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36 – 11 – 18 (Rottmann)

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LEOPOLD
ROTTMANN
KGL. HOFMALER
* 1812 † 1881

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Leopold Rottmann

* 2.10.1812 (Heidelberg)
† 26.3.1881 (München)
Landschaftsmaler

Allgemeine Zeitung (21.6.1881)

Nekrologe Münchener Künstler.
XVII.
Leopold Rottmann.

Leopold Rottmann, geboren 2 October 1812 als der jüngste Sohn des an der hohen Schule zu Heidelberg wohlbestallten Zeichnungslehrers Friedrich Rottmann, war ursprünglich für die Wissenschaft bestimmt und genoß, da der Vater schon 1817 starb, erst nach dem Besuche der Gymnasialclassen die Unterweisung des Malers und Radirers Jakob Wilhelm Christian Roux, folgte aber 1830 dem nachmals so berühmten älteren Bruder Karl Rottmann (1798–1850) nach München, wo dieser seit acht Jahren festen Fuß gefaßt hatte. Anfänglich besuchte Leopold die Akademie, um sich nach Roux's Vorbild dem Portraitfach zu widmen; doch Heinrich Heß, welchem er vertrauensvoll nahte, erkannte richtig das zur Landschaft neigende Ingenium seines Schülers, welcher, fortan in die Fußstapfen seines Bruders Karl tretend, das bayerische Hochland, diese alma mater aller Landschafter, auf fleißigen, auch ins Tirol und in das Salzkammergut ausgedehnten Studienreisen durchzog.

Als erste Frucht erschien 1834 im Kunstverein zu Karlsruhe ein den »Untersberg mit Berchtesgaden« darstellendes Bild, welches zur Verloosung angekauft wurde. Hierauf folgte im Auftrag der Großherzogin Stephanie von Baden ein Bild mit der »Festung Salzburg,« und daran reihten sich mehrere Landschaften für Private. Schon gingen Bilder nach England und Rußland; sein Name gewann schnell guten Klang.

Indessen wendete sich Rottmann, welchem zeitlebens eine gewisse zaghafte Natur verblieb, gleichsam der Begabung für selbsteigenes Schaffen mißtrauend, zur Lithographie. Er übertrug den größten Theil der Zeichnungen auf Stein, welche der Maler G. Pezolt unter dem Titel »Salzburg und seine Angrenzungen« herausgab. (Salzburg bei J. Schön. Beide, G. Pezolt als Zeichner und Leopold Rottmann als Lithograph, widmeten das umfangreiche Werk dem Erzherzog Johann. Der erste Theil gibt auf 90 Blättern nur landschaftliche Ansichten, von denen weitaus die Mehrzahl Leopold Rottmann lithographirte, die Ansichten von »Berchtesgaden« und dem »Königssee«" sind auch von ihm gezeichnet (sämmtlich bei J. B. Kuhn in München gedruckt; einige Blätter, welche L. Libay in Wien zeichnete, wurden von J. Ranch und J. Höfelich in Wien gedruckt). Der zweite Theil enthält, insgesammt nach Pezolts Zeichnungen, auf 40 Blättern die interessantesten Reste mittelalterlicher Kunst in und um Salzburg. Rottmann lithographirte nur die »Fürstenstube auf Hohen-Salzburg,« das meiste radirte Peter Herwegen auf Stein. Der dritte Theil zeigt auf 18 Blättern mit je zwei Abbildungen in Farbendruck (sämmtlich von Leopold Rottmann) meist nur Volkstrachten. Ueber G. Pezolt, dessen Ende indessen immer noch in sagenhaftes Dunkel gehüllt ist, vgl. Wurzbachs Biograph. Lexikon. 1870. XXII., 157 ff.) Außer mehreren kleineren Ansichten (z. B. von Sandizell) zeichnete und lithographirte Rottmann die »Tiroler-Gegenden« für Cotta, lieferte eine »Partie am St. Wolfgang-See« für H. Kohlers »Münchener Album« (1841). Letzteres zeigt uns auch Rottmanns Portrait, welches übrigens beinahe gleichzeitig E. Neureuther, und zwar im Costüm eines Nürnberger Schustergesellen, zeichnete, in welcher Maske der bescheidene Rottmann beim großen Albrecht Dürer-Fest zu München (1840) mitwirkte.

