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27 – 12 – 2 (Echter)

Ω

Michael Echter,
Geschichtsmaler u. kgl. Professor,
geb. zu München 5. März 1812,
gest. daselbst 4. Febr. 1879.
Franziska Echter,
geb. Herrmann,
geb. 5. Dez. 1850, gest. 1. Juni 1896.
Walburga Echter
kgl. Professorswitwe,
geb. in Dachau 19. Mai 1825,
gest. zu München 4. Septbr. 1904.

Sockel

Friedrich Echter
geb. 22. Nov. 1849, gest. 27. Juli 1916

Rechte Seite

Max
Echter
geb. 24.11.1857
gest. 3.10.1941.

Ω

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Michael Echter

* 5.3.1812 (München)
† 4.2.1879 (München)
Historienmaler, Kirchenmaler und Portraitmaler

Münchener Künstlerbilder (1871)

Michael Echter,
Historienmaler.

Die Stadt München hat zur Schule, welche nach ihr genannt wird, ein tüchtiges Contingent von Künstlern gestellt. Unter diesen befindet sich auch Michael Echter, der daselbst am 5. März 1812 geboren ward. Sein Vater war als Tischler im k. Hofbauamte beschäftigt und aus Neuburg an der Donau gebürtig. Künstlerische Begabung hat der Sohn von seinen Eltern nicht ererbt, die Talente des Vaters reichten in dieser Richtung nicht weiter als eben für sein Handwerk hinreichte. Die Armut der Eltern machte es ihnen unmöglich einen über den Unterricht in der Volksschule hinausreichenden anderweiten geben zu lassen. Als er diese hinter sich gebracht, ward der Junge im Hause beschäftigt, soweit er nicht als Chorknabe in der St. Michaels-Hofkirche anwesend sein mußte; denn einer seiner Lehrer hatte bemerkt der Knabe besitze eine gefällige Stimme und so hatte er denn an dem allgemeinen Singunterricht in der Schule Theil genommen und war gegen geringen Entgelt der dem elterlichen Hauswesen zu Nutze kam als Kirchensänger installirt worden.

Er zeichnete gern und für sein Alter und den Mangel an Unterricht gut, was Veranlassung gab, daß er mit vierzehn Jahren in die damals mit der Akademie der bildenden Künste verbundene Vorschule geschickt ward und daselbst den ersten systematischen Unterricht im Zeichnen erhielt, zunächst von Seidel, dann von Heinrich Heß, Clemens Zimmermann und Julius Schnorr von Carolsfeld.

Damals ging es mit den Fortschritten in der Kunst noch nicht so schnell als in unsern Tagen, in denen man heut als Schüler an der Akademie eintritt, um nach Jahresfrist selbe als Meister wieder zu verlassen und selbst ein oder zwei Dutzend Schüler aufzunehmen, in denen sich derselbe Gang der Sache wiederholt.

Kurzum Echter war schon ein junger Mann von etwa zwanzig Jahren, als er sich in eigenen Compositionen versuchte. Während er 1835 unter Ollivier’s Leitung arbeitete, erschien eines Tages im Atelier desselben ein Pfarrer mit der bescheidenen Anfrage ob hier Bilder gemalt würden. Von Ollivier beschieden erklärte er, seine Kirche in Oberhaching bei München bedürfe eines neuen Altarbildes, das den heiligen Ritter Georg zeigen müsse. Was die Finanzfrage betreffe, sei er in der Lage dreißig Gulden dafür zu zahlen. Da schaute sich Ollivier mit nur halb unterdrücktem Lächeln im Kreise seiner Schüler um; endlich ruhte sein scharfes Auge auf unserm langaufgeschossenen Echter und er fragte ihn, ob er wohl Lust hätte die Arbeit zu übernehmen. Wer hätte je die erste Bestellung abgelehnt? So griff denn auch Echter frisch zu, glücklich nicht blos durch Ertheilung von schlechtbezahltem Zeichnenunterricht etwas verdienen zu können und entledigte sich seiner Aufgabe zu so großer Befriedigung der Kirchenverwaltung Oberhaching, daß deren Vorstand den dreißig Gulden Honorar noch ein Extrahonorar von sechs Gulden für den, der das Bild gemalt habe, beifügte.

Unser junger Künstler versuchte sich in der Behandlung der verschiedenartigsten Stoffe, er componirte eine »heilige Elisabeth von Thüringen«, einen »aus dem Kerker befreiten heiligen Petrus«, »den Gang der Jünger nach Emaus«, den »Grafen Eberhard den Greiner von Württemberg« u. s. w. und führte einen Theil dieser und anderer Compositionen in Oel aus; aber alles vergebens. Seine Arbeiten machten wenig, man könnte sagen gar kein Glück. Auch der Kunstverein, sonst die Stütze aufstrebender Talente, lehnte hartnäckig seine Arbeiten ab. Da war es denn kein Wunder, wenn er sich tief entmuthigt fühlte. Um nur leben zu können, mußte er froh sein unter den ungünstigsten Verhältnissen Bestellungen auf Altarbilder für Landkirchen zu bekommen. Ein heiliger Georg für Oberhaching hatte ihm das erste Honorar eingebracht, ein heiliger Georg für die Kapelle auf dem Schloßberg bei Rosenheim entschied sein ganzes späteres Leben.

Die Maßverhältnisse des Bildes waren derart, daß es kaum thunlich war, es in einem gewöhnlichen Zimmer zu malen. Da wendete sich Echter durch seinen Freund, den Bildhauer und Professor Max Widnmann, mit der Bitte an Direktor Kaulbach, dasselbe in seinem Atelier vollenden zu dürfen, welcher Bitte denn auch statt gegeben wurde. Kaulbach schien sich vorerst für Echter zu interessiren, als dieser aber des Meisters Atelier nach Vollendung seines Bildes wieder verließ, ihn ganz aus den Augen verloren zu haben.

Inzwischen fand unser Künstler im Festsaalbau länger andauernde Beschäftigung. Julius Schnorr von Carolsfeld hatte die Säle mit Wandgemälden zu schmücken und zog auch Echter bei, indem er ihn im Saale Carls des Großen, Rudolfs von Habsburgs, und Barbarossa’s beschäftigte. Andererseits vermittelte Director v. Klenze Aufträge bezüglich der Ausführung eines Altarbildes für die Garnisonkirche in Kronstadt sowie der Porträts Kepler’s, Maerz’s und Steinheil’s für die Sternwarte in Pulkowa.

So kam das Jahr 1846 heran und Kaulbach, der inzwischen den Auftrag erhalten hatte, seine Wandgemälde im Treppenhause des Neuen Museums auszuführen, erinnerte sich Echter’s wieder und knüpfte mit ihm über dessen Eintritt als Gehilfe hiebei Unterhandlungen an, welche zu dem beiden Theilen erwünschten Ziele führten, nachdem Echter einige Probearbeiten in Anwendung der Stereochromie in Kaulbach’s Atelier hergestellt hatte.

