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Das Grab ist nicht erhalten
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* 28.2.1801 (Pösneck/Sachsen)
† 18.12.1851 (München)
Landschaftsmaler
Etzdorf, Johann Christian Michael, Landschaftsmaler von Pösneck bei Neustadt an der Orla in Sachsen, wo er 1801 geboren wurde.
Er erhielt auf der Akademie der bildenden Künste in München seine Bildung zum Künstler, und er behauptet als solcher bereits einen hohen Rang. Sein Pinsel schuf mehrere treffliche Darstellungen aus der nordischen Natur, die in Deutschland und in Schweden mit allgemeinem Beifalle aufgenommen wurden. Im Jahre 1826 sah König Ludwig von Bayern Etzdorf’s Ansicht der Festung Wardoehus, und sie gefiel diesem Mecänaten so wohl, dass er dem Künstler den Auftrag ertheilte, dasselbe Bild in grösserem Maasstabe auszuführen, weil es Se. Majestät ebenfalls besitzen wollte.
Besonders Aufsehen erregte in neuester Zeit die Darstellung eines Eisenhammers in Schweden, ein 5 Schuh hohes und 6 Schuh breites Bild. Diese Landschaft imponirt in ihrer einfachen Grosse. Rechts sieht man eine kleine Bretterhütte, deren verborgene Räder ein Waldbach treibt, und zur Linken schmückt eine Gruppe Tannen den Hügel im Mittelgrund. Den Himmel decken fliegende Wolken, zwischen denen des Himmels Blau erscheint. Bei der Betrachtung dieses Gemäldes tritt uns Everdingen vor den Blick und in Etzdorf erkennen wir einen treuen und geistvollen Nachfolger, dessen tiefes Studium der nordischen Natur sich mit Meisterschaft zeigt. Etzdorf ist im vollkommenen Besitz der technischen Mittel, und bewundernswürdig weiss er die verwitterten Steine darzustellen. Eine solche Verwitterung erscheint in dem bezeichneten grossen Bilde in fast reliefartig aufgetragenen Farbetheilen.
Etzdorf’s Bilder zeichnen sich durch ihre schönen Linien und Formen aus. Seine Fernen sind reizend, und in der ganzen Darstellung herrscht grosse Wahrheit.
Er ist Mitglied der Akademie zu Stockholm.
Dr. Georg Kaspar Nagler: Neues allgemeines Künstler-Lexicon oder Nachrichten von dem Leben und Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter etc. Bearbeitet von Dr. G. K. Nagler. München, 1837.
Gallerie einiger in München lebender Künstler.
(Fortsetzung.)
Etzdorf, Christoph.
Man betraut sich in München mit Künstlern nur durch das stete Anschauen ihrer Werke und findet nicht immer Gelegenheit, so häufig auch die letzteren sich hinter einander in den öffentlichen Ausstellungen folgen, ihre Lebensverhältnisse und ihren Bildungsgang aus biographischen Quellen oder andern verlässigen Mittheilungen kennen zu lernen.
Etzdorf, aus Norddeutschland, erregte bereits als Landschaftsmaler die Aufmerksamkeit mit manchem, auf gleicher Bahn vorstrebenden, vorzüglichen Talente in einem so hohen Grade, daß sein Name nicht übergangen werden darf.
Die jungen Künstler sowohl aus Norddeutschland als auch aus Bayern oder den südlichen Provinzen der großen, deutschen Heimat durchzogen nach allen Richtungen die malerischen Gegenden des bayerischen Oberlandes; keinen See, kein Thal, keinen Bergschlund, keinen Gebirgszug, keinen Gletscher, keine reizende Fernsicht gibt es mehr, die nicht schon wären ausgebeutet worden! Noch immer reisen Münchens Künstler nach diesen Bergthälern, die Natur bietet jedem wieder neue Reize, die auf einem neuen Standpunkte ihre anmuthige Physiognomie in überraschender Metamorphose entschleyert.
