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NA – 171 (Courten · Klenze · Otting-Fünfstetten · Pütz)

Ω

Büste von Halbig

GRABDENKMAL DER FAMILIE v. KLENZE

Linke Spalte

LEO von KLENZE
Architekt
königl. bayr. Kämmerer u. wirklicher
geh. Rat, Grosskreuz. Kommandeur
u. Ritter vieler hoher Orden. Mitglied
mehrerer gelehrter Gesellschaften
Ehrenbürger
von München und Regensburg
geb. zu Hildesheim 29. Febr. 1784
gest. zu München 26. Jan. 1864

Dessen Gattin
FELIZITAS von KLENZE
* 10. Juli 1794 † 9. Nov. 1844
Deren Kinder
MAX, CAROLINE u. EUGEN.
LEO von KLENZE
* 6. Juli 1853 † 4. Dez. 1870 in Weihenstephan
EMILIE von KLENZE
geborene Farmer of Nunsuch-Park
* 6. Okt. 1813 † 8. Aug. 1878.
SOPHIE GRÄFIN von
OTTING-FÜNFSTETTEN
geb. von Klenze,
* 28. Febr. 1821 † 25. Dez. 1849
KURT von KLENZE
23. Sept. 1883 † 8. Jan. 1885
HIPPOLYT von KLENZE
kgl. Kämmerer, Inhaber hoher Orden
Dr. phil. k. b. Kjk. u. Kunstmaler
* 12. Aug. 1849 † 30. April 1892
IRMA von KLENZE
29. Jan. 1874 † 8. März 1898
MARIE von KLENZE
* 17. Juni 1846 † 18. Sept. 1918
MAX von KLENZE
k. b. Kammerherr u. Hauptmann a. D.
* 5. Sept. 1841 † 25. April 1924

Rechte Spalte

MARY ELLISON von KLENZE
geb. van Bokkelen
* 7. Aug. 1850 † 21. April 1926.
EVERILDA von PÜTZ
geb. von Klenze,
* 21. Nov. 1843 † 20. Juli 1926.
SOPHIE von KLENZE
geb. Edle von Maffei,
* 25. Febr. 1845 † 10. Okt. 1934
WILHELM von KLENZE
k. b. Kammerjunker
geb. zu München 6. Juli 1875
gest. zu München 2. Juli 1936

Sockel Linke Seite

¿ März 1874 ¿
¿ENE A¿
GRÄFIN v. COURTEN
geb. von KLENZE
6. NOV. 1850 † 16. April 1916
ANGELO
GRAF von COURTEN
* 10. Jan. 1848 † 15. Dez. 192¿

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Angelo Graf von Courten

* 10.1.1848 (Bologna)
† 15.12.1925 (München)
Genremaler, Historienmaler und Portraitmaler

Allgemeines Künstler-Lexicon (1895)

Courten, Angelo de, Genre- und Historienmaler, geb. 1848 in Bologna, wurde in München, wo er seinen Wohnsitz nahm, Schüler von Karl v. Piloty. Unter seinen durch die Ausstellungen bekannt gewordenen Bildern sind zu nennen: Zwei neue Opfer, Einzug des Siegers vom Wagenrennen, Der Anachoret, Der Amphorenhändler, Die Blumenverkäuferin, Allegorie auf den Tod König Ludwigs II. von Bayern, Leo XIII. in der Sixtinischen Kapelle am Jahrestage seine Krönung.

Allgemeines Künstler-Lexicon. Leben und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. Vorbereitet von Hermann Alexander Müller. Herausgegeben von Hans Wolfgang Singer. Erster Band. Frankfurt am Main, 1895.

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Felicitas von Klenze (vh)

Blangini (gb)
* 10.7.1794 (Turin)
† 9.11.1844 (München)
Komponistin, Musikerin (Viola/Violine) und Sängerin

Der Bayerische Volksfreund (15.11.1844)

Deutschland.
Bayern.

München, 14. Nov. Gestern wurden die irdischen Ueberreste der am Sonntag dahin geschiedenen Frau v. Klenze, k. geh. Rath- und Hofbauintendantensgemahlin unter Begleitung unzähliger Flambeaux feierlichst zur Erde bestattet. Diese treffliche geistvolle Dame hinterläßt ein segenreiches Andenken, ihr Tod wird unter allen Ständen tief beklagt.

Der Bayerische Volksfreund No. 183. München; Freitag, den 15. November 1844.

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Hippolyt von Klenze

* 12.8.1849 (München)
† 30.4.1892 (Mittelberg/Walsertal)
Tiermaler

Allgemeine Zeitung (2.5.1892)

Statt jeder besonderen Anzeige nur auf diesem Wege.

Todes-Anzeige.

Gottes unerfoschlichem Rathschlusse zufolge verschied plötzlich und unerwartet unser meistgeliebter Gatte, Vater, Bruder, Onkel und Schwager,

Herr Dr. Hippolt von Klenze,
k. Kammerjunker, Ritter hoher Orden,
42 Jahre alt, zu Mittelberg in Vorarlberg.

München, 30. April 1892.

Ellie von Klenze, geb. Bokhelen als Gattin mit ihren Kindern Mariska und Wilhelm.
Max von Klenze, k. Kammerherr und Hauptmann a. D. im Namen der übrigen Geschwister und Verwandten.

Die Beerdigung findet Dienstag den 3. Mai, Nachmittags 3½ Uhr, im südlichen (alten) Friedhofe, der Gottesdienst Freitag, den 6. Mai, Vormittags 10 Uhr, in der St. Ludwigs-Pfarrkirche statt.