Im darauffolgenden Frühjahre traten beide gemeinschaftlich die Reise nach Berlin an,, welche sie durch das Salzkammergut, über Linz, Wien, Prag und Dresden führte. Kaum in Berlin angekommen, ging Kaulbach mit der chm eigenthümlichen Energie an die Arbeit, bei welcher ihm sein neuer Schüler Echter treu zur Seite stand.

Soll das Verhältniß zwischen Lehrer und Schüler ein mehr als blos äußerliches, soll es ein wirklich inneres und fruchttragendes sein, so müssen zwischen beiden Beziehungen bestehen, welche ihren letzten Grund in gewissen Aehnlichkeiten der Anlage und der Empfindungs- und Denkweise haben. Wo solche Beziehungen nicht vorhanden, da wird der Einfluß des Lehrers auf den Schüler unter allen Umständen nur ein wesentlich beschränkter und einseitiger bleiben. Es hat das seinen natürlichen Grund darin, daß der menschliche Geist nur dasjenige in sich aufnimmt, was sich ihm bis zu einem gewissen Grade wenigstens verwandt erweist und daß prinzipielle Gegensätze nie in Einklang zu bringen sind, wenn es auch recht wohl geschehen kann, daß sie ohne Feindseligkeit neben einander bestehen. Bei der ersten Berührung aber wird der Zwiespalt ans Licht treten.

Dieser Satz von dessen Richtigkeit wir uns im vielseitigen Leben jeden Tag überzeugen können hat auch in der Kunst und zwar gerade in ihr seine besondere Geltung. Denken wir uns beispielsweise ein Paar so eigenartige Naturen wie Platen und Grabbe in Beziehungen zu einander, wie die oben bezeichneten und den um fünf Jahre jüngeren Grabbe als Schüler Platen’s. Es wäre wohl möglich, daß Grabbe seine Sprache nach der Platen’s modelte und schliffe, daß er formrichtige Sonette, Terzinen und Oktaven drechselte; aber sie würden immer nur Experimente bleiben, weil er mit der Form nicht auch seinen Gedankengang dem des Lehrers anpassen, weil er sein Genie und alle seine Excentricitäten nicht mit dem klaren, durchsichtigen, uns hellenisch anmuthenden Wesen Platen’s vertauschen könnte. Und umgekehrt würde Platen’s antike Ruhe wohl an Wirksamkeit verlieren, aber nicht ganz aufgehoben werden können, wenn er seine Gedanken in der ungebundenen übersprudelnden Form Grabbe’s zum Ausdruck brächte.

Durch den Einfluß des Vorbildes und Meisters können nur im Keime vorhandene Anlagen entwickelt und zur Entfaltung gebracht werden. Diese Entwicklung und Entfaltung wird aber sofort gestört, sobald der von jenem gezeigte Weg sich als ein solcher erweist, welcher mit der angegebenen Begabung und individuellen Richtung des Geleiteten in Widerstreit liegt. Sie schreitet dagegen zu den schönsten Blüthen fort, wenn die angeschlagenen Töne verwandte Saiten mitklingen machen. Andererseits liegt es nahe genug, daß diese Entfaltung um so rascher und kräftiger erfolgt, je bedeutender und mächtiger das Vorbild ist, von dem jener Einfluß ausgeübt wird, während hinwiederum die ganze Selbständigkeit eines eigenartigen Charakters dazu nöthig ist, um unter diesem Einflüsse nicht zum bloßen Nachahmer und Copisten herabgedrückt zu werden, sondern seine Individualität zu wahren.

Wenn ein Künstler eine lange Reihe von Jahren fast ausschließlich damit beschäftigt war, einem hervorragenden Meister bei Ausführung seiner bedeutendsten Werke hilfreich zur Seite zu stehen, und wenn zu dieser fortgesetzten Thätigkeit im Sinne des Letzteren noch ein ebenso dauernder Umgang mit demselben hinzukommt, so kann es nicht auffallen, wenn die Summe der empfangenen Eindrücke sich auch in seinen selbständigen Arbeiten ausspricht, selbst dann, wenn er im Stande ist seine Individualität zu bewahren.

In einer solchen Lage befand sich auch Echter und es ist nicht zu verwundern, wenn er sich in Folge dessen eine gewisse Aehnlichkeit der künstlerischen Handschrift mit jener Kaulbach’s angeeignet hat, nach dessen Weisungen er viele Jahre lang thätig war. Konnte sich ja doch ein Nikolaus Helt Stockade, obwohl er erst ein halbes Jahrhundert nach Titian und Tintoretto lebte, dem gewaltigen Eindrücke ihrer Werke so wenig entziehen, daß ein geübter Blick dazu gehört, um unter Umständen Arbeiten von seiner Hand von denen der genannten Meister zu unterscheiden. Echter’s Verkehr mit dem berühmten Meister blieb nicht ohne tiefer gehende Wirkungen. Er lernte vor Allem den Gedanken schätzen und es ward ihm klar, daß die Form der Erscheinung nichts weiter ist, als das Wort um den Gedanken auszusprechen, wobei ihm freilich auch nicht entging, daß der Künstler ebenso der schönen Form bedürfe wie der Dichter.

Echter war aber nicht blos Kaulbach’s Schüler. Ihre Thätigkeit im Neuen Museum war nothwendig mit einem Zusammenleben Beider verbunden, aus welchem unser Künstler die bedeutendsten Vortheile schöpfen mußte. Als steter Begleiter Kaulbach’s trat er zu den hervorragendsten Künstlern Berlins in freundliche Beziehung, so zu Stüler, Dracke, Schieverbein, Blaeser und vielen Anderen.

In den kurzen Ruhestunden welche Kaulbach und Echter nach Tisch in einem engen Zimmerchen des Neuen Museums verbrachten, entstand in jener Zeit das bekannte »Klecksbuch« ein köstliches Zeugniß von der übersprudelnden Fantasie der Künstler, das nun im Kupferstichcabinet zu Berlin sich befindet. Während seines Aufenthaltes dortselbst ward er auch von dem kunstsinnigen Grafen A. Raczynski mit dem Aufträge betraut die Wände seines Treppenhauses mit Gemälden zu schmücken.

Der König Maximilian II. war schon zu Anfang der fünfziger Jahre auf Echter aufmerksam geworden und in dessen Auftrag hatte er in Gemeinschaft mit Ph. Foltz, G. Hiltensberger, C. Piloty, M. v. Schwind und Anderen an den zwölf Bildern aus dem Leben bayerischer Fürsten gearbeitet, welche 1853 im Holzschnitt herausgegeben wurden und vorzugsweise zu Schulpreisen bestimmt waren.