Die Schweiz mit ihrer gigantischen Natur, mit ihrer imposanten, fast erdrückenden Großheit, ist so zu sagen veraltet und abgenützt, während Oberbayern, Tyrol, Salzburg, Kärnthen und Steyermark, das adriatische Litorale, die pittoresken Seen Oberitaliens und die Etschgelände die Schaaren deutscher Künstler anlocken und ihr Lieblingsgegenstand geworden sind. Mitten in dieser von interessanten Scenen überreichen Natur enthüllt sich dem beobachtenden Künstler die Eigenthümlichkeit des häuslichen und öffentlichen Lebens der Gebirgsbewohner, und der Genremaler findet unerschöpflichen
Stoff wie der Landschaftsmaler. Gleim, Schiller, Fohr, Mohr, Bockhorni, Schleich, Lorenz Quaglio, Tank, Frich, Böhme, Jurisch, Metzinger, Hueber, Podesta, Albert Zimmermann, Marr, Moosbrugger, Morgenstern, Carl Heß und viele andere talentvolle Künstler, deren Aufzahlung zu viel Raum einnehmen würde, verschafften durch den Reichthum ihrer Landschaft- und Genregemälde aus diesem südlichen Gebiete dem kunstliebenden Publicum die mannigfaltigsten Genüsse.
Moriz Müller aus Sachsen lieferte dem Kunstverein von München, der nun an zweytausend Mitglieder zählt, im Laufe dieses Jahres ein großes Gemälde: »eine Bauernhochzeit im bayerischen Gebirge,« eigentlich das Ende des Hochzeitfestes, den Heimgang der Brautleute in Begleitung der Hochzeitgäste darstellend. Es ist eine der trefflichsten Kunstschöpfungen, die je ein Meister hervorbrachte und erinnert an jene Zeiten, wo Energie der Empfindung, Kraft der Persönlichkeit und Lebensschwung die Werke der Meister durchdrangen.
Etzdorf, gleichsam im Gegensatze zu dieser üppigen Lebensfülle der schwelgerischen südlichen Natur, die wir in allen Nuancen zu betrachten Gelegenheit finden, durch die Darstellung der Künstler, stellt sich als Repräsentant der ernsten, minder begabten nordischen Welt gegenüber, die durch ihre stillfeyerliche Hoheit, durch ihren schwärmerischen Charakter den sinnigen Beschauer ergreift.
Diese Natur ist uns neu und überrascht durch ihre Eigenthümlichkeiten. Etzdorf hat sie ganz und treu aufgenommen, jeder Zug dieser Scenen ist ihm gegenwärtig, er schafft sie aus seiner reichen Künstlerseele neu belebt hervor, und seine Gemälde lassen uns die Töne des Lebens in Schweden und Norwegen deutlich vernehmen. Himmel, Meer, See, Gebirge und Thäler sprechen uns mit den ihnen eigenthümlichen Accenten an; über dem Spiegel der Meere wie über den nordischen Gletschern weht der Geist Odins uns an, und Baldur lächelt in dem Silbergewölke, das sich über die Berghöhen und über die Gebirge hinbreitet. Etzdorf trägt den Charakter der nordischen Natur ganz in sich und sie tritt in jedem seiner Landschaftgemälde mit dem entschiedensten Charakter hervor, der sie doch immer wesentlich von jenen des Süden, bei aller Analogie mit diesem, unterscheidet. Wer den Süden kennt, wird beym Anblicke der Etzdorf'schen Tableaux sich immer in einer fremden Natur befinden, d. h. er muß sich gestehen: ich befinde mich auf einem Boden, in einem Thale, an einem See, in einem Walde, an einem rauschenden Bergbach, auf einer Höhe, die an die Heimat mahnen, aber durch eine besondere Eigenthümlichkeit von ihr abweichen.
