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Theodor Kotsch
Landschaftsmaler
1818 – 1884
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* 6.1.1818 (Hannover)
† 27.11.1884 (München)
Landschaftsmaler und Zeichner
Münchener Kunst.
Von Fr. Pecht.
Durch den kürzlich erfolgten Tod des Landschaftsmalers Kotsch hat unsere Münchener Schule einen sehr schweren Verlust erlitten. Denn sie besaß in ihm einen echt deutschen Künstler von seltener Gediegenheit, dessen Darstellungen unserer heimischen Natur, wie sie besonders am Starnberger- oder Ammersee sich darstellt, von wunderbarem poetischem Zauber umflossen sind. Zeigen sie doch bei aller Naturwahrheit eine solche Vornehmheit der Auffassung, daß man diese Bilder wohl classisch nennen kann, da sie nach jeder Seite hin den Stempel der höchsten Vollendung tragen. In seinem unermüdlichen Ringen nach Vollkommenheit stand Kotsch geradezu einzig da unter seinen Mitstrebenden in unserer viel zu viel und viel zu rasch schaffenden Zeit, wo, gestehen wir es nur, die Schnellmalerei eine immer bedenklichere Ausdehnung gewinnt. Jenen halbfertigen Improvisationen gegenüber, die noch sehr viel rascher gesehen als gemacht sind, waren Kotschs seltene Bilder wahre Perlen, aus denen eine innere Harmonie, ein tiefes entzückendes Naturgefühl auf den Beschauer niederströmte, als wenn er auf sonniger Höhe unter herrlichen Eichengruppen wandelnd, die fernen Kirchenglocken aus dem Thal herauftönen hörte. War der Umfang des Gebietes, das er beherrschte, ein beschränkter, so hat doch Niemand diese selige, weihevolle Sonntagsstimmung in unserer Natur so tief empfunden, mit so hoher ernster Schönheit wiederzugeben gewußt. Hier streift er oft dicht an Claude, besonders durch die stylvolle Schönheit seiner Silhouetten, wie den Reichthum des Tons seiner herrlichen Baumgruppcn, den silbernen Glanz seiner Lüfte. Wie sie es sein soll, war die Kunst Kotsch eine Verkünderin des Göttlichen und Trösterin in jedem Schmerz, sein Beruf galt ihm als ein wirkliches Priesterthum, von dessen Heiligkeit er tief durchdrungen war, weßhalb er auch mit so magischer Gewalt auf Andere wirkte. Er kannte keine anderen Götter neben ihr, sein Leben war ganz und ausschließlich ihr geweiht, er ist, wenn auch sehr verehrt ob seines edlen männlichen Charakters von allen, die ihn näher kannten, doch arm gestorben, wenn der arm sein kann, der so reichen Herzens war, und den zuletzt die hehre Göttin, der er sein Leben geweiht, leise und schmerzlos einschlummern ließ, auf der Höhe der Kraft, den schwer errungenen unvergänglichen Lorbeer des echten Künstlers um die Stirne.
Allgemeine Zeitung Nr. 353. München; Samstag, den 20. Dezember 1884.
Nekrologe Münchener Künstler.
XL.
