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GRUFT DER FAMILIEN
v. KÜHLMANN
FRHR. v. REDWITZ-SCHMÖLZ
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Kühlmann, Otto Ritter von; 1834 (Landsberg a. Lech) – 18.9.1915 (München); Direktor der Orientalischen Eisenbahnen
Redwitz-Schmölz, Oskar Freiherr von; 28.6.1823 (Lichtenau bei Ansbach) – 6.7.1891 (St. Gilgenberg/Bayreuth); Dichter und Jurist
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* 28.6.1823 (Lichtenau bei Ansbach)
† 6.7.1891 (St. Gilgenberg/Bayreuth)
Dichter und Jurist
Dr. Oskar Freiherr von Redwitz
wurde geboren am 18. Juni 1823 zu Lichtenau in Mittelfranken, wo sein im Jahr 1848 zu Speier verstorbener Vater damals Inspektor der Strafanstalt war. In seinem 2. Jahr kam er mit seinen Eltern nach Kaiserslautern, im 6. nach Speier, wo er im 8. in die lateinische Schule trat. Vom 10.–12. Jahr besuchte er das französische Kolleg zu Weißenburg im Elsaß, bis zum 17. das Gymnasium in Zweibrücken, das er 1842 mit dem Speierer vertauschte, von welchem aus er 1841 die Universität München bezog, auf der er, mit Ausnahme eines Semesters in Erlangen, Philosophie und Jurisprudenz studierte. Im Jahr 1846 kehrte er als Rechtspraktikant in die Pfalz zurück, wo er in der juristischen Praxis zu Speier (1846–47) und Kaiserslautern (1848–49) thätig war. Nach der Staatskontursprüfung nahm er seinen Wohnsitz in Kaiserslautern. Den Sommer 1850 verlebte er in Bonn und studierte unter Simrocks (s. d.) Leitung Mittelhochdeutsch, vermählte sich am 6. Mai 1853 mit Mathilde Hoscher, lebte dann auf dem durch seine Heirath erworbenen Hofgut Schellenberg bei Kaiserslautern, hierauf einige Zeit in Bonn, wurde im Herbst 1851 Professor der deutschen Spracht und Literatur in Wien, zog im Winter dahin über und hielt im Sommersemester Vorlesungen über die griechische Tragödie im Allgemeinen und die Antigone des Sophokles im Besondern, legte jedoch diese Stelle im Herbst 1852 nieder und lebte wieder auf dem Hofgut Schellenberg, wurde 1860 königl. Kammerherr in München. Von der Universität Würzburg erhielt Redwitz das Ehrendiplom der philosophischen Doktorwürde »wegen des christlichen Geistes seiner Dichtung«. Diesen christlichen Geist aber verdankt seine Richtung nach seinem eigenen Geständniß vornehmlich dem Einfluß seines Freundes Molitor (s. d.). – »Wohl selten hat ein Dichtwerk so überaus schnelle Verbreitung gefunden, wie Amaranth, und selten hat auch ein Gedicht so verschiedene, geradezu entgegengesetzte Urtheile hervorgerufrn wie dieses.« Schenckel 2, 367. – »Die erste Gabe seiner Muse war das mit fast beispielloser Begeisterung aufgenommene lyrisch-epische Gedicht »Amaranth«; der junge Sänger zeigt sich hier, bei allerdings zu großer Weichheit und bei der unverkennbaren Schwäche in der Charakteristik seiner Figuren, wohlvertraut mit dem Geheimnis besonders der südlichen Versformen, stark im musikalischen Element der eingestreuten Lieder und gediegen in der romanzenhaften Erzählung. Bald folgte »ein Märchen«; es sollte des Dichters Seelenleben abspiegeln, aber dadurch kam Tendenz und Unklarheit in die sonst liebliche Composition; die rasch gesammelten »Gedichte« gaben reine Gemüthsklänge, doch daneben auch viel Halbfertiges und Schwaches. Die feinbesaitete lyrische Dichternatur warf sich dann auf das Drama; der erste Versuch »Sieglinde« brachte dem Sänger statt Lorbeem »Disteln auf den Hut«, »Thomas Morus« und »Philippine Welser« bezeichnen einen glücklichen Anlauf, rechtes dramatisches Leben bringt erst »Der Zunftmeister von Nürnberg«, den »Der Doge von Venedig« wiederum nicht erreicht.« Lindemann 690. 