrei, ein grelles Auflodern. Brüllend rennt eine schlanke, drei Meter hohe Flammensäule aus der Hütte heraus. Der junge Berliner wird ohnmächtig vor Schreck und kollert lautlos unter eine Bank. Ein Dutzend Zottelmänner springen aus den Hütten heraus, wollen helfen, schütten Bier und Champagner in diese schlanke, sich drehende Feuersäule. Viele, die das sehen, halten es für einen verwegenen Künstlerjux. Ein Kluger schreit entrüstet: »Was sind denn das für dumme Witze?«
Da lodert eine zweite Flammensäule gegen die Decke des Säulenganges hinauf, eine dritte, vierte, fünfte. Drei Zottelmänner, die Feuer gefangen, wälzen sich auf dem Boden und ersticken die Flammen. Neun junge Menschen brennen lichterloh – und wie sie schreien in ihrem Schmerz, das hört sich an wie tolles Gelächter. Ein Märchen der Geschichte, die Mythe von den brennenden Fackeln des Nero, ist grauenvolle Wahrheit geworden. Und Tausende von den fröhlichen Menschen im überfüllten Saale wissen, sehen und hören nichts von diesem herzzerdrückenden Schauspiel. Das Schmerzgelächter erstickt unter dem Lärm der tausendstimmigen Heiterkeit, im Rauschen der Musik. Zwischen diesem Lichtgewoge, Farbengewirr und Laternengeflacker fällt der Schein der schlanken Feuerspindeln, die sich in der Ecke des Säulenganges zusammendrängen, schon über zwanzig Schritte hinaus nicht mehr auf Werg und Watte brennen schnell – das Geloder ist schon wieder erloschen, noch ehe die Zunächststehenden, die das Entsetzen wortlos machte, zu dieser einzigen Türe flüchten können. Kreischende Stimmen beteuern bei der Türe: »Nichts, nichts, es ist nichts geschehen, es ist alles schon vorbei, nur Ruhe, Ruhe, Ruhe!« Bei der Türe, wo sich die Menschen zu stauen drohen, schreit das einer dem andern zu, und jeder glaubt es. Das Lachen und der Lärm im Saale verliert keinen heiteren Atemzug, die Musik mit Geigen, Pauken und Tschinellen wirbelt weiter, und das bunte Fest bleibt jubelnde Freude ohne Störung. Feuerwehrmänner und Sanitätsgehilfen haben wollene Decken, Türvorhänge und Tischtücher um diese schwarzen, mageren Gestalten gewickelt, die auf dem Boden liegen oder noch stehen, gehen, taumeln und nur noch eine schwer zu enträtselnde Ähnlichkeit mit jungen Menschen besitzen. Man trägt die leise Wimmernden und die völlig Stummgewordenen aus dem Saal, durch diese einzige Türe hinaus. Jener junge Berliner erwacht aus seiner Ohnmacht; ihm ist nichts geschehen, er ist gerettet; zitternd stiert er in das Dunkel der zwei leergewordenen Eskimohütten. Und Vierzig, Fünfzig, Hundert verlassen das heitere Fest – wer zuerst diese lodernden Flammensäulen und dann diese schwarzen Pakete sah, redet kein Wort mehr. Das Entsetzen hat die Kehle der Wissenden gewürgt – sie gehen bleich und schweigend davon, mit dem Gedanken: Was ich weiß, das müssen doch auch die anderen wissen!
Jedem, der durch diese einzige Türe hinausgegangen, wird die Rückkehr in den Saal verwehrt, um eine Panik zu verhindern, um ein noch größeres Unglück zu verhüten.
Im Korridor und in der Garderobe liegen die Verkohlten und noch Lebenden auf Bänken und Tischen. Junge Ärzte suchen Hilfe zu bringen. Ein grauenvolles Bild! Wer es im Vorübergehen sehen muß, wendet sich mit geschlossenen Augen ab.
