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39 – 13 – 21 (Schröder)

Ω

SOPHIE SCHRÖDER
HOFSCHAUSPIELERIN
1781 – 1868

Ω

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Alexander Schröder

* 20.5.1812 (Hamburg)
† 14.9.1890 (München)
Major und Schauspieler

Neuer Theater-Almanach (1891)

Todtenschau. 1890. September.

Mitte d. M. Alexander Schröder, bayr. Major a. D., † in München, geb. in Hamburg 20. Mai 1812, Sohn der Tragödin Sofie Sch., Bruder von Wilhelmine Schröder-Devrient, Betty Schmidt (vgl. 29. Juli: † F. L. Schmidt) und Auguste Schlönbach, in seiner Jugend kurze Zeit Schauspieler; bei ihm, als er Hauptmann in Augsburg war, lebte Jahre lang seine Mutter in ihrem Ruhestande.

Neuer Theater-Almanach. Berlin, 1891.

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Sofie Schröder (vw)

Kunst (vw)
Stollmers/Smets (gs)
Bürger (gb)
* 1.3.1781 (Paderborn)
† 25.2.1868 (München)
Schauspielerin

Unterhaltungen für das Theater-Publikum (12.4.1833)

Wien, 6. April.

Ihre berühmte Schröder – daß ich es schreiben muß! – Sie, die einst die Unsrige war, erfreut uns nunmehr durch ihr reiches Gastspiel, das selbst bis auf dreißig Darstellungen ausgedehnt, doch stets zu bald vorüberschwinden wird, um nicht die Trauer um den Verlust solcher Genüsse uns zu hart empfinden zu lassen. Wer sich uns bis jetzt in dem heiligen Gebiete der hohen Tragödie zeigte, diesem Gipfel der Schauspielkunst, er hatte die Weihe dieser Künstlerin nicht erhalten. Sie steht noch einzig da und – was den Kunstfrennd mit wahrem Schmerze erfüllt – die Unerreichte hat keine Nachfolgerin, die nach ihr das Trauerdiadem Isabella's sich um die Schläfe winden, den Dolch Melpomenes, schaurig erhaben vor unsern Blicken schwingen wird. Darum sey sie gefeiert, die Herrscherin der tragischen Scene! Und wenn ihre Gebilde einst hinschwanden – mögen die Worte begeisterter Dichter ihre Herrlichkeit den Enkeln verkünden. – Von den unzähligen Gedichten zu ihrem Preise theile ich Ihnen nachfolgendes von einem unserer geschätztesten Dichter, als das Gelungenste mit, welches bereits hier in einer Zeitschrift abgedruckt wurde, die jedoch außerhalb Oesterreich wenig oder gar nicht gelesen wird. Mein nächstes Schreiben wird Ihnen einen ausführlichen Bericht über Schenk's neues Trauerspiel »die Krone von Cypern« bringen, das bei uns einstudirt wurde, um unsern verehrten Gast in einer neuen Rolle glänzen zu lassen. v.H...

Sophie Schröder.
Von Braun von Braunthal.

Der Geist der Kunst entströmt aus hundert Quellen;
Durch jene Brust fließt er als Bächlein nur,
In dieser muß zum mächt'gen Strom er schwellen,
Der hinwogt majestätisch durch die Flur:
In seinen tiefen, ewig klaren Wellen
Schaut sich im Spiegelbilde die Natur;
Er kommt und geht, so überreich an Leben,
Dem Leben selbst noch höh'ren Schwung zu geben.

In Deiner Brust, Heroin Du des Schönen!
Wird das Gefühl zum Niagarafall;
Selbst Felsenherzen hört' ich bang erdröhnen
Vor Deiner Rede lautem Donnerschall;
Den wilden Schmerz durch Ernst dann zu versöhnen,
In Thränen aufzulösen uns're Qual,
Hinschmilzt Dein Wort, Erdbeben erst, in leisen,
Musikgetrag'nen, milden Frühlingsweisen.

Der Fürstin Stolz und Hoheit jetzt im Blicke,
So, wie an Kronen, auch an Adel reich;
Den Purpur faltend jetzt im hehren Glücke,
Die Stirne faltend jetzt, der Juno gleich;
Nun zitternd als Cypress' im Mißgeschicke
Und als bestürzte Mutter thränenweich;
Als Tigrin jetzt, die ihre Jungen hütet,
Und als Medea jetzt, vom Schmerz durchwüthet:

So helltest Du mit Deinem Feuergeiste
Vor uns Untiefen auf der Menschenbrust,
Daß selbst dem starren Denker das beeiste
Herz aufgethaut in Qualen wie in Lust;
Erbleichen sah ich auch durch Dich das dreiste
Antlitz des Heuchlers, ihm halb unbewußt:
So jede Lebensfreude, Lebenstrauer
Erfüllt durch Dich mit heil'gem Dichtungschauer.