2. A. 672. – »Der dreibändige Roman ist ohne Zweifel nicht nur das Beste und Gediegenste, was bisher aus der Feder des Dichters geflossen, sondern überhaupt eines der bedeutendsten literarischen Kunstwerke, welches seit Jahren auf dem deutschen Büchermarkt erschienen ist, das durch seinen innern Werth allein sich nothwendig jene Anerkennung erringen muß, die es verdient und die ihm in der belletristischen Literatur gesichert ist.« Litz. 1869, 79. – Die Augsburger Allg. Zeitung bringt 1869 Nr. 355 und 357 eine ausführliche Besprechung des »Romans«, aus welcher einige Sätze hier mitgetheilt werden mögen: »Ein Roman, wie dieser, den der Verfasser selbst wagen darf als ein »Lied« zu bezeichnen, als ein Lied vom deutschen Leben und vom deutschen »Haus«, das »schlecht taugt für bloßer Neugier Hast«, der in jeder Zeile sagt, daß er nicht geschrieben ist, um seinen Leserkreis nur anmuthig zu unterhalten, sondern zugleich tiefere sittliche Wirkungen zu erreichen; ein Roman, der es unternimmt, in einer Zeit politischer, moralischer und religiöser Schwankungen und des berauschenden Lebensgenusses das Evangelium der allgemeinen Menschenliebe, der Gleichberechtigung aller vor dem Gesetz, der religiösen Duldsamkeit, der innern Wahrhaftigkeit und sittlichen Selbstbeschränkung zu predigen, und auf die ewigen Güter hinzuweisen, die unsere wahre Glückseligkeit im Leben begründen: dies ist eine neue und eigenthümliche Erscheinung, die schon um deswillen nicht verfehlen kann, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und, ohne es zu wollen, die verwandte poetische Tagesliteratur zu einem Wettkampf um die Gunst der gesammten Lesewelt herauszufordern. Wir glauben, Redwitz hat damit abermals eine tieferliegende Saite im gegenwärtigen Anschauungsleben der Nation angeschlagen, die in ihrem Herzen den allerweitesten Wiederhall finden wird. H. Stark ist eine neue Phase in dem geistigen Entwicklungsleben des Dichters, eine neue bedeutsame Blüte an dem noch immer frischsprossenden Lebensbaum seiner Poesie; und wer in den Tendenzen dieses Romans Widersprüche mit den Ansichten erkennen will, die sich in den frühern Dichtungen des Verfassers kundgaben, der hat das innere Wesen seiner Poesie überhaupt nie begriffen. War in der »Amaranth« und den ihr zunächst folgenden Dichtungen der romantische Idealismus in der Richtung nach der religiösen Seite in vorherrschend bestimmender Weise vertreten, und bildet sich in »Thomas Morus« sodann der Uebergang aus zu seinen historischen Dramen, in welchen der geschichtliche Realismus, nicht ohne lyrische Anklänge, überwiegend sich geltend machte; so sehen wir in H. Stark beide Elemente, den Idealismus und Realismus, die innere poetische und äußere prosaische Anschauungswelt zu einer so innigen und wirksamen Harmonie geeinigt und versöhnt, daß, wer sich unbefangen ihrem Eindruck überläßt, davon aufs Tiefste sich wird ergriffen und durchdrungen fühlen. An dieser dichterischen Schöpfung haben alle Kräfte des Genius, die denkenden, empfindenden und formgestaltenden gleichen Antheil genommen. Das künstlerische Schaffen des Dichters mag dadurch einen vorläufigen Abschluß gefunden haben: der Roman bezeichnet aber im Wesentlichen so wenig auch nur entfernt einen Abfall von seiner frühern Richtung, daß man vielmehr sagen darf: was er dort als vielversprechende Saat ausgestreut, sei hier zu voller reifer Ernte emporgeschossen. Trat in seinen frühern Werken das Bestreben hervor, den irdischen Verhältnissen durch Anknüpfung an ein Ueberirdisches, Jenseitiges, nur der frommen Sehnsucht Erreichbares höhere Bedeutung und Schönheit zu verleihen, die irdische Liebe durch Gottesminne zu verklären; so stehen wir in H. Stark durchweg auf festem weltlichen, diesseitigen Boden, indem das Bestreben des Dichters dahin gerichtet ist, die irdischen Verhältnisse nicht bloß dichterisch für die Phantasie, sondern in der Wirklichkeit mit göttlichem Leben, durch sittliches Wollen und Handeln im Lichte des Glaubens zu durchdringen und zu verklären.