Von den Zwölfen, die man nach der Klinik brachte, starben neun noch in der Nacht und während der folgenden Tage. Nur drei kamen mit dem Leben davon, um Entstellte oder Krüppel zu bleiben.
Das heitere Fest der Ahnungslosen, die im Saal geblieben, dauerte bis in die fünfte Morgenstunde.
Während des Vormittags durchsickerte das Gerücht von diesem Schrecklichen die Stadt. Und am Abend lasen es die Münchener in der Zeitung: daß blühende Jugend, in der reisenden Kraft des Lebens, mit Talent beglückt, mitten in Lust und Freude verglühen und verkohlen mußte.
Einer von diesen schwarzen Toten hieß Otto Emmerling, war ein reich Begabter und hatte kurz vorher bei einem Wettbewerb der Akademiker den ersten Preis und ein Reisestipendium für Italien bekommen. Nur dieses Fest seiner Freunde wollte er noch mitmachen, dann in das gelobte Künstlerparadies unter dem ewigblauen Himmel wandern.
Die Trauer lag auf der erschrockenen Stadt wie ein drückender Alp. Doch bei allem Schreck empfand man ein tröstendes Aufatmen. Glückliche Zufälle, aus wirbelndem Leichtsinn und sprachlosem Entsetzen, aber auch aus Barmherzigkeit des Lebens geboren, hatten ein noch größeres Unglück verhütet. Ein Unglück, dessen Grauen sich nicht ausdenken ließ! Wäre in dem überfüllten Saal eine Panik entstanden, oder hätte das Feuer der lebenden Fackeln die Überfülle dieses papierenen Schmuckes erfaßt, um die einzige Türe mit Flammen zu sperren, so hätte man die Opfer an Zerdrückten und Erstickten, an Verbrannten und Verkohlten nach Hunderten, vielleicht nach dem Tausend zählen müssen.
Ludwig Ganghofer: Lebenslauf eines Optimisten; Teil 3: Buch der Freiheit. Stuttgart, 1909–1911.
Mit Recht berühmt waren in München die öffentlichen, von der gesamten Künstlerschaft veranstalteten Festlichkeiten. Ich habe zwei davon besucht, ein Feldlager aus der Zeit des 30-jährigen Krieges, das in dem Walde von Großhesselohe sich abspielte und ein köstliches Bild der bewaffneten Macht vor 400 Jahren gab.
Das zweite war ein Maskenfest in München, das leider infolge eines Brandunglücks einen tragischen Abschluß erfuhr. Einer der größten Säle Münchens war durch außerordentlich geschickte Ausbauten in eine Art Jahrmarkt verwandelt, wo man alles genießen konnte, was an Sehenswürdigkeiten bei solcher Gelegenheit geboten zu werden pflegt. Da der Zutritt nur Herren gestattet wurde, die natürlich zum großen Teil durch Masken in Frauen jeden Kalibers verwandelt waren, so hatte die künstlerische Phantasie sich ohne jede Einschränkung bis in die wunderlichsten Auswüchse austoben können. Ich habe nicht einmal in Cöln solche tolle karnevalistische Ausgelassenheit gesehen wie bei diesem Feste, an dem die Künstler bis ins höchste Alter hinein ziemlich vollständig versammelt waren.
Eine köstliche Maskenidee in vortrefflicher Ausführung ist mir in Erinnerung geblieben. Der bekannte Maler Piglheim machte einen Prinzen natürlich mit Gefolge und ließ sich von dem Komitee rundführen, selbstverständlich ganz in der Form, wie sie bei solchen prinzlichen Besuchen üblich ist. Kurze Zeit darauf erschien ein wirklicher bayerischer Prinz, der genau ebenso empfangen wurde. Zum großen Spaß der ganzen Versammlung stießen nun die beiden Züge zusammen. Der wirkliche Prinz hatte aber Humor genug, den Pseudokollegen freundlich zu begrüßen und sie setzten zusammen die Besichtigung fort.