Unterhaltungen für das Theater-Publikum, heruasgegeben von August Lewald. München, den 12. April 1833.

Unterhaltungen für das Theater-Publikum (4.5.1833)

Korrespondenz des Herausgebers.

Wien 26. April.

Die »Krone von Cypern« ist im Burgtheater gegeben worden, und ich säume nicht Ihnen den versprochenen Bericht zu senden. Man war durch die frühere Arbeit des Verfassers: Belisar, auf etwas Außerordentliches gespannt; diese Erwartung ging jedoch leider nicht in Erfüllung. Das so empfängliche Publikum des Burgtheaters blieb anfänglich kalt, langweilte sich dann, und im fünften Akte wurden mehrere Stellen sogar belächelt und belacht. Dieß geschah indeß nur am ersten Abende, wo man sich auf allen Plätzen drängte, die zweite Vorstellung war nur wenig besucht, und nach der ergreifenden Scene des vierten Actes wurde das Haus noch bedeutend leerer, und nicht einmal Mad. Schröder ward dieses Mal gerufen. Nach dreimaliger Aufführung wird das Stück bei Seite gelegt werden, obgleich noch zur Vierten Alles im Voraus bestellt war. Gestern sollen jedoch viele Widerrufe bei der Kasse eingelaufen seyn.

Von Seiten der Darstellung war indeß nichts versäumt worden, um diesem Drama Freunde zu werben. Die Ausstattung reihete sich dem Würdigsten und Reichsten an, was wir hier je zu sehen bekamen. Costüme und Decorationen waren neu und glänzend. Anschütz spielte Amalrich, Costenoble den Großkomthur, Fichtner Adhemar, die Pistor Amadea, Wilhelmi den Balian, und Heurteur Pano. Wie Sie sehen war unser vorzüglichstes Personal in Thätigkeit, demungeachtet waren die sehr verdienstlichen Künstler Anschütz und Costenoble gar nicht an ihrem Platze. Dem Erstern gelang es nicht, dem schwachen Charakterbilde Consequenz zu verleihen, dem Letztern mangelte die Würde der Erscheinung. Auch Fichtner erhebt sich nicht besonders glücklich in die Region der Tragödie. Nur Heurteur konnte selbst bei merklichen Gedächtnißlücken, durch seine glänzenden Schauspielereigenschaften, das Publikum hinreißen. Nun aber zu unserm Gaste. Mad. Schröder war die eigentliche Krone dieser cyprischen Krone. Ihre erste Erscheinung schon flößte das tiefste Mitgefühl ein, und so wußte sie Alles spannend zu fesseln, so lange sie auf der Scene war. Im vierten Acte jedoch überragte das was sie leistete, Alles was man heutzutage im Bereiche der Scene erfährt, so riesenhaft, daß auch der Ausbruch des Entzückens und der Ueberraschung einen Maaßstab erreichte, der alles Aehnliche weit hinter sich zurückließ. Sie wurde mit Ehren überschüttet.

Sie kennen diese Leistung der Künstlerin, daher fühle ich mich überhoben, ihr meisterhaftes Spiel hier auseinander zu setzen.

Alle kleinen Rollen waren besonders gut bedacht. Namentlich gingen die Scenen der Winzer ganz vortrefflich. Die Musik war theils von Gyrowetz, theils von dem Orchesterdirector Franz neu componirt worden.

v. H.

Unterhaltungen für das Theater-Publikum, herausgegeben von August Lewald. München, den 4. Mai 1833.

Augsburger Postzeitung (13.3.1836)

Ihre Majestät die regierende Königin haben der k. k. Hofschauspielerin Mad. Sophie Schröder eine werthvolle, prächtig gearbeitete goldene Kette als Andenken allergnädigst zu übergeben, und derselben Allerhöchst eigenhändig umzuhängen geruht.

Augsburger Postzeitung Nro. 73. Sonntag, den 13. März 1836.

Frauen der Zeit (1862)

Sophie Schröder.