Allgemeine Zeitung Nr 122. Abendblatt. München; Montag, den 2. Mai 1892.

Allgemeine Zeitung (2.5.1892)

Aus dem Kunstleben.

Hippolyt v. Klenze †. Wir werden durch die schmerzliche Kunde überrascht, daß der Maler und k. Kammerjunker Dr. Hippolyt v. Klenze Samstag den 30. April auf einer Reise in Mittelberg in Vorarlberg an einem Herzschlag plötzlich verschieden ist. In ihm verliert die Künstlergenossenschaft eine organisatorische Kraft von Bedeutung. Seine letzten Pläne und Gedanken, selbst auf der Reise, gehörten noch der vor der Thüre stehenden Ausstellung und ihren Einrichtungen. Im Kampfe der »Jungen« mit den »Alten« stand er mit Feuereifer auf der Seite der letzteren und spielte bei den sog. »Achtundvierzigern« eine entscheidende Rolle.

Wir selbst verlieren an ihm einen eifrigen und überzeugungstreuen Mitarbeiter. Den Monat Mai beabsichtigte er seiner Erholung zu widmen, um bei Beginn der Ausstellung hier am Platze zu sein. Klenze hat ein Alter von nur 42 Jahren erreicht; er hinterläßt eine Wittwe und zwei Kinder in Trauer und Bestürzung. Alle, die ihn kannten, werden dem liebenswürdigen Menschen und Künstler ein treues Gedenken bewahren.

Ueber den Verstorbenen gehen uns noch nachstehende Daten zu: Dr. Hippolyt v. Klenze ist am Samstag Morgen fern von München in Mittelberg, dem Hauptorte des gleichnamigen Thales in Vorarlberg, wo er der Spielhahnjagd oblag, plötzlich verschieden. Er war in München am 12. August 1849 geboren, wurde in einem Institute bei Stuttgart erzogen und besuchte dann die landwirthschaftliche Centralschule in Weihenstephan. Nach deren Absolvirung bewirthschaftete er selbständig ein Gut und kehrte 1873 nach München zurück, um hier wissenschaftlichen Studien an der Polytechnischen Hochschule und an der Universität obzuliegen; namentlich arbeitete er in physiologischer Chemie und lieferte alsbald in dieser Richtung und zwar speciell in der Milch-Chemie, nennenswerthe Arbeiten. Auf Grund bodenphysikaliscker Arbeiten promovirte v. Klenze im Jahre 1876 in Göttingen als Doctor der Philosophie. Nach München zurückgekehrt, arbeitete er fast ausschließlich im Fache der Milch-Chemie und wurde im Jahre 1877 zum Vorstande des neuerrichteten Molkereiinstitutes in Weihenstephan ernannt. Da die Entwicklung dieses Institutes nicht in der von ihm gewünschten Weise erfolgen konnte, nahm er seine Entlassung und trat in die Dienste Sr. k. H. des Prinzen Ludwig von Bayern, in welcher Stellung er sich auf den ungarischen Herrschaften des Prinzen und der Prinzessin Ludwig vorzüglich der Entwicklung des Molkereiwesens widmete.

Krankheit zwang ihn, aus dieser Stellung zu scheiden, worauf er aufs neue sich den physikalischen und chemischen Wissenschaften, sowie den schönen Künsten, in denen er bis dahin mehr als Dilettant gearbeitet hatte, in ernstester, gründlichster Weise zuwandte. Namentlich verstand H. v. Klenze, die Thiere der Alpenwelt und die Jagd in Wort und Zeichnung lebenswarm darzustellen; für die bildliche Darstellung waren seine Lehrer und Leiter die Maler Roth und Schmitzberger. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind zu nennen: Das »Handbuch der Käsereitechnik«, »Der praktische Milchwirth«, die »Geschichte der Alpwirthschaft im Fürstenthum Liechtenstein«, die «Culturhistorische Skizze über den Mittelberg« und viele Abhandlungen in der »Milchzeitung« und in der »Zeitschrift des Landwirthschaftlichen Vereins in Bayern«, in welcher er u. a. Studien über die englische Landwirtschaft veröffentlichte. Schnelle Auffassung und glückliche Dialektik zeichnen H. v. Klenze’s Arbeiten aus.

Seit einigen Jahren war der Verewigte auch in den Vorstand der Münchener Künstlergenossenschaft gewählt worden, für welche er sowohl in den Verhandlungen und Versammlungen, als auch in zahlreichen schriftlichen Arbeiten eine sehr rege, energische und fruchtbare Thätigkeit entwickelte. Schon länger kränklich, starb er doch ganz unerwartet in seinem Tusculum Mittelberg, wo er am letzten Donnerstag Abend eingetroffen war.

Allgemeine Zeitung Nr 122. Abendblatt. München; Montag, den 2. Mai 1892.

