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29 – 2 – 10 (Caspari)

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Karl Heinrich Caspari

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Karl Heinrich Caspari

* 16.2.1815 (Eschau)
† 10.5.1861 (München)
Theologe, protestantischer Stadtpfarrer und Schriftsteller

Regensburger Zeitung (12.5.1861)

Frühpost.
Neueste, zumeiste telegraphische Nachrichten.

München, 11. Mai. Gestern Nachmittags um 4½ Uhr erlag der zweite Pfarrer an der hiesigen protestantischen Hof- und Stadtkirche, Karl Heinrich Caspari, einem langwierigen schweren Lungenleiden. Mit ihm ist einer der edelsten Menschen, ein ausgezeichneter Kanzelredner und ein auch durch seine Leistungen im Gebiete der Erzählung und der religiösen Didaktik in ganz Deutschland gefeierter Schriftsteller aus unserer Mitte geschieden.

Regensburger Zeitung No. 130. Sonntag, den 12. Mai 1861.

Der Schatzgräber (22.5.1861)

An Caspari.*)

Selig bist Du in dem Herrn entschlafen,
Rüst'ger Kämpe für der Wahrheit Licht!
Ruhig lächelt Dir ein sichrer Haven,
Wo kein Sturm mehr bricht.

Nimmer wichst Du von dem rauhen Pfade
Hoher Tugend in dem Drang der Zeit;
Offen war Dein Wesen, bieder grade'
Fremd Dir Haß und Neid.

Den als feigen Heuchler Du erkanntest,
Zogst Du bald die Larve vom Gesicht
Ihn mit Würd' beschämend, doch verkanntest
Du den Armen nicht.

Stumm ist nun der Mund, der einst gesprochen
Donnernd gegen Irrthum, Wahn und Trug;
Still das Herz, im Todeskampf gebrochen,
Das so edel schlug.

Jenseits strebt dein Geist, wo jede Klage
Schweigt, kein Sturm daS müde Herz bewegt,
Nur ein Richter auf gerechter Wage
Menschenthaten wägt.

*) Das Gedicht wurde uns von einem Freunde des Verstorbenen aus der Pfalz zugeschickt mit folgendem Begleitschreiben: »Werthgeschätzter Herr Landsmann! Mit tiefem Bedauern las ich heute in Ihrem geichätzten Blatte den Tod Caspari's, den ich, ach! in Tagen schöner Jahre kennen und schätzen lernte, und unvergeßlich bleibt mir jene humoristische Fußwanderung, welche wir einst als Studenten von Erlangen über Kissingen und Brückenau nach Uffnau – einem vom Thüngischen Besitzthum – mit einander unternommen. Lieb wäre mir's, wenn Sie auch anliegenden Nachruf den Spalten Ihres Feuilletons öffneten!

Der Schatzgräber Nr. 41. Beiblatt zur Isar-Zeitung. München; Mittwoch, den 22. Mai 1861.

Westermann's Illustrirte Deutsche Monatshefte (3.1862)

Zur Erinnerung an
Karl Heinrich Caspari.

Von
August Vogel.

Caspari's hohe Bedeutung als Mensch, Canzelredner und gefeierter Schriftsteller ausführlich zu würdigen, kann hier natürlich nicht Aufgabe sein, – eine Aufgabe, die überdies meine geringen Kräfte weit übersteigen müßte. Da es mir aber vergönnt war, dem Verstorbenen durch Bande der Liebe und Freundschaft nahe zu stehen, ein Verhältniß, welches ich als ein segensreiches für mein ganzes Sein dankbar empfunden, so möge mir ein anspruchsloses Wort der Huldigung nicht versagt sein.

Die äußeren Lebensverhältnisse Caspari's sind schon wiederholt in öffentlichen Organen (Neue Münchener Zeitung. 1861. Nro. 131. Allgemeine Zeitung. 1861. Nro. 160.) besprochen worden, weshalb ich, auf jene ausführlicheren Darlegungen verweisend, nur das Wesentlichste daraus hervorheben will.

Karl Heinrich Caspari wurde am 16. Februar 1815 zu Eschau, einem Dorfe in Unterfranken, woselbst sein Vater Pfarrer war, geboren. Die romantische Lage seines Geburtsortes, in den herrlichen Wäldern des Spessarts, umgeben von alten Ruinen und Schlössern, an die sich die wunderbarsten Sagen im Munde des Volkes knüpften, mag wohl schon in frühester Jugend nicht ohne Anregung und Einfluß auf sein tief poetisches Gemüth geblieben sein und den ersten Keim zu jener productiven Thätigkeit gelegt haben, welche in der Folge so reiche Früchte getragen.