Eine Aufzählung aller von Rottmann lithographirten Blätter geht hier über unsere Aufgabe. Erwähnt seien aber noch sein »Schwansee mit der Burg Hohenschwangau,« eine »Afrikanische Gebirgsgegend mit einer Karawane« nach Bernatz, einzelne »Märchen-Figuren« in 6 Blättern, eine »Ansicht von Athen« nach Caroni und die 14 Illustrationen nach Kuwasseg zu Franz Ungers »Urwelt in ihren verschiedenen Bildungsperioden« (1847). Nach der durch Prosesior v. Kobell erfundenen galvanographischen Methode gab Rottmann eine Ansicht des Schrannenplatzes, der Residenz, Glyptothek und Alten Pinakothek heraus und warf sich mit Feuereifer, insbesondere veranlaßt durch Hrn. Rudolf Oldenbourg, den damaligen Geschäftsführer der Cotta'schen literar-artistischen Anstalt in München, auf den nach englischem Vorbild auch für uns frisch erblühenden Farbendruck. Als erste Probe publicirte Rottmann 16 Blatt »Ornamente aus den vorzüglichsten neueren Bauwerken Münchens« und betheiligte sich dann noch bei vielen späteren Prachtwerken, z. B. Aretins »Kunstdenkmalen des bayerischen Herrscherhauses« (St. Georgscapelle auf der Trausnitz) nach Ferdinand Petzl mit Lithochromien.

Indessen drängte ihn doch seine künstlerische Natur zu mehr selbständigem Schaffen, und zwar zunächst in jenem Fache, welches am meisten seiner Begabung entsprach: der Aquarellmalerei. Im Jahr 1854 wurde ihm der Auftrag Sr. Majestät des Königs Maximilian II, verschiedene Jagdstände und Lieblingsplätze im Hochgebirge in einem Album von Aquarellen darzustellen; zu diesem Zweck verbrachte Rottmann die Sommer 1854–1857 im Gebirge und sammelte mühsam und sorgfältig als Material dazu, die großen herrlichen Studien und Skizzen, welche im Mai 1876 unter Beihülfe des Ministeriums für das kgl. Handzeichnungs- und Kupferstich-Cabinet erworben wurden. Daran reihte sich ein zweiter Cyklus von Ansichten derjenigen Hauptpunkte, welche König Maximilian II bei der im Sommer 1858 ausgeführten Gebirgstour von Arenenberg bis Berchtesgaden berührte. Sie bilden eine Illustration jener sogenannten Königsreise, welche kürzlich Fr. Bodenstedt im ersten Bande seiner »Erinnerungsblätter« (Leipzig 1879, auch unter dem Titel »Eines Königs Reise«) anmuthig beschrieb. Leider erlebte der hohe Auftraggeber nicht mehr die Vollendung dieser Aquarelle, welche Se. Majestät König Ludwig II pietät- und huldvoll übernahm.