Allgemeine Deutsche Biographie (1906)

Klenze: Hippolyt von K., Gutsbesitzer, Chemiker und Thiermaler, geboren am 12. August 1849 in München, † am 30. April 1892 zu Mittelberg im Walserthal (Vorarlberg). Sein Vater Hippolyt M. Heinrich v. K., geboren 1814 zu München, der Sohn des berühmten Baumeisters Leo v. Klenze (s. A. D. B. XVI, 162), trat in das Cadettencorps und diente dann 34 Jahre lang in der bairischen Armee, wo derselbe schon während seines ersten Commandos, in das 6. Jägerbataillon einen frischeren Geist brachte, als dem damaligen Gamaschenknopf-Wesen beliebt war; so kam es beispielsweise vor, daß die Jäger zum allgemeinen Staunen, in französischem ziemlich legerem Laufschritt durch die Stadt trotteten. Voll Uneigennützigkeit und Aufopferung für Andere, sorgte K. wie ein Vater für seine Mannschaft. Streng und unerbittlich im Dienst, versäumte er keinen Anlaß ihnen auf seine Kosten eine Freude zu machen: unter großen Schwierigkeiten führte er zuerst den Morgenkaffee und dann auch die Abendsuppe in seinem Bataillon ein. Später commandirte er als Oberst das 3., dann das 2. Infanterieregiment. König Max II. beehrte ihn mit seiner besonderen Attention. Nach dem Ableben desselben 1864 schied K. infolge persönlicher Differenzen ganz aus dem Dienst und lebte nunmehr einzig der Familie bis zu seinem am 6. März 1888 erfolgten Tode, selbstlos nur für Andere bedacht.

Bei seinem gleichnamigen Sohne Hippolyt K. trat frühzeitig die Neigung zur landwirthschaftlichen Praktik hervor, womit der Urgroßvater, trotz seiner juridischen Bildung, als physiokratischer Oekonom auf seinem kleinen Besitzthum zu Bokenau (bei Hildesheim) experimentirt hatte. Theils im mütterlichen Hause, theils in einem Institut zu Cannstatt erzogen, absolvirte H. K. die landwirthschaftliche Schule zu Weihenstephan und verwaltete selbständig ein kleines Gut, oblag 1875 zu München wissenschaftlichen Studien am Polytechnikum und der Universität, wo er in physiologischer Chemie und namentlich in Milchchemie experimentirte. Mit einer Schrift »Untersuchungen über die kapillare Wasserleitung im Boden und die Sättigungskapazität desselben für Wasser« (Berlin 1876) promovirte K. zu Göttingen. Nach München zurückgekehrt, arbeitete K. fast ausschließlich im Fache der Milchchemie und wurde 1877 zum Vorstand des neuerrichteten Molkereiinstituts in Weihenstephan ernannt. Da die Entwicklung dieses Etablissements nicht in der von ihm gewünschten Weise erfolgen konnte, nahm er seine Entlassung und trat in die Dienste des Prinzen Ludwig von Baiern, wo K. auf den ungarischen Gütern desselben das Molkereiwesen betrieb. Indessen zwangen ihn die Pußtenfieber auch aus dieser Stellung zu scheiden, worauf er sich aufs neue den physikalischen und chemischen Wissenschaften zuwendete und seine Erfahrungen auf vielen Reisen in England, Deutschland, Schweiz und Italien erweiterte. Die Resultate seiner Forschungen verarbeitete K. in seinen Büchern. Dazu gehören: »Die Alpenwirthschaft im Fürstenthum Lichtenstein, ihre Anfänge, Entwicklung und gegenwärtiger Zustand« (Stuttgart 1878); die Broschüre über »Die deutsche Grenzsperre gegen Oesterreich und die baierische Landwirthschaft« (Stuttgart 1880) und sein umfangreiches Hauptwerk »Handbuch der Käserei-Technik« (mit 194 Holzschnitten und 33 autotyp. Tafeln. Bremen 1884. XVI, 643 S.), worauf noch (mit Pfarrer Jos. Fink) die Monographie über »Mittelberg« (»Geschichte, Landes- und Volkskunde des ehemal, gleichnamigen Gerichts«, Mittelberg 1891) erfolgte. Auch veröffentlichte K. viele Abhandlungen in der »Milch-Zeitung« und in der »Zeitschrift des Landwirthschaftlichen Vereins in Baiern«, insbesondere Studien über die englische Landwirthschaft; als besondere Anerkennung erhielt K. die Coburgische Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft und das Ritterkreuz des Sächsischen Ernestinischen Hausordens.

Inzwischen erfolgte eine Veränderung. Das Künstlerblut regte sich: K., welcher bisher als Dilettant immer malte, begann unter dem Landschaftsmaler Philipp Roth und den Thiermalern Guido v. Maffei und Jos. Schmitzberger ernstliche Studien über die Thiere der Alpenwelt und Jagd darzustellen. In wenig Jahren schuf er eine Reihe von Bildern, die durch Naturwahrheit und Technik ihm einen geachteten Namen in der Künstlerwelt erwarben; darunter »Wilderers Ende« (in »Die Kunst unserer Zeit« 1892 S. 64). Der edle Jagdsport kann auf internationales Verständniß rechnen. Seine verbellenden Hunde, Edelwildstücke, Gemsen und Geier, Marder und balzende Auerhähne (Nr. 2654 Illustr. Ztg., 12. Mai 1894), Schneehühner, Wildkatzen, Fasanen und Adler, waren in Deutschland ebenso gut bekannt wie in London, Amerika und Ungarn, sogar der Schah von Persien, der im Sommer 1889 durch Kassel kam und dort die Sportausstellung besuchte, erwarb drei Bilder Klenze's, der es übrigens mit einer den Laien verblüffenden Findigkeit bestens verstand alle Thiere als Modelle seinem Atelier dienstbar zu machen. Auch die Radirnadel handhabte K. mit excellenter Sicherheit, wie die Blätter »Hühnerjagd«, »Auerhahnbalz« und »Kämpfende Gemsböcke« beweisen. Ob allerlei Vorkommnissen bei den Jahres-Kunstausstellungen gründete K. 1891 mit anderen Gesinnungsgenossen und Freunden die Gesellschaft der »Achtundvierziger« (ihr Name entstand aus der Anzahl der ersten Mitglieder, welche sich später nur sehr mäßig ergänzten) und gleich der »Secession« und anderen ähnlichen Gründungen, wie die »Scholle«, die »Elfer« und »Dachauer« mit großen, meist sehr bescheiden verwirklichten Zukunftsplänen zum Heile der Kunst sich trugen. (Vgl. den Bericht ihres Stifters in Nr. 75 Allg. Ztg. vom 15. März 1892.)