Als der König den Plan faßte hervorragende Momente der Weltgeschichte malen und die Gemälde in den Sälen des Maximilianeums aufhängen zu lassen, gedachte er auch Echter’s und so entstand sein im Jahre 1860 vollendetes großes Bild »die Ungarschlacht auf dem Lechfelde im Jahre 955.« Der Künstler bewältigte den gewaltigen Stoff mit sicherer Hand und leistete namentlich in Bezug auf Einheitlichkeit der Composition sehr Anerkennungswerthes. Die Handlung entwickelt sich in großen Zügen und der Grundgedanke »Sieg« ist auf das lebendigste ausgedrückt, indem Echter mit richtigem Verständniß seiner Aufgabe es vermied, die Aufmerksamkeit durch eine Reihe von entbehrlichen Episoden von der Hauptsache abzulenken. Demzufolge hat er den Kaiser mitten in sein Bild gestellt, vor seinen Augen werden ein Paar ungarische Große gefangen genommen um später am Ostenthor zu Regensburg den Tod durch Henkershand zu finden. Während er selbst noch lebhaften Antheil am Kampfe nimmt, dankt der h. Bischof Ulrich von Augsburg mit aufgehobenen Armen Gott für den glorreichen Sieg über die Heiden. Hinter ihnen weht das Reichsbanner mit dem Bilde des Erzengels Michael. Ganz nahe bei dieser Hauptgruppe zieht eine edle ritterliche Gestalt die Blicke auf sich. Es ist der Frankenherzog Konrad, der ein verrätherisches Einverständniß mit dem Landesfeinde durch den Tod des Tapferen zu sühnen hoffte. Seine Sehnsucht ward gestillt, wir sehen ihn von einem Pfeile in den Hals getroffen, als er eben, um sich in der Hitze des Kampfes etwas zu verkühlen, die Halsberge geöffnet. Von außerordentlicher Lebendigkeit und Kraft ist auch namentlich eine links im Bilde befindliche Gruppe Magyaren, die auf dampfenden Rossen den eindringenden Deutschen zu entgehen suchen. Da schlagen die Wellen des Lechs ihnen entgegen, und alle Hoffnung schwindet. Nicht minder tüchtig ist Echter’s Werk hinsichtlich der Farbe, und wir rechnen es dem wackeren Künstler zu doppeltem Verdienst an, daß trotzdem der Gedanke das Dominirende blieb – ein Vorzug, dessen nicht alle Werke der neueren Kunst sich rühmen können. Eines aber ist es, was jeden Vaterlandsfreund angesichts dieses Bildes mit Befriedigung und Zuversicht erfüllt: es ist das Bewußtsein, daß das deutsche Volk, Stamm an Stamm gereiht, keinen Feind zu fürchten braucht, er mag aus Ost oder West kommen.

Im Jahre 1860 entstanden ferner die Farbenskizzen zu drei großen Wandgemälden, von denen eines, »der Vertrag von Pavia«, an der Außenseite des Maximilianeums, die beiden anderen im Inneren des Nationalmuseums zur Ausführung gelangten. Was das erste betrifft, so behandelte der Künstler den ceremoniösen Stoff in gewissermaßen reliefartiger Weise und sicherte ihm dadurch bei der 1865 bethätigten Ausführung volle Wirkung. Die beiden anderen Bilder zeigen »Friedrich des Rothbartes Vermählung mit der schönen Beatrix von Burgund« und »das Begräbniß Walther’s von der Vogelweide.«

Im nemlichen Jahre malte Echter »die vier Elemente« in ebenso vielen Oberthürbildern für den Fabrikbesitzer Herrn v. Kramer-Clett in Nürnberg. Sie führen in der anmuthigsten und sinnigsten Weise eine Reihe lieblicher Kindergestalten vor, deren Beschäftigungen jene Hauptkräfte der Natur charakterisiren, welche man Elemente zu nennen pflegt. Auf Waarenballen und Kisten schließen Zwei mit ernsten Mienen ein Handelsgeschäft ab, indeß der Floß mit ihnen dem Strom hinabgleitet; ein Dritter schnellt an der Angel einen zappelnden Fisch aus dem Wasser, dessen Flut ein Vierter mit kräftigem Ruderschlag theilt. Tief im Grunde der Erde rollt von Knaben in Bergmannskleidern gezogen ein mit Metall beladener Karren und ertheilt der Obersteiger mit komischem Ernste seine Befehle. Dort raucht der Meiler und qualmt der Schmelzofen und sprühen die Funken unter mächtigen Hammerschlägen, während ein jugendlicher Kohlenträger sein Pfeifchen schmaucht. Von besonders anziehender Wirkung aber ist »die Luft«, wobei der Künstler einen Knaben orgelspielend, einen anderen Seifenblasen machend u. s. w. zeigte und auch das muntere Vöglein nicht vergaß, das lustig in die Welt hineinsingt.

Wie es in der Natur der Sache liegt, daß der Dichter seine über das Niveau des Alltagslebens sich erhebenden Gedanken und Empfindungen in edlerer gewählter Sprache zum Ausdruck bringt, so ist der bildende Künstler seinerseits in gleicher Weise auf eine ideellere Ausdrucksweise hingewiesen und greift deshalb nicht selten wie der Dichter zum Gleichniß, so zur Allegorie. Nach dem Mißbrauche, der in beiden Richtungen, in Kunst und Poesie, seit dem Verfalle der Renaissance mit der Allegorie getrieben ward, erklärt es sich leicht, warum sie in unseren Tagen nur mehr wenig Freunde zählt, ganz abgesehen von der Herrschaft einer Anschauung in der Kunst, welche keine höhere Aufgabe kennt als die Erreichung der möglichsten Naturwirklichkeit und welche des Gedankens entbehren zu können meint, indem sie die nackte Form über Alles emporhebt. Aber selbst der entschiedenste Gegner dessen, was man von gewisser Seite mit dem Spottnamen Gedanken-Malerei zu bezeichnen pflegt, (ohne in solcher Naivetät zu ahnen, welche Blöße man sich durch seine Opposition gegen den Gedanken giebt,) und der ausgesprochenste Feind der Allegorie muß rückhaltlos den Werth der von Echter im Jahre 1862 in der Einsteighalle des Münchener Staatsbahnhofes ausgeführten Compositionen »die Telegrafie« und »der Eisenbahnverkehr« anerkennen.

Es ist trotz allem Jammer über die trockene Prosa unserer Tage eine unglaubliche Fülle von Poesie im modernen Leben, aber sie bleibt blöden Augen verborgen wie manches Andere. Wer freilich im Locomotiv nichts weiter sieht, als ein System von Hebeln, im elektromagnetischen Telegrafen nichts als Kupferdräthe und Walzen, der wird schwer von der Richtigkeit unserer Behauptung zu überzeugen sein.

Die bildende Kunst ist bisher nur schüchtern an das Neue herangegangen und hatte eine gewisse Scheu davor, die Gedanken der Neuzeit in ihrer Art zu verkörpern und so, möchte ich sagen, zum zweiten male zum Gemeingut der Menschheit zu machen. Diese Scheu war freilich eine leicht erklärliche: galt es doch die breit getretenen Wege des Hergebrachten und Vorgedachten zu verlassen und neue Pfade zu finden und gangbar zu machen. Dazu aber fehlt Vielen der Muth, weitaus den Meisten aber noch mehr die Kraft. Um so erfreulicher und dankenswerther ist es, daß ein Künstler, der durch die Ungunst der äußeren Verhältnisse in früheren Jahren weniger genannt wurde als er verdient hätte, mitten ins moderne Leben griff und mit sicherer fester Hand seine Stoffe herausholte.