« – Von den Urtheilen über die »Amaranth« möge das des Literarhistorikers Kurz 4, 422 hier stehen, da es so ziemlich Alles enthält, was gegen dieses Gedicht bis jetzt gesagt worden ist: »Die große Anerkennung war nur in der Zeit der geistigen Abspannung möglich, die auf die Erhebung des Jahres 1848 folgte, und nur möglich, weil der katholische Ultramontanismus und der protestantische Pietismus sich vereinigten, den Dichter für einen poetischen Heiland zu erklären, durch den die deutsche Poesie wieder zur strengsten Gläubigkeit geführt werden müsse. Dazu kam das begeisterte Lob aller sentimentalen und weichlichen Gemüther, die sich von dem achtungsvollen Dunkel und der Gefühlsüberschwänglichkeit bezaubern ließen. Denn diese kann vor einer unparteiischen Prüfung nicht bestehen. Wir sind weit entfernt, ihm einen Vorwurf daraus zu machen, daß sein Gedicht eine katholische und selbst nicht, daß es eine ultramontane Tendenz hat, wohl aber daraus, daß er sie in sentimentale und süßliche Empfindelei aufgehen läßt, daß er sich in dogmatische Erörterungen und Spitzfindigkeiten verliert. Doch ist nicht bloß diese ausschließliche Tendenz zu tadeln, sondern auch die künstlerische Behandlung, welche, um es mit Einem Worte auszusprechen, vollständig mißlungen ist. Schon daß das Gedicht eine wahre Musterkarte aller möglichen Versmaße ist, und daß diese zudem mit der größten Willkür wechseln, man könnte sogar sagen, durcheinander geworfen sind, zeugt von des Dichters unkünstlerischer Bildung; noch mehr tritt dieser Mangel in der Composition hervor, die gänzlich zerfahren ist. Von einer epischen Entwickelung ist keine Spur; die einzelnen Abschnitte stehen mit einander weder in logischem, noch in künstlerischem Zusammenhang. Die »Amaranth« ist ein episches Schubladenstück, aus dem man beinahe jeden einzelnen Abschnitt herausnehmen und in das man ähnliche einschieben könnte, ohne daß es Schaden litte. Es hat dieß darin seinen Grund, daß das Gedicht nicht sowohl Begebenheiten erzählt, als vielmehr Situationen schildert, die zudem in einer Flut von Reflexionen, Empfindeleien und dogmatischen Auseinandersetzungen verschwimmen, weshalb das Ganze den Eindruck einer Reihe von Guckkastenbildern macht, von denen das zweite die Erinnerung an das erste auslöscht. Da jeder Abschnitt als selbstständiges Ganzes gedacht und ausgeführt ist, so ist es begreiflich, daß alle Einzelheiten gleichmäßig behandelt sind, daß dem Unbedeutenden eben soviel Gewicht beigelegt wird, als dem Bedeutenden, und daß es daher der Dichtung an Licht und Schatten fehlt. Manche Abschnitte sind allerdings, wenn man sie als selbstständige Balladen, Romanzen oder Lieder betrachtet, recht gut, aber als Theile eines größeren Ganzen betrachtet, verlieren sie aus den angegebenen Gründen allen Werth. Die Sprache der Dichtung ist dem Inhalt entsprechend, d. h. sie ist süßlich, oft gesucht, nicht selten unklar. Häufig begegnet man Ausdrücken, deren Bedeutung man vergeblich zu entziffern suchen würde, wenn nicht der Zusammenhang einiges Licht auf sie würfe. Wer weiß z. B., was »Ein Rößlein mit Gedankenhufen« ist? Metaphern, denen eine unklare Anschauung, Halbgedachtes zu Grunde liegt, kommen häufig vor; fehlerhafte Gleichnisse sind ebenfalls nicht selten, und hin und wieder wirken solche sogar komisch, z. B. wenn es heißt, daß dem Baume, wenn seine erste Knospe im Frühling sprießt, so zu Muth sein muß, als dem Jüngling, dem die Geliebte den ersten Kuß auf die Lippe drückt. Die in der »Amaranth« berichtete Begebenheit ist