Eine eben so bedeutende, wie schwierige und undankbare Ausgabe erhielt 1872 unser Maler mit der Restauration der berühmten landschaftlichen Fresken unter den Arcaden des Münchener Hofgartens. Zur Regelung dieser Angelegenheit wurde damals eine complicirtc Commission von künstlerischen Notabilitäten niedergesetzt, welche den traurigen Beweis lieferte, daß auch auf dem breitesten Boden des Parlamentarismus nicht immer die wohlthätigsten Resolutionen reifen. Obwohl das richtige Gutachten der Mehrheit dahin lautete: es gebe kein besseres Remedium, als die Fresken herauszusägen und anderswo in Sicherheit zu bringen, da nun einmal der alles zerstörende Mauerfraß unvertilgbar in den Wänden sitzt, so beschloß nun doch die Mehrheit, trotz ihrer besseren Einsicht und einzig richtigen Ueberzeugung, zum Gutachten der Minderheit überzugehen, wonach die kostbaren, unersetzlichen Bilder unter »genügenden« Schutzvorkehrungen an Ort und Stelle zu belassen, aber in ihren beschädigten Stellen zu restauriren seien. Die ominöse Resolution entsprang lediglich dem Grunde, daß die Wahl des betreffenden Technikers, welcher seine Aufgabe mit virtuoser Sicherheit gelöst haben würde, möglicherweise eine mißliebige Persönlichkeit betroffen hätte. Leopold Rottmanns Aufgabe blieb so wie so die gleiche, nur daß im ersteren Falle seine auf die Restauration verwendete Umsicht und Sorgfalt von bleibendem Nutzen gewesen wäre. Seine hervorragende Befähigung für dieses Werk wurde später ganz unnöthigerweise benergelt und sogar in Abrede gestellt. Gewiß ist, daß Leopold, wie kein anderer, die Mahlweise seines Bruders kannte; er war bei der Entstehung der Bilder zugegen und besaß eben so viel Pietät wie Verständniß für den großen Styl dieser Schöpfungen; er wußte den Umfang der Verantwortung, welche er mit diesem Auftrage übernahm. Daß aber ein solcher Sturm leidenschaftlicher Anklagen, solch ein kritischer Hagelschlag über ihn ergehen sollte, ahnte er sicherlich nicht. Glücklicherweise wurde es dem Vertheidiger Rottmanns leicht, jede dieser Anklagen zu widerlegen und zurückzuweisen (vgl. Lützows Zeitschrift 1873. VIII. Bd. S. 176), dessenungeachtet lieferte der ärgerliche Handel manchen Nagel für seinen Sarg.

Die beste Gegenkritik übte Wilh. v. Kaulbach, freilich in seiner sarkastischen Weise, welche Rottmann anfänglich aufs bitterste mißverstand. Kaulbach, welcher überhaupt öfters auf Besuch in den Bretterkasten kam, hinter welchem Rottmann seinen Restaurationsarbeiten oblag, erschien eines Tages wieder und beobachtete lange prüfenden Auges das fortschreitende Gelingen, bis er plötzlich die kühle Bemerkung hinwarf: »Diese Baumgruppe – in dem Bilde von Palermo – haben Sie zu derb grün gemacht.« Vergebens betheuerte Rottmann ihren intacten Zustand, diese Gruppe mit keinem Striche berührt zu haben; Kaulbach aber stellte sich ungläubig und verharrte hartnäckig bei seinem Ausspruch, obwohl Rottmann ärgerlich und tief verletzt aufs feierlichste protestirte. Nach kurzer Frist kam er wieder und wiederholte, indem er seine Hand auf des Malers Schulter legte, den früheren Spruch: »Mein lieber Rottmann, das haben doch Sie gemacht!« Bald darauf kam Graf Pocci, und Rottmann erzählte in größter Aufregung sein Erlebniß mit Kaulbach. Graf Pocci aber lachte und sagte: »Kaulbach weiß das so gut, wie wir beide, daß Sie das Grün hier gar nicht berührt; er wollte Ihnen damit nur sagen, was es für eine delicate Sache um die Ausführung einer solchen Restaurationsarbeit ist. Was jetzt die Leute an den Werken Ihres verstorbenen Bruders bemängeln werden, das geht nun auf Ihre Rechnung: das hat der Bruder Leopold so gemacht.«

