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NA – 86 (Hirt · Stehle)

Ω

Hier ruht in Gott
unser unvergesslicher Gatte und Vater
Herr Johann Christian Hirt
k. Professor u. Bildhauer
geb. am 4. März 1836, gest. am 19. August 1897.
Ihm folgte im Tode seine Gattin, unsere Mutter
Anna Hirt,
geb. am 18. März 1842, gest. am 6. Dezember 1913.
Otto Hirt
geb. 5. September 1878,
gest. 27. Januar 1920.
Babette Stehle
geb. Hirt
geb. 24. August 1865,
gest. 16. Januar 1925.

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Johann Christian Hirt

* 4.3.1836 (Fürth/Bayern)
† 19.8.1897 (München)
Kammfabrikantens-Sohn / Akademieprofessor und Bildhauer

Die Kunst für Alle (15.9.1897)

Personal- und Atelier-Nachrichten

München. Ein Mitglied der älteren Münchener Bildhauerschule, Professor Johann Christian Hirt, Ehrenmitglied der k. Akademie der Künste, den Lesern der »K. f. A.« aus mancher von uns gebrachten Nachbildung seiner Schöpfungen bekannt, ist nach langem Leiden am 19. August verschieden. In ihm ist eine echte Künstlernatur dahingegangen, die, in Verachtung aller Künstelei, bescheiden und anspruchslos ihren Weg ging und in unermüdlichem, rastlosen Schaffen sich selbst nie genug thun konnte. Geboren am 4. März 1836 zu Fürth als der Sohn eines Kammfabrikanten, fand der Verstorbene nach beendigter Schulzeit in dem Geschäft seines Oheims, welcher mit Elfenbeinschnitzereien handelte, zunächst einige Gelegenheit, sich künstlerischer Thätigkeit zu widmen. In daneben betriebener eifriger Ausübung der Zeichenkunst fort und fort mehr Neigung zu künstlerischem Schaffen gewinnend, erreichte Hirt es im Jahre 1855, die Münchener Akademie beziehen zu können, wo er in das Atelier Maximilian von Widnmanns eintrat. Unter der Leitung dieses Meisters und dem Einfluß der damals herrschenden Richtung auf das Gebiet der idealen Plastik geführt, erlangte Hirt durch seine Arbeiten alsbald vielfache Auszeichnungen, die ihm wiederum lohnende Aufträge sicherten. Außer im Porträtfach, in welchem ihn eine lebendige Auffassung und ein großes Charakterisierungsvermögen auszeichnete, that sich Hirt mit vielen anmutigen, zierlichen Gruppen und Statuetten aus der deutschen Geschichte und Sage hervor, die vielfach reproduziert, gern begehrte Objekte des Kunsthandels wurden. Wir nennen davon »Faust und Gretchen«, eine »Spinnerin«, der »Verweigerte Kuß«, das »Haideröslein«, »Hermann und Dorothea« u. s. w. Besonderen Erfolg errangen eine große »Caritas« (1872), ein »Mit seinem Hunde spielendes Kind«, ein »Mädchen mit Zicklein« (1873). In einem eigenen Cyklus schilderte Hirt die »Vier Jahreszeiten«. Scheffels »Ekkehard« begeisterte ihn zu einer Gruppe, wie der junge Mönch die vom Künstler gar zu jugendlich gedachte und in Wirklichkeit gar nicht schöne Herzogin Hadwig von Schwaben über die Klosterschwelle trägt. Insbesondere gelang unserem Künstler die Darstellung des ganzen Zaubers frisch knospender, unberührter Mädchenschönheit, die unschuldige »naked purity«, und die Verkörperung der vollen majestätischen Frauengestalt. Zu Hirts beliebtesten Schöpfungen gehört eine unter verschiedenen Namen wiederholte, vielbewunderte »Quellen-Nymphe« (Abb. a. S. 399), wovon eine Variante für den hiesigen Kunstverein angekauft wurde; die vom Schlangenbiß verwundete »Eurydike« (1879 als lebensgroßes Gipsmodell auf der Internationalen Kunstausstellung zu München und 1881 in Carraramarmor für Köln ausgeführt), eine »Andromeda« (Abb. III. Jhrg. S. 289) und »Arethusa« (Abb. III. Jhrg. S. 303), welche mit einem »David« (Abb. a. S. 398) und einem »Kentaur« (Abb. untenstehend) 1888 auf der Ausstellung zu München erschien. Das Jahr 1891 brachte eine »Getroffene Niobide«, zu den besten Arbeiten unseres Meisters zählend (Abb. XII. Jahrg. S. 176). Einen besonderen Platz im Schaffen des jetzt Verstorbenen nimmt sein in der Stadt Fürth aufgestelltes Kriegerdenkmal ein, in dessen Gestaltung der Künstler sich ganz abgewandt seinem sonst idealen Stoffgebiet zeigte. Ueberlebensgroß zeigt es einen bayerischen Infanteristen in Kampfesrüstung, eine Fahne hoch in der Rechten haltend. Hirt lieferte auch eine Anzahl historischer Fürstenbilder für das Nationalmuseum, allerlei mythisch-allegorische Figuren zu den Prachtbauten König Ludwigs II. und für viele andere Gebäude Münchens in mehr oder minder ausgesprochenem Dekorationsstil.