Dieser hellblaue Himmel, stellenweise durch graue Wolken unterbrochen, diese Felsmassen, diese Ströme, diese riesenhaften, finster schauenden Fichten, Tannen und Föhren reden eine andere Sprache und ein fremder Geist schwebt über allen Formen und Gestalten dieser vom Künstler dargestellten Natur, die bis in ihr kleinstes Detail mit größter Sorgfalt ausgeführt ist.
So Etzdorf! Stammverwandte Künstler beginnen mit ihm zu wetteifern, und wir sehen die »Eulenwasserfälle,« im Hintergrunde das bläuliche »Walhallagebirge« in seinen seltsamen Formen, von einem seiner Landsleute. Der Genuß war neu. Erhebt uns Etzdorf durch die ernste Natur des Nordens, so erheitern uns Heideck (der königl. Generalmajor), Rottmann und Petzl durch die sonnigen, klaren und warmen Gemälde aus Griechenland, und wir stehen oft betrachtend zwischen Christiania in Norwegen und Athen oder Korinth, zwischen dem Nordcap und dem herrlichen ewig denkwürdigen Isthmus, an welchem einst Hellas Großthaten übte!
(Werden fortgesetzt.)
Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 150. Samstag, den 15. Dezember 1838.
CHRISTIAN ETZDORF UND SEIN BRUDER.
Etzdorf verdient, den geschickten Landschaftern beigezählt zu werden. Die Kühnheit seines Strichs, und die große Leichtigkeit seines Pinsels tragen dasselbe Gepräge, welches das Talent des Schweden Fahlkrantz, seines Landsmannes, auszeichnet. Die Landschaft, welche ich im Jahre 1837 im Kunstvereine von ihm gesehen habe, zeigt im Hintergrund eine hohe steile Felswand im Schatten; eine andere Felsmasse, auf welche das Sonnenlicht fällt, bildet, indem sie bis in den Vordergrund vortritt, einen zweiten Grund, der sich bis auf drei Viertheile den Blicken des Beschauers darbietet; die Felsenschichten sind durch waagerechte Aushöhlungen unterbrochen, welche die Zeit tief eingefressen hat; der Obertheil dieses Felsens steigt steil empor, der Untertheil ist mit Trümmerhaufen von Steinen und Schutt bedeckt, die sich im Herabfallen zerbröckelt haben und einen gleichartigen Abhang bilden. Der Ton dieser Landschaft ist grau, das Licht, das sie erhellet, ist kalt: aber sie zeigt Übereinstimmung in allen ihren Theilen, Harmonie, feste Zeichnuug und eine leichte Hand, und ist gewiss des Lobes würdig. Sie ist beinahe 4 Fuss hoch und 3 Fuss breit.
Viel weniger hat ein andres Werk dieses Künstlers mich angezogen: ein grosses Dickicht von Bäumen auf einem ebenen Grunde; es schien mir minder anziehend, als das erste, und weniger von jenem geheimen Reize zu haben, welcher, nach meinem Gefühle, das gröste Verdienst einer Landschaft ausmacht, und niemals die Frucht der blossen Leichtigkeit des Pinsels und der Fertigkeit ist. Ich finde in diesem letzten Gemälde weder ein grosses Verständnis der Natur, noch eine grosse Sorgfalt, ihr nachzubilden.
In den Werken des Bruders bemerkt man nicht in demselben Maasse die Meisterhand; er muss noch viel jünger sein, oder doch kürzere Zeit erst seine Kunst üben.
Graf Athanasius Raczynski (Übersetzung: Friedr. Heinr. von der Hagen): Geschichte der neueren deutschen Kunst. Berlin, 1840.
