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NA – 26 (Sager · Sager-Könicke)

Ω

Tafel

KGL. BAYR. BAURAT
MICHAEL SAGER
GEINDORF 1825 – 1898 MÜNCHEN
CHARLOTTE SAGER-KOENICKE
1843 – 1874
MATHIAS SAGER
1804 – 1887
LUDWIG SAGER
1871 – 1941

Sockel

Michael Sager k. b. Baurath
Inhaber ¿ preuss. rothen Adlerorden.
Charlotte Sager geb. Koenicke
Mathias Sager geb. ¿ August 18¿
Ludwig Sager geb. ¿ Nov¿

Ω

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Michael von Sager

* 1825 (Holzhäusl bei Vilsbiburg/Ndb.)
† 6.1.1898 (München)
Baurat

Allgemeine Zeitung (27.1.1898)

Ein Pionier der deutschen Technik.

Nachruf dem kgl. bayer. Baurath Michael Sager gewidmet im Münchener Architekten- und Ingenieur-Verein.

Am 6. Januar ist unserm Verein durch den Tod ein Mitglied entrissen worden, das vielleicht selten hier in unsrer Mitte erschienen sein mag, dem aber aber doch die Vorstandschaft eine besondere Ehrung über die an seiner Gruft niedergelegte Kranzspende hinaus schuldig zu sein glaubte. Unsre heutige Huldigung soll denn auch nicht dem Vereinsmitgliede gelten, das treu und eifrig sich an unsern Berathungen betheiligte, sondern dem Fachgenossen, der durch seine Thaten und Werke der Welt einen überzeugenden Beweis lieferte von der Kraft und Bedeutung des technischen Standes im modernen Leben.

Der kgl. Baurath Michael Sager wurde im Jahre 1825 in einem weltentlegenen niederbayerischen Oertchen in so bescheidenen Verhältnissen geboren, daß das höchste ihm beschiedene Ziel das eines ländlichen Handwerksmeisters zu sein schien, dem er denn auch durch Eintritt in die Lehre bei einem Tuchscherer zugeführt werden sollte. Aber ein innerer Drang nach Entwicklung seiner geistigen Anlagen und eine die widrigsten Verhältnisse überwindende Thatkraft lenkten den jungen Mann nach und nach in die Latein- und Gewerbeschule, dann auf die polytechnische Schule in München und in die Praxis des Baufaches. 1858 bestand er die praktische Prüfung für den Staatsbaudienst und 1862 finden wir ihn, nachdem er bei der Gesellschaft der bayerischen Ostbahnen als Hülfsingenieur thätig gewesen war, in den ersten selbständigen Stellungen als Sektionsingenieur dieser Gesellschaft beim Bau der Linie Regensburg-Eger. Aber sein nach völlig freier Bethätigung strebender Sinn ließ ihn als Beamter auch einer Privatgesellschaft keine volle Befriedigung finden und so verließ er im Frühjahr 1866 deren Dienste, verzichtete auf sein Anrecht im Staatsdienst angestellt zu werden, trat als Unternehmer für die Ausführung eines Looses der neuen Staatsbahnlinie München-Treuchtlingen bei Ingolstadt auf und führte dieses und zwei weitere Loose zwischen Ingolstadt und Eichstätt glücklich aus.