Seit 1873 mit Miß Ellie van Bokhelen verheirathet, richtete er sich 1879 im schöngelegenen Dörfchen Mittelberg (im Vorarlberger Walserthale) eine behagliche Villeggiatur ein; hierher hatte er sich am 28. April 1892 begeben, um nach einem unbehaglichen Münchner Winter als Jäger und Maler der Spielhahnbalz obzuliegen und Studien zu einem bekannten österreichischen Volkstrachtenwerk zu sammeln. Eine leise bange Ahnung schwebte ihm vor; am 30. Morgens erhob er sich ganz heiter, bestellte seine frugale Frühkost; als diese gebracht wurde, hatte ein Schlag sein Leben schon beendet. Sein Begräbniß am 3. Mai in der Familiengruft des Campo santo zu München gestaltete sich zu einer ehrenreichen Ovation von Adel und Künstlerschaft. Reger Geist, vielseitige Bildung, Witz und Humor machten ihn zum angenehmsten Gesellschafter; seine liebenswürdige Hülfsbereitheit und unermüdliche Gefälligkeit schufen ihm in allen Kreisen Freundschaft und anerkennende Hochachtung.

Vgl. Kunstvereins-Bericht für 1892, S. 70. – Fr. von Bötticher, 1895. I, 695. – Singer, 1896. II, 349.

Hyac. Holland.

Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1900.

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Leo Ritter von Klenze

* 28.2.1784 (Buchladen Gemeinde Schladen Kr. Goslar)
† 27.1.1864 (München)
Architekt

Artistisches München im Jahre 1835 (1836)

Klenze, Leo v., aus einer Familie, deren Stammgut, desselben Namens, an der mecklenburgischen Grenze liegt, welche aber in den Reformations-Kriegen nach dem Fürstenthume Hildesheim auswanderte, ward am 29. Feb. 1784 am Fuße des Harzgebirges auf einem Gute seines Vaters, eines angesehenen Justizbeamten, geboren.

Seiner äußerst sorgfältigen Erziehung ward die Richtung einer zukünftigen Carriere im Staatsleben gegeben, obwohl als Kind schon eine entschiedene Vorliebe zu allem, was plastische Kunst heißt, an ihm bemerkbar wurde. In diesem Kampfe eigener Vorliebe und Anlage, und dem Willen und Wunsche der Eltern und Lehrer verging seine erste Jugend, und schon mit zurückgelegtem 13ten Jahre ward der Knabe reif erachtet, um auf das Collegium Carolinum nach Braunschweig geschickt zu werden, welches eine damals allgemein berühmte und unter Eschenburgs Leitung stehende Anstalt war, worin Jünglinge aus den ersten Familien, und besonders viele Kur- und Liefländer, Polen und Engländer die Jahre zwischen der Schule und der Universität zubrachten.

Ohne hier gerade das Studium der Sprache, Geschichte, Mathematik, Physik u. s. w. zu versäumen, widmete sich der Knabe doch vorzugsweise dem Studium der Architektur und Zeichnung unter der Anleitung des Professors Katzut, welcher in Braunschweig an der vielleicht in Deutschland damals einzigen polytechnischen Lehranstalt viel Gutes wirkte.

Nach zweijährigem Aufenthalte in Braunschweig, und einiger Zwischenzeit, welche Klenze im väterlichen Hause mit Selbststudium und beständigem Streben, die väterliche Bewilligung zum Studium der höhern Architektur zu erlangen, zubrachte, ward er im 16ten Jahre nach Berlin geschickt, um dort seine Sprach- und allgemeinen Kenntnisse zu erweitern, wobei jedoch auch die Erlaubniß erfolgte, die Bauakademie zu besuchen, um sich in den sogenannten cameralistischen Zweigen dieses Faches, welche man zur allgemeinen Bildung nöthig glaubte, einige Kenntnisse zu erwerben.

Daß dabei strenges Verbot und Warnung gegen jede eigentlich artistische Richtung der Studien erging, kann und muß man sich aus jener Zeit erklären, welche freilich noch weit entfernt war, in der politischen Erniedrigung und Stellung Deutschlands den Aufschwung ahnen zu lassen, welchen es 20 Jahre später in der plastischen Kunst nehmen sollte.

Entfernt vom väterlichen Hause konnte der Jüngling jedoch freier seinem innern Triebe folgen. Er hatte Gelegenheit erlangt, in dem Hause des bekannten geheimen Oberbauraths Gilly Eingang, Wohnung und bald das volle Vertrauen des Hausherrn zu finden, welcher Vater des für die Kunst leider zu früh verstorbenen Friedrich Gilly war. An den nachgelassenen Zeichnungen und Studien desselben, und in den Vorlesungen des Hofraths Hirt, und dem Unterrichte des Landschafters Rüsel fand der Jüngling reichen Stoff für seine Wiß- und Lernbegierde, welche hier endlich des hemmenden Zügels entlediget, ihn so schnell dem Ziele des Unterrichts entgegenführte, daß er nach 2½ Jahren seinen Eltern anzeigen konnte, er habe schon die Examina mit allem möglichen Erfolge überstanden, und werde sich nun durch nichts mehr einer Kunst entziehen lassen, welche er für die Bestimmung seines Lebens halte. Es hörte nun aller Widerstand auf, und es ward selbst die väterliche Zustimmung zu einer Reise durch Frankreich und England gegeben, welche Klenze einem Anerbieten augenblicklicher Anstellung in preußischen Diensten, welches ihm der damalige, ihm sehr wohlwollende Minister Graf von Schulenburg machte, vorzog.