einfach, ohne Zweifel ein tüchtiger Kern, den ein wahrer Dichter zu einer lebensvollen Gestaltung hätte entwickeln können; aber abgesehen von den oben bezeichneten wesentlichen Mängeln sind einzelne Punkte der Erfindung geradezu verletzend. So läßt Ghismondas Vater um Walther werben; so will Walther der Amaranth seinm Brautring aufdringen; Walther ist über seiner Braut Herzlosigkeit und Unglauben empört, aber er wird von ihrer üppigen Erscheinung gefesselt, und während seine Sinnlichkeit seine bessere Ueberzeugung besiegt, entschuldigt er sich damit, daß er das Versprechen seines Vaters halten müsse, dem er doch vor dem Traualtar untreu wird. Und dazu bewegt ihn nicht das Harte und Böse seiner Braut, nicht das Bewußtsein, daß er eine andere liebt, nicht die Ueberzeugung, daß er diese unglücklich macht, die ihm ihre erste reine Liebe gewidmet hat, sondern der Umstand, daß Ghismonda seine Frage nicht beantwortet, ob sie auch Christum ihren Heiland erkenne, und zwar, wie der Dichter unkluger Weise ausdrücklich bemerkt, aus Stolz nicht beantwortet. Und so ist das harte Urtheil, welches Daumer in der »Polydora« (Bd. I. S. 6) fällt, vollkommen gerechtfertigt. »Es gibt Bücher,« sagt er, »die, wie die bekannte Amaranth, den formellen Charakter der Frömmigkeit und Sittlichkeit tragen, während sie der Sache nach einen empörenden Mangel an wahrhaft religiösem und sittlichem Adel enthalten.« – Barthel 488. Gottschall 3, 250. Schmidt 3, 337. Kneschke 377. 2. A. S. 435. Seinecke 243. Frank 174. Brühl 518. Reuter 125. Gredy 125. 126. Brugier 525. Oskar von Redwitz und seine Dichtergabe. Mainz 1853. Klx. 8, 531. Katholik 1850, 2, 569. Hist. pol. Bl. 23, 682. 30, 35. 31, 847. 39, 209. 42, 927. 47, 60. Hdw. 31, 11. Litz. 1855, 38. 1857, 29. 1860, 417. 1863, 264. Die katholische Welt. Aachen 1868. S. 17. Chilianeum. Neue Folge. 1, 399.
Amaranth. Mainz 1860. 25. A. 1868. – Ein Märchen. Mainz 1850. 5. A. 1853. – Gedichte. Mainz 1. 2. 3. A. 1852. – Sieglinde. Tragödie. Mainz 1853. 2. A. 1852. – Thomas Morus. Historische Tragödie. Mainz 1858. 2. A. 1857. – Philippine Welser. Historisches Schauspiel. Mainz 1859. – Der Zunftmeister von Nürnberg. Historisches Schauspiel. Mainz 1860. – Der Doge von Venedig. Historische Tragödie. Mainz 1863. – Mit einem Königsherzen. Eine Fahrt von München nach Altötting, dem bayerischen Volke erzählt. München 1864. – Hermann Stark. Deutsches Leben. Stuttgart 1869. 3 Bde. – Beiträge in verschiedenen Zeitschriften.
Joseph Kehrein: Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhundert. Zürich, Stuttgart und Würzburg, 1868.
Redwitz Oskar, von, Freiherr, 1823 (Lichtenau bei Ansbach) – 1891, Jurist, Professor, Kämmerer und Dichter; er studierte in Erlangen und München Rechte, unter dem Einfluß W. Molitors entstand sein lyrisch-episches Gedicht »Amaranth«, das durch Verherrlichung des christlichen Mittelalters besonders in katholischen Kreisen begeisterten Widerhall erweckte; nachdem R. dem Juristenberuf keine Neigung abgewinnen konnte, studierte er 1850 bei K. Simrock deutsche Philologie; Leo Graf Thun berief ihn 1851 als Professor für deutsche Literatur nach Wien; seit 1861 lebte er als liberaler Landtagsabgeordneter (1858–1862) in München, Meran und Aschaffenburg, seit 1872 auf dem Schillerhof bei Meran; er endete als Morphinist in einer Heilanstalt; den Bruch mit seiner religiösen Jugend hielt er aufrecht; eine Geschichte seiner Entwicklung gab er in dem Roman »Hermann Stark«; ohne dauernden Erfolg versuchte sich R. in allen Dichtungsgattungen.
Hauptwerke: Gedichte, Thomas Morus (Historisches Trauerspiel), Philippine Welser, Mit einem, Königsherzen, Hymen (Roman), Glück (Roman).
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.