Ueber Theodor Kotsch haben diese Spalten schon eine so herrliche und blühende Charakteristik gebracht (Vgl. Fr. Pecht in B. 353. »Allg. Ztg.« vom 20. Dec. 1884.) daß uns nur das magere biographische Knochengerüst nachzutragen übrig bleibt. Kotsch wurde 1818 zu Hannover geboren, zeichnete daselbst nach der Antike, kam 1839 nach München, wo ihn der grandiose, historische Styl Albert Zimmermanns fesselte. Bald gehörte Kotsch zu jener Landschafter-Colonie, welche zu Eberfing nächst Polling um 1843 bis 1845 in vergnügtester Weise sommerfrischelnd Studien malte; dann ging er durch den Harz nach Hannover und bald darauf nach Karlsruhe, wo ihm Johann Wilhelm Schirmer und nach dessen 1863 erfolgtem Ableben der gewaltige Karl Friedrich Lessing die bleibende Weihe und Richtung verliehen. Um das Jahr 1864 kam Kotsch wieder nach München, welches er bis zu seinem in der Nacht vom 27. November 1884 plötzlich erfolgten Ableben nicht mehr verließ. Wie bei seinen Vorgängern, bilden der deutsche Wald und die von den Mittelgebirgen entlehnten Landschaften die Hauptmotive für die Compositionen von Kotsch. Leider hat weder der Münchener Kunstverein noch die neue Pinakothek je ein Bild dieses Meisters erworben; die meisten gingen nach Norddeutschland und in Privatsammlungen. Beispielsweise seien genannt: Unter den Bäumen 1863; Später Abend, Kloster-Ruine mit Wald 1866; Harzlandschaft, Gegend aus Oberbayern 1867; der Regenstein im Harz 1868; Herbsttage, Sommerabend 1870; Deutsche Waldlandschaft 1873; Juni-Abend 1874; auf der Münchener Kunstausstellung 1876 erschien die prächtige »Mühle im Waldgrund« (Derselbe: »Aus dem Münchener Glaspalast 1876.« S. 93.)(nun in Kassel); eine baumreiche Landschaft 1877; »Nach dem Gewitter« und eine breit behandelte »Idylle« 1878; eine Parklandschaft mit See und ein »Eichenschlag« mit der köstlichen Tönung des Mittelgrundes 1881, und auf der jüngsten internationalen Ausstellung zu München 1883 das ernste Bild mit dem Starnberger Schloß. (Derselbe: »Moderne Kunst.« 1883. S. 90.) Alle seine übrigen Bilder, Skizzen, Studien und Zeichnungen nebst seinem kleinen Vermögen vermachte Kotsch testamentarisch unter leicht erfüllbaren Bedingungen, zur Nutznießung seiner hinterlassenen Schwester, an den Senat seiner Vaterstadt.
Allgemeine Zeitung Nr. 41. München; Dienstag, den 10. Februar 1885.
Kotsch: Theodor K., Landschaftsmaler, geboren am 6. Januar 1818 in Hannover, † am 27. November 1884 zu München. Am Polytechnikum seiner Heimath zeichnete K. zuerst nach der Antike, ohne jedoch Anleitung zur Malerei zu finden. Deshalb kam er 1839 nach München, wo er mächtige Anregung bei den alten Meistern in der kgl. Galerie, insbesondere aber bei Albert Zimmermann fand, welcher zu Eberfing nächst Polling seine Brüder und Schüler zum Malen nach der Natur anhielt.
K. erschien schon 1840 mit kleinen Morgen- und Abendstimmungen, mit Wald- und Winterlandschaften im Münchener Kunstverein. Von 1845 bis 1855 wieder in der Heimath, suchte K. seine Stoffe in dem fleißig durchforschten Harz, am Regenstein u. dgl. Dann übersiedelte er 1854 nach Karlsruhe, wo Director J. W. Schirmer ihm ein Atelier einräumte und als väterlicher Freund und Berather bis zu dessen Tode (1863) von Einfluß war, worauf K. Fr. Lessing die empfindliche Lücke füllte. Auch hier blieb K. der deutschen Landschaft getreu und verarbeitete früher eingeheimste Motive aus dem Harz, sogar aus Starnberg und der Ramsau (1852). Um 1866 besuchte K. nochmals Hannover und ließ sich nach mancherlei Wanderungen im Herbst 1870 bleibend in München nieder, unter neuen Freunden und Schülern.
Zu seinen bedeutendsten Leistungen zählen ein »Abend in Südtirol« (1845), »Gebirgslandschaft vom Sonnenuntergang« (1847); eine »Italienische Landschaft« (1850), »Winter« (1852), »Aus dem bairischen Hochgebirge« und »Waldbach« (1853); »Kahnfahrt im Klostergarten« (1854); »Eichenlandschaft bei Karlsruhe« (1855); aus dem »Mühlthal bei Starnberg«, der »Faustthurm im Klostergarten zu Maulbronn« (1860); »Haidehügel mit Bäumen an der Weser«, »Dorfidyll« (1861) Und »Kloster-Ruine mit Wald« (1866) u. s. w. Unter seinen späteren Bildern verzeichnen wir: 1870 einen »Sommerabend« und »Herbsttag«; 1871 »Eichen am Wasser« und »Deutsche Landschaft«; 1872 »Holzmühle«; 1874 »Heißer Juni-Abend«, »Landschaft mit Kühen«; 1875 »Waldweg bei Prien am Chiemsee«; 1876 »Holzhof einer Sägemühle bei Schloß Seefeld« und »Baumlandschaft mit weiter Fernsicht«; 1877 »Partie bei Dalling am Ammersee«; 1878 »Bauernhof unter Nußbäumen«; 1881 »Eichenschlag« mit der köstlichen Tonung des Mittelgrundes; 1882 »Parklandschaft mit See«, »Flache Gegend mit Weg zwischen umzäunten Wiesen und Laubholzgruppen«; 1888 das ernste Bild mit dem Starnberger Schloß; 1884 »Waldweg am Ammersee« und »Bauernhaus bei Weßling«.