Antoinette Sophie Bürger ward 1781 zu Paderborn geboren, ihre Eltern gehörten der Bühne an und erzogen sie für dieselbe; schon als Kind wirkte sie an verschiedenen Theatern, die ihre Eltern in ihren wechselnden Engagements besuchten; um 1796 bereits trat sie in Petersburg und Reval als jugendliche Sängerin und Soubrette mit Beifall auf, verheirathete sich auch um diese Zeit, also in noch sehr frühem Alter, mit dem Director der Bühne zu Reval, Stollmers, der mit seinem wahren Namen Smets hieß. Ein Kind dieser bald wieder gelösten Ebe war der vor einigen Jahren am Rhein verstorbene kaiholische Geistliche und Liederdichter Smets, dem man in Aachen ein Denkmal gesetzt hat. Nach kurzem Aufenthalt in Stettin, Wien und Breslau ging Sophie 1801 nach Hamburg, wo der große Friedrich Ludwig Schröder, welcher damals Director der dortigen Bübne war, sie veranlaßte, zum tragischen Fach überzugehen, was auch mit außerordentlich glänzendem Erfolge geschah. Schon vorher hatte Kotzebue in Wien sie davon zu überzeugen gesucht, daß sie nicht im naiven, sondern im tragischen Fache den eigentlichen Wirkungskreis ihres Genies finden würde. 1804 heirathete sie in Hamburg den Tenoristen Schröder, und dieser Verbindung entsprossen drei Schwestern, die sämmtlich später sich ebenfalls dem Theater widmeten. Am berühmtesten wurde davon die geniale Wilhelmine Schröder-Devrient; jetzt ist nur noch Eine, die Gattin des Schriftstellers Arnold Schlönbach in Coburg, von ihnen am Leben. Als Davoust zur Zeit der französischen Invasion nach Hamburg kam, wollte er die Künstlerin wegen ihrer laut auf der Bübne geäußerten patriotischen Gesinnung gefangen nehmen lassen, doch floh sie heimlich aus der Stadt und ging nach Prag, sowie kurz darauf nach Wien, wo sie 1815 am Hofburgtheater angestellt wurde. Von hier aus zog sie mehrmals im künstlerischen Triumphe durch ganz Deutschland, gastirte an allen größeren Bühnen und erwarb sich Ruhm und Ehre im höchsten Grade. 1829 vermählte sie sich zum dritten Mal mit dem ungleich jüngeren, bekannten Heldenspieler Wilhelm Kunst, doch ward diese unhaltbare, von blinder Leidenschaft übereilt geschlossene Ehe schon nach wenigen Wochen, wenn nicht gerichtlich, so doch factisch durch die Abreise des Gemahls wieder gelöst. Den Namen ihres dritten Mannes legte sich Sophie Schröder niemals bei, doch wurde sie in der Thal erst 1859 durch W. Kunsts Tod Wittwe im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie ging später noch an das Hoftheater in München über, von wo sie aber dann nach Wien zurückkehrte und dort in ihren früheren Wirkungskreis nochmals eintrat. 1840 wurde sie pensionirt, und seitdem lebte sie, wie man sagt, mit Ausarbeitung ihrer Memoiren beschäftigt, zurückgezogen von der Oeffentlichkeit Anfangs in Augsburg, sowie jetzt in München, wo sie nur bei Gelegenheit des hundertjährigen Schillerjubiläums im November 1859 vorübergehend noch einmal sich dem Publicum im Theater zeigte, indem sie auf höheren Wunsch »das Lied von der Glocke« vortrug, in dessen Recitation sie von jeher meisterlich Vollendetes leistete. Sophie Schröder war im Rechte, als sie an der Feier von Schillers Geburtstag thätigen Antheil nahm, denn sie war bereits noch zu Lebzeiten des großen Dichters in Activität auf der Bühne. Persönlich nahe trat sie ihm zwar niemals, doch schuf sie seit 1801 noch in Hamburg ihre Amalie in den »Räubern«, Luise in »Kabale und Liebe«, Beatrice in der »Braut von Messina«, Jeanne d'Arc und Turandot, sowie dann in Wien ihre Maria Stuart, und ferner auch, die Elisabeth in demselben Drama, die seitdem nie wieder so groß gesehene Lady Macbeth in der Schiller'schen Bearbeitung, die Lady Milford, die Isabella in der »Braut« und ebenso auch verschiedene episodische Gestalten, wie Agnes Sorel, Gräfin Terzky, Julia Imperiali in »Fiesko« und Armgart in »Tell«. Keine deutsche Künstlerin dürfte, wie sie, fast die ganze Galerie Schiller'scher Frauengestalten nach einander auf der Bühne verkörpert haben.

