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DR. JOSEF RHEINBERGER
KGL. GEHEIMRAT UND
HOFKAPELLMEISTER 1839 – 1901
FRANZISKA RHEINBERGER-
V. HOFFNAASS 1832 – 1892
1949 NACH VADUZ/LIECHTENSTEIN
ÜBERGEFÜHRT
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Rheinberger, Franziska (vh) / Jägerhuber (gb) / Hoffnaaß, von (ps) [in memoriam]; 18.10.1831 (Maxlrain, Lkr. Bad Aibling/Obb.) – 31.12.1892 (München); Dichterin, Schriftstellerin und Übersetzerin
Rheinberger, Josef Gabriel von, Dr. phil. h. c. [in memoriam]; 17.3.1839 (Vaduz/Liechtenstein) – 25.11.1901 (München); Akademieprofessor, Kapellmeister und Komponist
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Jägerhuber (gb)
von Hoffnaaß (ps)
* 18.10.1831 (Maxlrain, Lkr. Bad Aibling/Obb.)
† 31.12.1892 (München)
Dichterin, Schriftstellerin und Übersetzerin
Nachtrag.
St. Sylvester 1892. Heut als am letzten Tag des Jahres um 4 Uhr Morgens verschied unser theures, unvergessliches Mitglied Frau Franziska Rheinberger. In ihrem Amt als Annalistin des Vereins hat die reichbegabte Frau weder Zeit noch Mühe gespart, um den Annalen den gediegensten Inhalt zu geben, ihnen unter Andrem ihre glänzende Uebersetzungskunst gewidmet, auch finanzielle Opfer zur Beschaffung literarischer Quellen gebracht. Ihre feurige Liebe zum A. A.-Sakrament und die heroische Geduld, mit der sie die ihr auferlegten Schmerzen ertragen hat, geben uns die zuversichtliche Hoffnung, dass Gott sie bald Seiner Anschauung würdigen werde. Wir empfehlen sie dem Gebet aller Mitglieder. R. I. P.
Wen ergreift nicht jetzt doppelt das von der Verewigten früher verfasste Gedicht?:
Trost im Entsagen.
Müde Brust und lahme Glieder!
Auf mein Lager schleich ich matt.
Ach! und draussen blüht der Flieder,
Glühend prangt der Rose Blatt.
Frühling ist's und Mondesstrahlen
Schweben zaub'risch durch die Welt,
Helfen Stimmungsbilder malen
Gott ist's, der den Pinsel hält.
Selig, wer nun Schwingen hätte,
All die hehre Pracht zu seh'n,
Doch mich hält die Krankenstätte...
's wird wohl bald zu Ende geh'n.
Bist du dann für mich verloren,
Grosse, herrliche Natur?
Ward zum Elend ich geboren,
Ist mein Loos entsagen nur?
»Thöricht Kind, wo dein Vertrauen?
Hörst du nicht des Schöpfers Ruf?
Mir wirst du in's Auge schauen,
Mir, der alle Welten schuf.«
(Aus: Dichtungen von Franziska von Hoffmaass. München, Druck u. Verlag v. Ernst Stahl. 1882.)
Annalen der in der Basilika des hl.Bonifazius in München canonisch errichteten Erzbruderschaft zur ewigen Anbetung des Altarssakramentes und zur Unterstützung armer Kirchen und der aggregirten Fililbruderschaften und Zweigvereine. München; 1892.
Todes-Anzeige.
Dem Allmächtigen hat es gefallen, meine innigstgeliebte Gattin,
Frau
Franziska Rheinberger,
geb. Jägerhuber,
zu sich abzurufen. Sie starb nach längerem, schweren Leiden, doch sanft und gottergeben, versehen mit den hl. Sterbsakramenten, heute Früh 4 Uhr. Um stille Theilnahme bittet
München, den 31. Dezember 1892.
der tieftraurnde Gatte:
Jos. Rheinberger, k. Professor und Hofkapellmeister.
Die Beerdigung findet Montag den 2. Januar 1893 Nachm. halb 4 Uhr auf dem südlichen Friedhofe, der Seelengottesdienst Dienstag den 3. Januar um 10 Uhr in der St. Ludwigs-Pfarrkirche statt.
Münchner Neueste Nachrichten No. 1. Sonntag, den 1. Januar 1893.