Im Jahre 1861 schmückte M. Echter die Durchfahrten des Staatsbahnhofes in München mit Fresken, welche die Verbindung der Völker durch die Eisenbahnen und den Verkehr des Handels, und der Gewerbe in ebenso geistreicher als anmuthiger Weise zur Anschauung bringen.

Betrachten wir zuerst die Telegrafie: Aus scharfkantigen Erzstufen steigt bis zum halben Leibe ein gewaltiges Weib empor. Ihr ernster Blick schaut in die Ferne, ihr Haar wird vom elektrischen Strome, der sie durchzieht und von ihr ausgeht, flatternd emporgetrieben. Ihre weit ausgestreckten Arme, von bärtigen Gnomen unterstützt, scheinen die Welt umspannen zu wollen, wie die Dräthe des Telegrafen sie wirklich umspannen. Dem Beschauer wird dabei nicht entgehen können, wie charakteristisch der geistreiche Künstler selbst den malerischer Behandlung so mächtig widerstrebenden äußeren Apparat zu verwerthen, wie ansprechend er denselben für seine Zwecke umzubilden verstand. Zu beiden Seiten sitzen schöne Frauengestalten. Die zur Linken flüstert dem Ersten von fünf reizenden, geflügelten Knaben etwas ins Ohr, während der letzte derselben die Botschaft der Frauengestalt zur Rechten überbringt. Die neugierige Geschäftigkeit, der Pflichteifer der prächtigen Jungen läßt sich nicht anmuthiger wiedergeben als unser Künstler es gethan.

Auf dem zweiten Bilde stürmt uns in wilder Hast ein geflügelter Dämon entgegen. Dichter Dampf entströmt stoßweise seiner keuchenden Brust. Seine Arme und Beine theilen in wüthenden Stößen die Luft, alles in den Staub werfend, was sich ihm hindernd in den Weg stellt. Aber der Dämon ist gekettet. Ein üppig gebautes Weib, durch den Stab mit dem Flügelrade gekennzeichnet, hält seine Ketten in sicherer Hand, während sie, ihr Knie auf seinen Nacken gestützt, ihrer Herrschaft bewußt, stolz das Haupt erhebt. Vor der Kraft des Gewaltigen ist die Schranke zersplittert, die zwei benachbarte Völker trennte. Sein bloßer Athem warf den trockenen Pedanten nieder, der kaum weiß wie ihm geschieht, da Thorzettel und Wanderbuch, Reisepaß und Controlregister, seines Lebens höchste Ideale, vor seinen bebrillten Augen in alle Winde zerstreut werden. Auch der Schnecke wird bang ums Herz und sie streckt ihre Fühlhörner lang aus, um Erkundigung einzuziehen, woher und welche Gefahr ihr etwa drohen möge. Mit hoch geschwungenem scharfem Beile fliegt der eine Knabe neben dem schönen Weib, niederzuschmettern, wo sie befiehlt; aber auch sein milderer Bruder fehlt nicht, der aus unerschöpflichem Wunderhorne des Friedens Segnungen streut. Vielleicht fällt selbst in des armen Pedanten Schoos eine seiner Rosen oder blanken Münzen! Ist doch auch er ein Theil des Ganzen, über das der Segen ausströmt.

An alle dem ist nun freilich nichts, was das Auge besticht und blendet, aber es fühlt sich aufs angenehmste berührt von der reinen Schönheit der Linien, von der Keuschheit und dem Adel der Empfindung, von der Originalität des Gedankens und dem Eingehen in das innerste Wesen des Stoffes, der an sich unleugbar spröde, unter der Hand des geistvollen Künstlers sich auf überraschend liebliche und zugleich bedeutende Weise gestaltete. Blos in roth und gelb ausgeführt, entbehren diese Werke all der hilfreichen Unterstützung, welche die Farbe einer Composition zu leisten vermag.

Im Jahre 1862 ward Echter von der Akademie der bildenden Künste in München zu ihrem Ehrenmitgliede gewählt und damit öffentlich anerkannt, wie hoch sie seine Leistungen schätze.

Im nächsten Jahre malte der Künstler für das Verkaufslocal des Tapeziers Steinmetz an der Maximiliansstraße zu München ein Ueberthürbild, welches in lieblichen Kindergestalten eine idealisirte Darstellung des Tapeziergeschäftes enthält: prächtige Jungen schmücken einen Saal mit Spiegeln und Blumengewinde zu einem Feste. Auch für den Kaufmann Thiery daselbst malte er eine Gruppe sich küssender Kinder auf die Wand und schmückte die Decke eines Zimmers im Hause des Eisenwaarenhändlers Kustermann ebendort mit in Tempera ausgeführten »zwölf Monaten in Kindern dargestellt.«

Nachdem der König Ludwig II. im Frühjahr 1864 die Regierung des Landes angetreten, bezog er den westlichen Pavillon des Festsaalbaues. Von dort führt ein langer Corridor im zweiten Stockwerke in die südlichen Theile der Residenz. Dieser Corridor, der sogen. Theatinerneugang, war mit architektonischen Wandmalereien im pompejanischen Style geschmückt worden, zwischen denen dreißig Felder für figürliche Darstellungen leer gelassen worden. König Ludwig II., dessen Vorliebe für die Werke der deutschromantischen Poesie und Richard Wagner’s bekannt ist, gab nun im selben Jahre noch Echter den Auftrag, in den leergelassenen Feldern dreißig Scenen aus der Sage vom Ringe der Nibelungen auszuführen.

Während er mit der Ausführung des Auftrages beschäftigt war, beschickte er die internationale Kunstausstellung zu Antwerpen, indem er die Cartons seiner Wandbilder im Staatsbahnhof und im Nationalmuseum zu München dahin sendete. Sie fanden dort so lebhaften und allgemeinen Beifall, daß der König den Künstler durch Verleihung des Leopoldordens auszeichnete (1865).

An die Aufträge des Königs im Theatinerneugang reihte sich alsbald eine Reihe anderweiter desselben Monarchen. Echter malte seit dem Jahre 1866 für denselben eine namhafte Anzahl von Scenen aus den Richard Wagner’schen Opern »Tristan«, »Lohengrin« und »Tannhäuser« in Wasserfarbe, wobei er sich in der Regel an die Darstellungen dieser Opern an der Münchener Hofbühne zu halten hatte. Die Reihe dieser Bilder ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen.

Ueberall wahr und natürlich, blendenden Effecten abgeneigt, weiß Echter in Allem und Jeglichem durch glückliche Wahl seiner Stoffe nicht minder zu fesseln als durch Sicherheit der Zeichnung und erfreuliche Harmonie der Farbe. Seine im Herbst 1868 erfolgte Berufung als Professor an die Kunstgewerbeschule zu München mußte daher um so freudiger begrüßt werden, als der wackere Künstler dadurch in die Lage gesetzt wurde, seinen Anschauungen in weiteren Kreisen Verbreitung zu sichern.