Diese Reise sollte nur einige Monate dauern, aber in Paris angelangt, fand der junge Architekt noch so vieles zu lernen, daß er sich entschloß, förmlich als auswärtiger Zögling in die polytechnische Schule einzutreten, wo er mehrere Jahre den Unterricht eines Duram, Hasenfratz, Monge, Biot, Fourcroy und Bourgeois genoß, und endlich im Jahre 1805, nach einem kurzen Aufenthalte im väterlichen Hause, nach Italien ging. Hier nun, und zwar in Genua, sollte sich der Knoten seines zukünftigen praktischen Lebens durch Zufall schürzen. Klenze zeichnete in dem prachtvollen Vestibule eines genuesischen Pallastes, als ein Mann zu ihm trat, und sich als Franzose und Eigenthümer oder Bewohner des Pallastes, zu aller Hülfsleistung, Herbeibringen von Stuhl und Tisch, Oeffnen aller Gemächer etc. erbot, und als einen großen Freund der Architektur ankündigte. Empfehlungen und Zutritt in ein diesem Manne sehr befreundetes Banquier-Haus, vermehrten die Berührungspunkte, und der junge Architekt wurde so während seines Aufenthaltes in Genua näher mit diesem Manne bekannt.

Jedoch ward diese vorübergehende Verbindung durch Abreise und Studien bald wieder locker und abgebrochen, als der verhängnißvolle Krieg von 1806 und 1807 Klenzes Geburtsland dem neugebildeten Königreiche Westphalen einverleibte, und jenen genuesischen Bekannten an den Hof des Königs Jerome in die einflußreiche Stellung eines General-Intendanten des königlichen Hofes führte. Dort erinnerte er sich sogleich des reisenden Architekten, und dieser erhielt in Mantua, auf der Rückreise aus Italien nach Wien begriffen, die Aufforderung, sich sogleich an den neugebildeten Hof von Kassel zu begeben, woselbst er auch im November 1808 ankam.

Als Hofarchitekt, und später als Hofbau-Direktor angestellt, konnte Klenze zwar an diesem inkonsequenten Hofe keine Werke ausführen, welche seinen spätern Schöpfungen an die Seite gestellt werden dürfen, jedoch hatte er Gelegenheit, sich im Geschäftsleben auszubilden, in der Ausführung architektonischer Entwürfe und Ueberschläge, so wie im Praktischen der Konstruktion, Leichtigkeit und Sicherheit zu erwerben. In diese Zeit seines Aufenthaltes in Kassel fällt noch eine zweite Reise nach Frankreich und Italien. Doch Deutschlands Befreiungsperiode nahete heran, und der 28. Oktober 1813 hob mit der Existenz des Königreichs Westphalen auch Klenzes Wirksamkeit darin auf, und er entschloß sich, einige Zeit, und bis der hergestellte Friede ihm erlauben würde, seine praktische Wirksamkeit wieder anzuknüpfen, blos der Kunst und ihrem Studium ein contemplatives Leben zu widmen.

Privatverhältnisse führten Klenze in dieser Epoche nach München, wo er so glücklich war, dem kunstliebenden Kronprinzen Ludwig bekannt zu werden, und in Ihm einen Herrn zu erkennen, von welchem die Kunst alles das erwarten mußte, was Derselbe ihr jetzt schon geleistet hat.

Das große Monarchen-Schauspiel des Kongresses zog Klenze dann nach Wien, und von dort wieder nach Paris, woselbst er, da sich in Deutschland noch nichts gestaltet hatte, was ihm hinreichend zusagte, vorerst zu bleiben beschloß. Doch die Zurückkunft Napoleons und die darauf folgenden Kriegsereignisse störten die Ruhe Frankreichs und den Lebensplan, welchen Hr. von Klenze darauf gebaut hatte, führten aber auch den kunstliebenden Kronprinzen von Bayern nach Paris, welcher dort die frühern gnädigen Gesinnungen gegen ihn von neuem bewährte.

Hr. v. Klenze war bei der Anwesenheit vieler deutscher Machthaber in Paris aufgefordert worden, den einen oder den andern sehr vortheilhaften Ruf anzunehmen, als ihm durch Verwendung Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen der ehrenvolle Ruf als Hofarchitekt in bayerische Dienste, zukam, welchem Folge zu leisten, er allen andern vorzog.

In München angelangt, war die Glyptothek sein erstes Werk. Ihr folgte das Hotel des Herzogs von Leuchtenberg, die Anlage des neuen Stadttheiles vor dem ehemaligen Schwabingerthore, die neue Reitbahn und viele Privathäuser.

Durch Mangel an Gelegenheit und Uebung waren in München die meisten der zur architektonischen Ausführung nöthigen Kunstfertigkeiten und Gewerbe, so wie der administrative Theil dieser wichtigen Kunstwissenschaft sehr gesunken. Mit Kraft und ohne die bei seinem Berufe und seiner Stellung in einem fremden Lande unvermeidlichen Hindernisse und Anfeindungen zu scheuen, suchte Hr. von. Klenze jneem Mangel abzuhelfen, welches ihm auch bei einer empfänglichen Nation bald gelang.

Die Glyptothek war in ihrer Auffassungsart ein neues Werk zu nennen, welches der Erfolg nun längst bewährt hat, und das Gebäude, woran in Deutschland zum erstenmale wieder die Architektur, welche weltgeschichtliches Erforderniß im griechischen Geist gebildet hatte, in ihrer Reinheit erschien.