Von seltenen Frauen, die anregend, fördernd und belebend das Schaffen großer Männer beeinflußten, weiß auch die Geschichte der Musik zu erzählen. Oft waren es thatsächlich vorhandene Reize geistiger, seelischer, wohl auch körperlicher Art, Geistesverwandtschaften, Seelenbündnisse, Zuneigungen, die zu gedeihlicher Wechselwirkung führten, oft waren es Eigenschaften, die eine freigestaltende, Erhofftes und Ersehntes als Wirklichkeit vorgaukelnde Phantasie einer Angebeteten, wohl gar einer überhaupt nur erträumten, andichtete. Jedenfalls waren es in den wenigsten Fällen die angetrauten Frauen, in denen das Ideal der Künstlerseele Verkörperung fand. Man wolle uns nun nicht mißverstehen. Wir reden keiner Geringschätzung des angetrauten Weibes das Wort. — Im Gegenteil! — Wohl ist es wahr, Kunst und Ehe sind bei Licht besehen nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen. Das Reich jener ist nun einmal nicht von dieser Welt, es liegt hinter den Wolken; das Auge des schaffenden Künstlers muß mehr erschauen als die nackte Wirklichkeit der Dinge, die Sehnsucht nach unerreichbaren Zielen muß seinen Blick über das Irdische hinausschweifen lassen. Das Reich dieser ist von dieser Welt. Gegründet auf irdischem Fundament, auf dem Bunde der Körper, steht sie zunächst voll und ganz auf dem Boden der Erde, erstrebt das höchste Glück, das dieser trüglich wankende Planet zu bieten vermag, das Familienleben; aber fester als das Band, das die Sinnlichkeit um die Liebenden schlingt, soll doch das sein, welches die Seelen einander verkettet. Wenn jenes zerfallt, soll dieses den Wechsel der Zeiten überdauern. Daß sich so wenig Ehen von Bündnissen der Körper zu solchen der Seelen erheben, kann man dafür die Ehe verantwortlich machen? Daß sich so wenig Geisteskameraden zusammenfinden, zeugt das gegen die Ehe? Zeugt es nicht vielmehr dafür, daß das geistige und seelische Moment bei der Wahl zu gering angeschlagen wird, oder daß die launische Göttin Fortuna die Schicksalswürfel gar seltsam durcheinander schüttelt und nur Wenigen den »großen Wurf« gelingen läßt? Nun, wie dem auch sei; jedenfalls preisen wir die glücklich, denen er gelang, und zu ihnen gehörte auch — Josef Rheinberger, der Münchener Meister. Ihn hatte ein gütiges Geschick in der treusorgenden Gefährtin des äußeren Lebens eine geistesverwandte Kameradin für das seelische Zusammenleben finden lassen, eine verständnisvolle Würdigerin seines eigenen Wertes, eine schaffenskräftige, schaffensfreudige Mitarbeiterin und Förderin, und reicher Segen war dem seltenen Bunde beschieden. Aber Beständigkeit und Glück — wann haben sie sich jemals die Hand gereicht? Am 31. Dezember 1892 trennte das Schicksal erbarmungslos die beiden Gatten. In den Armen dessen, dem sie, im Leben wie im Tode anzugehören, gelobt, hauchte Franziska Rheinberger ihren Geist aus. »Sie starb als echte, starke Christin!« schrieb der tiefgebeugte Meister dem Verfasser dieser Zeilen. Auf Weihnachten noch hatte er ihr den Klavierauszug seines »Stern von Bethlehem« auf ihr Leidenslager gelegt — sie wollte nichts anderes mehr. Mit leiser Stimme begann sie die Scene »Maria« zu summen; ach; die Augen waren schon fast gebrochen. Plötzlich umnachtete sich ihr Blick, sie gab ihm das Buch zurück und sagte: »Wenn ich den »Stern von Bethlehem« auch nicht mehr hören werde, so werde ich ihn bald sehen!« Doch Zweck dieser Zeilen ist nicht, den Heimgang der edlen Frau zu beklagen, oder dem schwer betroffenen Gatten Trost zu spenden. Das Erstere verbietet sich von selbst. Haben wir Grund die zu beklagen, die des irdischen Daseins Fesseln abgestreift? Und das einzige Trostwort, das in solchen Fällen nicht trivial erscheint, ist wohl auch nur das:
Die trennende Frist
Wie kurz sie ist!
Der Wege wie viel
das gleiche Ziel!
Der Bund, der für diese Welt geschlossen, ihn konnte der Tod zerreißen; an dem Bunde der Seelen erlahmt seine Macht, und selbst für diese Erde bleibt er sichtbar bestehen in den Werken, die von der Geisteskameradschaft, von dem Zusammen-Arbeiten Josef Rheinbergers und Fanny von Hoffnaaß' Zeugnis ablegen. Wir setzen als bekannt voraus, daß sich die Gemahlin des Meisters unter diesem Namen, dem Namen ihres ersten Gatten, verbarg, und wollen nun im folgenden ihrer Bedeutung als Dichterin einigermaßen gerecht werden.