Leider wurde das Fest in ziemlich später Stunde durch ein furchtbares Unglück gestört. Etwa ein Dutzend Schüler der Akademie der Künste machten eine Eskimogruppe. Sie hatten sich für den Zweck eine besondere Hütte gebaut und Eskimoanzüge angelegt, die ganz aus Werg hergestellt waren. Leichtsinnigerweise hatte man versäumt, diesen Stoff chemisch zu imprägnieren und dadurch unbrennbar zu machen. Auch die Hütte selbst war mit brennbaren Stoffen jeder Art erfüllt. Mit ähnlichem Leichtsinn war übrigens die Mehrzahl der Bauten errichtet und da überall geraucht wurde, so hatten wir Chemiker sofort das Gefühl der höchsten Feuersgefahr, und ich erinnere mich, daß wir uns ziemlich frühzeitig in einen geschützten Bierkeller zurückzogen und nur von Zeit zu Zeit wieder das Treiben im Hauptsaale uns anschauten. Plötzlich hieß es, die Eskimos sind am Brennen, und in der Tat sahen wir diese armen Menschen brennend herumlaufen. Sie wurden zwar außerhalb ihrer Hütte ziemlich rasch gelöscht, und einige davon glaubten sich nach der überstandenen Gefahr durch einen reichlichen Trunk Bier entschädigen zu sollen, aber die Verwundungen waren doch so schwer, daß sie meines Wissens in den nächsten Tagen alle gestorben sind. Glücklicherweise konnte das Feuer in der Eskimohütte gelöscht werden. Hätte es um sich gegriffen und die benachbarten sehr brennbaren Gegenstände erfaßt, so wären viele Hunderte von Menschen umgekommen; denn die Zugänge zum Saal waren sämtlich durch die Ausbauten so beengt, daß die große Menschenzahl unmöglich sich hätte retten können.
Bei allen solchen Festlichkeiten sollten die Aufsichtsbehörden in rigoroser Weise stets verlangen, daß alle zur Bekämpfung einer etwaigen Feuersgefahr nötigen Maßregeln getroffen sind. Das Publikum ist geneigt, in derartigen Anordnungen der Behörde Willkür und kleinliche Belästigung zu erblicken; aber wer einmal ein Brandunglück wie damals auf dem Maskenfest in München erlebt hat, und wer wie wir Chemiker die rasche Entwicklung eines Brandes kennt, der wird meiner Ansicht gerne beipflichten.
Emil Fischer: Aus meinem Leben; Gymnasialzeit. Berlin, 1922.
Kolosseum-Künstler; Monumentalkreuz für die im Kolosseum zu München am 17. Februar 1881 beim Brand tödlich verunglückten Künstler. Die Bildhauerschüler M. Widnmanns hatten eine Eskimogruppe installiert; unter den niederen Dächern zweier Schneehöhlen wurde Münchner Hofbräu als Tran getrunken und wurden Heringe von rußenden Ölflämmchen gebraten; auf der Heringstonne, die als Tischchen diente, war eine Talgkerze umgefallen, und das purzelnde Flämmchen streifte die Ärmelzotten eines Eskimos; ein jähes Aufleuchten … und trotz sofortigen Löschens wurde einer beim Hinausgehen zur Flammensäule, und die, die ihm helfen wollten, starben auf die gleiche entsetzliche Weise.
Es waren folgende Künstler:
Einhart Emil, geb. 1854 (Konstanz)
Gehrke Adolf, geb. 1849 (Berlin)
Guttermann Ernst, geb. 1859 (Ulm)
Hößbacher Adolf, geb. 1863 (Frankfurt/Main)
Kraus Karl, geb. 1857 (Ulm)
Schnetzer Johann, geb. 1850 (Fürstenfeldbruck)
Christ Adam, geb. 1856 (Bamberg)
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 12.3.1856 (Bamberg)
† 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes
Bildhauer
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
[...]
