Ω
Ernst ist das Leben
doch heiter die Kunst
Wilhelm Urban.
K. bayr. Hofschauspieler.
geb. 14. Sept. 1793, gest. 28. Febr. 1833.
Wilhelm Urban.
Hofschauspielerssohn.
geb. 22. April 1828, gest. 7. Jan. 1857.
Wilhelmine Urban, geb. Abel.
Hofschauspielerswittwe u. pens. Hofsolotänzerin.
geb. 17. Mai 1792, gest. 11. Jan. 1862.
Wilhelmine Urban.
Hofschauspielerstochter.
geb. 7. Febr. 1830, gest. 31. Juli 1876.
Dr. Louise Mayer, geb. Urban.
Redakteurswittwe,
geb. München 19. Nov. 1817, Nürnberg 5. Nov. 189¿
Julius Urban.
Tondichter.
geb. München, 30. Apr. 1825, gest. München 19. Nov. 1879
Rückseitige Inschrift
Das aus dem Ertrag einer Vorstellung des Volkstheaters in der Au
von dem Direktor Joseph Schwaiger 1840
errichtete Monument, wurde von der Familie
1891 erweitert und 1901 erneuert.
Metallrelief der Familie Mayer mit Wappen und Putten am Fuße des Grabsteins
Anno 1900 den 8ten Juni
verschied zu Charlottenburg
die Bankdirektors-Gattin
Emmy Mayer, geb. Kaßler,
geboren zu Namslavin Schlesien
den 26ten Mai 1858. Sorgen, Müh’n
u. Schaffen war ihr Leben, Arbeit ih-
res Daseins höchste Lust, rastlos
ihres Geistes edles Streben,
Liebe wohnte stets in ihrer Brust.
Anno 1923 den 3ten Januar
verschied zu Charlottenburg
der Kommerzienrat
Wilhelm Mayer Direktor
der Vereinsbank in Nürnberg
geb. zu Nürnberg d. 24. März 1851
Ω
Mayer, Emmy (vh) / Kaßler (gb); 26.5.1858 (Namslavin/Schlesien) – 8.6.1900 (Berlin); Bankdirektors-Gattin
Mayer, Luise, Dr. (vw) / Urban (gb); 19.11.1817 (München) – 5.11.1890 (Nürnberg); Redakteurs-Witwe
Mayer, Wilhelm; 24.3.1851 (Nürnberg) – 3.1.1923 (Berlin); Bankdirektor
Urban, Julius; 30.4.1825 (München) – 19.11.1879 (Isar/Freimann), Tod durch Selbstmord; Komponist
Urban, Wilhelm; 14.9.1793 (München) – 28.2.1833 (München); Schauspieler und Theaterschriftsteller
Urban, Wilhelm; 22.4.1828 – 7.1.1857 (München); Schauspielers-Sohn
Urban, Wilhelmine; 7.2.1830 – 31.7.1876 (München); Schauspielers-Tochter
Urban, Wilhelmine (vw) / Abel (gb); 17.5.1792 – 11.1.1862 (München); Tänzerin und Schauspielers-Witwe
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* 30.4.1825 (München)
† 19.11.1879 (Isar/Freimann), Tod durch Selbstmord
Komponist
München, 2 Mai. Vorgestern trat hier mit einem großen Instrumental- und Vocalconcert ein junger Musiker aus München, Hr. Julius Urban, zum erstenmal als Componist auf.Sämmtliche Musikstücke: eine Sinfonie (aus D dur), eine Cantate (Nacht und Morgen), zwei Lieder mit Clavierbegleitung und eine Ouvertüre waren von der Composition des Concertgebers. Entschieden schöpferisches Talent, Originalität und geschickte Verarbeitung der Gedanken und Melodien und fleißiges Studium unsrer großen Meister sind nach dem Urtheil vieler Sachverständigen die Eigenschaften die der junge Tonsetzer an den Tag gelegt hat, und neben welchen die technischen Mängel (an denen wie alle Erstlingsarbeiten auch seine Compositionen leiden) mehr nur von formeller Bedeutung sind. Es ist von dem Fleiß und dem kühnen Muthe des jungen Mannes, der als Autodidakt mühsam und unter zahlreichen Hindernissen sich emporarbeiten mußte, zu erwarten daß sein Genius einst noch bedeutende, der Muse der deutschen Musik würdige Werke schaffen wird. Das Auditorium sprach seine Anerkennung ganz in obigem Sinn durch lebbaften im Verlauf des Concerts sich steigernden Beifall aus, welcher letzte wohl noch größer gewesen wäre wenn es dem in der schwierigen Kunst des Dirigirens noch wenig geübten Concertgeber gelungen wäre seine Werke vom Orchester durchweg mit Lust und Liebe, mit jener Präcision und in jenem genialen Gusse ausgeführt zu sehen wie wir ihn unter Franz Lachners Leitung von jeher im Odeonsaale zu bewundern gewohnt sind.
Allgemeine Zeitung Nr. 129. Augsburg; Mittwoch, den 9. Mai 1849.
Concert des Herrn Julius Urban.