Da ist denn zunächst zu betonen, daß Franziska Rheinberger eine wahrhaft bedeutende Frau, von großer Geistes-, aber noch viel größerer Herzensbildung war, eine Frau, die auf viele Leute, besonders auf viele ihres Geschlechts einen geradezu fascinicrenden Eindruck machte. Mit Leichtigkeit beherrschte sie fremde Sprachen, und bekundete diese ihre Kenntnisse auch in einer Reihe Uebersetzungen aus dem Französischen, Englischen, Italienischen, Spanischen und Lateinischen. In der Musik war sie durchaus at home, besaß in jüngeren Jahren eine prächtige ausgiebige Sopranstimme und eine Treffsicherheit, die in ihrer Unfehlbarkeit im Konzert alle anderen in Schalten stellte. Was aber noch schwerer ins Gewicht fiel, war ihre innige Liebe zu dieser Kunst, ihr tiefes Verständnis, ihr geschulter Geschmack. So war sie nach dieser Seite hin ganz geschaffen, die Lebensgefährtin, die Geisteskameradin eines Meisters der Töne zu sein, aber noch mehr: Die gütige Mutter Natur verlieh ihr noch obendrein die herrliche Gabe poetischer Gestaltungskraft. Was sie, mit offenem Auge und Herzen durchs Leben wandelnd erschaute, was ihr Geschichte und Sage aus längst vergangenen Zeiten zutrug, das wußte sie, in schöne Formen gekleidet, der Mit- und Nachwelt lebendig vor Augen zu führen. Und da sich nun dieser dichterischen Veranlagung das lebensvolle Verständnis für die Welt der Töne zugesellte, so kam es, daß sie zur Textdichterin ihres Gatten wurde. Nicht nur kleinere poetische Ergüsse waren es, die in Form von Liedern (z. B. die Cyklen: »Aus verborgenem Thal«, »am Seegestade« etc.), Duetten (z. B. die herrlichen drei Duette Op. 103 für Sopran und Bariton), Chören (Männer-, Frauen- und gemischten) etc. musikalische Gewandung fanden, vor allem dankt Rheinberger seiner Gattin die Unterlagen zu einer Reihe seiner hervorragendsten größeren Chorwerke. Wir nennen da an erster Stelle »die Legende vom heiligen Christophorus«, der sich würdig anreihen die Chorballaden: »Klärchen auf Eberstein«, »Toggenburg«, »die Rosen von Hildesheim«, »Monfort« etc. Wir nennen weiterhin das »lyrische Intermezzo«: »Maitag«, das zweiaktige, der jugendlichen Welt gewidmete Singspiel: »Das Zauberwort«, die stimmungsvolle Kantaten-Dichtung »der Stern von Bethlehem« etc. Allenthalben offenbart sich eine wirklich dichterisch empfindende und gestaltende Begabung und ein feinfühliges Anschmiegen an die formalen Erfordernisse musikalischer Produktion, ein sorgfältiges Eingehen auf Ausdrucksfähigkeit und Ausdrucksvermögen der Tonkunst. Doch diese Werke mögen getrost für sich selbst sprechen; jedenfalls bedürfen sie unserer Fürsprache nicht, da sie in dem Komponisten einen Anwalt gefunden, mit dem wir uns doch nimmermehr würden messen können.
Anders steht es mit den Werken Franziska Rheinbergers, denen der Gatte nicht die Macht seiner Töne lieh, bez.leihen konnte. Zunächst also die Prosa-Schriften. Da liegt vor uns ein in dem bekannten Reisebücher-Verlag von Leo Wörl (Würzburg) erschienenes Bändchen, das sich »Jenseits des Brenners« betitelt. Aber nicht etwa ein nüchterner Reiseführer, ist die Schrift vielmehr die lebensvolle, anregende Schilderung eines »Ferienausflugs«, den die Verfasserin in das Land jenseits der großen Berge unternahm. An der Hand einer fein empfindenden, poetisch gestimmten Geistesaristokratin wandern wir so durch die Sehenswürdigkeiten der alten Städterepubliken Verona, Mailand, Bologna, Florenz und Venedig dahin. Im Tone ungezwungener Plauderei, in der auch der Gegenwart und einem gesunden Reisehumor ein Teilchen zufällt, werden wir unterrichtet und belehrt über die große Vergangenheit dieser einstigen Kulturzentren; wir erschauen die Wunderthaten italienischer Kunstheroen, wir versetzen uns in die glanzvollen und doch auch so düsteren Zeiten des Cinquecento, unser Blick schweift zurück ins graue Altertum und haftet dann wiederum an großen Gestalten und Ereignissen der neuen und neuesten Geschichte. Tritt nun schon hier eine Neigung der Verfasserin zu historischen Studien und Betrachtungen augenfällig zu Tage, so findet dieselbe doch erst volle Befriedigung in dem Lebensbilde »Maria Felicia Orsinis«, welches sie im Jahre 1888 im Verlag von L. Auer in Donauwörth publizierte. Es kann natürlich nicht unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, ob das Bild, welches uns F. von Hofsnaaß von der Gemahlin Heinrich II., Herzogs von Montmorency, entwirft, auch in allen seinen Teilen begründeten Anspruch auf Aehnlichkeit erhebt, und ebensowenig möchten wir an dieser Stelle mit der Verfasserin über ihren, übrigens schon in dem ersterwähnten Prosaschriftchen sich offenbarenden spezifisch katholischen Standpunkt rechten, jedenfalls aber haben wir hier wie dort Arbeiten vor uns, die von der hohen Begabung derselben, ihren reichen Kenntnissen und eisernem Fleiß glänzendes Zeugnis ablegen. Und was dieselben noch besonders anziehend und wert erscheinen lässt, das ist die nach dichterischer Ausdrucksschönheit strebende Sprache, wie die lebensvolle, nach plastischer Gestaltung ringende Darstellungsweise. Zudem fühlen und empfinden wir beständig die edle phantasiebegabte, herzenswarme Frauenseele, und diese ist es ja auch, die in den poetischen Schriften so überzeugend und gewinnend zu uns spricht, die ihnen ihren eigenartigen Reiz verleiht.