Im Sommer des Jahres 1868 zeichnete er die Cartons für zwei überlebensgroße Gestalten der Kunst und Technik, welche nebst dazu gehörigen Kindergruppen an dem Hause des Civilingenieurs Herrn Beeck an der Schätzlerstraße in Augsburg in Sgraffito ausgeführt werden sollen und sich durch wahrhaft ideale Auffassung auszeichnen.

Carl Albert Regnet: Münchener Künstlerbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Kunstschule in Biographien und Charakteristiken. Leipzig, 1871.

Allgemeine Zeitung (16.2.1879)

Nekrologe Münchener Künstler.
(S. »Allg. Ztg.« Nr. 30. B.)

IV. Michael Echter.

Und nun auch unser guter Echter! Das Stuttgarter Künstler-Lexikon behauptete in erster Auflage: seine Wiege sei in Danzig gestanden. Echter aber war ein echter Münchener, geboren am 5 März 1812 in unserer Stadt. Hätte er je zur Feder gegriffen um seine frühesten Erlebnisse zu erzählen, er hätte, wie Rietschel und Thäter, viel von Sorgen und Noth zu berichten gehabt. Aber gerade aus dem harten Boden stieg dieser Charakter empor wie eine Tanne, mit einer frischen Seele voll harziger Waldluft, großgesogen von Thau, Licht und Sonnenschein. Je steiniger der Grund des Lebens ihn umgab, desto muthiger strebte er hinauf – ein idealer, prächtiger Mensch, mit den hellen Augen, dem fröhlichen Sinn und dem äginetisch-schwebenden Schritt – eine Recken- und Heldengestalt wie aus den Tagen der Nibelunge.

Der Vater, ein bei der königlichen Silberkammer beschäftigter Tischler, welcher später noch zur Stelle eines Schloßverwalters in Bamberg emporstieg, schickte sein Kind in die Volksschule, wo neben den elementarsten Künsten auch Singen und Zeichnen getrieben wurde. Seine gute Stimme verschaffte ihm einen Platz als Chorknabe in der Michaels-Kirche. Sein Eifer für’s Zeichnen führte den Vierzehnjährigen in die Lehre zu Seidel, welcher die zur Akademie führende Kluft überbrücken half, wo Echter geduldig den damals noch langen Weg von Gyps- und Draperie- bis zum Act- und Maler-Saale durchlaufen und, von der Hand zum Munde lebend, das Gelernte gleich wieder durch Unterricht verwerthen mußte. So wurden z. B. die beiden Horschelt seine Schüler, denen Echter die Hand reichte zum ersten Schritte nach dem Tempel der Kunst und des Ruhmes; er legte den Grund so gut und praktisch, daß sie es ihm dankbar auch zeitlebens nicht vergaßen.

Man kann nicht sagen daß die Professoren damals ihre Leute verzärtelten und verwöhnten. Drang, Liebe und Begeisterung zur Kunst mußten alles thun. Die Aussichten waren nicht glänzend und der in weiter Ferne winkende Gewinn und materielle Lohn noch sehr klein und gering: Einen wie heute florirenden Kunsthandel gab es außer der schüchtern vegetirenden Wimmer’schen Anstalt noch gar nicht. Nur die Kirchenmalerei gab durch mehr wohlwollende als einsichtige Bestellungen einigen, aber höchst sparsamen Erwerb; beim behäbigen Bürgerstande galten Künstler und Hungerleider für identische Begriffe; der hohe Adel hielt vornehm an sich, und König Ludwigs Vorbild und Beispiel standen noch ziemlich vereinzelt. Wir staunen heutzutage mit wie verhältnißmäßig geringen Mitteln es damals möglich war großartiges zu leisten. Dessenungeachtet murrten die »guten Münchener« über die königliche Munificenz. Was Schnorr als Honorar für den ganzen Bildercyklus in den fünf Sälen der Nibelungen erhielt, würde heut einem Halbweg namhaften Genremaler kaum noch für ein einziges Bild genügen! Leben und Lebensmittel waren damals aber noch wohlfeil. Dem Spruche gemäß daß Bier und Brod die Backen roth mache, nährte sich die kaum andere Bedürfnisse kennende Jugend redlich und tüchtig; lange Haare und ein Sammetrock thaten beinahe noch mehr und waren unerläßlich, während ein ditto Baret oder gar ein rehlederner Tricot schon stillen Neid erregten und als höchster Luxus galten. Kostbare Ateliers mit Urväter-Hausrath, der überhaupt als reiner Plunder verachtet war, splendiden Gardinen, Teppichen, meterhohen Malfenstern und theueren Spielereien aller Art gab es damals noch nicht. Es sah überall nüchtern und einfach aus, sauber, steif und gerade wie ein ordnungsliebender Mensch sein soll; von dem jetzt überall aufgehäuften malerischen Firlefanz wußte man nichts. Und doch war man vergnügt und behaglich. Unser Reich lag noch hoch in den Wolken und war nicht von dieser Welt. Das ist seitdem ganz anders geworden.

Ferdinand Olivier glaubte natürlich wie ein Vater gesorgt zu haben als er unserem Echter mit einem den Ritter St. Jörg vorstellenden ländlichen Kirchenbilde für das Gotteshaus zu Oberhaching die erste Bestellung verschaffte. Da mußte der Kunstsinn doch schon in weiteren Kreisen festen Fuß gefaßt haben, wenn sogar in diesem bisher nur durch seinen plötzlich verschwindenden Bach in der engeren Weltgeschichte bekannten Nest oder, artiger gesagt, in diesem Winkelchen der Erde, ein Pfarrherr solche Ideen plante. Dreißig Gulden war der blank gleißende Lohn. Echter aber nahm sich zusammen und that sein Bestes, so daß sogar der Oberhachinger Besteller Einsehen bekam und im unbewachten Ausdruck der Freude für das schöne Werk sechs baare Gulden extra über den Contract bezahlte.