Das schöne Privatproject, die griechischen Landschaften seines Bruders in Oel zu copiren, scheiterte plötzlich, nachdem sechs dieser Pinakothek-Bilder trefflich reproducirt waren. Leopold Rottmann warf sich wieder ganz auf seine Aquarellmalerei – die jüngste Münchener Kunstausstellung vom Jahre 1879 brachte noch drei Blätter: Hinter-Riß, Obersee bei Berchtesgaden und den Eibsee bei Partenkirchen – von seiner Hand. Außerdem war unser Meister immerdar als Lehrer thätig, sowohl bei Sr. kgl. Hoh. dem damaligen Kronprinzen Ludwig, bei Prinz Otto, Prinzessin Therese und I. k. k. Hoheit Prinzessin Gisela. Ebenso liebte man denselben in vielen aristokratischen Familien, obwohl seine Methode vielfach wieder als zu antiquirt und ideal bemängelt wurde. Dessen ungeachtet blieb sein praktischer Rath und seine rationelle Anweisung anregend und fördernd, zumal bei selbstthätigen Scholaren, welche, wie unser trefflicher Bankdirector Th. Sendtner, das gewöhnliche Ziel eines geistreichen Dilettantismus überschreiten. Da thaute der oft zugeknöpft scheinende, steif und rückhaltende Mann auf, und gab dann auch bereitwillig und wohlwollend sein Bestes. Er besaß ein feines und scharfes Urtheil, welches er aber niemals verletzend vorschob, da Rottmann ohne Voreingenommenheit gegen andere Kunstrichtungen blieb und das wirklich Gute ohne Neid und Eifersucht begrüßte. Seine eigentliche Bedeutung lag, wie uns so eben ein dankbarer Freund des Künstlers schreibt, in »der Auffassung und Wiedergabe der Hochgebirgsnatur an Ort und Stelle. Da stand ihm, was sonst einen Vorzug seines stillen Charakters bildete, seine an Schüchternheit gränzende, ganz anspruchslose Bescheidenheit nicht im Wege; sein freier Farben- und Schönheitssinn wurde hier unmittelbar vom Reize und Zauber der Natur gepackt, zur energischen Darstellung gezwungen und fortgerissen. Was er dann, dem großen Zuge folgend, fixirte, überrascht ebenso durch die vollendete Zeichnung, die Charakteristik des Gegenstandes, die weise Beschränkung in der Wiedergabe der Form, in der Richtigkeit des Ausdrucks von Bewegung und Gestaltung des Terrains, wie durch wahre und frische Färbung, die auch nichts Fremdartiges in die Studie ließ.« Diese Naturstudien, welche zwei schwere riesige Mappen in unserem Kupferstich-Cabinet füllen, sind den besten ihrer Art zur Seite zu stellen und werden, eigenartig und fern von jeder ängstlichen Manier, nicht leicht übertroffen, während Leopold Rottmann bei seinen Bildern und Schöpfungen die Natur nur zu gern durch die Brille seines Bruders betrachtet darstellte.

Rottmann lebte seit dem Jahre 1847 in glücklicher Ehe, völlig zurückgezogen. Die letzten Jahre rüttelten nur zu sehr an seiner mehr gebrechlich scheinenden als wirklich schadhaften Constitution. Am 26 März verschied er sanft und schmerzlos in den Armen seiner treuen Lebensgefährtin. Mit ihm erlosch der letzte Träger dieses berühmten Namens. Der älteste Bruder Anton, geboren 1796, welcher, entsprechend seiner Stellung als Officier, mit Vorliebe militärische Scenen malte und radirte, ging schon 1841 aus dem Leben. Dann folgte unser unvergeßlicher, hochpoetischer Karl Rottmann (geb. 11 Januar 1798 zu Handschuchsheim bei Heidelberg, gest. 9 Juli 1850 zu München). Der einzige Sohn dieses Künstlers, welcher in den verschiedensten Berufszweigen als Lieutenant, Erzieher, Naturheilarzt, Schriftsteller und Dichter, Maler und Privatier, als Junggeselle und Ehemann sich versuchte, trat am 26 Mai 1879 in einem Alter von 55 Jahren von der Schaubühne dieses Lebens.

Allgemeine Zeitung Nr. 172. Augsburg; Dienstag, den 21. Juni 1881.



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