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Hier ruht
Julius Muhr,
Historienmaler,
geb. 21. Juni 1819 gest. 9. Februar 1865.
Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen
Wie er gewesen ist und der Geist wieder zu Gott
Der ihn gegeben hat. Pred. Salomo Kap. 12.7.
Dessen Gattin
Mathilde Muhr
geb. von Colomb,
geb. 31. März 1827. gest. 3. September 1912.
Ja ich will Euch tragen bis ins Alter u. bis Ihr
Grau werdet; ich will es thun ich will lieben u.
Tragen u. erretten. Jesaias 46.4.
Bei seinen Eltern ruht:
Abraham Peter Paul Muhr
geb. den 16. September 1862, gest. den 6. April 1866.
Herr Jesu kehre bei mir ein
Halt mich im Herzen fromm und rein
Und laß mich einst im Himmel droben
Dich mit den heil’gen Engeln loben
Pauls Abendgebet
Ω
Muhr, Abraham Peter Paul; 16.9.1862 – 6.4.1866 (München); Kunstmalers-Sohn
Muhr, Julius; 21.6.1819 (Pleß/Oberschlesien) – 9.2.1865 (München); Genremaler, Historienmaler und Portraitmaler
Muhr, Mathilde (vw) / Colomb, von (gb); 31.3.1827 – 3.9.1912; Generals-Tochter aus Berlin / Kunstmalers-Witwe
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* 21.6.1819 (Pleß/Oberschlesien)
† 9.2.1865 (München)
Genremaler, Historienmaler und Portraitmaler
Julius Muhr,
Historienmaler.
Historienmaler Julius Muhr war im Jahre 1819 als der Sohn eines Kaufmanns zu Pleß in Oberschlesien geboren und erhielt schon als Knabe an der Berliner Akademie den ersten Unterricht in der Kunst, für welche er früh entschiedene Begabung zeigte. Das Jahr 1838 führte den jungen Mann nach München, woselbst er, ohne Vermögen, wie er war, sich durch Malen von Bildnissen, Stationsbildern u. dgl. das Nöthigste verdiente, um nebenbei seinen Studien obliegen zu können. Aus jener Zeit stammt auch ein Oelbild, welches die »Auffindung Mosis« darstellt, sich durch gute Anordnung und insbesondere durch treffliches Colorit auszeichnet und gegenwärtig sich in einer Privat-Sammlung zu Berlin befindet. Bald darauf lenkte er die Aufmerksamkeit Wilh. v. Kaulbach’s auf sich, was ihn später auf eine neue Bahn brachte. Kaulbach zog ihn nemlich 1847 zur Ausführung der großen Wandgemälde im Berliner Neuen Museum bei, woselbst zugleich Echter aus München beschäftigt war. Die Arbeiten dauerten acht volle Jahre und nach Ablauf derselben wandte sich Muhr nach Italien, woselbst er bis zum Jahre 1858 lebte, neben dem Porträtfache die Geschichtsmalerei pflegend und mit mancher als Künstler und Mensch hervorragenden Persönlichkeit in Verkehr tretend.
Sein Aufenthalt in Berlin während des Jahres 1858 befriedigte ihn nicht vollständig. Er hatte in München zuerst selbständig geschaffen und es war ihm die heitere Kunststadt dadurch besonders theuer geworden. Auch hatte er dort manchen wackeren Freund erworben und so zog es ihn denn wieder nach München zurück. Vom Jahre 1859 an verließ er München nicht mehr für längere Zeit und gründete dortselbst auch vor dem Jahre 1863 seinen eigenen häuslichen Heerd.
Muhr’s Productivität erscheint als eine sehr mannigfache. Was zunächst das Porträtfach betrifft, so müssen vor Allem seine Bildnisse des Feldzeugmeisters Baron von Schlick in Lemberg, des Malers Overbeck für den Grafen Raczinsky in Berlin, sowie jenes des Monsignore Lichnowsky in Rom und der Fürstin Poli dortselbst hervorgehoben werden.