Nicht die Grösse oder Gewalt der Gedanken, die Tiefe oder hinreißende Macht der Empfindung ist es, die Franziska Rheinbergers dichterische Ergüsse so anregend und fesselnd erscheinen läßt, so turmhoch über das erheben, was man gemeinhin mit dem Wörtchen »Goldschnittlyrik« bezeichnet. Nicht eine ungewöhnliche Beherrschung des formalen Teils zeichnet dieselben vor ihresgleichen aus. Was ihnen ihren Wert, ihren Reiz verleiht, ist, wir wiederholen es, der Umstand, daß sie sich als die Emanationen einer edlen, phantasiebegabten, herzenswarmen Frauenseele darstellen. Nirgend wo schämt sich die Dichterin nach Art moderner Emanzipationsnärrinnen ihres Frauentums; die Welt des Geistes, abstrakten Denkens, Grübelns und Forschens überläßt sie neidlos dem anderen Geschlecht. Was sie, offenen Auges, offenen Sinnes und Gemütes dahinwandelnd, in Welt und Natur, im Leben wie im Reiche der Kunst erschaute, das strömt sie — verklärt von dem Seelenadel, der ihr eigen war — in ungekünstelten, von Herzen kommenden Gefühlsergüssen aus. Vor uns liegen die »Dichtungen« (München 1882, Ernst Stahl) — das unter dem Titel: »Am Quell der Wahrheit und des Lebens« bei A. Coppenrath in Regensburg erschienene Bändchen Sonette war uns leider nicht zugänglich. — Hören wir einige Proben. »Gezeichnet« betitelt sich ein Gedichtchen, welches im berg- und waldumrahmten Bad Kreuth, einem Lieblings-Aufenthalt des Rheinbergerschen Paares, entstand:
Es steht ein junger Eichenbaum
in Waldesmitte,
um dessen Stamm zieht sich ein Saum
von rotem Schnitte.
Der Förster hat ihn ausgesucht
zu bald'gem Schlagen;
schon ward sein Schicksal eingebucht:
»In vierzig Tagen«.
Nichts ahnt der Baum. Es grünet fort
in jungen Zweigen,
die sich zum leisen Windeswort
süßrauschend neigen.
Die Vöglein fliegen ein und aus
nach trauter Weise,
noch schwebt im hohen Blätterhaus
das Nest der Meise.
So oft ich schon vorüber kam,
will mich empören
der böse Strich am jungen Stamm
muß immer hören:
Wer wohl von uns sein Zeichen trägt,
indes wir wallen,
Wann ist's, daß mir die Stunde schlägt,
der Axt zu fallen?
Sehen wir hier, wie der »gezeichnete Baum« düstere Gedanken in der Seele der Dichterin erweckt, so wendet sich ihr Blick angesichts des gestirnten Himmels (»Sternennacht«) zu Gott empor:
Heilig ernste Sternennacht,
schweigende, wundersame Pracht
sei gegrüßt, du hehre.
Meine Seele schwebt empor,
strebet hinauf zum Engelchor,
frei der irdischen Schwere.
Künd' du, o Geisterschar,
künd' in Tönen hold und klar
deines Schöpfers Ehre.
Spricht sich hier die tiefe Frömmigkeit der edlen Frau in überzeugender Weise aus, so auch in dem Gedichtchen »Abendläuten«, nur daß das letztere zugleich einen Einblick gewährt in die innige Liebe, mit der sie den Gebräuchen ihrer Kirche zugethan war, in den eigenartigen Zauber, den deren Poesie auf ihr empfängliches Gemüt ausübte:
Willkommen, Kühlung nach der Sonnenglut,
die selbst die Bergesluft bezwungen.
Wie atmet sich der Waldeshauch so gut
von Abendthau und Harz durchdrungen.
Nun wagen sich die Menschen aus dem Haus
und tauschen sich des Tages Kunde,
wohl auch Empfund'nes, Leid und Freude aus...
die Plauderei macht Runde.
»Ave Maria!« tönt vom Türmchen traut,
doch keiner all der Redner schweiget
und keiner lauschet so dem süßen Laut,
daß zum Gebet das Haupt er neiget.
Ach! solche Liebe aus dem Glöckchen bricht:
»Ihr Schäflein all, auch die verirrten,
ich ruf euch an mein Herz. Versteht ihr nicht?
Die Stimme ist's des guten Hirten.
Die Stimme ist's der süßen Mütterlieb',
die nach den Kindlein ihre Arme strecket,
sie all' zu segnen in barmherz'gem Trieb,
bevor des Schlummers Nacht sie decket.«
Aber auch der Humor kommt zu seinem Rechte, und das Bild, welches die Dichterin von den »zwei Rheumatikern«, die sich auf »Wildbads« Waldwegen ergehen, entwirft, ist sicher »nach der Natur« gezeichnet:
A.
Es scheinen sich die Wolken zu zerteilen,
die Luft ist still, der Boden nicht mehr feucht;
das gute Wetter mag ein Stündchen weilen
es schnell zu nützen, wäre klug, mir däucht!