Die Kunst für Alle. München, den 15. September 1897.

Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog (1898)

Hirt, Johann Christian, Bildhauer, * am 4. Marz 1836 als der erste Sohn eines Kammmachers zu Fürth, † am 19. August 1897 zu München. – H. that sich schon in der Volks- und in der Gewerbe-Schule hervor, wo er Auszeichnungen und Prämien erhielt und durch selbstgefertigte Zeichnungen Aufmerkkeit erregte. Erst bei einem Oheim im Kunstdrechsler-Handwerk in der Lehre, schnitzte er viel in Elfenbein und gewann mit einem Becher auf einer Pariser Exposition sein erstes Ehrendiplom. Im Jahre 1855 bezog H. die Münchener Akademie und war bald an Fleiss und Können unter den Besten, ging aus einer Concurrenz preisgekrönt hervor und bekannte sich bei Professor Max Widnmann (gest. 3. März 1895) zur idealen Plastik. Ausser mehreren sehr lebendig und individuell behandelten Büsten that sich H. hervor mit vielen anmuthigen und zierlichen Gruppen und Statuetten, darunter ein etwas theatralischer »Faust mit Gretchen«, eine »Spinnerin«, der »Verweigerte Kuss«, das »Haideröslein«, Hermann und Dorothea, eine Lady Macbeth, Aschenbrödel, eine horchende Amazone, eine oberbayerische Fischerin und ein ditto Jäger, ein Ritterfräulein mit der Laute und ein mittelalterlicher Flötenspieler. Besonderen Beifall erwarben eine grosse »Charitas« (1872), ein mit seinem »Hunde spielendes Kind«, ein »Mädchen mit Zicklein« (1873), einige sehr sinnige Grabfiguren u. s. w. In einem Cyclus schilderte H. die »Vier Jahreszeiten«; Scheffel's »Ekkehard« begeisterte ihn zu einer Gruppe, wie der junge Mönch die (vom Künstler gar zu jugendlich gedachte und in Wahrheit gar nicht so schöne) Herzogin Hadwig von Schwaben über die Klosterschwelle trägt. Viel glücklicher war H. in der Darstellung des ganzen Zaubers frisch knospender, unberührter Mädchenschönheit, der unschuldigen »naked purity«, und der vollen majestätischen Frauengestalt. Zu den beliebtesten Schöpfungen des Künstlers gehört eine unter verschiedenen Namen wiederholte, viel bewunderte »Quellen-Nymphe« (vgl. Lützow's Zeitschrift 1882. XVII. 59), wovon eine Variante für die Sammlung des Münchener Kunstvereins angekauft wurde; die vom Schlangenbiss verwundete »Eurydike« (1879 als lebensgroßes Gypsmodell auf der Internationalen Kunstausstellung zu München und 1881 in Carraramarmor für Köln ausgeführt), eine gefesselte »Andromeda« und »Arethusa« (nach H.'s Tode im Februar 1898 auf Staatskosten für die Königliche Glyptothek angekauft), welche mit einem »David« und der Gruppe »Nessus und Dejaneira« 1888 auf der Ausstellung zu München erschien. Mit Recht rühmte die Kritik: »Der reine Geist, mit welchem der Künstler die entzückenden Formen des Weibes wiedergegeben und ihr die ganze Fülle des verlockendsten sinnlichen Reizes verliehen hat, während doch der hohe Adel der Auffassung dem Beschauer unmöglich macht, einer niederen Regung auch nur für einen Augenblick Raum zu geben, kann nicht hoch genug gepriesen werden.