R.Z. München, 10. Mai. Herrn Julius Urbans Cantate »Die Rückkehr des Odysseus« erfreute sich bei ihrer gestrigen Aufführung im großen Odeonsaale sehr lebhaften Beifalles. Die Wahl des Stoffes ist als eine recht glückliche zu bezeichnen, und auch die Ausarbeitung zeigt von vielem Geschicke, wenngleich nicht geläugnet werden kann, daß der für den antiken Stoff richtige Ton nicht immer eingehalten ist, und überdieß die ganze Disposition sowohl zu Gunsten des poetischen als auch namentlich musikalischen Theiles da und dort hätte vortheilhafter getroffen werden können. So machen zum Beispiel das Bacchanale der Freier, die für die specielle Bearbeitung ziemlich nebensächliche Flucht des Telemachos und die Klagen Penelope's hierüber in der ersten Abtheilung einen den Fortgang der Handlung ziemlich störenden Eindruck, während die gleichen Motive in der zweiten Abtheilung ganz am geeigneten Platze sein würden. Was nun die Musik betrifft, so erfreut zunächst ein ernstes und nur dem Edlen zugewendetes Kunststreben, eine Tugend, die nicht hoch genug anzuschlagen ist, nicht allein wegen ihrer Seltenheit, sondern auch weil sich den von ihr beseelten Künstlern ein günstiges Prognostikon stellen läßt. Was an dem Werke zumeist stört, ist eine gewisse Zerfahrenheit, die Ihrem Ref. aus dem Ringen nach einem selbstständigen Styl zu entspringen scheint. Die Motive treten selten in klaren bestimmten und charakteristischen Umrissen hervor, das Gleiche gilt von der Form, und auch das orchestrale Colorit ist von Monotonie nicht freizusprechen. Diese letztere hat ihren hauptsächlichsten Grund darin, daß der Componist durch das ganze Werk mit nur geringen Unterbrechungen die sämmlichen ihm zu Gebote stehenden Klangfarben zugleich in Wirksamkeit erhält. Dieß ist auch der Grund, warum die Singstimmen nur in wenigen Fällen zur Geltung gelangen können. Eine weitere Schattenseite bieten die nichts weniger als sparsam angebrachten Textwiederholungen, was um so mehr bei einem Tondichter auffallen muß, der im übrigen ein so entschiedenes Augenmerk auf eine sinnige Behandlung des Gedichtes richtet. Eine rühmliche und zwar eine sehr rühmliche Ausnahme hinsichtlich der eben aufgeführten Mißstände macht in der zweiten Abtheilung der Chor »Cumäus, sieh dein König kommt zu dir« (Nr. 15). Hier hat der Componist, ohne irgend wie als ein sklavischer Nachahmer zu erscheinen, jenen Weg eingeschlagen, den Haendel und Gluck bei der Composition antiker Stoffe mit so herrlichem Erfolge voraufgingen, den Weg edler Einfachheit bei sorgfältigster Auswahl der für die poetische Stimmung sich eignenden Ausdrucksmittel. Wer einen Chor wie den eben berührten zu schreiben vermag, von dem steht des Schönen noch viel zu erwarten, wofern er die Sturm- und Drangperiode innerer Entwicklung, die keinem ächten Künstler erspart bleibt, glücklich überwunden haben wird.
Die Solopartieen wurden von den Damen Hefner, Kapp-Young und Mayer, und den Herren Bausewein, Heinrich und Lindemann gesungen.
Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung Nr. 114. Samstag, den 12. Mai 1860.
Erklärung des Herrn Julius Urban,
auf unsere im Abendblatte Nro. 114 gegebene Besprechung seines Concertes.
Darf sich ein Autor, der sein Werk aufführt oft schon aus der mißfälligen Stille oder aus den Beifallsbezeugungen seines anwesenden Auditoriums, sowie aus den persönlichen Meinungsäußerungen der ihm befreundeten oder ihm fremden Sachverständigen und Laien in seiner Kunst eine lehrreiche Kritik ziehen, so erfreut es ihn gewiß sehr, wenn auch die Presse einer großen Sache angemessen ihre Ansicht äußert, wie dies der Fall war in Nummer 114 dieses Blattes.
Wer jedoch weiß, wie schwer es ist, ein Tonwerk, das so rasch am Zuhörer vorüberrauscht nach einmaligem Hören gerecht beurtheilen zu können, der wird mir nicht verargen, den Ansichten des Herrn R. Z. Correspondenten dieses Blattes gegenüber auch die Meinigen entgegen zu stellen.
Weit entfernt beim Schaffen meiner Cantate des antiken Stoffes wegen einen hiefür eigenen Ton anzuschlagen, hielt ich es für geeigneter mich an Homers Auffassung zu halten, der uns in seinen Heldengestalten Gefühlsmenschen darstellt, die sich der Freude wie dem Schmerze in vollem Maaße hingeben; ich überließ es deshalb auch meinem Gefühle, den geeigneten Ton meinem Stoffe anzupassen. Das Bacchanale der Freier und Penelope's Klage über des Telemachos Flucht als die Handlung der ersten Abtheilung »störend« zu bezeichnen, mag der Herr R. Z. Correspondent nach seinem Gefühle vielleicht nicht unrecht haben; mir jedoch schien die Veränderung des Schauplatzes der Geschichte, insofern sie Abwechslung in der Stimmung der Situationen hervorruft eine Hauptaufgabe, die ich mir stellte von guter Wirkung.