Sophie Schröder war in der deutschen Kunst eine der Ersten von denen, die im Gegensatz zum Realismus der Iffland'schen Schule einer mehr idealistischen Spielweise zum Siege verhalfen. Start allzustrenger Natürlichkeit fand man bei ihr großartige Auffassung und Ausmalung gewaltiger Leidenschaften, wodurch der etwas pedantisch und farblos gewordenen Menschendarstellung auf der Bühne Schwung und Poesie zurückgegeben ward, wenn auch hinwiederum die Gefahr nahe lag, daß der nun auf den Theatern herrschende pathetische Styl hier und da die Grenzen überstieg und an Stelle der Einfachheit und schlichten Wahrheit gespreiztes und hochtrabendes Wesen trat. Sophie Schröder vermied derlei Uebertreibungen ebenfalls nicht ganz, wie es auch Auguste Crelinger, die neben ihr fast allein noch aus jener Zeit in die Gegenwart ragende Kunstgröße, that. Beide declamirten manchmal zu viel, namentlich in Rollen aus der bürgerlichen Sphäre. Partien der idealen Gattung, wie Iphigenia, Medea, Phädra, Sappho, Merope, Laby Macbeth und Isabella in der »Braut von Messina«, stellte dagegen auch Sophie Schröder mit einer poetischen Gewalt dar, die den Zuschauer gewaltsam zur Höhe dieser idealheroischen Spielweise emporriß.

Frauen der Zeit. Supplement zu Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart. Leipzig; 1862.

Morgenblatt zur Bayerischen Zeitung (21.5.1863)

Dieser Tage hat hier eine kleine Nachfeier zur Enthüllung des Schillermonumentes – allerdings in engem Privatcirkel – stattgefunden, welche wir aber doch wegen der Persönlichkeiten, die dabei betheiligt waren, nicht mit Stillschweigen übergehen können. Sophie Schröder, die greise Kunstheroin, hatte Schillers Tochter, die Freiin v. Gleichen-Rußwurm, zu sich gebeten, und diese gern noch einen Tag länger hier verweilt, um der Einladung Folge zu leisten. In dem stillen Asyl der heute noch gefeierten Künstlerin in der Gartenstraße war eine kleine, aber ausgewählte Gesellschaft versammelt, von der wir nur Frau v. Oven (Charlotte v. Hagen), dann die kunstsinnige Familie v. Ringseis und Frau Constanze Dahn anführen wollen. Schillers Statue, von Sophie Schröders Hand sinnig mit einem Lorbeerkranze geschmückt, und von allen einst der greisen Künstlerin gespendeten Kränzen umgeben, prangte im Salon, und als Freiin von Gleichen, begleitet von Emilie v. Ringseis und Frln. Dahn denselben betrat, überflog eine sichtliche Rührung das geistvolle Antlitz der Tochter des Dichterfürsten. Und als dann die 82jährige Sophie Schröder mit ihrem heute noch wunderbar kraftvollen Organe Schillers »Lied von der Glocke« declamirte, ergriff es die Anwesenden mit mahnungsvollem Schauer. Sophie Schröder, die wohl einzig noch lebende Schauspielerin, welche schon zu Lebzelten Schillers in seinen Stücken geglänzt, die den Dichter persönlich gekannt, – Schillers Gedichte vor dessen einzig noch lebenden Tochter declamirend – das war in der That ein des großen Todten jüngster Erinnerungsfeier würdiger Abschluß.

Morgenblatt zur Bayerischen Zeitung Nr. 140. München; Donnerstag, den 21. Mai 1863.

Sophie Schröders Testament (1866)

Sophie Schröders
Testament.

Zum 12. Mai 1907 in Druck gegeben für die »Gesellschaft für Theatergeschichte« vom Geschäftsführenden Ausschuß.
Berlin 1907.

Mit freundlicher Bewilligung des Besitzers der Handschrift, Herrn Fritz Gildemeister, mitgeteilt von Dr. Heinrich Stümcke und in hundert numerierten Exemplaren gedruckt von Otto Elsner, Berlin.

Nr. 16
gedruckt für Eugen Kilian

München (Königreich Bayern)
Mittwoch, am 29. August 1866.

Einleitende Bemerkung.

Im Auftrag meiner besten, liebevollsten, redlichsten, treuesten Mutter und Freundin, der Frau Sophie Schröder, geborenen Bürger, pensionierte k. k. österreichische und k. b. Hofschauspielerin, wohnhaft in München, Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern, schreibe ich Unterzeichneter nachstehendes Testament »Letzter Wille« (Erbverschreibung) der Obengenannten, wie sie es mir in die Feder diktiert, hiermit nieder, da leider die große Schwäche der Sehkraft es der Testarice (Erblasserin) unmöglich macht, ihren letzten Willen eigenhändig aufzuzeichnen.

München (Königreich Bayern)
Mittwoch, am 29. August 1866.
Alexander Schröder,
quittierter, pens., charakt. Major
im Königreich Bayern.
(S. L.)

Mein letzter Wille!

Da ich bereits in ein ungewöhnlich hohes Lebensalter getreten bin (ich bin am 1. März des Jahres 1781 geboren) und jeden Augenblick erwarten muß, von Gott aus dieser Welt abberufen zu werden, halte ich es für meine Pflicht, über das Wenige, was ich an irdischem Gut besitze, zu verfügen.