« Weitere Schöpfungen dieser Art waren eine »Klythia«, eine pfeilgetroffene »Niobide«, eine trauernde »Eva«, büssende «Magdalena«, eine dem Amor im Pfeilschiessen Unterricht ertheilende »Venus«, ein »Fischer und Nixe«; dazu ersann seine nimmer rastende Phantasie eine Anzahl kleinerer, reizender Erosspielereien: wie der kleine Liebesgott mit dem Blasebalg, am Schleifstein und mit der Feile »eine Waffen bereitet und zu grösserer Fährlichkeit glättet, eine ganze Serie von zierlichen Entwürfen, welche aus H.'s Nachlass die Kunstgewerbeschule erstand. Für die historische Galerie des National-Museums lieferte H. die Statue Kaiser Ludwig des Bayern und das Standbild des Herzog Johann Wilhelm (1680), auch allerlei allegorische Figuren zu den Prachtbauten König Ludwig II. und für viele andere Gebäude Münchens im mehr oder minder ausgesprochenen Decorationsstyl. H. entschlief nach langen Leiden. Er hatte allerlei Ehrenauszeichnungen durch Medaillen erhalten und war Mitglied der Akademie und Königl. Professor, Ritter des Verdienstordens des hl. Michael u. s. w. Sein zahlreicher, über 200 Nummern umfassender Nachlass mit Original-Arbeiten in Marmor und Bronze, Gypsmodellen, Entwürfen und Skizzen wurde am 7. Februar 1898 versteigert; der deshalb von E. A. Fleischmann's Hofkunsthandlung herausgegebene Katalog zeigt das Portrait und Facsimile H.'s, wobei das Todesjahr jedoch irrthümlich mit 1896 (statt 1897) angegeben ist.

Vgl. die Nekrologe in Abendblatt 230 »Allgemeine Zeitung« vom 20. August 1879. »Kunst für Alle« vom 15. September 1897, S. 397 (mit Portrait) und Kunstvereinsbericht für 1897, S. 72 ff.

Hyac. Holland.

Dr. phil. Hyazinth Holland: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. Berlin, 1898.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Hirt Johann, 1836 (Fürth/Bay.) – 1897, Bildhauer und Akademieprofessor; er ist Schüler M. Widnmanns und beschäftigte sich meist mit Dekorativarbeiten, darunter umfänglichen Arbeiten für die Schlösser Linderhof, Herrenchiemsee und Neuschwanstein und mit Statuetten und Gruppen aus der deutschen Heldensage, dem deutschen Märchen und der griechischen Mythologie.

Hauptwerke: Eurydice, Andromeda, Tag-und-Nacht-Gruppe, sämtliche in Privatbesitz, Quellennymphe in der Münchner Glyptothek und Kriegerdenkmal zu Fürth in Bayern.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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