Dahin gehört ferner das durch den Schreiner’schen Farbendruck vervielfältigte Bildniß des Königs Ludwig II. von Bayern und ein weiblicher Studienkopf im Besitze des Freiherrn von Schätzler in München. Von ein paar Kirchenbildern Muhr’s findet sich das eine, »Der heilige Martin«, in der Kirche zu Bernried am Starnberger See. Die weitaus größere Anzahl seiner Arbeiten aber gehört dem Gebiete des Genre an. Da findet sich eine »Predigt in der Sixtina zu Rom« mit nach dem Leben gemalten Bildnissen des Papstes Pius IX. und vieler Cardinäle, eine »Siesta der Camaldulenser-Mönche« in der Sammlung der Erzherzogin Sophie von Oesterreich, eine »Nonnengruppe« in England, »Ein Mönch als Violinspieler« in einer Schweizersammlung, »Ein Mönch in der Zelle« in der Berliner Nationalgalerie, »Pifferari in Rom« und »Eine Pusta« mit geigenspielenden Zigeunern in doppelter Bearbeitung, die eine Eigenthum des Grafen Henckel in Berlin, die andere in der berühmten Sammlung des Baron Schack in München, endlich »Fliehende Zigeuner« im Besitz des Kaufmanns Ewest in Berlin und eine »Trauernde Fischerfrau am Strande« in einer Schweizersammlung.
Seine »Siesta der Camaldulenser« erregte schon in Rom, wo sie 1856 gemalt wurde, große Aufmerksamkeit, obschon sie von den Censoren der dortigen Ausstellung wegen ihrer antireligiösen Tendenz ausgeschlossen ward. Durch die milde Ruhe des Bildes klingt ein unendlich wehmüthiger Ton hindurch, hervorgerufen durch den Gegensatz der unendlichen Schönheit der Natur und der durch Menschensatzung festgestellten Schranken.
Den Uebergang zur Historie bildete das 1860 entstandene »Gastmahl Johanna’s von Aragon«, das bei tadellos schönen Einzelheiten ziemlich kalt ließ, da die Größe des Bildes mehr farbige Wirkung, auch eine ausdrucksvollere Composition, einen geistigeren Mittelpunkt fordert. Sein »Adelheid und der Bischof von Bamberg, Schach spielend« wurde 1860 im Stiche von Schwindt vom Kunstvereine zu Potsdam als Vereinsblatt gewählt. Auch die 1860 gemalte »Siesta der Nonnen« kam jener der Camaldulenser weder an Harmonie der inneren und äußeren Stimmung noch an Feinheit der Charakteristik gleich.
Die bedeutendste von allen Arbeiten Muhr’s ist sein 1861 entstandener »Hiob, von seinen drei Freunden getröstet«. Obwohl die Bibel keine Anhaltspunkte dafür giebt, sondern eher für das Gegentheil (er soll ja nach seinem Unglück noch 120 Jahre gelebt haben), wird Hiob herkömmlich als alter Mann dargestellt. Muhr wich mit Recht von dieser Tradition ab. Die Situation ist nach dem Wortlaut der Bibel in sehr lebhafter Weise aufgefaßt. Hiob selbst ein Bild des Jammers; von den Freunden sitzt ihm der Aelteste theilnahmvoll aber stumm gegenüber, der Jüngste voll Mitleid, der Dritte behäbig, mit raschem Worte auf ihn einredend, Alles voll Leben und charakteristischer Individualität. Es ist ein tiefernstes Werk, aber ohne die bei biblischen Motiven so häufige Langweiligkeit. Im Gegentheil spricht sich darin eine bemerkbare, fast genremäßig fesselnde Energie aus. Auch die Technik verdient alles Lob. Bei aller Strenge der Coloritstimmung besitzt das Bild Leben und Wirksamkeit. Die Haltung des Ganzen erscheint als eine wahrhaft monumentale. Das Bild machte namentlich in Berlin großes Aufsehen und ward von der dortigen Presse ungemein günstig beurtheilt. Dieselbe hob namentlich hervor, daß Muhr aus dem biblischen Vorwurf nur das wählte, was nicht allein denselben treffend bezeichnet, sondern auch seinem geistigen Gehalt zu Gute kommt und so namentlich den Stoff des himmlischen Strafgerichts in den Hintergrund drängte, so daß der Beschauer vor abstrakten, gedanklichen Zerstreuungen geschützt, zur Aufnahme des bildnerisch geistigen Gehaltes völlig gesammelt bleibt. Die Trefflichkeit des Colorits beruht nicht in einzelnen Vorzügen seiner allgemeinen Harmonie, sondern umfaßt einen bei Weitem größeren Umfang seiner tieferen Lebensbedingungen, deren Erkenntniß bereits auch in den psychologischen Regungen der einzelnen Gestalten zu näherem Verständniß gebracht ist.