Von ganz anderer Art sind die vorzüglichsten landschaftlichen Gemälde von Johann Christian Etzdorf, geboren 1801 zu Pösnek bei Neustadt an der Orla in Sachsen und auf der Akademie in München gebildet. Ihm scheint jene Mannichfaltigkeit und Vielseitigkeit zu mangeln, welche man bei anderen Künstlern häufig findet, oder er strebt gefließentlich nicht danach. Die beßten seiner Bilder scheinen vielmehr im Norden entstanden, aus der tiefen Anschauung einer nördlichen Gegend geschöpft, und der Künstler hat sich so in den Charakter jener Gegenden versenkt, in welcher er längere Zeit zubrachte, daß er mit wahrer Begeisterung diese vorzugsweise darstellen will, und seine ganze Einbildungskraft scheint davon erfüllt. Statt dem gewöhnlichen Zuge nach Süden zu folgen, wanderte er zur Anschauung einer großen Natur nach Norden, nach Schweden und Norwegen, und dort empfing er jene mächtigen Eindrücke in seine Seele, welche sich beinahe in allen seinen Bildern wieder aussprechen.
Das erste große Bild, welches er in München ausstellte, und welches der König für die Gallerie in Schleißheim ankaufte, erregte ein wahres Erstaunen über die Art der Auffassung und Ausführung. In einer Waldgegend lehnt eine Sägemühle rechts an einen hochanstrebenden Felsen; das Wasser rauscht aus dem waldigen Hintergrunde, stürzt sich auf die Räder und sprudelt in vielen, kleineren und größeren Fällen über die Felsenblöcke und zwischen denselben durch. Fremd ist der blasse, graue Himmel, fremd die Felsenfernen mit ihrer düsteren Beleuchtung, fremd die Pflanzenwelt; nur die Fichten und Tannen erinnern an unsere Wälder. Alles ist höchst harmonisch zu einem Ganzen verbunden, über das Bild gleichsam nur Ein Ton verbreitet, die technische Ausführung vollendet, Felsen und Luft von bezaubernder Naturwahrheit, die Farben so stark aufgetragen, daß man die Spuren der Verwitterung an den Felsen und das Moos nicht bloß sieht, sondern fühlen zu können glaubt.
In diesem Geiste sind die meisten Bilder dieses Künstlers, mit wenigen Ausnahmen, aufgefaßt und ausgeführt. Seine Seele scheint wie vom Heimweh nach jenen Gegenden ergriffen, die trotz ihres düsteren kalten Ernstes durch die Kunstdarstellung jenen poetischen Zauber bei dem Beschauer hervorbringen, von dem der Künstler selbst beseelt ist. Die Gemälde scheinen ganz jene Gegenden zu schildern, in welchen Ossians Helden wandeln: die sonderbar gezackten, nebelumschlossenen Felsen, die feuchten, schweren Lufttöne, und die ernste Stimmung, welche über das Ganze verbreitet ist, passen zum Schauplatze jener Inselkönige.
Sein Bruder Christian Friedrich, geboren 1807, hat sich seine Auffassungs- und Darstellungsweise im hohen Grade eigen gemacht, und schildert mit Naturwahrheit düstre Waldgegenden, Winterlandschaften durch Thiere belebt, oder Felsenthäler u. dgl.
Dr. Johann Michael von Söltl: Die bildende Kunst in München. München, 1842.
Ezdorf, Christian,
ist Sachsen-Meiningenscher Unterthan, kam 1820 nach München, um seine Künstlerlaufbahn als Landschaftsmaler zu beginnen. Die Liebe für nördliche Gegenstände bewog ihn, nach Norwegen, Schweden und Dänemark zu reisen, wo er acht Jahre, namentlich in Stockholm, verweilte, und woselbst mehr als hundert seiner Gemälde zurückgeblieben sind. Sodann besuchte er Frankreich und England auf 3 Jahre und lebt seitdem wieder in München, wo er seine Gemälde im nordischen Charakter noch bis jetzt wiedergiebt. Die Schleißheimer Gallerie, Fürst Thurn und Taxis in Regensburg, Baron v. Sina in Wien, haben Bilder von diesem Meister, die zu seinen größten Arbeiten gezählt werden können. Viele Kunstvereine und Privaten haben Gemälde von ihm.
Universal-Handbuch von München. München, 1845.
Versteigerung.