Die Klage einer vom Schicksal schwergebeugten Königin und treuen Gattin, an sich schon ein bedeutender Gegenstand musikalischer Composition, kann durch die ihr angekündigte Flucht ihres Sohnes, welche ihren Schmerz verdoppeln muß, nur noch interessanter sein, deshalb aber die Flucht nicht als »nebensächlich« bezeichnet werden. Die Wiederaufnahme der Fahrt der Odysseus erst nach Penelope's Klage, hielt ich in der Wirkung für wohlthätig und deshalb für berechtigt. Eine gewisse Zerfahrenheit, welche mir der Herr Correspondent zum Vorwurfe macht, dürfte vielleicht im Ausdrucke nicht ganz richtig zu nennen, wohl aber dahin zu berichtigen sein, daß bei vielen Stellen meines Werkes mehrere Motive zugleich aufreten, somit durch diese tonmalende Art, und wie auch ganz richtig bemerkt wurde, durch oft zu starke Instrumentation, (ein Uebel dem leicht abzuhelfen) die Singstimmen nicht zur Geltung kamen. Diesen Fehlern ist es gewiß beizulegen, daß die Kritik die Form nicht immer gewahr werden konnte, welche, bei manchem neuen Versuche gegen das Bisherige, sehr wohl im Periodenbau meines Werkes zu finden ist, und warum Herr Correspondent von vorhandener oder nicht vorhandener Erfindungsgabe und Charakteristik der treffenden Situationen schwieg.
Jene Schattenseite, der »nichts weniger als sparsam angebrachten Textwiederholungen« dürfte im Zusammenhang mit dem weiter unten folgenden Lobe des Chores Nr. 15 als in einem ziemlichen Widerspruche stehend bezeichnet werden. Die Händel'schen Oratorien wie die anderer Meister auch haben ja nur, mit Ausnahme der Recitative und Choräle, fast alle Arien und Chöre auf Wiederholungen des Textes gebaut. So viel glaubte ich mir zur weiterer Ausführlichkeit des besagten Artikels in Nr. 114 dieses Blattes erlauben zu dürfen und selbst schuldig zu sein. Im Uebrigen danke ich dem Herrn Verfasser jenes Aufsatzes, wie billig, für Manches Anerkennende und Rühmliche, was er meinem Werke angedeihen ließ.
Schließlich halte ich es noch für meine Pflicht, des großen Verdienstes sämmtlicher Mitwirkenden in meinem Concerte zu erwähnen, welches sich Alle durch die gelungene Ausführung meines schwierigen Werkes erwarben, insoferne für daselbe nur eine Correcturprobe für das Orchester, und für die vereinten Kräfte nur eine, nämlich die Hauptprobe möglich war.
Jul. Urban.
Nachschrift der Redaction.
Vorstehender Erklärung des Hrn. Urban glaubt die Redaction folgende Bemerkungen als ausführlichere Begründung ihrer einmal ausgesprochenen Ansicht beifügen zu müssen.
Herr Urban hat mit der Behauptung, daß Homer in seinen Heldengestalten »Gefühlsmenschen darstelle etc.« vollkommen recht. Er übersieht jedoch hiebei, daß ganz dieselben Gefühle je nach der Culturperiode, in der ihre Träger leben, schon nach ihrem sprachlichen und formellen Theil unter sich auch verschieden darzustellen seien, wenn man überhaupt fein charakterisiren will. Wenn aber z. B. Odysseus singt:
»Sei gegrüßt du traute Stätte
Sei gegrüßt mein Vaterland!
Mehr wenn ich gebüßt noch hätte,
Nichts wärs gegen solch ein Pfand.«
so versetzt uns die ganze Haltung dieser Trochäen, denn doch eher in eine ganz moderne Oper, als in die Zeit der Homerischen Helden. Nach gleichen Grundsätzen wäre denn auch der musikalische Theil dem gewählten Gegenstande in manchen Parthien mehr anzupassen gewesen, und wir haben, und das gewiß mit Recht, auf Gluck und Händel hingewiesen, welche bisher als unerreichte Muster in Bezug auf musikalische Behandlung antiker Stoffe anerkannt sind. Wir glauben sonach zu der Annahme berechtigt gewesen zu sein, daß der zeitweise Aufblick zu diesen Heroën der Tonkunst auf die Urbanische Cantate nur einen wohlthätigen Einfluß ausgeübt hätte, ohne daß Herr U., so wenig wie Mendelssohn, deshalb genöthigt gewesen wäre, seine eigene schöpferische Gabe sclavisch den vorhandenen Vorbildern unterzuordnen.
Wenn Hrn. U. in der ersten Abtheilung die Veränderung des Schau-Platzes einer abwechselnden Situation halber von guter Wirkung erschien, so hat er dabei wohl nicht beachtet, daß er hiedurch die Einheit des Ortes verletzte, ohne irgend einen aus dem Stoffe selbst entspringenden triftigen Grund für sich zu haben. Mag man auch die dürren Speculationen, die mit den sogenannten drei Einheiten getrieben wurden, nicht billigen, so soll das Gesetz dieser Einheiten eines rein äusseren Effectes halber doch auch nicht zur Seite geschoben werden, zumal dann nicht, wenn das Gedicht in Folge seines speciellen Zweckes von den decorativen Hilfsmitteln der Bühne ohnehin keinen Gebrauch machen kann.
Wenn weiterhin Herr U. den Schmerz der Mutter durch die Flucht des Telemachos »nur noch interessanter« machen wollte, so hätte er uns zuerst den Positiv zu diesem Comparativ, nämlich die Klage der treuen Gattin allein, vorführen müssen. Erst dann würde der neu hinzutretende Schicksalsschlag die Klagen Penelope's »interessanter« gemacht haben, gleichwohl aber das Nebensächliche dieser Klage geblieben sein, und zwar deshalb, weil die Flucht des Telemach nicht als wesentliches Handlungsmoment in die Dichtung eingreift.
Den von unserem Corresporrdenten ausgesprochenen Tadel hinsichtlich des speciell musikalischen Theiles sucht Herr U. dadurch zu widerlegen, daß bei vielen Stellen »mehrere Motive« zugleich aufträten. Dieses an sich höchst rühmliche Streben nach Polyphonie kann jedem Werke nur zum Vortheil gereichen, wofern nicht Klarheit und Uebersichtlichkeit darunter leiden. Tritt aber dieser Fall ein, dann sind die »mehreren Motive« nur vom Uebel. Unser Corresp. macht auch Hrn. U. nirgends den Vorwurf, daß er die Form nicht hätte gewahr nehmen können. Er wünschte ihr nur klarere und bestimmtere Umrisse.