Das Hotel des Herzogs von Leuchtenberg, so wie die neue Reitbahn, waren Bauten, wobei der Architekt durch die Bedingnisse des Bauherrn und des Bauplatzes im höchsten Grade an einer freien Schöpfung gehindert war, welchen man jedoch reinen Styl und Zweckmäßigkeit nicht absprechen konnte.

In den von Hrn. v. Klenze angegebenen Privathäusern war das Streben deutlich, die Größe und Reinheit italienischen Styls mit den klimatischen Verhältnissen und dem kleinlichen Bedürfnisse und spärlichen Mitteln von Bauspekulanten in Uebereinstimmung zu bringen, und es war besonders der herrliche Styl florentinischer Wohngebäude, welchen Hr. von Klenze zu diesem Ende zuerst in Deutschland anwendete.

Dieses alles veranlaßte schon im Jahre 1819 seine Ernennung zum Hofbau-Intendanten, zum Oberbaurath und Chef dieser Branche beim Ministerium des Innern, und im Jahre 1822 zum Ritter des Civil-Verdienst-Ordens.

Doch Hrn. v. Klenzes größere Wirksamkeit begann erst mit dem Regierungs-Antritte des jetzigen kunstliebenden Königs Ludwig, und eine große Reihe architektonischer Entwürfe und Ausführungen folgten schnell aufeinander.

Das Odeon, zwar an einem gegebenen Platze erbaut, welcher durch Lokalverhältnisse den Zu- und Ausgängen viele Schwierigkeiten darbot, darf doch als Festlokale, und in der so wichtigen akustischen Hinsicht eines der ersten Gebäude dieser Art genannt werden, und die überraschende Wirkung des Hauptsaales, welcher 130 F. lang, 75 F. breit und 54 F. hoch, ist allgemein anerkannt.

Die Pinakothek ist eben so neu und vollständig in ihrer Anordnung, als rein im Styl der Architektur, vortrefflich beleuchtet und mit einer Pracht dekorirt, welche Einheit des Styls mit großer Mannigfaltigkeit der Erfindungen zu vereinigen sucht.

Das neue Kriegsministerium war ebenfalls in seiner ganzen Ausdehnung vom Hrn. von Klenze entworfen und gebaut, und bildet eine Zierde zweier Straßen.

Der Königsbau, welcher sich seiner Vollendung nahet, ist ein Werk, worin große architektonische Schwierigkeiten rücksichtlich der innern Eintheilung überwunden werden mußten, und welcher durch die Art ächt künstlerischer Dekoration, welche darin vorwaltend werden sollte, eine Aufgabe zu nennen ist, wie sie die neuere Zeit keinem Architekten in Europa darbot, und welche nun dem Herrn von Klenze Gelegenheit gab, die einzige malerische Technik, welche für die klassische Dekoration paßt, die antike Enkaustik wieder ins Leben zu rufen, und eine treffliche Schule von Dekorationsmalern im höhern Sinne des Wortes zu bilden.

In der Allerheiligen-Kirche, für welche der sogenannte byzantinische Baustyl festgesetzt wurde, versuchte Hr. von Klenze zu zeigen, wie man diese allerdings eines gewissen Reizes nicht beraubte Bauart, in unsrer Zeit behandeln sollte, ohne sie zu combabusiren, indem man sie gerade dessen, was sie reizend und eigenthümlich macht, beraubt, und dennoch die architektonische Konsequenz, ohne welche es keine Schönheit geben kann, damit zu vereinigen.

Die Walhalla, poetisch und grandios dem Gedanken nach, und eigenthümlich durch die Art, wie das Aeußere und Innere angeordnet ist; das eben so zweckmäßige und bequem eingerichtete, als reich und mannigfaltig dekorirte Palais Sr. Hoheit des Herzogs Maximilian; der Bazar; der außerordentlich große und prachtvolle Bau des Schloßflügels gegen den Hofgarten, worin die großen Thron-, Ball- und Festsäle angebracht sind, vermehrten nach und nach die Reihe der architektonischen Schöpfungen des Hrn. v. Klenze, und entwickelten immer deutlicher das durch ein festes Prinzip geleitete Erfindungsvermögen dieses Künstlers.

Als eigentliche Monumente von Hrn. v. Klenzes Erfindung, – ohne des Denkmals des allerhöchstseligen Königs Maximilian, und jenes des Herzogs von Leuchtenberg, wozu er die architektonischen Entwürfe machte, Rauch und Thorwaldsen aber die treffliche Skulptur lieferten, zu erwähnen – verdienen angeführt zu werden: der große Erzobelisk, und viele andere kleine Denkmale.

Als Schriftsteller hat sich Hr. v. Klenze durch mehrere Monographieen über Denkmale des Alterthums, durch die Herausgabe seiner bedeutendsten architektonischen Werke, ein begonnenes Werk über griechisches Ornament, und ein anderes über die Architektur des christlichrn Kultus bekannt gemacht, worin er die Klarheit und Einheit der klassischen Kunst der subjektiven Richtung der Baukunst bei modernen Romantikern entgegen stellt.

Eben so wurden seine Erfolge, als er sich im Fache der Malerei versuchte, allgemein anerkannt, und weisen ihm unter den jetzt lebenden Landschaftsmalern einen Rang an.
So viele Bestrebungen und Erfolge erhielten allgemeine Anerkenntniß und Belohnung des In- und Auslandes. 1826 ward er zum geheimen Oberbaurath, 1830 zum Vorstande der obersten Baubehörde und 1831, nach Vollendung der Glyptothek, zum wirklichen geheimen Rath ernannt.