Donnerstag den 1. April wird in der Briennerstraße Nr. 18/3 Vormittags von 9 bis 12 Uhr und Nachmittags von ½3 bis 6 Uhr der künstlerische Nachlaß des verstorbenen Herrn Christian Etzdorf, herzoglich sachsen meiningen’schen Hofmalers, an den Meistbietenden gegen Baarzahlung versteigert. Derselbe besteht aus Handzeichnungen, Radirungen, Oelgemälden und Skizzen; ferner sind von älteren Meistern mehrere Oelgemälde vorhanden, als: Pietro Peroccino, Cornelius Schutt, John Silvius etc., fast sämmtliche Radirungen von Waterloo, Kalam etc., dann eine Garnitur reichgeschniitener und vergoldeter, sehr gut erhaltener Roccocomeubel, bestehend in 2 Kommoden, Consoltischen, Spiegeln, Wandleuchtern, 1 Fauteuil, 2 Taboureiten, 1 Stockuhr, dann vielen Malerrequisiten, goldenen reichgeschnittenen Rahmen, eine Regenbadmaschine, eine kleine Hobelbank nebst Werkzeug, und sonstigen unbenannten Gegenständen. Vermerkt wird, daß obige Gegenstände Tags vorher angesehen werden können, und ladet zu dieser Versteigerung Kaufsliebhaber höflichst ein
Ph Hasper, Tändler und Auctionator.
Münchener Anzeiger, Beilage zu den Neuesten Nachrichten. Freitag, den 26. März 1852.
Johann Christian Michael Etzdorf,
Landschaftsmaler zu München; geb. den 28. Febr. 1801, gest. den 18. Dec. 1861.
Wir stehen hier an dem irdischen Endziele einer wahrhaften Künstlernatur, die sich mit geringer äußerer Beihilfe aus sich selbst herausgebildet hat, eines Genius, der, als ihm von wohlwollender Hand der erste schwere Druck von seinen Fittigen genommen war, mit gewaltigem Flügelschlage sich seine eigenen Bahnen suchte. – Er war zu Pösneck im Herzogtum Meiningen von unbemittelten Aeltern geboren, die eben nichts, als das erste Lehrgeld für den Sohn, der zum Maurer bestimmt war, aufzubringen vermochten. Ein günstiges Geschick lenkte die Augen eines an sich schlichten, aber reichen und kunstliebenden Bürgers, des Färbermeifters Seige in Pösneck, auf den Lehrling, dessen ungewöhnliches Talent zu zeichnen ihm auffiel. In dem palastähnlichen Hause, welches der reiche Bürger sich erbaute, hatte er dazu vielfache Gelegenheit. Mit einer ungewöhnlichen Liberalität nahm der wackere Bürger des Jünglings sich an, ließ ihm Zeichnenunterricht ertheilen und entsendete ihn, da er durch reißende Fortschritte seines Wohlthäters Erwartungen weit übertraf, zu seiner ferneren künstlerischen Ausbildung auf seine Kosten in die Akademie zu Dresden. Bald bereicherte der junge Künstler den Saal seines Schützers, in welchem bereits eine große Anzahl mehr oder minder werrhvoller Gemälde sich befanden, durch gelungene Bilder, von denen wir nur die Kopie des Todes des Kurfürsten Moriz in der Schlacht bei Sievershausen und Seige's eigenes Bild in Lebensgröße mit der malerischen Aussicht auf eine der reizendsten Gegenden Pösneck's, wie man sie aus einem Fenster des seige'schen Gemäldesaales aus sieht, hervorheben. – Nach dem Tode seines Gönners wendete er sich, bereits zu künstlerischer Selbständigkeit gelangt, nach München, zeichnete und malte hier im Kreise seiner jugendlichen Kunstgenossen nach den dortigen leuchtenden Vorbildern, ohne einer besonderen Kunstrichtung ausschließlich hingegeben zu seyn. Erst auf seinen Wanderungen in das nähere und fernere Hochgebirge, die er zu seiner Erholung meistentheils ohne Begleitung unternahm, entschied er sich für die Landschaft, und zwar nicht für die sonnige, liebliche Landschaft, sondern für