Ach! herrlich ist es hier, in schatt'gem Haine;
ich denk', man setzt sich, ruht ein bischen aus...
wie gut, daß hier ein Brett auf kaltem Steine.
B.
Doch zieht's aus jenem Busch bedenklich 'raus.
Ein Schrittchen weiter. O, Natur, wie wonnig:
Wie fühlt man nach so langer Regenqual
den Wert des kleinen Wörtchens: sonnig!
A.
— O weh — jetzt kommt ein Windhauch aus dem Thal!
Wie wär' es tiefer in den Wald zu dringen,
dort könnte weniger der Zug uns an
und hörten wir die muntren Vöglein singen.
B.
Sie haben recht, fürwahr, ein guter Plan.
O Waldesreich, wie zaub'risch kannst du locken,
gleich Augen funkeln deine Beerlein rot...
Ach Gott!... Die Bank ist ja nicht einmal trocken,
man könnt' sich Krankheit holen oder Tod!
Die Finken haben zugelauscht und lachen
die armen, armen Menschenkinder aus:
»Was wollen die erst für Gesichter machen
im nassen Herbst, bei Sturm und Wintergraus?«
Doch so verlockend es auch erscheint, noch weitere Proben aus dem reichen Inhalt des Bändchens herauszugreifen, so anziehend es wäre, ausführlicher darzulegen, wie Natur und Leben, Kunst und Religion befruchtend wirkten auf die dichterische Phantasie der seltenen Frau, wie diese es verstand, sich geistig dem Manne ihrer Wahl anzuschmiegen — wir müssen uns bescheiden! Unsere Aufgabe konnte nur sein, den Blick zu lenken auf das edle Bild der Heimgegangenen, auf ihre seltene Persönlichkeit und auf die hervorragende selbstschöpferische Bethätigung derselben. Ist das gelungen, dann haben die vorliegenden Zeilen ihren Zweck erfüllt.
Der Chorgesang No. 11. Centralblatt für Instrumentalmusik, Chor- und Sologesang. Leipzig; 1. März 1893.
Rheinberger Franziska, geb. Jägerhuber, 1832 (Maxlrain, Lkr. Bad Aibling/Obb.) – 1892, Lyrikerin, Erzählerin und Übersetzerin; aus einer angesehenen Familie (Besitzer des Schlosses Maxlrain) stammend, genoß R. eine gediegene höhere Schulbildung; sie beschäftigte sich besonders mit Sprachen, schöner Literatur und Musikgeschichte; unter dem Pseudonym Fanny oder Franziska von Hoffnaaß gab die Gattin des Hofkapellmeisters J. von Rh. Gedichte und Erzählungen heraus; sie führte seine Korrespondenz und dolmetschte, wenn Besuche kamen, übersetzte italienische Dichtungen, Hymnen, Motetten, für F. von Lachner das Textbuch der »Barden« von Le Sueur und beschäftigte sich mit fremdsprachigen Volksliedern, sie war überhaupt vielseitig begabt; in Rhs. Tagebüchern finden sich witzige Randbemerkungen, Karikaturen, in denen sie ihrer Laune die Zügel schießen ließ.
Hauptwerke: Dichtungen, Jenseits des Brenners, Maria Felicia Orsini, Am Quell der Wahrheit und des Lebens (Gedichte).
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.
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* 17.3.1839 (Vaduz/Liechtenstein)
† 25.11.1901 (München)
Akademieprofessor, Kapellmeister und Komponist
Joseph Rheinberger.
Am 17. März feiert Joseph v. Rheinberger seinen 60. Geburtstag. Wenn auch der aller Reklame abholde Meister ihn sicher in aller Stille zu feiern wünscht, glaube ich doch nur eine Dankespflicht als Musiker und Schüler zu erfüllen, wenn ich die zahlreichen Verehrer des größten lebenden Kontrapunktisten auf diesen Festtag aufmerksam mache. Gehört doch Rheinberger der Musikgeschichte an und hat er doch als Komponist, wie als Lehrer einen großen Einfluß auf die letzte Musikergeneration geübt. Wir Münchener haben besonderen Grund, auf Rheinberger stolz zu sein, denn schon seit seiner frühen Jugend ist er einer der Unseren, um den uns viele Musiktädte beneiden. Sein Lebensgang war der denkbar einfachste. Geboren am 17. März 1839 in Vaduz, der Hauptstadt des Fürstenthums Liechtenstein, zeigte er schon als Knabe überraschende Anlagen zur Musik. Schon mit acht Jahren bekleidete er den Posten eines Organisten in seiner Vaterstadt, und mit zwölf Jahren bezog er das Münchener Konservatorium, um bei Leonard Klavier, bei Herzog Orgel und bei Maier Kontrapunkt zu studiren. Während die letztgenannten Fächer stets seine Vorliebe blieben, wurde er doch 1859 zunächst an Leonards Stelle zum Klavierlehrer ernannt. Später übernahm er aber die Orgel-und Kontrapunktklassen, denen er heute noch vorsteht. Er hat somit sein ganzes Leben der Schule geweiht, welche aus einem kgl. Konservatorium unter Bülow eine kgl. Musikschule wurde, bis sie 1892 die Bezeichnung »Akademie der Tonkunst« erhielt. Nur kurze Zeit war er außerdem am Hoftheater thätig, dagegen war er viele Jahre hindurch Dirigent der kgl. Vokalkapelle, welche nicht nur in der Allerheiligen-Hofkirche, sondern auch im Odeonssaale unter seiner Leitung eine Reihe der herrlichsten Genüsse darbot. Leider gab er das Amt eines Hofkapellmeisters schon vor einigen Jahren einer jüngeren Kraft ab, um sich einzig dem Lehrberufe zu widmen, zu dem hervorragende Befähigung und Neigung ihn prädestiniren. Zum Professortitel gesellte sich noch der eines kgl. Inspektors der Klavier-, Orgel- und Theorieklassen, und Schüler aus nah und fern strömten herbei, da durch seinen Namen die Musikschule ihren bedeutendsten Aufschwung erhielt. Auch an sonstigen Ehrungen hat es ihm nicht gefehlt. Er ist Mitglied unzähliger Vereine, und von den vielen Orden, welche seine Brust schmücken, ist das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone, mit dem der persönliche Adel verbunden ist, der höchste. Reisen haben ihn nie gelockt. Nur selten verließ er München, um eines seiner großen Werke anderwärts zu dirigiren, aber im Sommer zieht es ihn alljährlich seit über einem Vierteljahrhundert nach Bad Kreuth, wo er neue Stärkung sucht und findet. Sonst »verthut er die schönste Zeit am Schreibtisch und in der Schulstube; es muß ja auch solche Käuze geben« — schrieb er mir selbst letztes Jahr.
Sein ganzes Wirken als Komponist wie als Lehrer ist durch Ernst und Strenge ausgezeichnet. Bei ihm macht man eine musikalische Schule durch, wie sie leider immer seltener wird. Wohl verlangt er viel von seinen Schülern, aber noch mehr forderte er stets von sich selbst, denn sonst wäre es selbst seiner ungeheuren Begabung nicht möglich gewesen, eine derartige Meisterschaft in allen Künsten des Kontrapunktes zu erwerben, wie er sie besitzt. Man kann kühn behaupten, daß kein klassischer Meister in dem Technischen seiner Kunst eine größere Fertigkeit errungen hat als Rheinberger. Von seinen Zeitgenossen ist er im eigentlichen Kontrapunkt unerreicht. Bei ihm bedeutet nämlich Kontrapunkt nicht nur das wahl- und ziellose Aufeinanderpfropfen mehrerer Stimmen, mögen sie nun zu einander passen oder nicht, sondern er beobachtet immer die Gesetze der Schönheit, und während in vielen modernen Partituren manches recht interessant aussieht, aber greulich klingt, huldigt Rheinberger der einigermaßen veralteten Ansicht, daß die Musik doch theilweise wenigstens für die Ohren bestimmt ist. »Ein Musiker muß Ohren haben«, predigt er in seinen Theoriestunden unzählige Male, und in der That ist es erstaunlich, zu beobachten, wie selten die seitlichen Auswüchse am Kopfe die Bezeichnung Ohren verdienen, oder wie ehemals gesunde Gehörwerkzeuge durch Mißbrauch entwerthet oder zerstört werden können.
Aus dem Gesagten erhellt, daß in Rheinbergers Werken die Zeichnung wichtiger ist, als die Farbe, und daß das Gewand, in welches er die Kinder seiner Muse zu hüllen liebt, nicht so glänzend zu sein pflegt, wie es das große Publikum gern sieht. Während er aber in allen Formen der Musik sich als Meister erwiesen hat, ist seine Kunst doch nicht Allen zugänglich, und der schon erwähnte strenge Zug, der allerdings stets mit Vornehmheit gepaart ist, verhindert eine laute Popularität. Am schönsten sind zweifellos seine Orgel- und Kirchenkompositionen. Als gläubiger Katholik hat er eine große Menge Messen, Hymnen u. dgl. für den Gottesdienst verfaßt, und alle Organisten diesseits und jenseits des Ozeans bedienen sich mit Vorliebe seiner Werke. Seine Orgelsonaten gehören zum Besten, was in dieser Art überhaupt eristirt, und die beiden herrlichen Orgelkonzerte sind vielleicht seine hervorragendsten Arbeiten. Auch unter seinen Klavierkompositionen verdienen die Stücke im strengen Stil den Vorzug. Bülow pflegte zu sagen: »Wie Raff Spezialist für Klaviersuiten ist, so ist Rheinberger unerreicht in seinen Toccaten.