An den »Hiob« reihen sich eine »Susanna«, eine »Bacchantin« und zwei Genien »Morgen« und »Abend«, welche an die nachraffaelische Periode erinnern. Ihr schalkhafter, auf die zwischen beiden Tageszeiten liegenden Freuden bezüglicher Sinn ist vom Künstler in ebenso zarter als sinniger Weise zum Ausdruck gebracht. Es sind zwei über der Erde schwebende Amoretten: der Morgen schwebt schlaftrunken über der noch in Morgennebel gehüllten Erde, den schlaffen Bogen ohne Pfeile über die Schulter geworfen, während der Abend, heiterkühnen Angesichts mit wallenden Locken zur Erde niederschwebend, Rosen auf sie streut, indeß er den Bogen mit den Pfeilen triumfsicher hoch empor hält. Auch dem Studium der landschaftlichen Natur ergab er sich mit Eifer: ein kleines Mondscheinbild, im Besitze der Königin Marie von Bayern, zeigt, wie ernstlich er sich dasselbe angelegen sein ließ.
Es lag nicht in unserer Absicht, ein erschöpfendes Verzeichniß aller Werke Muhr’s zu geben; die angeführten genügen um daraus zu ersehen, daß er rastlos thätig sein mußte, um das zu schaffen, was er schuf. Dabei ist namentlich nicht zu übersehen, daß er viele Jahre ausschließlich damit beschäftigt war, mit dem wackern Echter die Compositionen Kaulbach’s im Treppenhaus des Neuen Museums in stereochromischer Art auszuführen, wobei ihm natürlich keine Muse blieb, an selbständiges Schaffen zu denken. Am weitesten verbreitet von allen Arbeiten Muhr’s dürfte sein Zeitbild »Schleswig-Holstein« sein, welches in unzähligen Fotografien in ganz Deutschland umläuft und dessen Edition gerade in jenen Augenblick fiel, welcher der Occupation durch den Bund vorausging.
Alle Schöpfungen des zu früh Heimgegangenen Künstlers athmen ein durch äußere Einflüsse unbeirrtes Streben nach dem Idealen und zeugen von einem sehr bedeutenden Talente und feinem Farbensinn.
Muhr hinterließ manches schöne Gedicht, ohne daß selbst Näherstehende von seiner poetischen Thätigkeit etwas ahnten. Seine Bescheidenheit hielt ihn ab, seine dichterischen Erzeugnisse zu veröffentlichen. Aber als Dichter sprach er sich auch in seinen Bildern aus, welche stets von einem prägnanten poetischen Gedanken getragen sind, mochte derselbe in den Gestalten der antiken Götterlehre oder in der Romantik des Mittelalters und der Gegenwart dem Beschauer entgegentreten.
Muhr starb nach längerem Leiden am 9. Februar 1865 in München. Als Israelit geboren trat er später zum Christenthum über, wobei der Dichter Paul Heyse sein Taufpathe war.
Carl Albert Regnet: Münchener Künstlerbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Kunstschule in Biographien und Charakteristiken. Leipzig, 1871.
Muhr Julius, 1819 (Pleß/Oberschlesien) – 1883, Genre-, Porträt- und Historienmaler; M. kam vermögenslos nach München, um sich mit Stationsbildern usw. fortzubringen, bis W. von Kaulbach seine Befähigung erkannte, der ihn von 1847–1853 bei den Berliner Wandgemälden beschäftigte; anläßlich seines Aufenthalts in Rom befreundete M. sich 1858 mit F. Overbeck, nach München 1863 zurückgekehrt, malte er Porträts u. a. von Ludwig II. und Overbeck; er vertiefte sich im Geiste seines Freundes in christliche Anschauungen und schuf hauptsächlich religiöse und historische Gemälde.
Hauptwerke: St. Martin für Bernried, Predigt in der Sixtina, Siesta der Camaldulenser, Die Ruhe der Nonnen, Gastmahl der Johanna von Aragon, Adelheid und der Bischof von Bamberg beim Schachspiel, Hiob von seinen Freunden getröstet.
© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.