das Einsame, Große, Düstere. Schon aus jener Periode finden sich sehr gelungene Gemälde in den Sammlungen der Kenner und Liebhaber zerstreut. Die Richtung war gegeben; er fand im Süden nicht, was seine Seele suchte. Im J. 1821 zog er nördlich über Hamburg und Kopenhagen die norwegische Küste hinauf bis zum Nordkap. Seine Bilder, auf denen die einsamen, eisumstarrten Klippen, wo nur die Eidergans horstet, die düsteren Klüfte der Nordregion mit ihren brausenden Wasserfällen mit einer Wahrheit und Treue wiedergegeben sind, daß der Beschauer fröstelt und bebt, fanden in Stockholm, wohin der Künstler zu längerem Aufenthalte sich begab, große Anerkennung. Don einer Reise nach Island im J. 1827 kehrte er wieder zurück nach Stockholm, wo er vielfach beschäftigt wurde. Mit einem großen Reichtbum an Skizzen nordischer Landschaften ging er darauf im J. 1831 nach England, wo er in Zurückgezogenheit der Verarbeitung des Reichthums seiner Mappe lebte. Mit zwei großen vollständig ausgearbeiteten Landschaftsbildern, von denen das eine, eine nackte Klippe Norwegens darstellend, die berliner Ausstellung im J. 1841 schmückte, das andere, ein einsam gelegener Eisenhammer mit einem in enger Felsschlucht herabbrausenden Wasserfalle in den nördlichen Kjölen, welches von dem König Ludwig von Bayern angekauft worden ist, kehrte E. von London nach München zurück. Eine in dem Jahre 1848 wiederum zur Sammlung von neuen Studien nach Norwegen unternommene Reise befriedigte seine Erwartungen nicht. »Er habe«, äußerte er selbst, »darum wenig Ausbeute gefunden, weil es die ganze Reise über schönes Wetter gewesen sey«. Es ist in der That unbegreiflich, wie der in seiner inneren Weltanschauung so heitere, in seiner ganzen Weise still freundliche Künstler mit seiner Phantasie sich zu den starren, grotesken und wilden Naturbildern hingezogen fühlen konnte. Auf allen diesen Arbeiten aber waltet der Stempel der Wahrheit; man fühlt es aus ihnen heraus, daß aus der geheimnißvollen Werkstätte der Natur diese Gebilde hervorgegangen sind; ja selbst das Auge des Naturforschers findet an den grauen Wolkengeweben, an den bemoosten Stämmen, an den Stein- und Felsblöcken wissenschaftliche Befriedigung. Außer dem großen, auf der letzten Ausstellung zu München höchlichst belobten Oelgemälde, das einen reißenden Waldstrom darstellt und einigen andern Oelbildern finden sich in seinem Nachlasse noch eine Menge fleißig ausgeführter Studien und Skizzen, vornehmlich eine Zahl nach einer neuen Metbode gefertigter Landschaften in Kohle, welche eine außerordentliche Wirkung hervorbringen. Genug, E. war ein ausgezeichneter Künstler. Seine äußere Erscheinung hatte nichts Hervortretendes oder Anspruchsvolles. In seinem Angesichte prägte sich der Gleichmuth seiner Seele, die für stärkere Affekte nicht organisirt zu seyn schien, deutlich aus. Leider! mußte er noch in der letzteren Zeit manchfache Kränkungen durch Zurücksetzung erfahren, die ihm an's Leben gingen. Erst spät, etwa vor 6 Monaten, hat er sich verheirathet und sein früher Tod raubte ihm die Hoffnung auf ein längeres Glück in dieser Verbindung. Ohne vorhergegangene Andeutung tieferen Unwohlseyns fühlte er sich am 17. Dec. d. J. plötzlich krank und schon am Abende des folgenden Tages führte eine zu einem Magengeschwür hinzutretende Entzündung der edleren Theile seines Innern den Künstler zum ungeahnten schnellen Tode. Alle, die ihn kannten, trauern um ihn.