§ 1. Meinen leiblichen aus der Ehe mit seinem Vater Friedrich Schröder entsprossenen Sohn Alexander, quittierter pens. char. k. b. Major, in München (Königreich Bayern) wohnhaft, bestimme ich zum Executor meines letzten Willens und übertrage ihm hiermit die Ausführung des Nachfolgenden.

§ 2. Von meinem Nachlasse sind zu allererst die allenfalls noch bestehenden Reste, welche nur von sehr geringem Betrage sein können und wovon mein Sohn Alexander genaue Kenntnis hat, zu berichtigen.

§ 3. Eben davon sind die Kosten meines Begräbnisses, welches ich so einfach als möglich, und in deutscher Erde, aus der ich entstanden, und zu der ich wieder werden will, wünsche, zu bestreiten.
Kein kaltes Gruftgemäuer soll meine irdische Hülle umschließen, sondern weich und warm will ich bettet sein, in der aller Lebenskeime in sich bergenden, mütterlichen Erde.

§ 4. Ebendavon ist ferner meinem lieben Enkel Alexander, dem Kinde meines Sohnes und Testamentvollstreckers Alexander, ein Vermächtnis von 100 Gulden (einhundert Gulden) bayerisches Geld bestimmt.
Diese Summe wird mein Sohn Alexander in Verwahrung nehmen.

§ 5. Der Rest meines Nachlasses, sowohl baares Geld, Staatspapiere, Schmuck, Hauseinrichtung, überhaupt alles so viel und so wenig sich vorfindet, soll zu ganz gleichen Parzellen (Teilen) unter meine drei Kinder, nämlich den schon genannten Alexander und seine zwei Schwestern, meine lieben Töchter Elisabetha Schmidt, geb. Schröder, eines Arztes Gattin, wohnhaft in der freien Reichsstadt Hamburg an der Elbe, und Auguste Schlönbach, geb. Schröder, herzogl. Hofschauspielerin in Sachsen-Koburg-Gotha, eines Schriftstellers Gattin, wohnhaft in Koburg-Gotha, verteilt werden. Es sei meinen guten Kindern ein Beweis, daß ich sie alle mit gleicher, zärtlicher Liebe im Herzen trage.

§ 6. Die Broche (Frauenvorstecknadel) mit dem Bild meines Sohnes Alexander soll mir ins Grab mitgegeben werden. Es möge dieser Wunsch ein Zeugnis ablegen, daß ich mit wahrer, treuer, herzlicher Liebe stets an ihm gehangen.

Nimm, mein guter treuer Sohn, meinen innigsten Dank für Deine liebevolle Ausdauer bei mir. Gott wird es Dir gewiß lohnen, ich segne Dich wie auch Deine Schwestern Elisabetha und Auguste, die ja auch brav und gut sind, und mich lieben von ganzem Herzen, und aus tiefstem Seelengrunde-
Möge der Allmächtige Seine schirmende barmherzige Hand stets über Euch halten, und Euch Zufriedenheit und geistige und körperliche Gesundheit schenken!

Noch füge ich zwei Bitten an meinen guten, braven Sohn Alexander hinzu:
1. Sollten wir für einen Unglücklichen, Tiefgefallenen, Du weißt wen ich meine, etwas tun können, daß er sich wieder aufzurichten imstande wäre, so unterlasse es nicht, Du wirst mir die Erde leichter machen!
2. Beauftrage ich Dich, bei Seiner Majestät dem König Ludwig I. von Bayern um die hohe Gnade einer Audienz nachzusuchen, und wird sie Dir gewährt, so bringe meinem erhabenen, hochverehrten Gönner und Wohltäter meinen innigsten wärmsten Dank für seine mir stets bewiesene hohe, beglückende Gnade, und sage ihm, daß ich bis zu meinem letzten Hauche ihm in Ehrfurcht, Dankbarkeit, hoher Verehrung und hingebender Anhänglichkeit zugetan und in unwandelbarer Treue gegen ihn gestorben bin.

Indem ich Euch, meine geliebten teuren Kinder, wiederholt aus zärtlichstem treuesten Herzen segne, und allen, die mir weh getan, aus aufrichtigstem Herzen vergebe, bittet um ein freundliches Andenken

München, am 29. August 1866.
Sophie Schröder,
pens. k. k. österr. und pens. k. b. Hofschauspielerin.
(L. S.)