Mit großer Zuversicht wurden unter der Oberleitung von Heinrich Heß, Clemens Zimmermann und Julius Schnorr v. Carolsfeld neue Arbeiten und natürlich große historische Stoffe begonnen, so z. B. wie Graf Eberhard der Greiner, der von Uhland besungene Rauschebart, vom armen Hirten aus dem Wildbad gerettet wird – ein Bild welches als sein erstes Werk 1835 im Kunstverein, ohne angekauft zu werden, erschien. Zwischendurch zeichnete und malte Echter unbeirrt weitere Kirchenbilder, die Befreiung des hl. Petrus aus dem Kerker (1837), den Gang der Jünger nach Emaus oder neuerdings den großmächtigen Drachenstecher (1842) für die neuerbaute Capelle auf dem Schloßberg in Rosenheim, schuf auch Bildnisse und Porträte berühmter Zeitgenossen, z. B. des Gundelfinger Abgeordneten Leonhard Friedrich, welcher durch seine Freisinnigkeit in der Ständeversammlung (1843) das damalige Ministerium in Harnisch brachte, half dann seinem schwärmerisch verehrten Lehrmeister Schnorr v. Carolsfeld als tüchtiger Frescotier an den großen Wandbildern des Festsaalbaues in der königlichen Residenz, schuf außerdem noch manch Marienbild (1845) und andere Heilige (1846) für die Kirche zu Prien im Aufträge des Grafen v. Preysing, bis ihn eines Tages Wilhelm Kaulbach durch das Salzkammergut, über Linz, Wien, Prag und Dresden nach Berlin entführte (1847). Welch’ ehrenvolles Zutrauen unmittelbar in Gesellschaft mit dem Meister die seither weltbekannt gewordenen Compositionen im Treppenhause des Neuen Museums ausführen zu dürfen! Dabei bewährte sich, nebenbei bemerkt, die von Professor v. Fuchs und Jos. Schlotthauer erfundene Stereochromie glänzend. Was hier Echter leistete mit jahrelangem Fleiß und innigster Hingebung, gereicht ihm zu unvergänglichem Ruhme. Dieses treue Eingehen und tiefempfundene Wiedergeben der Intentionen seines Vorbildes war von selbstloser Begeisterung getragen. Für einen schöpferisch-begabten Künstler ist es immer eine Art Opfer und Entsagung auf eigene Production zu verzichten und seine beste Kraft der Ausführung eines fremden Werkes unterzuordnen; dazu vermag nur eine völlig neidlose und reine Seele sich zu erheben…. Zwischen den beiden Künstlern entstand auch eine innige Freundschaft, welche, vorübergehende Stimmungen abgerechnet, dauernd hielt, obwohl Kaulbach nicht selten einer Theorie der Freundschaft huldigte welche hinter der nüchternen Praktik Friedrichs des Großen nicht zurückblieb. Während seines langjährigen Aufenthalts zu Berlin entwarf Echter auch einige eigene Compositionen für den Grafen Raczynski, welche er im Atrium des genannten Palais in Fresco malte.

Zurückgekehrt nach München 1858, schuf er vier Wandbilder für die historische Gallerie des bayerischen National-Museums: den Sieg Kaiser Heinrichs IV. über seinen Gegenkönig Rudolf von Sachsen am 12 August 1078 bei Mellrichstadt, und die Hochzeit des Barbarossa mit der Pfalzgräfin Beatrix von Burgund im Hofe des Würzburger »cazenwichûs« – einem historischen, höchst merkwürdigen Bollwerk, welches leider im Jahre 1852 der Eisenbahn zum Opfer fallen mußte. Auch die Scene wie Walther von der Vogelweide, der süße Liedermund, im »Lusemgarten« des neuen Münsters in Würzburg zur letzten Rast getragen wird und der sogenannte »Wartburg-Krieg« sind von Echters Hand. Daran schloß sich im Auftrag Sr. Majestät des höchstseligen Königs Maximilian II die Darstellung der »Ungarn-Schlacht auf dem Lechfeld« (955). Echter bewies mit diesem dem kgl. Athenäum einverleibten Werke nicht allein seine lang’ darnieder gehaltene Fähigkeit eigene Ideen zu gestalten und durchzuarbeiten, sondern auch im Oelbild eine gediegene Farbenkraft und verdienstliche Technik. Mit einer 1865 an der Westseite desselben Gebäudes gemalten den »Vertrag von Pavia« darstellenden Freske schied letzterer von dieser historischen Thätigkeit, auf welche wir bei aller Hochachtung vor Echters Leistungen doch nicht den Schwerpunkt seiner Kunst legen möchten. Sein ganzes Wesen drängte nach Stoffen wo er die schöpferische Phantasie freigestaltend walten lassen durfte, unbeengt von obligater Costüm- und Waffenkunde und sonstigem archäologischen Culturkram, in welchem er sich jedoch gut und geläufig zu bewegen wußte.

Schon 1860 erschienen im Münchener Kunstverein die »vier Elemente« welche Echter als Thürsturzbilder für Hrn. v. Cramer-Klett zu Nürnberg ausführte. Verzichtend auf alle herkömmliche Allegorie, packte er mit dichtender Hand seinen Stoff: in anmuthigster und sinnigster Weise führt uns der Künstler eine Reihe lieblicher Kindergestalten vor, deren Beschäftigungen jene Hauptkräfte der Natur charakterisiren welche man Elemente zu nennen pflegt. Auf Waarenballen und Kisten schließen zwei mit ernsten Mienen ein Handelsgeschäft ab, indeß der Floß mit ihnen den Strom hinabgleitet; ein dritter schnellt an der Angel einen zappelnden Fisch aus dem Wasser, dessen Fluth ein vierter mit kräftigem Ruderschlag theilt. Tief im Grunde der Erde rollt, von Knaben in Bergmannskleidern gezogen, ein mit Metall beladener Karren und ertheilt der Obersteiger mit komischem Ernst seine Befehle. Dort raucht der Meiler und qualmt der Schmelzofen und sprühen die Funken unter mächtigen Hammerschlägen, während ein jugendlicher Kohlenträger sein Pfeifchen schmaucht. Von besonders anziehender Wirkung aber ist »Die Luft,« wobei der Künstler einen Knaben orgelspielend, einen anderen Seifenblasen machend zeigte und auch das muntere Vöglein nicht vergaß, das lustig in die Welt hineinsingt.« (Vgl. C. A. Regnet: »Münchener Künstlerbilder.« 1871. I. 112. Bei dieser Gelegenheit sei uns eine nothgedrungene Bemerkung erlaubt. Während wir selbst jede fremde Stelle mit dankbarer Angabe benützen, werden unsere Arbeiten nicht allein ohne die geringste Quellen-Angabe wörtlich ausgebeutet, sondern theilweise ganz nachgedruckt, ohne den geringsten Nachweis woher dieselben genommen. Wir protestiren gegen solche literarische Freibeuterei um so mehr, als auch die Cotta’sche Buchhandlung die Mitarbeiter der »Allg. Ztg.« auf den §. 10 des Gesetzes über das Urheberrecht an Schriftwerken verpflichtet.)