Ein entschiedenes, vielversprechendes Talent war Adam Christ, Sohn eines erst vor zwei Jahren verstorbenen Bildhauers aus Bamberg. Nachdem er bei seinem Vater hinreichenden Vorunterricht empfangen, kam Christ zu Professor Halbig nach München und wurde im Herbst 1874 in die Akademie aufgenommen, wo er seit dem Winter 1878 ein kleines Stipendium in ehrender Belohnung seiner Bestrebungen bezog. Zu seinen ersten akademischen Arbeiten gehört eine »Muse der Geschichte«, eine Gruppe »Simson mit dem Löwen« (wofür er die silberne Medaille erhielt), dann die Statuette eines »Landsknecht« mit dem städtischen Wappen für das Rathaus in Eltman, das bei einer Preisconcurrenz gelieferte »Modell für einen Brunnen« (im städtischen Museum zu Bamberg) und eine Skizze zu einem »hl. Otto« (für das Dümmlein'sche Haus in Bamberg.) Auch die für das Grabmal seines Vaters bestimmte Büste fertigte der dankbare junge Mann, welcher außerdem zwei Jahre lang seinem verehrten Lehrer Professor M. Widnmann an den für die neue Akademie bestimmten Kolossalmodellen der beiden »Dioskuren« half. Im Juli 1880 erhielt Christ den ersten Preis für eine Skizze des »Barmherzigen Samariters:« eine sehr vollendete, wohlgerundete Gruppe, welche am 19. März, also gerade vier Wochen nach dem Tode des Künstlers, im Kunstverein zur Ausstellung gelangte. Die Figuren sind etwa zwei Drittel Lebensgröße, die Scene bewegt und fein gefühlt: der barmherzige Mann hat den gänzlich ausgeraubten, todwunden Wanderer eben zur Noth verbunden, dem Nackten von seinem Mantel ein Stück umgeschlagen und nun den Armen auf sein Lastthier, welches die Ruhe benutzt um einen am Wege stehenden Distelstock abzunagen, gesetzt, wo er ihn mit dem Ausdruck des innigsten Mitgefühls stützt und hält, sorgfältigst jede schmerzliche Berührung verhindernd. Alles ist trefflich, edel und wahr, insbesondere die Draperie; jedes Detail, bis auf die Gewächse des Bodens herab, liebevoll durchgebildet. Das schöne Werk wäre, etwa im Erzguß ausgeführt und in einer öffentlichen Anlage ausgestellt, ein selbstverständlicher, wohlberedter Appell an die werkthätige Charitas und echte Humanität.
Dieß war für eine jugendliche Kraft ein höchst verheißungsreicher Anfang! Die Arbeit schien ihm Lust und Freude, Streben und Lernen sein Leben. Zuletzt befand sich Christ als Gehülfe im Atelier des Professors Christian Roth.
Christ wird als eine kräftige, beinahe riesige Gestalt geschildert; dieser entsprach sein frisches, lebendiges Wesen. Er stand in seinem 26. Lebensjahre. Von ihm ging die unglückliche Idee zu der gefährlichen Mummerei aus, welche ihm selbst eine so entsetzliche Marter zuzog. Man denkt bei Betrachtung des so pflegebedürftigen, grausam zugerichteten Mannes, welcher auf seiner Samariter-Gruppe unwillkürlich dem Künstler gleichen soll, nur mit Schauder und Rührung an das Ende dieses Jünglings, welcher die einzige Stütze seiner armen Mutter und seiner beiden Geschwister war, weshalb Se. Maj. König Ludwig II huldvollst dieser schwer geprüften Frau einen ständigen Bezug aus der königlichen Cabinetscasse anzuweisen geruhte.
[...]
Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.
Christ Adam, 1856 (Bamberg) – 1881, Bildhauer; er war zuerst Schüler von J. Halbig und dann von M. Widnmann an der Münchner Kunstakademie.