Wenn endlich in unserer Besprechung der Urban'schen Cantate von »nichts weniger als sparsam angebrachten Tertwiederholungen« die Rede ist, so liegt hierin weder ein Widerspruch mit dem Lobe des Chores Nr. 15, noch ist damit – wie Herr U die Stelle auffaßt – eine principielle Verdammung der Textwiederholungen ausgesprochen. Es handelt sich lediglich darum, ob sie innerhalb jener Grenzen geblieben sind, die ein geläuterter Geschmack zieht, und nur die Ueberschreitungen dieser Grenzen haben wir getadelt.
Den Standpunkt des wahren Kritikers im vollem Sinne des Wortes hat unser Hr. Corresp. sonach weder Hrn. Urban noch unsern geehrten Lesern gegenüber verlassen, und denjenigen Eindruck wiedergegeben, welchen dessen Cantate, (unbeschadet der von allen Anwesenden anerkannten schwierigen und in vielen Parthien glücklich gelösten Aufgabe des Herrn U.), auf den Theil der Versammlung gemacht hat, welcher der Aufführung des Concertes unpartheiisch anwohnte, Andere Stimmen der Kritik (vgl. Landbote Nr. 136) haben ebenfalls unsere Anschauung getheilt, und sie huldigen gewiß auch mit uns dem Grundsatze, daß man emporstrebenden Talenten durch eine gewissenhafte und mit Ruhe abgewogene Prüfung ihrer Leistungen einen größeren Dienst erweise, als durch einseitige Beurtheilung, sofern eben die Betreffenden einen wohlgemeinten Rath anzunehmen und denselben auch anzuwenden gesonnen sind.
Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung Nr. 117. Mittwoch, den 16. Mai 1860.
Verschiedenes.
(Todesfälle.) Man schreibt uns aus München unterm 24 Nov.: »Am 19 d. verschwand der hier lebende Componist Julius Urban (ein Sohn des seiner Zeit so gefeierten Hofschauspielers); ein zurückgelassener Brief des schon seit längerer Zeit an tiefer Melancholie leidenden Tondichters ist ein weiterer Beleg dafür daß derselbe im Verfolgungswahn sein Leben im Wasser endete. Die von der Isar bei Freimann ans Land gespülte Leiche wurde gestern gefunden und wird morgen daselbst begraben.«
Allgemeine Zeitung Nr. 330. Augsburg; Mittwoch, den 26. November 1879.
Todes-Anzeige.
Theilnehmenden Verwandten, Freunden und Bekannten bringe hiemit die schmerzliche Trauernachricht von dem unerwartet erfolgten Hinscheiden unseres geliebten Bruders, Schwagers und Onkels,
Herrn
Julius Urban,
Compositeur und Clavierlehrer in München,
gestorben in seinem 54. Lebensjahre Mittwoch Abends den 19. November 1879.
München, Nürnberg und Petersburg.
Die tieftrauernde Schwester:
Louise Mayer, geb. Urban,
zugleich im Namen der Geschwister
Neueste Nachrichten Nr. 330. München; Mittwoch, den 26. November 1879.
Nekrologe von Münchener Künstlern.
VII.
[...]
An diese Maler reihen wir den Tondichter Julius Urban, geboren am 30 April 1825 als der Sohn des berühmten Mimen Wilhelm Urban.
Der frühzeitige Unterricht welchen Julius im Clavierspiel erhielt, wurde durch den raschen (schon am 28 Februar 1833 erfolgten) Tod des Vaters nur zu bald wieder unterbrochen, da die mit acht Kindern hinterlassene Wittwe keine Mittel für Lehrer aufzuwenden vermochte. Der Junge durchlief die Schulen und bildete sich selber fort, so gut es ging. Harmonielehre und Composition studierte Urban mehrere Jahre unter der Leitung des Professors A. Wohlmuth, bis der Capellmeister Jos. Hartmann Stuntz den talentvollen feurigen Jüngling in seine eiserne Lehre nahm. Später unterwies ihn Professor Christian Wanner im höheren Clavierspiel. Es galt nun bald seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu verwerthen. So begann Urban seine Laufbahn durch Ertheilen von Unterricht. Trotz der ermüdenden Tagesarbeit blieb ihm noch Kraft und Muth genug eigene Werke zu schaffen und sich geistig weiter zu fördern: die Lust und Liebe der Jugend glüht durch solche Schranken nur höher auf, weiß alle Mühsale zu überwinden und wagt sich deßhalb mit jubelndem Uebermuthe an die höchsten und schwersten Probleme. Auch die Dichtkunst wurde eifrig gepflegt; eine Zeit lang rangen die beiden Schwesterkünste gleichsam um den Vorrang, welcher zuletzt doch wieder der Musik zufiel. Anfangs 1848 trat Julius Urban für Wilhelm Speidel in eine Familie zu Thann (im Elsaß) aber nur zu bald endete der Ausbruch der Revolution seine erfreuliche Thätigkeit, da seine Schüler für die Pflege der heiteren Künste des Friedens weder Zeit noch Gelegenheit fanden. Unser Maestro eilte nach München zurück und begrub sich in einer Fülle von Schöpfungen und Compositionen, so daß schon am 30 April 1849 der kaum vierundzwanzig Jahre zählende Tondichter mit einem großen Instrumental- und Vocalconcert vor das Publicum zu treten wagte, wobei nur eigene Werke, eine Symphonie (aus D-dur), eine Cantate (Nacht und Morgen), zwei Lieder mit Clavier-Begleitung und eine Ouvertüre zur Aufführung gelangten. Daß dem jungen Dirigenten dabei das Herz etwas zitterte und er sein Orchester nicht mit einer Präcision à la Lachner ins musikalische Treffen führen konnte, ist begreiflich. Dessenungeachtet wuchs von Nummer zu Nummer der theilnehmende Beifall des allmählich erwärmten Auditoriums. Der von bewährter Hand stammende Bericht in Nr. 129 der »Allg. Ztg.« vom 9 Mai 1849 rühmte den Fleiß und den kühnen Muth des jungen Mannes, der als Autodidakt mühsam und unter zahlreichen Hindernissen sich emporarbeiten mußte; ebenso wurde das entschieden schöpferische Talent, die Originalität und geschickte Verarbeitung der Gedanken und Melodien und das fleißige Studium der großen Meister anerkannt – Vorzüge wogegen die allen Erstlingsarbeiten anhaftenden formellen Mängel nicht in Betracht kamen; schließlich wurde die Erwartung ausgesprochen, daß sein Genius einst noch bedeutende, der Muse der deutschen Musik würdige, Werke schaffen werde.