B. Hain.
B. Hain: Neuer Nekrolog der Deutschen. Weimar, 1853.
Die Gebrüder Ezdorf, Landschaftsmaler von Ruf, stammen aus Pösneck an der Orla, der ältere, Christian, geb. 1801, starb in München 1851, der jüngere, Friedrich, geb. 1807, starb 1858 in Würzburg. Nur der jüngere, Friedrich, hat, so viel ich weiss, die Radirnadel geführt. Wiederholen wir den ansprechenden biographischen Nachruf, den der Münchener Kunstverein dem ersteren als seinem Mitgliede 1852 nachsandte:
»Johann Christian Michael Ezdorf, geb. 1801 zu Pösneck an der Orla, erhielt seine erste künstlerische Ausbildung auf der Akademie in München und in den nahen Hochlanden, in denen er mit Vorliebe ernste, ja düstere Stellen aufsuchte. Diese eigenthümliche Geschmacksrichtung bestimmte ihn zu einer Reise nach dem Norden Europa’s, wo er die ihn am meisten ansprechenden Charakterzüge der Natur bestimmter ausgeprägt zu finden glaubte. Er ging deshalb im Jahre 1821 über Hamburg und Kopenhagen nach Norwegen und nach dem Nordcap, von da nach Schweden und hielt sich längere Zeit in Stockholm auf, wo er sich grosse Achtung erwarb. 1827 besuchte er Island, kehrte aber nach Stockholm zurück und fand vielfältige Anerkennung und Beschäftigung.
In den dreissiger Jahren (1835) ging er nach England und hier malte er vielleicht seine schönsten Bilder, wenigstens sind die beiden grossen Landschaften aus Schweden, die er 1840 von London mit nach München brachte und von welchen die eine einen Eisenhammer an einem Wasserfall (in der Neuen Pinakothek zu München) die vorzüglichsten seiner Hand. Er liebte vorzugsweise das Düstere in der Natur, ja er schränkte sich eigentlich ganz darauf ein. Seine Vorbilder waron Ruysdael und A. van Everdingen, er kannte kein grösseres Lob als mit dem Letzteren verglichen zu werden, selbst auf Kosten seiner Originalität.
Graue Wolken mit wenig blauem Himmel, dunkele Fichten nebst bemoosten Birkenstämmen, schäumende Waldbäche zwischen Felsen und eine verfallene Hütte – das war das Material, aus welchem er seine oft hinreissend schönen Naturscenen aufbaute. Eine Aeusserung von ihm zeichnet seinen künstlerischen Charakter recht bestimmt. Er war 1849 wieder in Norwegen, kehrte aber mit einer auffallend geringen Ausbeute an Studien von dort zurück; darüber befragt sagte er: »die ganze Zeit dass ich in Norwegen war, war schönes Wetter und da habe ich Nichts gefunden.«
Ueberhaupt war (namentlich in der letzten Zeit) seine Art nach der Natur zu studiren sehr eigenthümlich skizzenhaft und seine Zeichnungen dürften für Viele eine Runenschrift sein. Und doch zeigen seine Gemälde ein so tiefes und genaues Studium, dass er mit seinen Felsblöcken und Steinschichten sogar das Kennerauge der Geologen entzückte. Freilich hat er seiner Imagination und seinem Formengedächtniss durch ungemein fleissige und ausgeführte Studien in jüngeren Jahren eine feste Grundlage gegeben. Eine neue sehr ansprechende Art, Landschaften in Kohle mit einer gewissen Vollendung und malerischer Wirkung zu zeichnen (und dann zu fixiren) hat Ezdorf wenn nicht erfunden, so doch von England oder Frankreich bei uns eingeführt und vervollkommnet.