Nach zurückgelegten Gymnasialjahren studirte er an der Universität Erlangen nach dem Wunsche seines Vaters Theologie und gleichzeitig mehrere Jahre Philologie; zu letzterm Studium veranlaßte ihn ein eigenthümliches Mißtrauen in seine Befähigung zum Prediger. Diese sonderbare Besorgniß, in einem Mangel an Selbstvertrauen begründet, verschwand aber durch seine erste Predigt, die er als Student auf einem Dorfe in der Nähe Erlangens gehalten; Sachverständige haben in diesem ersten Versuche schon seine hohe Begabung für den Beruf als Prediger erkennen wollen. Auf seine spätere Bedeutung als Schriftsteller haben übrigens jene gründlichen philologischen Studien in hohem Grade günstig eingewirkt, indem dadurch allen seinen literarischen Werken unverkennbar der Hauch classischer Vollendung verliehen wurde.

Schon während seines Aufenthaltes im Predigerseminare zu München, wohin er nach Vollendung seiner Universitätsstudien berufen worden, hatte Caspari seine treue Lebensgefährtin gefunden, welche ihm nicht nur eine liebevolle Gattin, ihren beiden hoffnungsvollen Söhnen eine treue Mutter geworden, sondern auch, wie er selbst dankend anerkannte, durch ihren seltenen Geist und richtigen Geschmack auf die Erfolge seiner geistigen Leistungen nicht ohne günstigen Einfluß geblieben ist.

Nachdem er hierauf als Vicar und später als Pfarrer an verschiedenen Stellen gewirkt, auch einige Jahre in seinem Geburtsorte Eschau als Nachfolger seines Vaters, wurde er 1856 als zweiter Pfarrer nach München berufen, wo er am 10. Mai 1861 im fünfundvierzigsten Jahre seines Alters nach segensreichem Wirken gestorben.

Caspari war von Natur aus zur Beredtsamkeit mit den glücklichen Gaben einer imponirenden Gestalt und einer biegsamen sonoren Stimme ausgestattet. Nicht minder aber hatte auch die zur Vorbereitung verwendete Mühe und Arbeit einen großen Antheil an seinen Erfolgen als Redner. Man kann nicht eigentlich sagen, daß es ihm von den Lippen strömte; nur durch ein seltenes Zusammentreffen von Kunst und Talent, beide in ihm innigst verwoben, sich gegenseitig ergänzend, wurde es ihm möglich, in seinen kirchlichen Reden tiefe Gründlichkeit mit gemeinfaßlicher Einfachheit, nüchternen Nachdruck mit poetischem Schwunge zu vereinigen. Durchdrungen von der hohen Aufgabe seines Berufs blieben ihm Lauheit und Gleichgiltigkeit auch bei den geringsten seiner Amtsverrichtungen gänzlich fremd. In dem einsamen, abgelegenen Dorfe Eschau, unberührt von dem aufmunternden, auch für den Canzelredner nicht selten verführerischen Beifall einer feingebildeten Gemeinde, hat er seine später im Druck erschienenen vortrefflichen Predigten über die zehn Gebote gehalten. Mit einem Worte: Es war ihm Ernst, das Herz machte ihn beredt. Wer von Allen, die ihn jemals predigen gehört, sollte nicht erfüllt worden sein im Innersten von dem Gefühle, das dieses Mannes Rede aus vollster Ueberzeugung vom Herzen gekommen? Diese von Herzen zu Herzen gehende Beredtsamkeit war es auch, welche ihn so sehr zum Lehrer der Jugend befähigte, ihn als solchen so überaus beliebt machte; ist ja doch der Jugend ganz besonders das feine Gefühl eigen, diejenigen, die ihr herzlich wohlwollen, mit richtigem Tacte herauszufinden, ihnen liebend anzuhängen.

Von Caspari's theologischen Schriften, deren eigentliche Beurtheilung mir natürlich fern liegt, gedenken wir nur seiner schon oben erwähnten Predigten über die zehn Gebote, nach dem Urtheile der Sachverständigen »ein wahres Musterwerk evangelischer Beredtsamkeit,« seines trefflichen Buches: »Geistliches und Weltliches zum Katechismus Luther's,« ein Buch von der segensreichsten Wirkung in Schule und Haus, und endlich seines im Auftrage der Regierung verfaßten Landeskatechismus, welcher im In- und Auslande große Anerkennung und in kürzester Zeit weit über Deutschlands Grenzen hinaus bis nach Amerika die ausgedehnteste Verbreitung gefunden hat.