« Die Kammermusik verdankt unserm Meister auch viele Perlen, für Orchester allein hat er verhältnißmäßig wenig geschrieben: außer der Wallenstein- und der florentinischen Symphonie sind es nur wenige Ouvertüren. Begreiflich ist, daß Rheinbergers Bühnenwerke weniger erfolgreich waren, denn er steht modernen Zeitströmungen ablehnend gegenüber und hat überhaupt wenig Vergnügen an dramatischer Musik, wo manchmal nur »ein paar Takte komponirt werden, damit Einer über die Bühne gehen kann«. Er ist eben absoluter Musiker und bei aller akademischen Vollendung ist ihm ein gesunder Herzenston eigen, der im rein Musikalischen Genüge findet. Dabei hat er die Vokalkomposition durchaus nicht vernachlässigt, sondern in allen Formen gepflegt. Ein- und mehrstimmige Lieder, Chöre für Männer- und Frauenstimmen, mit und ohne Begleitung, namentlich aber Balladen und Kantaten haben seinen Namen auch in der Laienwelt weit bekannt gemacht. Und nicht nur große, sondern auch kleine Leute hat er mit seinen Gaben bedacht, und oftmals lieferte seine Gattin die poetische Unterlage dazu. So schrieb sie mir einst: »Nächstens erscheint eine kleine Oper mit Klavierbegleitung für Kinder, welche ich gedichtet und Curt (dies war der Hausname Rheinbergers) komponirt hat. Der Stoff ist einem Märchen von Hauff entnommen und der Titel heißt »Das Zauberwort«. Ihr gestrenger Lehrer und Kontrapunktist wird Ihnen hiebei in neuem Licht erscheinen.« Und ein andermal: »In den letzten Wochen hat er ein Liederbuch für Kinder komponirt, dreißig Lieder zu neuen Texten. Ich durfte auch Gedichte liefern, und diese Arbeit hat ihn so gefreut, daß er manchmal laut zu lachen anfing, besonders bei dem Lied eines kleinen Geigers, der überall wegen seines Gekratzes ausgewiesen wird, sogar von Vater und Mutter.«
Auch für ausgedehnte Chorwerke schrieb Frau Rheinberger den Text. So veranlaßte z. B. ein himmlischer Sommertag in Vaduz Dichtung und Komposition von »Montfort«, worin die Sage Rheinbergers Heimath verklärt, denn jahrhundertelang haben die Grafen Montfort auf Schloß Vaduz gehaust. Auch die Worte von »Christophorus« und vieler anderer Vokalwerke stammen aus der Feder der Gattin, deren Schriftstellername der ihres ersten Gatten, F. v. Hoffnaas, war. Frau Franziska Rheinberger, geborene Jägerhuber, war eine bedeutende Persönlichkeit von ansgebreitetem Wissen und erlesenem Geschmack. Sie ging ganz im Wirken für ihren Gatten auf und unterstützte ihn in allen seinen Arbeiten. So nahm sie ihm einen Theil der Korrespondenz ab und führte ein genaues thematisches Verzeichniß seiner sämmtlichen Werke. Es sei gestattet, noch einen kurzen Auszug aus einem ihrer Briefe an mich beizufügen, da er ein treffendes Urtheil über Rheinberger enthält und zugleich das schönste Zeugniß für beide Gatten bildet: »Sie können sich denken, wie sehr es mich freut, daß Sie sich durch das Studium Rheinberger'scher Kompositionen augezogen fühlen, nicht nur um seines Ruhmes in Amerika willen, sondern weil ich aus Erfahrung weiß, daß man sich seelisch in guter Gesellschaft befindet, wenn man seine Kompositionen spielt oder hört. Auch sind dieselben durchaus in Harmonie mit seinem eigenen Wesen; man kann daher ihn und seine Werke auf gleiche Stufe stellen. Denken Sie nicht, lieber Freund, daß ich dadurch, daß ich seine Frau bin, einseitig über ihn denke. Seit 31 Jahren kenne ich ihn, seit dieser Zeit beobachte ich ihn mit Verstand und Herz und habe nie — in nichts auch nur die geringste Enttäuschung an ihm erlebt, aber sehr viel durch seinen würdevollen Charakter gelernt.« Nachdem im Dezember 1892 der Tod Rheinberger die treue Gefährtin entrissen hatte, schrieb er mir: »So wird das Leben immer ernster und schließlich wundert man sich, daß man einstens fröhlich war.«
Seit dieser Zeit hat sich der Meister noch mehr von der Oeffentlichkeit zurückgezogen, umsomehr, als auch körperliche Leiden sich immer mehr fühlbar machten. Mit bewundernswerther Gewissenhaftigkeit und strengem Ernst ertheilt er aber noch Unterricht, und seine Schüler, die aus allen musikalischen Ländern des Erdballs stammen, verstehen oft erst nach dem Verlassen der Schule den Werth seiner Lehren recht zu würdigen. Selbst wenn sie auf andere Bahnen als er selbst gerathen sollten, müssen sie sich doch darüber klar werden, daß man schwerlich eine solidere kompositorische Grundlage als bei Rheinberger erringen kann. Bach und Mozart sind seine Lieblinge, und bei Besprechung ihrer Werke geräth der sonst in den Unterrichtsstunden kühle Mann in förmlichen Enthusiasmus und preist in den wärmsten Worten ihre Vorzüge. Außerhalb der Schule ist der Meister von gewinnender Freundlichkeit und bleibt seinen Schülern ein wohlgesinnter Freund.