Aus der Bühnenwelt (1866)

Die vortreffliche Schule, welche das Hamburger Theater unter Schröder aufsrebenden Talenten gewährt hatte, wirkte mit ihrem günstigen Einfluß noch weit hinein in das neunzehnte Jahrhundert. Als die größte Künstlerin, die aus dieser Schule hervorgegangen, ist

Sophie Schröder,

die noch gegenwärtig lebende einzige Künstlerpersönlichkeit aus jener Zeit, zu bezeichnen.

Das Leben dieser großen Künstlerin ist ein reiches, viel bewegtes, ein ganzes großes Stück Kunstgeschichte darbietendes, denn sie durchlebte alle die verschiedenen Phasen, in welche seit Schluß des vorigen Jahrhunderts bis auf unsere Tage die deutsche Bühne und ihre Literatur trat; ihr ward die schöne Aufgabe, nicht allein die zu Anfange ihrer Laufbahn noch neuen Werke Schillers und Ifflands künstlerisch zu reproduciren, sondern hauptsächlich auch die Dichterwerke aus der so schönen Nachblüthe der classischen deutschen dramatischen Literatur für die Bühne zu schaffen.

Sophie Schröder, am 29. Februar 1781 zu Paderborn geboren, war die Tochter des Schauspielers Bürger. Nach dem Tode Bürgers heirathete ihre Mutter den Schauspieler Keilholz, einen tüchtigen Künstler von nicht unbedeutendem Ruf. Ihre Aeltern erhielten bald ein dauerndes Engagement in Petersburg, und hier war es, wo Sophie zwölf Jahre alt zum ersten Male die Bühne betrat, und zwar als Lina in der Oper von Dittersdorf »das Rothkäppchen.« Anfänglich war Sophie Schröder hauptsächlich in der Oper beschäftigt, doch spielte sie auch im Schauspiel mit dem größten Glück jugendlich naive Rollen, wie z. B. in Reval, wo sie erst vierzehn Jahre alt sich mit Stollmers (sein wirklicher Name war Smets), dem Director des dortigen Theaters, vermählte. Nach wenigen Jahren ward jedoch diese Ehe wieder geschieden; Stollmers, der seinen eigentlichen Familiennamen wieder annahm, trat in die diplomatische Carrière zurück, die er aus Liebe für die dramatische Kunst verlassen hatte.

In Reval lernte Kotzebue die reichbegabte junge Künstlerin Sophie Stollmers kennen und empfahl sie für das Fach naiver Liebhaberinnen an das Hofburgtheater in Wien. Hier blieb sie jedoch nur ein Jahr und nahm ein Engagement in Breslau als Opernsängerin an. Aber auch diese, ihr wirkliche künstlerische Befriedigung wohl nicht gewährende Stellung verließ sie nach kurzer Zeit wieder, und nun sehen wir sie (1801) in Hamburg zum ersten Male auf dem Gebiete wirken, auf dem sie zu einer von nur wenigen Auserwählten erreichten Künstlergröße erwachsen sollte: in der Tragödie. In Hamburg blieb sie zwölf Jahre lang und von hier aus verbreitete sich ihr Ruf bald über ganz Deutschland. Im Jahre 1804 verheirathete sie sich mit dem Tenoristen Schröder. In dieser glücklichen, nur durch den 1818 erfolgten Tod Schröders gelösten Ehe ward der großen Künstlerin ihre nicht minder große Tochter Wilhelmine Schröder-Devrient gegeben.

Sophie Schröder hätte vielleicht Hamburg so bald nicht verlassen, wenn sie nicht durch die brutale Franzosenherrschaft unter Davoust von dort vertrieben worden wäre. Als der russische General Tettenborn im März 1813 Hamburg besetzt hatte, war sie als gute Patriotin mit einer russischen Cocarde auf der Bühne erschienen, und die Hamburger, denen mehr als allzuviel Veranlassung gegeben war, die Franzosen und deren militärische Despotie zu hassen, hatten der Schröder dafür zugejubelt. Bald darauf aber mußten die Russen Hamburg wieder verlassen und Davoust nahm mit seinen zügellosen Schaaren von Neuem Besitz von der Stadt. Wie er dort gehaust, ist hinlänglich bekannt: Davoust in Hamburg gehört zu den schwärzesten Flecken in der Geschichte der Napoleonischen Fremdherrschaft. Auch unsere Künstlerin mußte den Zorn des französischen Gewalthabers empfinden. Er befahl ihr, mit einer französischen Cocarde auf der Bühne zu erscheinen; sie mußte gehorchen, um aber den Feind des Vaterlandes auch noch in ihrem erzwungenen Gehorsam zu verhöhnen, hatte sie sich eine ungeheuer große blau-weiß-rothe Cocarde angesteckt, über die das Publicum in schallendes Gelächter ausbrach. Davoust wollte die Schröder dieses Streichs wegen gefangen nehmen und nach Frankreich abführen lassen, allein es gelang ihr, sich der Vollstreckung dieses Spruchs durch die Flucht zu entziehen.