Mehrere ausländische Orden und akademische Diplome bewährten ebenfalls diese Anerkennung, welche wohl als schönester Beweis in der neuesten Zeit der Auftrag Sr. Majestät des Königs von Bayern krönte, auf der Sendlinger-Höhe bei München den ausgezeichneten Männern Bayerns eine Halle des Ruhmes zu errichten.
(Welche neue Verdienste Hr. v. Klenze sich inzwischen auch in Griechenland erworben hat, und wie dieselben durch König Otto verdiente Anerkennung fanden, ist allgemein bekannt geworden. Die Red.)

Adolph von Schaden: Artistisches München im Jahre 1835 oder Verzeichniß gegenwärtig in Bayerns Hauptstadt lebender Architekten, Bildhauer, Tondichter, Maler, Kupferstecher, Lithographen, Mechaniker etc. Aus den von ihm selbst entworfenen oder revidirten Artikeln zusammengestellt und als Seitenstück zum gelehrten München im Jahre 1834 herausgegeben durch Adolph von Schaden. München, 1836.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Klenze Leo, von, Ritter, 1784 (Bockenem bei Hildesheim) – 1864, Baukünstler, Hofbauintendant, Oberbaurat, Kämmerer, Geheimrat und Vorstand der Obersten Baubehörde im Innenministerium; K., der in Braunschweig und Berlin, wo er mit Schinkel bekannt wurde, studierte, machte eingehende archäologische Studien in Griechenland und war Hofarchitekt des Königs Jéróme von Westfalen in Kassel; durch Vermittlung des Kronprinzen Ludwig wurde er 1815 nach München berufen; er wirkte hauptsächlich im klassizistischen Stil.

Hauptwerke: Glyptothek, Hofgartenarkaden, ehemaliges Kriegsministerium, Odeon, Leuchtenberg-Palais, Alte Pinakothek, Neue Residenz und Saalbau, Allerheiligen-Hofkirche, Herzog-Max-Palais, Schloß Biederstein, Obelisk, Neue Hauptpost (nördlicher Teil), Ruhmeshalle, Propyläen, Monopteros in München, Walhalla bei Regensburg, Eremitage, Zarenpalast und St. Isaakskirche in St. Petersburg (= Leningrad) und Bauten in Athen.
Literarische Werke: Über das Hinwegnehmen plastischer Kunstwerke aus Griechenland, Reisen in Italien, Die Walhalla in artistischer und technischer Beziehung, Das kaiserliche Museum der schönen Künste in St. Petersburg, Die schönsten Überbleibsel der griechischen Ornamentik, Das deutsche Befreiungsdenkmal; K. zählt zu den berühmtesten Baumeistern des 19. Jahrhunderts und Münchens überhaupt.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.

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Everilda von Pütz zu Pütz (vw)

von Klenze (gb)
* 21.11.1843 (München)
† 20.7.1926 (München)
Schriftstellerin

Lexikon deutscher Frauen der Feder (1898)

Pütz zu Pütz, Frau Everilda Eleonora Felicité von, Ps. E. v. Pütz, München, Amalienstrasse 89 III., geboren am 21. November 1843 in München, Tochter von Hippolyt von Klenze, k. k. Kammerherr. Ihre Mutter war eine geborene Engländerin, Farmer von Nonsuch-Park (England). Ihr Grossvater war der berühmte Architekt Leo von Klenze. E. heiratete 1873 den k. k. Bezirkshauptmann Karl v. Pütz in Innsbruck, sie wurde am 7. Oktober 1874 Mutter und am 2. November desselben Jahres Witwe. Sie zog wieder nach München zu ihren Eltern zurück und lebt seit deren Tode mit einer Schwester und ihrem Sohne ganz zurückgezogen.

– Der letzte Schuss. 8. (220) Köln 1889, J. P. Bachem. geb. n 1.-
– Die Tochter des Marquis. Erzählg. für junge Mädchen. 8. (166 m. 4 Kunstdr.-Bildern) Ebda. 1896. geb. n 2.50
– Gräfin Eva. F. S. E. K. Lenze. Nov. 8. (94) Ebda. 1897. 1.-
– Maria Angela. 8. (207) Ebda. 1888. geb. n 1.-
– Tiroler Dorfgeschichten. 6 Erzählgn. 8. (308 m. Bildnis u. 7 Bildern.) Ebda. 1895. 3.75; geb. n 6.-
– Von der Pike auf. Erzählg. aus der Zeit des russ. Feldzuges u. der Freiheitskriege. Für die reifere Jugend. 8. (163 m. 4 Farbendr.-Bildern.) Ebda. 1896. geb. n 8.-

Sophie Pataky (Hrsg): Lexikon deutscher Frauen der Feder. Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Berlin, 1898.

Borromäus-Blätter (6.1904)

Drei Tiroler Erzähler.

Lit. Skizze von Hermann Binder, Altingen (Württbg.).