Darauf begannen für Urban zwei Decennien voll glücklicher Thätigkeit: Er leitete den damals frisch erblühenden Künstler-Sänger-Verein, welcher zum fröhlichen Gedeihen der schönen, unvergeßlichen Mai-Feste immer eine dankenswerthe Folie bot. Hier bildete Urban auch die verständniß-innigen Kräfte welche die zahlreichen Liedercompositionen und heiteren musikalischen Einfälle ihres Dirigenten executirten. Ständchen klangen eine Zeit lang allen hervorragenden Personen welche München berührten, allerlei Spiele und dramatischer Schnickschnack wurden inscenirt, jedes die Künstler-Genossenschaft berührende Ereignis galt als Signal. So — um nur einiges wieder in Erinnerung zu bringen — componirte Urban den nachmals auch in Druck gebrachten und mit einer Vignette von Moriz v. Schwind ausgestatteten »Festmarsch« zum Rubens-Feste (1857); er lieferte die Introduction zu der Grundsteinlegung der neuen Maximilians-Brücke, womit im Jahre 1858 die siebente Säcularfeier des Bestehens der bayerischen Hauptstadt inaugurirt wurde; ebenso den Chorgesang zur Eröffnung der berühmten Kunst-Ausstellung desselben Jahres; er leitete den ganzen Cyclus von musikalischen Ovationen womit die letzte Anwesenheit des großen Cornelius zu München im Juni 1861 erst den rechten Strich und Ton gewann. Was der Künstler-Sänger Verein leistete, steht allen Betheiligten gewiß in unvergänglicher Erinnerung. Urban aber war der Zauberer welcher mit seinem Stabe die Begeisterung schürte, nährte und leitete – letzteres freilich mit einer Strenge und Pflichtbeflissenheit welche jeden Dilettantismus verbannte und an die Betreffenden Forderungen setzte welche oft nicht nach eines Jeden Geschmack sein konnten. Mit der unvermeidlichen Aenderung des Materials, als der Spiritus allmählich verflog und bloß das gemüthliche Moment der Unterhaltung in den Vordergrund rückte, legte Urban seine Stelle nieder. Die Genossenschaft ehrte seine Verdienste durch Ueberreichung einer Dankadresse und eines köstlichen Albums, in welchem die meisten durch Handzeichnungen und Skizzen dem scheidenden Freunde ein Zeichen der Erinnerung boten.
Das waren nach Urbans eigenem Geständniß seine glücklichsten Jahre, in welchen bei ununterbrochenem Schaffen seine großen Werke entstanden, darunter eine zweite Symphonie, eine große Oper »die Guerrillas« (Text von Herman v. Schmid), eine andere »die letzten Tage von Pompeji« (in 3 Acten), ein komisches Singspiel »der dumme Peter« (in 3 Aufzügen), »das Schwabenmädle« (Liederspiel in einem Aufzug) und viele andere Gelegenheitscompositionen, Quartette, Lieder, Chöre und Walzer. Da sich andere Orchester, Directoren und Fachgenossen meist ablehnend dagegen verhielten, beschloß Urban seine die »Rückkehr des Odysseus« betitelte Cantate unter eigener Direction aufzuführen, was am 9 Mai 1860 im großen Saale des Odeon geschah. Das Publicum spendete überschwänglichen Beifall, es war ein glänzender succès d’estime, gerade so wie bei seiner »Frithjof-Sage,« welche drei Jahre später (1863) von mehr als dilettantischen Kräften executirt und mit rauschendster Anerkennung belohnt wurde. Die Kritik, welche das erstemal (in Nr. 114 Abendblatt zur »Neuen Münchener Ztg.« vom 12 Mai 1860) mit so klugem Vorbedacht lobte, daß der gekränkte Tonsetzer dagegen (Nr. 117 ebendaselbst vom 16 Mai) repliciren zu müssen glaubte, verhielt sich gegen die Proben aus »Frithjof« still und schweigend, so daß der davon tief betroffene Dichter-Componist fortan jedes weitere Hinaustreten in die Oeffentlichkeit vermied.