Daß Sager mit dem Schritt in das freie Erwerbsleben seinen wahren Beruf gefunden hatte, bewies die im Jahre 1869 beginnende 20jährige Periode seiner Meisterschaft im Eisenbahnbau. Diese Periode wurde eingeleitet durch die Ausführung der 58 km langen Eisenbahnlinie Neumarkt-Ried-Braunau im sog. Inn-Viertel und hatte ihren ausschließlichen Schauplatz in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Der verhältnißmäßig einfachen Arbeit im Inn-Viertel folgte die 105.6 km lange Pusterthalbahn Lienz bis Franzensfeste, die nicht weniger durch ihre Naturschönheiten ausgezeichnet ist, als durch die Schwierigkeit und Großartigkeit ihrer baulichen Anlage. Fünf Tunnels von 916 m Länge und 371 Brücken und Durchlässe mit 1330 m Lichtweite, fast 4 Mill. cbm Erdbewegung und großartige Schutzbauten gegen Wasserangriffe und Rutschungen waren nothwendig und dennoch gelang es den mit Ausnahme der Schienenlieferung im Pauschalaccord übernommenen Bahnbau in genau 2 Jahren vollständig fertigzustellen. Der Bau einer 31 km langen Linie bei Wien und einer 108.5 km langen Linie in Nordböhmen gegen Breslau zu füllte die Jahre 1873 mit 1875 aus, worauf die verkehrspolitisch wichtige und technisch bedeutende 194 km lange Linie Temesvar-Orsova in Angriff genommen und bis Frühjahr 1878 vollendet wurde. Wieder waren es große Schutzbauten, viele Brücken und vier Tunnels, die in der kurzen Zeit bewältigt werden mußten, vor allem aber bereitete große Schwierigkeiten der 898 m lange Ratkonya-Tunnel, der wegen seines Wasserreichthums und des blähenden Tegels in der Tunnelbaukunde eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Forderte schon bei der Linie Temesvar-Orsova die Unterbringung und Verpflegung der von epidemischer Krankheit heimgesuchten Arbeiter große Opfer, so wurde in dieser Beziehung und in Hinsicht aus Beischaffung von Geräthen und Materialien alles übertroffen beim Bau der Schmalspurbahn Forod-Serajewo, die im Jahre 1878 die Turchführung der Occupation von Bosnien unterstützen sollte. Ein unkultivirtes, im Aufstand befindliches Land, die militärischen Operationen und eine gewaltige, das Savethal auf 15 km Breite bedeckende Ueberschwemmung erschwerten den Fortschritt der Arbeit ußerordentlich und dennoch wurde die Bahn vom September 1878 bis 9. Juni 1879 von Brod bis Zeniĕa auf 190 km betriebsfähig hergestellt, freilich mit Radien und Steigungen, die inzwischen für den jetzt eingerichteten vollkommen regelmäßigen Betrieb den Umbau mancher Strecken nothwendig gemacht haben. Dieser geradezu wunderbaren technischen Leistung folgten nach einer kurzen Pause in der Bauthätigkeit, die aber durch Projektirungsarbeiten in Bosnien und der Herzegowina ausgefüllt wurde, von 1882 bis 1888 der Bau verschiedener, zusammen 365 km langer Eisenbahnlinien in Mähren und längs der mährisch-ungarischen Grenze, die einen mehr normalen Charakter haben, dennoch aber sehr bedeutende Objekte, insbesondere Viadukte umfassen.

Die Gesammtheit der von Sager in Oesterreich-Ungarn ausgeführten Bahnlinien hatt eine Länge von 1050 km mit 151 Stationen, 140 größeren Brücken von zusammen 55.25 m Lichtweite und 11 Tunnels von 3123 m Länge. Die Erd- und Kiesbewegung betrug 19.5 Mill. cbm und die Gesammtabrechnungssumme 55 Mill. Gulden.

Nach den Anstrengungen und Aufregungen und auch nach den Erfolgen einer solchen Thätigkeit hätte Sager als Mann von 63 Jahren wohl Anspruch auf Ruhe erheben können. Aber kaum hörte er, daß in seinem deutschen Vaterlande ein technisches Werk der höchsten Bedeutung geplant seu, und kaum überzeugte er sich, daß er dabei den Traum seines Lebens, eine ungeheure auf kurze Strecken zusammengedrängte Erdarbeit verwirklichen könne, so eilte er mit dem Eifer eines Jünglings herbei und übernahm die Ausführung des VI. Looses des Nord-Ostsee-Kanals bei Grünenthal. Es waren hier auf 12 km Länge 14 Mill. cbm Erde auszuheben und größtentheils in Ablagerungen, zum Theil in zwei bis zu 25 m hohe Eisenbahndämme zu erbringen. Hiezu kam später noch die Ausführung der Widerlager der großen die Dämme verbindenden Brücke, an deren Baustelle der Kanaleinschnitt 30 m tief war. Sager hatte gleichzeitig 8 Trockenbagger, 3 Naßbagger, 16 Lokomotiven, 600 Transportwagen von 3 cbm Inhalt, 30 km Eisenbahngeleis und 3 große Pumpenanlagen im Betrieb. Leider wurde seine noch volle Kraft beim Beginn der Arbeiten durch einen Schlaganfall gelähmt, und wenn auch seine zähe Natur sich wieder erholte, so mag doch der Umstand, daß seine große Erfahrung den ersten Arbeitsdispositionen entzogen war, dazu beigetragen haben, daß der Lohn der Arbeit nicht so ganz ihren Mühen und Sorgen entsprach. Das Werk selbst aber hat weder hierunter, noch unter den sonstigen Schwierigkeiten, welche sich ihm entgegenstellten, gelitten. Rechtzeitig, vollständig und tüchtig hat Sager es zur Vollendung gebracht.