So steht in Rheinberger eine vornehme, künstlerische Persönlichkeit vor uns, welche stets edle Musik in technischer Vollendung darbietet, denn so groß die Zahl seiner Werke ist, man wird nichts banales unter ihnen finden. Im Ausland ist er als einer der größten zeitgenössischen Komponisten gewürdigt, und als Lehrer des Kontrapunktes gilt er als der Erste unter den lebenden. In Deutschland scheint man bisweilen seine Bedeutung zu unterschätzen, da er die wechselnden musikalischen Moden nicht alle mitgemacht hat und entschieden nicht »neudeutsch« zu nennen ist. Vielleicht gibt aber die Zukunft einmal dem einsamen Münchener Meister recht, der vieles in der modernen Musik für eine Zeitkrankheit erklärt. Ist doch jetzt schon vielfach eine erfreuliche Umkehr zu beobachten, wie sie sich unter anderem in dem erneuten sorgfältigen Studium der Werke Mozarts kundgibt. Jedenfalls haben wir Münchener allen Grund, mit Stolz auf Rheinberger zu blicken, der die Münchener Akademie der Tonkunst weit über die Grenzen unsres Vaterlandes durch den Glanz seines Namens berühmt genmcht hat. Möge ihm ein langer, gesegneter Lebensabend beschieden sein!
W. Pz.
Allgemeine Zeitung Nr. 75. München; Donnerstag, den 16. März 1899.
Münchener Tagesneuigkeiten.
München, 14. Oktober.
Ein Rheinberger-Denkmal. Im Campo santo des südlichen Friedhofs, der so reich an prächtigen Denkmälern ist, wurde in den letzten Tagen ein neues Grabdenkmal errichtet, das sich durch seine Eigenart und großzügige Einfachheit auszeichnet. Es erhebt sich über der an der Südwand unter den Arkaden nächst der Kapuzinerstraße befindlichen Gruft des Komponisten Dr. Joseph v. Rheinberger und seiner hochbegabten, treuen Lebensgefährtin Franziska. Die Büsten der beiden sind in Vollrelief in einer Nische angebracht; von größter Naturtreue, wirken sie in ihrer schlichten Vornehmheit ungemein lebensvoll; der feine, liebenswürdige Zug im Antlitz des Maestro ist dem Künstler vorzüglich gelungen, auch die besondere Schwierigkeit, das Porträt in voller Naturtreue mit der Brille wiederzugeben, ist aufs glücklichste gelöst. Als eine vorzügliche Idee verdient der pyramidenartige Abschluß nach oben mit dem Relief des heiligen Christophorus, dem Titelträger der gleichnamigen symphonischen Dichtung Rheinbergers, wozu ihm seine Gattin den Text schrieb, hervorgehoben zu werden. Der monumentale Charakter des Denkmals wird gehoben durch die Pilaster zu beiden Seiten der Porträts, die auf dem einfachen Sockel ruhen, der die Geburts- und Sterbeangaben trägt: Joseph Rheinberger, 17. März 1839 – 18. November 1901. Vaduz-München. Franziska Rheinberger, geborene Jägerhuber 19. Oktober 1831 – 31. Dezember 1902. München. Rechts und links vom Sockel befinden sich zwei allegorische Reliefs in origineller Auffassung und Ausführung: die Instrumentalmusik, dargestellt durch einen Flötenspieler in sitzender Stellung, der Gesang durch ein Mädchen, das voll Entzücken dem Lied eines auf seiner Hand sitzenden Vögleins lauscht. Das Denkmal, zu dessen plastischer und architektonischer Ausführung in vorteilhafter Weise dunkler, ungeschliffener Schiefer verwendet wurde, ist das Werk des Bildhauers Heinrich Jobst; den architektonischen Teil führte ein Neffe des Komponisten, der Architekt und Bildhauer Egon Rheinberger in Wien, aus.
Generalanzeiger der Münchner Neuesten Nachrichten Nr. 482. Donnerstag, den 15. Oktober 1903.
Rheinberger Josef Gabriel, Dr. phil. h. c., von, 1839 (Vaduz/ Liechtenstein) – 1901, Komponist, Akademieprofessor und Hofkapellmeister; er studierte in München und war seit 1859 Lehrer der Musiktheorie, später Repetitor an der Münchner Hofoper, Professor und Inspektor der Musikschule, seit 1877 auch Hofkapellmeister (1899 verlieh ihm die Universität München den Dr. phil. h. c.); als Komponist stand R. unter dem Einfluß von Mendelssohn und Schumann; er war ein vorzüglicher Lehrer des Orgelspiels, der Komposition und des Kontrapunkts, seine Kunst galt vor allem kirchlichen Zwecken; R. ist der Hauptvertreter der Münchner neuromantischen Schule.
Hauptwerke: Symbolisches Tongemälde »Wallenstein«; Opern »Die sieben Raben« und »Türmers Töchterlein«; Kinderoperette »Das Zauberwort«; Oratorium »Christophorus«; 14 Orgelsonaten, zahlreiche – liturgisch gut verwertbare – Messen; insgesamt über 100 Werke; seine Schöpfungen sind Ausdruck hoher Begabung und gediegener künstlerischer Bildung nach der klassischen Richtung hin; Rs. Werke werden heute noch gerne gehört; die Särge von ihm und seiner Gattin, der Dichterin Franziska Hoffnaaß wurden nach Zerstörung der Gruft in Rs. Heimat überführt.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.