Dafür gedachte Urban ernstlich auf dem Gebiete der dramatischen Dichtung weiter zu schreiten. Er schrieb ein Märchen »Schneewittchen,« welches später wohl auch auf eine musikalische Inscenirung berechnet war, dann die Original-Lustspiele »Eine Stunde vor der Trauung« und »das Familienfest,« ebenso ein fünfactiges Schauspiel »Adeline oder Provinz und Residenz.« Vergebens bot er allen Scharfsinn auf um unerkannt seine Werke vor die rechte Schmiede zu bringen; mit erfinderischer List ersann er allerlei Winkelzüge die betreffenden Bühnenleiter und kritischen Regisseurs über die wahre Autorschaft zu täuschen: die Manuscripte folgten auf weiten Umwegen abgelehnt zurück. Dem letztgenannten Stück fehlte es, wie ich dem Dichter, der mich in geheimnißvoller Weise ins Vertrauen zog, nicht verheimlichte, an plastischer Gestaltung, es verrieth eine Abwesenheit aller Bühnenkenntniß bei einer Kindlichkeit der Sprache welche insbesondere bei gebundener Rede den autodidaktischen Dilettantismus nur zu sehr bekundete.
Statt seine Kräfte zu concentriren, schweifte Urban gern auf fremde Gebiete über, naschte bei Strauß und Schopenhauer, klügelte über dringliche Reformen im Medicinalwesen, vertiefte sich auch in diplomatische Fragen und setzte kühn manches Mémoire darüber auf, wie denn auch beim Ausbruch des Bruderkampfes im Jahre 1866 und ebenso bei Beginn des deutschen Krieges die gerade nicht unglaubliche Rede ging : Urban habe den obersten Kriegsherren erhebliche Winke gegeben wie der ganze Handel glorreich und auf kürzestem Wege beendet werden könne.
In Folge vieler gescheiterten Hoffnungen schloß sich Urban nur um so schroffer gegen die umgebende Welt ab und zog sich in sein Inneres zurück. Er strebte und arbeitete noch rastlos, wieder ganz der Pflege seiner Kunst zugewendet, aber weniger freudig. Die Lust war ihm vergällt. Solange einer noch diesseit der möglichen Lebenshälfte steht, treibt die schaffende Kraft vergnüglich mit hoffender Zuversicht weiter; ist aber die Polhöhe resultatlos überschritten, so erlahmt der willigsten Phantasie nur allzu leicht der Flügelschlag. Dazu trat auch die Existenz-Frage ernstlicher heran. Urban bewarb sich ein paarmal vergeblich um eine Director-Stelle, trotz der Protection Sr. Excellenz des Ministers v. Zwehl, welcher das edle Streben und den Charakter des Petenten achtete und schätzte; erst schob ein kluger Pastor, im entscheidenden Moment die Orthodoxie des Componisten bekritelnd, eine beliebigere Persönlichkeit vor, dann sprang eine andere collegiate Neidhämmelei dazwischen. Der durch solche Erfahrungen niedergebeugte Künstler hielt sich fürder von allen Concurrenzen mit jüngeren Kräften zurück, selbst wenn ihre Leistungen im Vergleich mit den seinigen einzig noch im Dintenfasse schliefen. So blieb ihm die unangefochtene Thätigkeit eines Privatlehrers mit ihrer stolzen Freiheit, mit ihren Leiden und Freuden. Hatte er tagsüber im Kampf ums Dasein seine Zeit mit hartfingerigen Schülern verklimpert, »Stunden« und theoretischen Unterricht ertheilt, so durfte der todmüde, in sein stilles leeres Heim Rückkehrende kaum auf einen Besuch der Muse rechnen. Zwar glückte ihm noch eine »Bunte Reihe kleinerer und größerer Clavierstücke,« wovon aber nur drei Piècen, »Abendläuten,« ein »Hochzeitsmarsch« und »Wiegenlied« (Verlag des Verfassers), im Druck erschienen; auch entstanden allerlei »Kammermusik« (1867), viele Sonaten (1873) und Lieder, darunter die unpraktischerweise gleichfalls im Selbstverlag edirten »Frühlingsnacht,« der »Einsame« und »Nachklang.« »Zwei Lieder ohne Worte« und ein »Capriccio in H-moll« waren früher bei Jos. Aibl erschienen.
Urban verzweifelte in der jetzt hochgehenden musikalischen Richtung durchzudringen. Kein principieller Gegner der »Zukunftsmusik« und dieselbe vom Standpunkt eines Historikers objectiv betrachtend, hatte er doch von Jugend auf andere Sterne kennen gelernt als die gerade am musikalischen Himmel funkelnden Lichter. Er baute auf die Nachwelt, welche vielleicht freundlicher über ihn urtheilen werde. So schloß er seine besten Sachen in ein stattliches Köfferchen, mit der ausgesprochenen Absicht dasselbe erst nach zwei Decennien wieder öffnen zu lassen. Schon längst hatte er sich von seinen Freunden eigensinnig zurückgezogen. Nach dem 1876 erfolgten Tode seiner theuern Schwester Wilhelmine, deren Briefe er wie ein Kleinod hütete und in einer letztwilligen Verfügung der besonderen Beachtung empfahl, fühlte sich Urban völlig vereinsamt. Eine nicht zu überwindende Melancholie gewann die Oberhand, vielleicht genährt durch ein belästigendes Magenübel. Wenn er die Vergangenheit überdachte, ein Schaffen ohne Erfolg, Arbeit ohne Gewinn, so rauschten wohl schwarze Ahnungen um sein Haupt. Nur die Erhabenheit und Schönheit der Natur, wofür er immer ein offenes empfängliches Auge besaß — freilich nur eines, denn das andere hatte er schon früher durch einen unglücklichen Stoß verloren — der Genuß der großen Meisterwerke der Tonkunst und der Gedankenaustausch mit seinen in der Ferne lebenden Schwestern erhellten sein Leben mit einigem Freudenscheine. Schon im Herbste des vorigen Jahres dämmerte der Plan herauf demselben ein Ende zu setzen. Er brachte alles in musterhafte Ordnung, bis ins Kleinste. Materielle Sorgen quälten ihn nicht, seine Existenz war bei seinem äußersten Verzicht auf weitere Ansprüche eine hinreichend ergiebige gewesen. Die Katastrophe beschleunigte jedoch ein plötzlicher Irrwahn: er hielt sich eines ungeheuren Verbrechens angeklagt, eine riesenmäßige Verleumdung, welche ihn unschuldigerweise zum Geächteten machte, schwirrte um sein Haupt, zog auf ihn die Augen der Welt. Rath- und hülflos dagegen schrieb er ein wirres Lebewohl für einen treuen Freund nieder, dem er die Vollstreckung seiner letzten Wünsche anvertraute, verließ am 19 Nov. spät Abends die Wohnung und suchte, obwohl ein rüstiger Schwimmer, Hülfe und Rettung in jenem Element welches er mit seinen Liedern und Dichtungen nur zu gern besungen und gefeiert hatte.