Ezdorf war ein stiller, in sich abgeschlossener und in seiner inneren Welt glücklicher, anspruchsloser und freundlicher Mensch. Sein Gesicht schien keine Muskeln für den Unmuth oder Zorn, geschweige für Missgunst oder Feindschaft zu haben. Aber soviel wusste er doch von seinem Werth, dass ihn Geringschätzung schmerzte.
Ein eigentliches Krankenlager ging seinem Tode nicht voraus, am 17. Dec. 1851 fühlte er sich unwohl und schon am Abend des 18. war er eine Leiche. Er war erst seit einem halben Jahr verheirathet und hatte erst das vorige Jahr seinen Vater verloren, der bei seiner Geburt schon so alt war, als der Sohn bei des Vaters Tode. Er war in der letzten Zeit Sachsen-Meiningenscher Hofmaler geworden und war Mitglied der Akademie der schönen Künste in Stockholm.«
Dr. phil. Andreas Andresen: Die Deutschen Maler-Radirer (Peintres-Graveurs) des neunzehnten Jahrhunderts, nach ihren Leben und Werken. Leipzig, 1872.
Etzdorf: Christian E., Landschaftsmaler, geb. zu Pösneck in Sachsen 1801, gest. in München am 18. December 1851. E. kam früh nach München und bildete sich dort mit sehr auffallender Selbständigkeit ohne Anlehnung an moderne Meister vorzüglich nach Everdingen und anderen Niederländern aus, deren Technik und coloristische Reize, besonders die Benützung des Helldunkels und der feinen grauen Töne er früher begriff, als irgend einer seiner Münchener Zeitgenossen. Ein längerer Aufenthalt in Norwegen und Schweden, deren wilder und großartiger Natur er fortan meist seine Stoffe entnahm, bestärkte ihn in dieser Richtung auf Darstellung des Düsteren und Einsamen nordischer Landschaft, der sogenannten Schlechtwettermalerei. Seine vollendetste Leistung dieser Art ist ein Wasserfall mit Eisenhammer aus Schweden in der neuen Pinakothek, ein Bild, das ob seiner einfachen und großen Anschauung wie gesunden Technik auch heute noch bestehen bleibt, für jene unentwickelte Periode unserer Malerei aber ein Phänomen war. Andere schöne Werke von ihm finden sich im Schloß zu Meiningen.
Pecht.
Friedrich Pecht: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1877.
Etzdorf, Joh. Christian, Landschaftsmaler, geb. 28. Febr. 1801 in Pössneck, † 18. Dec. 1851 in München, bildete sich hier, bereiste Skandinavien bis zum Nordcap, kehrte dann nach München zurück, von wo er später noch Island besuchte. Dann lebte er mehrere Jahre in England, wo er seine besten Bilder, fast lauter Gebirgslandschaften, malte. Er war Mitglied der Akademie von Stockholm.
Allgemeines Künstler-Lexicon. Leben und Werke der berühmtesten bildenden Künstler. Vorbereitet von Hermann Alexander Müller. Herausgegeben von Hans Wolfgang Singer. Erster Band. Frankfurt am Main, 1895.
Als interessante Erscheinung, ja als Glanzpunkt der Münchener Schule, darf Christian Etzdorf genannt werden, der seine Motive am liebsten im Walde, am Strande, in den Felsenthälern namentlich Skandinaviens sucht. Tiefer Ernst durchzieht seine Schöpfungen. Meist ist der Himmel trüb und regnerisch, die Stimmung ist ganz in Melancholie getaucht. Die Formen erhöhen noch durch Einfachheit und Emst den Ausdruck. Etzdorf malte oft landschaftliche Scenen in der Art der alten Holländer, ja er ahmte Everdingen und Ruisdael nach, aber ohne Aengstlichkeit und ohne Aufopferung seiner frischen Naturempfindung.
Dr. phil. Franz Friedrich Leitschuh: Das Wesen der modernen Landschaftsmalerei. Strassburg, 1898.