Seine letzte Arbeit behandelte eine »Waldlandschaft bei Kloster Andechs«, dessen prachtvolle Baumgruppen ihn besonders anzogen. »Diese hat er immer mit einem edlen Stilgefühl, einer vornehmen Großartigkeit und weihevollen Vollendung geschildert, die in ihrer poetischen Feiertagsstimmung dicht an Claude Lorrain hinstreifen. Ob er uns zwischen mächtigen Baummassen einen Durchblick auf den unten liegenden See eröffnet oder in stillem Grunde eine Mühle versteckt unter uralten Eichen zeigt, immer wird man das feine Naturstudium nicht weniger bewundern als die wunderbar ergreifende Poesie einer Auffassung, die ebenso durch den Reichthum und die Zartheit des Tons seiner Vegetation wie den silbernen Glanz der Lüfte wirkt. In der Durchbildung und Harmonie seiner Erfindungen, der majestätischen Ruhe seiner Silhouetten, dem köstlichen Waldesduft, der uns aus seinen Bildern entgegenweht, ist er unerreicht geblieben, sodaß man seine Werke klassisch nennen muß.« – »Eine tief, innerliche, einsame, echt deutsche, durchaus männliche Natur, ging er ganz in seiner Kunst auf, verschmähte alles Buhlen um die Gunst der Reichen und Mächtigen. Er hat bis zuletzt Fortschritte gemacht, weil er sich nie genug that, so unermüdlich nach Vollendung rang, daß seine Bilder denn auch wahre Perlen deutscher Kunst genannt werden müssen, von einer Nachhaltigkeit des Reizes, wie sie außer denen Rousseau’s und Dupré’s kaum irgend welche Moderne besitzen.«
Die meisten Bilder Kotsch’s gingen nach Hannover, Bremen, Hamburg und Karlsruhe. München besitzt leider kein Werk von seiner Hand; Berlin veranstaltete (gleichzeitig mit dem Nachlaß des Düsseldorfer Camphausen) 1885 eine Sonderausstellung seiner Oelbilder, Skizzen, Aquarelle und Zeichnungen. Sein kleines Vermögen vermachte K. testamentarisch, unter leicht erfüllbaren Bedingungen (auch zur Nutznießung seiner hinterlassenen Schwester) an den Senat seiner Vaterstadt.
Vgl. Fr. Pecht, Aus dem Münchener Glaspalast, 1876, S. 93. – »Moderne Kunst« 1883, S. 90. – Beil. 353 d. Allg. Ztg., 20. December 1884. – Geschichte der Münchener Kunst, 1888, S. 429. – Nekrolog in Beil. 41 d. Allg. Ztg., 10. Febr. 1885. – Münchener Kunstvereins-Bericht f. 1884, S. 81. – Lützow’s Zeitschrift 1885, XX, S. 252. – Fr. v. Bötticher 1895, I, S. 748. – Singer 1896, II, S. 383.
Hyac. Holland.
Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1906.
Kotsch Theodor, 1818 (Hannover) – 1884, Landschaftsmaler; er hatte sich am Polytechnikum zu Hannover als Zeichner vorgebildet, war aber im übrigen Autodidakt, als er 1819 zu A. Zimmermann nach München kam; K. ist einer der ersten Münchner Landschafter, die in Oberbayern Studien machten (er hielt sich meistens in Eberfing bei Weilheim auf und lieferte Waldlandschaften in Morgen- und Abendstimmung; nach seinem Erfolg mit einem »Abend in Südtirol« kehrte K. nach Hannover zurück; 1855 übersiedelte er nach Karlsruhe; aus dieser Zeit stammen Regenstein im Harz, Klostergarten in Maulbronn; 1870 kam K. wieder nach München, wo er Stimmungslandschaften mit oberbayerischen Seen, Waldwege und Baumgruppen malte; er ist ein typischer Vertreter der besten Münchner Landschaftsmalerei um 1870, besonders seine Zeichnungen erweisen seine Fähigkeit zu romantisch bewegter Darstellung.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.