Auf seinem Clavier lag Beethovens 32. Sonate in 8-sur aufgeschlagen. Ihre Klänge waren sein letzter Trost.
Der Körper des Entseelten landete bei Freimann. Als sollte das ihn zeitlebens verfolgende Mißgeschick auch über sein Grab hinaus walten, verweigerte das Dekanat der protestantischen Kirche, zu welcher er sich immer bekannt hatte, in Ermangelung eines ärztlichen Zeugnisses und Section-Befundes die Einsegnung der letzten Ruhestätte. Der Reiseprediger sprach mit Uebergehung des Namens und der üblichen Formel nur ein Gebet. Desto wärmer klang die Stimme des Wortführers einer Künstler-Deputation, er rühmte das ideale Streben und den sittlich reinen Charakter des armen Freundes, indem er den verdienten Lorbeer zu den schönen von dankbaren Schülern und Verehrern reichlich gespendeten Blumengewinden fügte. Die ganze Scene vor dem erst in Gegenwart der Leidtragenden, worunter auch die aus Nürnberg herbeigeeilte Schwester sich befand, geschaufelten Grabe, die trübnebelige Einsamkeit und winterliche Morgenstimmung im kleinen Dorfkirchhofe, der schon manch stilles Unglück in seiner Erde barg — es war wie ein Bild von Courbet. Seltsam! Kein Lied klang über der Scholle darunter Urban liegt, welcher, solange der von ihm geleitete Verein bestand, unzähligemal seinen Freunden und Bekannten den Abschiedsgruß ertönen ließ.
Allgemeine Zeitung Nr. 354. Augsburg; Samstag, den 20. Dezember 1879.
Urban Julius, 1825 (München) – 1879, Komponist; Sohn des Hofschauspielers Wilhelm U., mußte er sich sein Studium, da sein Vater früh verstorben, schwer verdienen; vom Hofkapellmeister J. H. Stuntz sehr gefördert, trat der in der Harmonielehre sehr Versierte erstmals 24jährig mit einem großen Instrumental- und Symphoniekonzert auf, wobei er nur eigene Werke (Symphonie in C-dur, eine Kantate, zwei Lieder mit Klavierbegleitung und eine Ouvertüre) aufführte; die Texte zu seinen Kompositionen schrieb der dichterisch Veranlagte zum Großteil selbst; U. litt lange Jahre an einem schweren Verfolgungswahn und hat in der Isar den Freitod gesucht.
Hauptwerke: Festmarsch zum Rubensfest (1857) mit einer Vignette von M. von Schwind versehen, Die Guerillas (Oper), Die letzten Tage von Pompeji (Oper), Der dumme Peter (komisches Singspiel), Das Schwabenmädle (Liederspiel) und Quartette, Lieder, Chöre und Tänze sowie Märchen (Schneewittchen).
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 14.9.1793 (München)
† 28.2.1833 (München)
Schauspieler und Theaterschriftsteller
71. Wilhelm Urban,
königl. Hofschauspieler zu München;
geb. im J. … , gest. d. 28. Febr. 1833 (Abendzeitung 1833, N. 33.)
Er war einer der genialsten Schauspieler Deutschlands, und starb in dem noch nicht vollendeten 39. Jahre seines Lebens. Auf ihn kann man wörtlich anwenden, was von dem größten Schauspieler, dessen die Bühne sich je erfreut hat, von Garrick gesagt wurde: »Er war klein von Person, aber wohl gebaut und gut gebildet, hatte schwarze, lebhafte Augen und eine reine melodische Stimme. Seine Gestalt, seine Mienen hatte er auf das bewundernswürdigste in seiner Gewalt; jede Leidenschaft stand ihm zu Gebote, Alles war an ihm voller, treffender Ausdruck derselben«. Daher war er auch gleich groß im Tragischen wie im Komischen. Uebrigens verband Urban mit mit einem feurigen Geiste eine lebhafte Phantasie, einen durchdringenden Scharfsinn in der Auffassung dramatischer Werke und alle Mittel zu einer vollendeten Darstellung. Den berühmten Monolog Hamlet’s »Sein oder Nichtsein u. s. w.« trug er unübertrefflich vor.
Urban hinterläßt eine Witwe und 8 unmündige Kinder. Seine Krankheit, die über 4 Monate währte, war äußerst schmerzhaft.
Neuer Nekrolog der Deutschen. Weimar, 1835.