Im nächsten Jahre schuf Echter die vier Fresken-Friese in den beiden Durchfahrten des Münchener Staatsbahnhofes, worin er nicht allein den Bau der Eisenbahnen und alle hiebei verwendeten Zweige geistiger und gewerblicher Thätigkeit, sondern auch den völkerverbindenden Verkehr, den Weltaustausch der Waaren und Erzeugnisse aller Zonen in geistvollster Weise zum Ausdruck brachte. Das ist echt monumentale Malerei, welche ohne Schwulst und Floskelschwall leicht verständlich zum Volke redet. Es ist unstreitig das beste was Echter geleistet hat, wozu gleichfalls auch die Bilder in der großen Einsteighalle des Bahnhofes gehören. In dieser ist ein beschwingter Genius selbstredend als der Träger des großen Uhr-Zifferblattes gedacht; ihm zur Seite finden wir in zwei spitzbogigen Feldern die beiden Erfindungen vertreten, welche einzig hieher gehören: Dampfkraft und Telegraphie – an sich gewiß sehr prosaische Probleme, welche indessen nur einer poetischen Berührung bedürfen um in idealer Gestaltung zu erscheinen. In wilder Hast stürmt uns auf dem ersten Bild ein geflügelter Dämon entgegen; Dampf-Ringelchen pfeifen stoßweise aus seiner keuchenden Brust; seine Arme und Beine theilen in wüthenden Stößen die Luft, alles darniederwerfend was sich ihm in den Weg stemmt; zertrümmert stürzen die Zollschranken und Schlagbäume, den schreibseligen, auf Wanderbuch, Vorweis und Paßquälerei erpichten Thorwärtel zur Seite schleudernd. Aber der Dämon ist mit Ketten an den Armen dienstbar gemacht einer hehren, auf ihm in halb kniender Stellung schwebenden, hellen Auges in die Ferne sehenden Frauengestalt, welche durch den Caduceus mit dem geflügelten Stabe hinreichend charakterisirt ist, begleitet von zwei Genien, deren einer mit geschwungenem Beil alle Wege zu ebnen trachtet, indeß der andere freigebig aus seinem Füllhorn Blumen, Früchte und Schätze streut. Wo möglich noch origineller gelang ihm auf dem zweiten Bilde die Gestaltung der Telegraphie. Aus scharfkantigen Erzstufen taucht halben Leibes ein riesiges Weib empor; ihr Auge blitzt in die Ferne, ihr reiches Haar wird durch den von ihr ausgehenden und sie durchziehenden elektrischen Strom flatternd emporgetrieben. Mit den von bärtigen Gnomen unterstützten weit ausgestreckten Armen scheint sie die Welt umspannenzu wollen – gleich den wirklichen Dräthen des Telegraphen, dessen äußerer an und für sich so nüchterner Apparat in überraschender Weise versinnlicht ist: zu jeder Seite sitzt eine schöne Frauengestalt; fünf geschäftig die ganze Gruppe in einem Bogen umflatternde Knabengestalten bilden das vermittelnde Band: der erste empfängt von der schönen Frau eine stille Botschaft, welche der letzte in diesem Reigen augenblicklich der gegenüber sitzenden Frauengestalt ins Ohr flüstert, die im gespanntesten Ausdruck des Hörens gleichzeitig die Hand erhebt um die Kunde auf ihr schmales Schriftband niederzuschreiben. (Vgl. die Holzschnitte nach Alberts Photographien in der »Illustr. Ztg.« Leipzig vom 27 Dec. 1862 39. Band S. 464. Dazu Regnet in den »Münchener Propyläen« 1869 S. 398 u. in s. »Künstlerbildern« S. 114.)

Wahrlich! wenn es, wie Emanuel Geibel so schön sagt, die Aufgabe des Dichters ist auch dem widerspänstigsten Stoffe durch vollendete Form doch ein Lächeln abzugewinnen, so bat Echter gleicherweise im adäquaten Fall als wahrer Künstler ein unvergängliches Werk geschaffen. Hoffentlich denkt man daran alle diese nur Grau in Grau auf rothen Grund gemalten Compositionen bei dem bevorstehenden Abbruch des alten Bahnhofs sorgfältig zu erhalten und wo möglich in den Neubau zu transferiren, welcher gewiß keines passenderen Schmuckes theilhaft werden könnte.

Durch diese Leistungen wurde die Aufmerksamkeit Sr. Majestät König Ludwigs II auf Echter gelenkt. Derselbe ertheilte ihm die ehrenvollsten Aufträge. So entstanden in dem zu den Appartements Sr. Majestät führenden Corridor (dem nach der gegenüberliegenden Kirche sogenannten »Theatinergang«) dreißig Fresken zu Wagners »Ring des Nibelungen,« womit damals der ganze Cyklus den ersten Illustrator fand. Diese namentlich durch ihre wohlgefällige Farbe ausgezeichneten Bilder wurden in der Folge von Franz Heigels Meisterhand in minutiöser Durchbildung copirt und schließlich durch Alberts Photographien vervielfältigt (Der Ring des Nibelungen. Photographien nach den im Allerhöchsten Auftrage Sr. Maj. König Ludwigs II von Bayern in der Residenz zu München ausgeführten Fresco-Gemälden von Professor M. Echter. Mit erläuterndem Text von Dr. H. Holland. München 1876 (Cabinetsformat). Die Original-Skizzen dazu erschienen im Dec. 1876 auf der »Richard Wagner Ausstellung« zu Wien Vgl. Beil. 356. »Allg. Ztg. 21 Dec. 1876.) – nächst den Arbeiten von Th. Pixis ein Gemeingut im weitesten Sinne für alle Wagner-Freunde. Auch zu den übrigen Tondichtungen Wagners entwarf Echter eine Reihe von Aquarellen, welche indessen noch der Veröffentlichung harren; ein Theil davon, darunter auch sechs Cartons zu »Tristan und Isolde,« trat 1876 bei Gelegenheit der Wiener Wagner-Ausstellung zu Tage.

Aber auch einer stattlichen Reihe von Privataufträgen wußte der unermüdlich fleißige Mann, dessen Schaffenskraft mit den Jahren zu wachsen schien, zu genügen. So malte Echter ein Ueberthürbild für den Tapezierer Steinmetz, mit der ihm eigenen Genialität das alltägliche Leben erheiternd, indem er neckische Jüngelchen darstellte, welche mit Spiegeln und Blumengewinden einen Saal festlich aufputzen. Für den Kaufmann Thierry malte er eine Gruppe glückselig spielender Kinder, ebenso die »zwölf Monate« an den Plafond des Eisenwaarenhändlers Kustermann. Auch zeichnete er die Cartons zu den von entsprechenden Symbolen umgebenen kolossalen Gestalten der »Kunst« und »Technik,« welche am Hause des Civilingenieurs Beeck zu Augsburg in Sgraffito ausgesührt wurden. Deßgleichen schmückte er einen Tanzsaal in Frankfurt mit zwei Deckengemälden, mit einer ihre Liebesgötter (pfeilschießende Amoretten) in den Saal sendenden Venus und einer echt Homerisch am Morgenhimmel heraufziehenden Aurora. Für ein Privathaus zu Wien schuf er 1873, umgeben von in vier Medaillons vertheilten Künsten, die Figuren der »Poesie« und »Phantasie.« Auf der Münchener Kunst-Ausstellung des Jahres 1876 erschien eine von dem heitersten Humor eingegebene Zeichnung, worauf Echter gleichfalls in einem Kinder-Fries die »Photographie« in neckischer Weise verherrlichte; das köstliche Blatt bildet jetzt eine Perle unseres Hand-Zeichnungs- und Kupferstich-Cabinets, welches trotz seiner beschränkten Mittel durch die umsichtigen Bemühungen des Consevators Rothbart fortwährend mit neuen Schätzen bereichert wird. Vier die »Jahreszeiten« darstellende Kohlenzeichnungen erwarb 1877 der Münchener Kunstverein, welche durch das Loos Hrn. Kaufmann Joh. Karl Buchner zufielen.