Durch Caspari's hervorragendes Talent für volksthümliche Darstellung sind köstliche Perlen zu Tage gefördert worden; es genügt schon die Namen dieser wahren Volksschriften zu nennen. Denn wem sind sie nicht bekannt, seine »alten Geschichten aus dem Spessart, seine Dorfsagen, zu Straßburg auf der Schanz, der Schulmeister und sein Sohn, Christ und Jude,« mit ihren lebenskräftigen Gestalten eines Udalrikus Gast, Olufson, des Jägers von Erlau u. a.?

Alle diese Erzählungen, – kräftige Zeugnisse christlichen Glaubens und christlicher Sitte – sind unverwelkliche Blüthen im Kranze deutscher Literatur. Durch ihre Einfachheit und Wahrheit, durch ihre treue, der volksthümlichen Anschauung unmittelbar entnommene Darstellung haben sie allenthalben offene Thüren und Herzen gefunden und, wir sind dessen gewiß, nicht allein durch ihre Anmuth ergötzt, sondern auch durch ihre ernst christliche Haltung gebessert, getröstet und erhoben. Wie überhaupt heutzutage fast Alles, was mit gesundem Sinne und poetischem Gemüthe aus dem Volksleben gegriffen, in jeder normal organisirten Menschenseele Widerhall, Beifall und Verständniß gewinnt, um so mehr mußten Casparis Erzählungen, ähnlich dem Volksliede, allem Romanhaften, so wie aller Effecthascherei fremd, bei meisterhafter Handhabung eines körnigen, gedrungenen Stils, augenblicklich Eingang finden in die innerste Gemüthstiefe bei Gebildeten und Ungebildeten, – daher die überraschend schnelle und weite Verbreitung seiner Volksschriften.

Wollen wir den Eindruck des persönlichen Wesens bezeichnen, welcher sich bei der ersten Begegnung Caspari's einem Jeden fühlbar machte, so müssen wir sagen: er war eine ernste edle Erscheinung, – edel in dem Sinne und der Bedeutung des Wortes genommen, wie sie nur einem Manne zukommt, dessen liebenswürdige, glückliche Naturanlagen durch das Licht des Christenthums erleuchtet und verklärt erscheinen. Nur so, mit Hereinziehung dieses sein ganzes Sein durchdringenden Einflusses, kann das harmonische Ganze seines äußeren Wesens richtig erfaßt und gewürdigt werden. Um ein getreues Bild von ihm zu bekommen, gab es vielleicht keine bessere Gelegenheit, als die Art und Weise zu beobachten, wie er sich im Freundeskreise gab. Hier ging sein Herz auf und selbst wenn er nur wenig sprach, schon seine Nähe hatte etwas Wohlthuendes. Sein theilnehmendes Interesse an den Verhältnissen Anderer, seine schonende Milde im Urtheil, unterstützt von der ganzen äußeren Erscheinung, den feinen Zügen eines edeln Angesichts und dem innigen Ausdrucke eines freundlich ernsten Auges, gewannen ihm die Verehrung, das Vertrauen und die Lieber Aller, die mit ihm in persönliche Berührung kamen. So hatte er denn wohl auch schwerlich einen persönlichen Feind, und auch solche, denen er seiner Richtung, nach entfernter stand, mußten immer seiner Liebenswürdigkeit als Mensch und Freund gerechte Anerkennung zollen. Nur einem oberflächlichen Beobachter konnte Caspari schwer zugänglich und wortkarg erscheinen; er liebte die Geselligkeit in gewissen Grenzen, wenngleich es nicht leicht war, seinen Freunden beigezählt zu werden. Aber wen er einmal liebgewonnen, an dem hing er mit voller Seele, ja sogar die leichte, wenn schon gerechte Rüge der Schattenseite an Freunden machte ihm einen verletzenden Eindruck, indem für ihn die Mängel neben den Vorzügen derer, die er liebte, keine Bedeutung hatten.

Obwohl schon seit Jahren seine Gesundheit nicht zu den kräftigeren gehörte, so konnte er doch seinem Amte, wenn auch mit Unterbrechungen, vorstehen. Es scheint indeß, daß er selbst schon länger von der Bedeutung seines allerdings immer deutlicher hervortretenden Lungenleidens eine klare Empfindung gehabt habe. Als der Erguß trüber Ahnungen über seinen körperlichen Zustand mag folgendes unter seinen Papieren aufgefundene Gedicht gelten, welches er einem gleichfalls leidenden Amtsbruder während eines gemeinschaftlichen Badaufenthaltes in's Stammbuch geschrieben:

Gott sprach zu Dir und mir: »Ein trüber Schatten
Soll legen sich ob Euern Lebenswegen.
Es soll von Stund an Eure Kraft ermatten
Und nieder sollt den Hirtenstab Ihr legen.
Hier trinkt den Kelch!« – Wir haben ihn getrunken.
Müd' ward der Fuß, das Herz so schwer und bange.
Und weh die Brust, der Stab ist uns entsunken
Und seufzend fragen wir: »Ach Herr, wie lange?«
Noch kein Bescheid ist uns darauf gekommen.
Verborgen ist uns Gottes Rath und Fügen.
Nur jener Trost, – der bleibt uns unbenommen, –
»Laßt Ihr an meiner Gnade Euch genügen.« –

Erst in dem letzten Halbjahre hatte sein Brustleiden trotz der umsichtigsten und kunstverständigsten ärztlichen Behandlung, trotz der sorgfältigsten Pflege solch rasche Fortschritte gemacht, daß er seine amtlichen Functionen auf liebevolles Andringen seiner Freunde größtentheils niederlegen mußte, zuletzt und mit tiefstem Schmerze den ihm so theuern Unterricht der Jugend. »Wenn ich auch das nicht mehr thun darf,« sprach er, »dann bin ich ganz vom Amte, dann lebe ich ein Todter unter den Lebendigen.«

Sein langes und schmerzliches Krankenlager zeugte von der allgemeinen und herzlichen Liebe, welche er sich in allen Kreisen erworben. Die unermüdliche, erfinderische Liebe der Freunde umgab ihn und war von nah und fern bemüht, die Lage des theuern Kranken so viel als möglich zu erleichtern. Es drängt uns, hier noch besonders zu gedenken der ihm in so reichem Maße gewordenen Theilnahme und Anerkennung der hohen Frau, welche auch ohne den glänzenden Schmuck der Krone auf ihrem Haupte als das erhabenste Vorbild jeder christlichen Tugend nicht nur ihrem eigenen, sondern dem ganzen deutschen Volke voranleuchten würde; Sie – die Mutter des Landes in der edelsten Bedeutung des Wortes – hat in echt christlicher Liebe, welche allenthalben den Leidenden Trost und Hilfe spendet, auch das Leben des ihr theuer gewordenen Lehrers durch zartsinnige Beweise persönlicher Huld und Gnade geschmückt, ihre Trostbriefe waren dem zum Tode Erkrankten stets frische Blüthen, an deren wohlthuendem Dufte er sich bis an's Ende noch mit dankbarer Freude erquickte. Sein Sterben, am 10. Mai 1861, war ein würdiger Schlußstein seines edeln frommen Lebens; den schweren Abschied von einer innig liebenden und geliebten Familie bestand er mit der durch sein ganzes Leben schon bewährten christlichen Fassung.

Es erfaßt uns ein unabweisbares Gefühl der Wehmuth, wenn wir uns sagen müssen, diese reine Quelle, aus welcher das deutsche Volk noch so reiche Labung hätte schöpfen können, ist nun versiegt. Wie viele Entwürfe zu neuen Arbeiten, die ihn noch auf seinem Krankenlager beschäftigten, – Knospen, die nicht mehr zur Frucht gedeihen sollten, sind nicht mit ihm zu Grabe getragen? Doch, freuen wir uns dankbar des Schönen und Guten, was uns der seltene Mann aus dem reichen Schatze seines Geistes und Gemüthes in liebevoller Bescheidenheit geboten, freuen wir uns, daß sein treues, segensreiches Wirken durch Wort und Schrift unvergängliche Früchte getragen und das verdiente Glück, erkannt zu werden, gefunden.

August Vogel: Westermann's Illustrirte Deutsche Monatshefte Nr. 66. Braunschweig, März 1862.

Allgemeine Deutsche Biographie (1876)

Caspari: Karl Heinrich C., protest. Theol., geb. d. 16. Febr. 1815 zu Eschau in Unterfranken, ausgebildet auf den Gymnasien zu Schweinfurt und Nürnberg und der Universität Erlangen. Seit 1845 Pfarrer in Sommerhausen bei Würzburg, 1848 in Eschau, 1852 in Culmbach, 1855 zweiter protest. Pfarrer in München; † am 10. Mai 1861. Schriftstellerisch zeichnete er sich aus durch treffliche Volksschriften und durch katechetische Arbeiten: »Geistliches und Weltliches«, bis jetzt 11 Auflagen. Zu erwähnen ist noch sein »Katechismus«.

Plitt.

Gustav Leopold Plitt: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1876.



© Reiner Kaltenegger · Gräber des Alten Südfriedhofs München · 2007-2025


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