Das sind die großen Leistungen eines schließlich doch nur kurzen Lebens; möglich sind sie nur gewesen einer in ihren verschiedenen Bethätigungen hervorragenden Natur. Was Sager als Techniker auszeichnete, war sein eminenter Blick für Arbeitseintheilung. Stets fand er, was nicht Jeder sieht, das Naheliegende und Einfache; die rechtzeitige Beschaffung aller Materialien und Geräthe, die Inangriffnahme der einzelnen Theile in solcher Reihenfolge, daß niemals der Nachfolgende durch den Vorhergehenden aufgehalten wurde, die Auswahl und Vertheilung der Hülfskräfte auf die für sie geeigneten Stellen, das war bei allen Bauten sein eigenes Werk und stützte sich auf eine unermüdliche, keine Stunde des Tages und der Nacht scheuende Beobachtung des Arbeitsfortganges. Als Geschäftsmann verfügte Sager über eine mit der Wahrnehmung der eigenen Interessen wohl zu vereinbarende unerschütterliche Rechtlichkeit. Die Güte, ja selbst die Schönheit seiner Bauten stand ihm höher als der eigene Gewinn. Die Art, wie die österreichischen Verwaltungen ihm immer größere Arbeiten freihändig und gegen eine Pauschalsumme, also mit der weitgehendsten Selbständigkeit, übertrugen, beweist, welch wachsendes Vertrauen jede Ausführung ihnen einflößte, und auch beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals hätten Sager die großen Schwierigkeiten, in die er dort gerieth, manche Handhabe zur Bereitung von Verlegenheiten bieten können, er hat aber nie das Ziel aus den Angen gelassen, die rechtzeitige Vollendung des begonnenen Werkes herbeizuführen.

Als Mensch endlich war Sager von der größten Anspruchslosigkeit für sich selbst und von einer unerschöpflichen Güte gegen Andere. Die Nothwendigkeit und die Gewohnheit, zu befehlen, hatten sein Gemüth nicht verhärtet. Die Erinnerung an seine eigene schwere Jugend ließ ihn immer den sich ihm Nahenden, selbst den Schuldigen mit Wohlwollen begegnen. Niemals erblickte er in seinen Ingenieuren, Aufsehern und Arbeitern bloße Maschinen, die mechanisch zu dirigiren ihm Freude gemacht hätte, sie waren ihm, wenn auch auf verschiedenen Stufen, Mitarbeiter, und als er selbst den Lohn seiner Thätigtkeit bereits in reichlichem Maße gefunden hatte, suchte er stets nach neuer Arbeit, weniger um des eigenen Gewinnes oder der eigenen Arbeitsgewohnheit willen, als um jenen minder Bevorzugten ferneren Verdienst bieten zu können und in dem tiefinnerlichen Gefühle, daß seine Thätigkeit nicht eine flüchtige und vorüberrauschende sei, sondern der fortschreitenden Entwicklung der ganzen Menschheit zugute komme. Ihn bewegte das Ideal, dessen Vorhandensein in dem modernen Techniker die Vertreter der bisher allein herrschenden Stände theils leugnen, theils noch nicht ganz erkennen. Daß Sager dieses Ideal uns, die wir auf demselben Wege schreiten wollen, vorangetragen und daß er ihm bei Fremden Anerkennung errungen hat, das ist es, was uns vor der kaum geschlossenen Gruft mit Dankbarkeit erfüllt, und in diesem Gefühle wollen wir sagen: Sein Leben war Mühe und Arbeit, seine Werke zeugen von ihm, sein Andenken ist gesegnet. R. Reverdy.

Richard Reverdy: Allgemeine Zeitung Nr. 26. München; Donnerstag, den 27. Januar 1898.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Sager Michael, von, 1825 (Holzhäusl bei Vilsbiburg/Ndb.) – 1898, Techniker, Ingenieur und Oberbaurat; zuerst Tuchschererlehrling, kam er unter großen Mühsalen zum Studium, trat in den Staatsdienst, machte sich jedoch später selbständig und war dann, gefördert von Cramer-Klett, wesentlich beteiligt an der Errichtung der Eisenbahnlinien München-Simbach und München-Treuchtlingen; in Österreich-Ungarn baute H. Eisenbahnstrecken von insgesamt 1050 Kilometern, u. a. die Pustertalbahn von Franzensfeste (Fortezza) – Innichen (S. Candido) – Lienz, Neumarkt-Ried-Braunau, Temesvar-Orsova, in Nordböhmen und bei Wien; auch am Bau des Kaiser-Wilhelm-Kanals war er beteiligt; in dem von S. erworbenen Klostergut Wessobrunn richtete er eine Musterökonomie ein; S. zählt zu den universalsten technischen Genies des 19. Jahrhunderts, daneben war er auch ein großzügiger Wohltäter und Mäzen.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



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