Das Hoftheater hatte im Jahre 1813 mehrere Abgänge, darunter die Schauspieler Langlois, Lambrecht und den ersten Tenor Schack. Das Schauspiel gewann durch das Engagement W. Urbans, von dem wir bereits im Isarthortheater sprachen, eine vorzügliche Kraft. Seine Glanzrollen waren: »Faust«, »Egmont« und »Hamlet«. Tragisch ist sein früher Tod. Im Jahre 1832 erhielt Urban einen Ruf nach Berlin, dem er auch folgen wollte, als ein beklagenswerthes Geschick seiner Carrière ein jähes Ende bereitete. Beim Abschied-Souper im »Grünen Baum«, ein Lieblingsplätzchen der Münchener Künstler, sollte Urban, der als verwegener Turner bekannt war, über die mit allem Tischzubehör beladene Tafel mit einem Sprunge ohne Anlauf setzen. Das Bravourstück gelang, jedoch mit Nachfolge einer anfangs unbedeutenden inneren Verletzung an der Hüftseite, von welcher sich der Künstler aber nicht mehr erholte.
Nach längerem Siechthum, das ihm zur entsetzlichsten Qual wurde, starb W. Urban am 28. Februar 1833, im Alter von 38 Jahren. Urban war der erste »Faust.«
[...]
Ueber den Schauspieler Urban, dessen Vortrefflichkeit und dessen frühen Tod wir bereits berichtet, sagt Herr von Küstner, daß er in der Reihe der deutschen Schauspieler einen der ersten Plätze eingenommen hat. Von der Natur gerade nicht mit jener Figur bedacht, die auf der Bühne imponirt, machte sein innwohnendes Talent, sein reger Geist, seine oft geniale Darstellung dieses leicht vergessen. Selten hat ein Schauspieler eine edlere, geistreichere und ausdrucksvollere Physiognomie gehabt, und in seinem klaren, flammenden Auge lag der Spiegel der Seele, der Abglanz einer ewig bewegten, oft nur zu stürmisch aufgejagten Seele. Urban war ein denkender und kenntnißreicher Schauspieler; eine sorgfältige Ausbildung seines Geistes und seines Wissens ließen ihn bald nicht nur mechanischer Schauspieler, sondern bildender und schaffender Künstler in seinem Fache werden. (Leider ist Urban, wie wir wissen, für die Kunst zu früh gestorben.)
Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.
Urban Wilhelm, geboren 1795 in München. Er sollte sich in Frankfurt dem Kaufmannsstande widmen, hielt es jedoch im Comptoir nicht lange aus und als 17jähriger Jüngling kam er voll Kunstbegeisterung nach München zurück und suchte beim dortigen Hoftheater anzukommen. Man ließ ihn lange auf Entscheidung warten. Endlich erfolgte 1813 sein Engagement. Er blieb aber auch dem Theater fortab bis zu seinem Tode treu, der ihn in seiner besten Kraft ereilte.
U. hatte einen ausdrucksvollen Kopf und ein kräftiges, aber angenehmes Organ. Sein Wuchs war leider klein, aber elegant. U. hatte seine Mienen auf das Bewunderungswürdigste in seiner Gewalt und der Ausdruck jeder Leidenschaft stand ihm zu Gebote. An die großen Aufgaben ging er mit wahrem heiligem Eifer und mit Aufbietung seiner besten Kräfte. Seine Prosa war seinen Versen vorzuziehen. Ausbrüche des Gefühls gelangen ihm über alle Maßen. Von seinen Leistungen im Liebhaber- und Heldenfache verdienen sein »Don Carlos«, »Ferdinand«, »Don Cesar«, »Pylades«, »Franz« im »Götz« besondere Erwähnung. Zu seinen gelungensten Darstellungen muß jedoch »Hamlet« gerechnet werden, dem er jahrelanges Studium widmete, und soll er den Monolog im dritten Alt unübertrefflich gesprochen haben. U., der eine lebhafte Phantasie und einen durchdringenden Scharfsinn in der Auffassung dramatischer Werke besaß, feierte auch im bürgerlichen Drama große Erfolge.
Eine rätselhafte Krankheit, die scheinbar gefahrlos begann, machte seinem Leben ein frühzeitiges Ende. Er starb am 28. Februar 1833 auf der Höhe seines hervorragenden Schaffens und Wirkens.
Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.
Urban Wilhelm, 1795 (München) – 1833, Hofschauspieler; er trat erstmals als »Fridolin« in dem gleichnamigen Schauspiel von Holbein auf der Hofbühne seiner Vaterstadt, der er bis zu seinem frühen Tod als eines ihrer besten Mitglieder angehörte, auf; obwohl klein von Gestalt, so entzückte U. doch als jugendlicher Liebhaber durch seine lebhaften, schwarzen Augen und durch seine reine, melodische Stimme; er besaß einen entschiedenen Sinn für das Große und zeichnete sich durch künstlerischen Ernst, große Innigkeit und Feinheit der Auffassung aus; u. a. spielte er die Titelrolle in Goethes Tasso und Faust sowie den Pylades in der Iphigenie, den Bassanio in Shakespeares Kaufmann von Venedig, vor allem glänzte er als Hamlet, dessen Monolog im 3. Akt er unübertrefflich gesprochen haben soll; häufige Gastspiele in Berlin, Wien und Hamburg machten seinen Namen auch außerhalb Münchens berühmt; U. hat es auch als Dichter versucht (Dramatisches Phantasiegemälde, Das erwachte Gewissen – Musik von Lindpaintner – und freie Bearbeitung von Shakespeares Komödie der Irrungen).
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.