Hauptwerke: Statuette eines Bannerträgers für das Standbild des hl. Otto in Bamberg, ein Städtebrunnen in Bamberg, die »Dioskuren« an der Treppe der neuen Akademie der Bildenden Künste in München (zusammen mit M. Widnmann), Barmherziger Samariter (mit 1. Preis).
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 27.11.1854 (Konstanz)
† 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes
Bildhauer
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
[...]
Emil Einhart aus Constanz arbeitete und lernte vorerst zu Baden-Baden. Dort scheint ihm Cauers »Hexe« einen Impuls zu einem »Satanas« gegeben zu haben, welchen er dann bei seiner Uebersiedelung nach München, als er im Herbste 1879 die Akademie und damit die Schule des Hrn. Professors Max Widnmann betrat, bald in Angriff nahm. Die sitzende Statuette welche Mitte Januar heurigen Jahres in den Kunstverein kam, erwies sich mehr als ein durchstudiertes Modell, welches die unheimliche Idee wohl zum Ausdruck, aber nicht zum erschöpfenden Durchschlag brachte. Mit ganzer Kraft ging Einhart inzwischen auf die Durchbildung eines lebensgroßen Crucifixus, welcher zur Ausführung in Carrara-Marmor für den Kirchhof in Constanz bestimmt war. Das fertige Modell sollte am 19 Februar im Kunstverein ausgestellt werden, am 22 dachte Einhart dann in seine Heimat abzureisen. Statt dessen endete er schon am 19 noch vor Tagesanbruch sein Leben, während die Carnevalslust anhnungslos im Colosseum in brausenden Wellen und Wogen tobte – und am 22 Febr. legten sie ihn mit den anderen Opfern in die kalte Erde. Er zählte erst 26 Jahre, war eine große, kräftige Gestalt; die Stütze und der Trost seiner armen Eltern. Furchtbar verbrannt und qualgefoltert hatte er fast bis zum letzten Augenblick die Besinnung behalten. Gleich den anderen Leidensgenossen täuschte sich auch Einhart anfangs über die drohende Gefahr. Als diese aber sichtbar näher rückte, bäumte sich fast bei allen die letzte Kraft vor dem unerwarteten Ende; die Lust und Sehnsucht nach dem jungen Leben schlug noch einmal hell auf, jeder klammerte sich an einen Hoffnungsstrahl – dann ergaben sich fast alle, einer nach dem anderen, dem Unvermeidlichen, jeder in seiner Weise und nach seinem Glauben ins Gewissen greifend und Friede schließend, versöhnt mit Gott und der Welt.
Bei einer über die Weihnachtsferien ertheilten Schüler-Concurrenz zum »Grabmal einer jungen Mutter« gewann Einhart (gleichzeitig mit dem talentvollen Fr. Kühn aus Schlesien) den ersten Preis. Sein Crucifix (Anfangs März im Kunstverein), eine schöne, fleißig durchdachte Arbeit, soll nun, nach dem löblichen Vorhaben seiner überlebenden Freunde, zum bleibenden Denkmal über dem gemeinsamen Grabhügel seiner Leidensgenossen in Bronzeguß ausgeführt und aufgerichtet werden.
[...]
Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.
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* 8.11.1849 (Berlin)
† 20.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes
Bildhauer
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
[...]