Nach einer längeren Kunstreise sehen wir sie in Prag, wo sie als Mitglied der ständischen Bühne ein und ein halbes Jahr blieb, bis sie 1815 einem Rufe nach Wien an das Hofburgtheater folgte.

Hier sah sie nach sechszehn Jahren den Sohn aus ihrer ersten Ehe, Wilhelm Smets, wieder, der katholischer Priester war, später Canonicus wurde und sich als Dichter einen ehrenvollen Namen gemacht hat.

Im Jahre 1825 vermählte sie sich zum dritten Male, und zwar mit dem bekannten Heldendarsteller Wilhelm Kunst; doch war diese Ehe keine glückliche und ward bald wieder getrennt.

Bis zum Jahre 1829 gehörte Sophie Schröder dem Hofburgtheater an. Abermals machte sie größere Gastspielreisen und blieb dann in den Jahren 1831 bis 1836 bei dem Hoftheater in München. Dann wieder nach Wien zurückgekehrt, war sie noch bis 1840 bei dem Hofburgtheater thätig, in welchem Jahre sie ihre große Künstlerlaufbahn abschloß und in Pension trat.

Nur einmal noch betrat sie seitdem die Bühne. Es war das im Jahre 1854 bei Gelegenheit der Vermählungsfeier des Kaisers Franz Joseph mit der Prinzessin Elisabeth von Baiern. Sie sprach bei dieser Feier im Hofburgtheater Schillers »Glocke.«

Sophie Schröder lebt gegenwärtig noch in München.

Aus der Schule des großen Schröder hervorgegangen, hatte diese Künstlerin, ohne der Natürlichkeit und Einfachheit der Hamburger Darstellungsweise untreu zu werden, sich auch die hohen Vorzüge der Weimarischen Schule angeeignet: es vereinigten sich daher in ihren Gestaltungen die Naturwahrheit und die ausgeprägteste schärfste Characteristik mit dem schwungvollsten edelsten Pathos und der glänzendsten Rhetorik – also die glücklichste Verschmelzung des Realistischen mit dem Idealistischen war bei ihr zur Wahrheit geworden.

Eduard Devrient sagt von ihr: »die sinnliche Leebenswärme, tiefe Innigkeit und überwältigende Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks verloren bei dieser merkwürdigen Frau nicht das Geringste von ihrer Frische und Unmittelbarkeit. Hinreißend im Sturm der Zärtlichkeit, erschütternd im Schmerz, wahrhaft Schrecken und Grauen erregend im Zorn, in Haß und Verachtung hatte sie gleichwohl in der Recitation des Verses eine Würde, Anmuth und Flüssigkeit erworben, die kein Zögling der Weimarischen Schule erreichte. Freilich war sie dabei von Sprachorganen und einer Stimme unterstützt, welche an Kraft und Weichheit, Umfang und Biegsamkeit alle Forderungen beschämte, aber ihr Geberten- und Mienenspiel war nicht weniger mächtig, obschon die etwas vollen Formen ihrer untersetzten Gestalt dem Adel ihrer Haltung und Bewegungen nicht günstig waren und ihr Mienenspiel, wenn gleich von dem gewaltigen Blitze des schönen Auges unterstützt, den etwas unedlen Ausdruck des breiten Mundes zu überwinden hatte. Sophie Schröder ist für diesen Entwicklungsmoment der Kunst (die von Goethe und Schiller geschaffene idealisirende Kunstrichtung) darum höchst merkwürdig, weil sie das Ziel der Weimarischen Schule auf dem Wege der Hamburgischen erreichte. Sie war in der Periode der Reife und Harmonie ihrer Ausbildung (bis in die zwanziger Jahre, von wo ab der Meisterin dann das reine, edle Maß in ihren Schöpfungen merklich verloren ging), gerade im poetisch-rhetorischen Rollenfache, als Iphigenia, Phädra, Isabella u. s. w., unübertrefflich, mit doch war in ihr die Schauspielkunst nicht zur Dienerin des literarischen Fortschritts geworden, sondern hatte sich der neuen Aufgaben völlig selbstständig bemächtigt. Ihr that die ideale Form keinen Zwang an, sie war ihr wirklich zur anderen Natur geworden, und hierin bezeichnet Sophie Schröder – verglichen mit Fleck, Iffland und Frau Unzelmann – schon einen entscheidenden Fortschritt in der Kunst.«

Betrachtet man mit Recht Ludwig Devrient und Sophie Schröder als die vornehmsten Vertreter der dramatischen Kunst zur Zeit des großen politischen Aufschwungs des deutschen Volks während des Befreiungskriegs und der diesem unmittelbar folgenden Jahre, so ist neben ihnen noch ein anderer Künstler als hervorragender Repräsentant der damals so frischen und edlen Kunstströmung zu nennen: Ferdinand Eßlair.