Wenn man sich an das sogenannte große Publikum wenden wollte mit der Frage: »Was für wirklich gute Vertreter der tirolischen Dorfgeschichte wißt ihr uns zu nennen?« so würde man wohl auf Adolf Pichler, den kürzlich verstorbenen Jochrautenschilderer, auf Karl Wolf, vielleicht auf Peter Rosegger, wiewohl dieser ein Steiermärker ist, auf Achleitner, Ganghofer, Richard Bredenbrücker und Richard Huldschiner verwiesen werden. Fast wollten wir darauf eine Wette eingehen, daß man in all den Kreisen, wo die »Woche«, »Gartenlaube«, »Daheim«, »Ueber Land und Meer«, »Westermanns« und »Velhagen u. Klasings Monatshefte« u. a. gelesen werden, von einer Everilda von Pütz, M. von Buol, einem Sebastian Rieger (Reimmichl) keine leise Ahnung hat. Selbst in unseren katholischen Kreisen kennt man, wie mir dünkt, gerade diese drei Tiroler Erzähler zu wenig; denn sonst müßten einzelne Bändchen dieser Erzähler unbedingt schon eine zweite und dritte Auflage haben. Warum bekommen die Novellen und Romane, die Cotta, Deutsche Verlagsanstalt A. Bonz, Union, deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart, Egon Fleischel und Fontane in Berlin und andere Verleger herausgeben, so häufig eine zweite und dritte und noch mehr Auflagen? Ganz gewiß nicht immer wegen ihres pikanten Inhaltes oder wegen ihrer guten Darstellungsweise allein, sondern weil, ganz abgesehen von den massenhaften oberflächlichen Rezensionen in unzähligen Blättern und Blättchen, die »Weltkinder« im weiteren und weitesten Sinne ungeheuer viel lesen, durchaus nicht so heikel sind, wie man oft glauben möchte, und der Modelektüre ihren erklecklichen Zoll als eine selbstverständliche Sache entrichten. Doch nun zu unseren Erzählern! Die Damen mögen vorangehen!

Everilda von Pütz hat bis jetzt drei Bändchen Tiroler Dorfgeschichten veröffentlicht – bei Bachem in Köln: Tiroler Dorfgeschichten, 308 S., eleg. geb. 5 Mk.; bei der Preßvereinsbuchhandlung in Brixen (Tirol) erschienen die zwei anderen Sammlungen vor zwei und vor einem Jahre: »Das Ende vom Lied«. 258 S., eleg. geb. 4 Mk. und »Neue Tiroler Dorfgeschichten« 225 S., geb. 3,20 Mk. Sie ist eine hervorragende Erzählerin, mit einer Schönheit des Stils, der seinesgleichen sucht. Ihre landschaftlichen Schilderungen, der örtliche Hintergrund, vor den sie ihre Gestalten hinzeichnet, die Personen, die in ihren Geschichten auftreten, sind durchweg so echt und frisch, so warm und lebendig, so anheimelnd und anschaulich, so unmittelbar herausgeholt aus ihrer ganzen Umwelt, daß auch der, der Land und Leute in Tirol kennt, sich gezwungen fühlt, zu sagen: So sind sie, so geben sie sich, so sprechen sie, so sieht es in Tirol aus, das hab' ich auch schon beobachtet. Von Salontirolertum, von Gemachtem oder Geschraubtem findet man keine Spur. Möge man nur den schon lange ausgeschöpften, aber unerschöpflich und unermüdlich weiter schreibenden Achleitner mit Ev. von Pütz zusammenhalten: wie natürlich und erfrischend schreibt sie im Vergleich zu diesem Allerweltstiroler-Dorfgeschichtenfabrikanten! Sie kennt Land und Leute. Ist sie auch keine geborene Tirolerin, wie man wirklich oft meinen könnte, so kommt sie doch von München her seit vielen Jahren ganze Sommer hindurch nach Tirol, wo ihr Gatte als Bezirkshauptmann von Innsbruck nach nur einjähriger Ehe von ihrer Seite weg starb; Land und Volk sind ihr darum so lieb und wert geworden; sie hat schon vieles dort drinnen mitangesehen und miterlebt; besonders muß sie gar herrliche Frauen in ihrem Dulden und Entsagen kennen gelernt haben; denn wenn sie solche schildert (in allen drei Büchern finden sich mehrere gezeichnet), dann wirkt sie wahrhaft ergreifend, großartig, hinreißend im hohen Lied der Mutter- und Gattenliebe und der freudigen Opferhingabe; solche Gestalten hat auch eine M. Herbert nicht. Nur ganz vereinzelt findet man Stellen, die nicht unmittelbar auf den Leser wirken und oberflächlich scheinen können; nur wenige Stilunebenheiten stören einen ganz aufmerksamen Kritiker. Freilich hat sie aber auch schon in ihren ganz jungen Jahren, fast vor einem halben Jahrhundert (geboren im Jahre 1843), sich geübt in Prosa und Versen, schon damals, wo sie, die phantasievollste unter vier Schwestern, Märchen schrieb und phantastisch-kindliche Briefwechsel unterhielt mit ihrem Erzieher und Hauslehrer. Aber gerade darum hat es uns auch gewundert, daß wir in allen vierzehn Erzählungen der drei Bändchen keine einzige trafen, in der sich ihre Phantasie am Ende überschlagen hätte. Nein, auch dann, wenn sie uns lustige Gestalten mit lustigen Erlebnissen vorführt, bewahrt sie sich ein schönes Ebenmaß. Ihre Linien sind nie zu scharf, ihre Farben, auch die der landschaftlichen Gemälde, nie zu stark, ihre Personen, wiewohl immer lebenswahr, lieb und gut, opferfreudig und geduldig, hart und herb, mitunter fast grausam und furchtbar, doch nie so häßlich oder jeglichen Funkens möglicher Güte bar, daß man am Ende sich abgestoßen fühlen müßte: edle Harmonie erfüllt ihre aus dem wirklichen Leben gehobenen und durchaus anschaulich geschilderten Gestalten.

Borromäus-Blätter Nr. 5. Zeitschrift für Bibliotheks- und Bücherwesen. Bonn; Juni 1904.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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