Früher hatte sich Echter auch an den bei C. Meinhold und Söhne in Dresden erscheinenden »Bildern zur deutschen Geschichte nach Original-Zeichnungen deutscher Künstler« betheiligt, und zu den »Zwölf Bildern aus dem Leben bayerischer Fürsten,« welche im besonderen Auftrag Sr. Maj. König Maximilians II unter Mitwirkung von Foltz, Hiltensperger, Andreas Müller, K. Piloty, Moriz v. Schwind und A. Strähuber (München 1852 bei Braun und Schneider) herausgegeben wurden, das schöne Blatt gezeichnet wie der ritterliche Herzog Christoph bei der Hochzeit Georgs des Reichen zu Landshut einen riesigen Polen aus dem Sattel wirft. Der größte Theil von Echters Schöpfungen erschien indessen bei Albert oder Hanfstängl in Photographie. Leider fehlt uns, während F. v. Miller und Prof. H. Brunn eine Sammlung für Gyps-Modelle begonnen haben, immer noch eine Staatsanstalt welche in ihren Räumen den besten Original-Cartons berühmter Meister ein Asyl bieten könnte. Im Auftrag Sr. Maj. König Ludwigs II begann Hr. Director v. Hüther einstweilen in der Neuen Pinakothek mit der Ausstellung der von J. A. Fischer, Schraudolph u. a. gezeichneten herrlichen Cartons, welche bei Auflösung der kgl. Glasmalerei aus deren Lokalitäten gerettet wurden. Echters Schöpfungen dieser Art, insbesondere seine Cartons zu den Münchener Bahnhof-Bildern, wären einer gleichen pietätvollen Erhaltung werth und würdig. Nach ihrer Vollendung wurde der Künstler von der Akademie der bildenden Künste zum Mitglied ernannt (1862); als dieselben 1865 auf der internationalen Kunst-Ausstellung zu Antwerpen erschienen, erhielt Echter den belgischen Leopold-Orden; 1868 folgte das Ritterkreuz des Verdienstordens vom hl. Michael I. Classe, zugleich mit einer Anstellung als Professor an der k. Kunstgewerbschule, nachdem Echter vorerst längere Zeit eine ähnliche Stelle an dem Kunstgewerbe-Verein bekleidet hatte. Auch war unser Echter unter den ersten welche von unserem Monarchen mit der goldenen Ludwigsmedaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet wurden.

Dieses künstlerische, von Anerkennungen und Aufträgen belohnte, von einem glücklichen Familien-Leben getragene Arbeiten und Schaffen zerriß auf einmal eine Kette von Leiden. Erst überfiel 1875 den seither kerngesunden Mann, welcher eben seines athletischen Baues wegen bei dem noch in der Erinnerung aller Betheiligten fortlebenden Künstler-Masken-Fest von 1840 (Albrecht-Dürer-Fest) als Bannerträger und Fahnenschwinger glänzte, eine tückische Gliederkrankheit, die alle Bewegung hemmte und zum Gebrauch eines Schweizer-Bades zwang. Als die Plage wich, trat ein Augenleiden auf, welches mehrfache, leider vergebliche, Operationen erheischte und zu des Künstlers trostloser Ueberraschung mit völliger Erblindung endete. Dazu gesellte sich ein erst unscheinbares Magenleiden, das heillos um sich griff, bis den mit bewunderungswerther Ergebung ausharrenden Dulder am 4 Febr. der Tod erlöste. Um sein mit Blumen überschüttetes Grab drängten sich die Freunde; jeder suchte dem Verewigten und den Hinterlassenen ein Zeichen der Theilnahme zu weihen. Sein Name aber bleibt ehrenvoll in der Kunstgeschichte für alle Zeiten. Echter gehörte, nach dem Ausspruch eines gewiegten Kritikers, »noch zu den wenigen Künstlern und Lehrern des heutigen München welche in der monumentalen Kunst das Princip der idealen Formgebung über das der realistischen Coloristik setzen« (vgl. Reber »Geschichte der neueren deutschen Kunst.« Stuttg. 1876. S. 344).

Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nr. 47. Sonntag, den 16. Februar 1879.

Allgemeines Künstler-Lexicon (1895)

Echter, Michael, Historienmaler, geb. 5. März 1812 in München, † 4. Febr. 1879 das., war dort Schüler von Heinr. Hess, Cl. Zimmermann, Schnorr und Olivier, betheiligte sich bei Schnorrs Wandgemälden im Festsaalbau der Residenz und machte sich seit 1846 am bekanntesten als einer der Gehilfen Kaulbachs bei den Bildern im Treppenhause des Neuen Museums in Berlin, sowie durch die Wandgemälde im Treppenhause des Grafen Raczynski. Unter seinen ferneren historischen Bildern sind zu nennen: Im Maximilianeum zu München Die Ungarnschlacht auf dem Lechfelde (1860), an der Aussenseite desselben das stereochromische Bild des Vertrages von Pavia, im Nationalmuseum Friedrich Barbarossas Vermählung mit Beatrix von Burgund und Das Begräbnis Walthers von der Vogelweide, vor Allem die allegorischen Bilder der Telegraphie und des Eisenbahnverkehrs im (ehemaligen) Staatsbahnhof zu München. Im Theatinereingang der alten Residenz malte er 30 Wandbilder aus der Sage vom Nibelungenringe, endlich zahlreiche Aquarelle für König Ludwig II. nach Richard Wagners Opern. Er war seit 1868 Professor an der Kunstgewerbeschule zu München, seit 1862 Ehrenmitglied der Münchener Akademie und Ritter des Belg. Leopold-Ordens.

Allgemeines Künstler-Lexicon. Leben und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. Vorbereitet von Hermann Alexander Müller. Herausgegeben von Hans Wolfgang Singer. Erster Band. Frankfurt am Main, 1895.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Echter Michael, 1812 (München) – 1879, Kirchen- und Historienmaler; Sohn eines Hoftischlers und späteren Schloßverwalters in Bamberg, war E. zuerst Chorknabe an der St.-Michaels-Hofkirche und studierte dann an der Münchner Kunstakademie als Schüler und Mitarbeiter von J. von Schnorr, begleitete W. von Kaulbach auf einer Kunstreise durch Österreich und Sachsen nach Berlin, wo er lange blieb; nach seiner Rückkehr (1858) schuf E. vier große historische Wandgemälde für das alte Bayerische National- (heute Völkerkundliches Museum an der Maximilianstraße) und andere Bilder für König Max II., z. B. Schlacht auf dem Lechfeld (im Maximilianeum); für Ludwig II. malte er dreißig Fresken zu R. Wagners »Ring der Nibelungen«, ferner Gemälde für den alten Münchner Hauptbahnhof; E. zeichnete sich auch als Porträtist aus, er ist Spätromantiker in der Art M. von Schwinds.

© Dr. phil. Max Joseph Berühmte Tote: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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