Am folgenden Tage (20 Febr.) verschied, 32 Jahre alt, Adolf Gehrke aus Berlin, welcher seit dem Herbste 1878 die Akademie besuchte und nach mannichfachen Copien zuletzt eine halblebensgroße Statue des Cyklopen »Polyphem« angelegt hatte. Er bekleidete sie Stelle eines Säckelmeisters der Gesellschaft. Auf der Flucht durch den Saal – Gehrke soll über dem Lichte zuerst Feuer gefangen haben – riß der Brennende instinctiv sein Gewand auf und verlor dabei eine mit Werthpapieren gefüllte der Genossenschaft gehörige Brieftasche. Angelangt im Krankenhause betraf, trotz seines übelstens Befindens, seine erste Sorge diese Angelegenheit, welche er dem betreffenden Bankier unverzüglich mittheilte; indessen war mittlerweile das Verlorene gefunden und zu rechtmäßigen Handen angeliefert worden. Gehrke schien weniger zu leiden, so daß vorübergehend die Hoffnung auf Rettung aufdämmerte, als aber auch diese nur zu bald erlosch, erklärte er in rechtsgültiger Weise vor Zeugen seinen letzten Willen und starb rasch darauf bei vollem Bewußtsein.
[...]
Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.
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* 6.1.1859 (Ulm)
† 20.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes
Bildhauer
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
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Unter allen Opfern hatte Ernst Guttermann aus Ulm, Sohn eines ehemaligen Kaufmanns daselbst, am meisten und längsten zu leiden. Er kam im Herbst 1880, noch nicht 22 Jahre alt, nach München, beschäftigte sich mit Copiren, verdiente alsbald das Lob eines braven, strebsamen Kunstjüngers, welcher seinen Erwerb redlich zur Unterstützung seiner Angehörigen verwendete.
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Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.
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* 2.10.1863 (Frankfurt a. M.)
† 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes
Bildhauer
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
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Adolf Heßbacher, geboren zu Obernau bei Aschaffenburg wurde im Herbst 1880 in die Widnmann-Schule aufgenommen, wo er sich in Porträt-Büsten nach der Natur versuchte und zuletzt den Böcklein tragenden Faun copirte. Er zählte erst 17 Jahre, ein lebensfrischer, fröhlicher, großer Gesell: seine entsetzlichen Leiden spotteten sogar das Morphium.
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Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.
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* 8.9.1857 (Ulm)
† 19.2.1881 (München), Opfer des Kolosseum-Brandes
Bildhauer
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
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Mit Karl Kraus schloß der unerbittliche Würger Tod, aber nur für diesen schreckbaren Tag (19 Februar), seine Ernte. Kraus wurde zu Ulm geboren (wo sein Vater die Stelle eines Modell-Schreiners am Münsterbau versah), trat zwanzig Jahre alt im Herbst 1879 in die Münchener Bildhauerschule, wo er anfänglich in üblicher Weise copirte und dann, als erste Composition, die Figur eines sitzenden »Todesengels« für das Grab seiner Mutter begann, welcher leider unvollendet blieb. Nach der Katastrophe blieb er allein ruhig und still, während seine Unglücksgenossen sich rastlos wanden und stöhnten; befragt ob er keine Schmerzen empfinde, versicherte er: ganz unaussprechlich zu leiden, es werde aber durch Jammern nicht gelinder. So sah er lautlos in das Elend und trug das seinige, hart gegen sich, mit vollstem Bewußtsein, voll heroischen Muthes.
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Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.
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* 7.9.1850 (Fürstenfeldbruck)
† 19.2.1881 (München); Opfer des Kolosseum-Brandes
Goldarbeiter
Nekrologe Münchener Künstler.
XIV.
Die Opfer vom 18 Februar.
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Der Goldarbeiter Johann Schnetzer (aus Fürstenfeldbruck, 30 Jahre alt) stand weder mit der genannten Bildhauerschule noch mit einer anderen Künstlergenossenschaft in besonderer Fühlung, sondern theilte nur als Gast die Gesellschaft und das Schicksal dieser Eskimos. Furchtbar verbrannt, wie die Vorgenannten, verbiß er seine rasenden Schmerzen, täuschte sich über den letalen Ausgang, fiel bald in Bewußtlosigkeit und folgte seinen Vorgängern im Tode.
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Allgemeine Zeitung Nr. 83. Augsburg; Donnerstag, den 24. März 1881.