Ferdinand Gleich: Aus der Bühnenwelt. Biographische Skizzen und Characterbilder von Ferdinand Gleich. Leipzig, 1866.

Tag- und Anzeigeblatt für Kempten und das Allgäu (28.2.1868)

Neueste Nachrichten.

München, 26. Februar. – Auch Deutschlands älteste und erste Tragödin ist gestorben: Frau Sophie Schröder. Sie wurde 87 Jahr alt. Den Ruhm, den sie durch ihre genialen Darstellungen errang, ging über Deutschlands Grenzen. Sie spielte dereinst auch eine politische Rolle. Als die Franzosen Hamburg okkupirt hatten, wo sie am Thalia-Theater angestellt war, erhielt sie den Befehl, eine französische Kokarde aufzustecken. Sie gehorchte und steckte aber eine tellergroße auf. Bei Nacht und Nebel mußte sie fliehen, um der Gefangenschaft zu entgehen. Am Schillerfeste 1859 sprach sie noch die »Glocke« im Alter von 78 Jahren. Die Muskeln des Unterkiefers ließen in der letzten Zeit nach, so das sie das Kinn in einer Schlinge tragen mußte. Auch das Augenlicht ließ nach. Der seiner Zeit berühmte Schauspieler Kunst war einer ihrer drei Männer.

Tag- und Anzeigeblatt für Kempten und das Allgäu Nro. 49. Freitag, den 28. Februar 1868.

Wochenausgabe der Augsburger Allgemeinen Zeitung (6.3.1868)

Sophie Schröder.

Unsere große Schauspielerin Sophie Schröder ist am 25. Februar, vier Tage vor ihrem siebenundachtzigsten Geburtstage, in München gestorben.

Ein redender Zeuge so langer deutscher Vergangenheit, ein Zeuge unserer classischen Literatur-Epoche, unserer Franzosennoth, unserer Befreiung, unserer öden, gedrückten Friedensepoche, unserer deutschen Theatergeschichte – er ist nicht mehr. Sie wußte von alledem zu erzählen. Ein wenig eng und streng in ihrem Urtheile, hatte sie doch über alle die großen und kleinen Vorfälle seit siebenzig Jahren eine eigene, bestimmte Ansicht.

Ueber sie selbst, über die große Schauspielerin, ist es schon jetzt ziemlich schwer, ein zuverlässiges Urtheil zu hören. So unsicher ist Geschichtschreibung! Wer die Schröder in ihrer Blüthe gesehen und ihre Kunst über die aller anderen Künstler stellt, der ist selbst alt und dem ruft die jetzige Welt zu: »Du übertreibst, wie wir Alle die Eindrücke unserer Jugend übertrieben zu schildern pflegen. Für unsere jetzigen Künstler fehlt dir die frische Empfänglichkeit, aber für deine Vergangenheit siehst du Alles im Zauberschein der Verherrlichung, einer Verherrlichung, die wir Alle uns selber anthun, weil wir mitwachsen, wenn Alles um uns herum groß erscheint.«

So sprechen die Jungen, welche die Schröder nicht mehr gesehen, zu den Alten, welche Sophie Schröder preisen als unerreichbar.

Ich selbst habe sie 1834 gesehen, also vor vierunddreißig Jahren. Sie spielte die Isabella in der »Braut von Messina.« Ich habe sie außerdem declamiren hören und habe mehrmals ausführlich mit ihr gesprochen, auch ausführlich über ihre Lebens-und Kunstgeschichte mit ihr gesprochen.

Diese persönlichen Erfahrungen liegen meiner Ansicht über die Schauspielerin und ihren Charakter zum Grunde. Schattirt sind sie natürlich durch die zahlreichen ästhetischen Urtheile über sie in unserer Kunstgeschichte oder doch in unseren Traditionen der Schauspielkunst.

Ich selbst also, obwohl ich sie noch in ihrer Blüthe gesehen – sie war 1834 dreiundfünfzig Jahre alt und war noch in voller Kraft – bin schon mannichfach auf Combination angewiesen und bin gewärtig, daß mir ältere Leute, welche sie öfter gesehen, widersprechen. Solcher Widerspruch wird mir willkommen sein, da er zur Bildung eines gründlichen Urtheiles beitragen wird. In dem ersten Theile meiner geschichtlichen Schilderung des Burgtheaters bis zum Jahre 1848, welcher in der »Oesterreichischen Revue« abgedruckt war, habe ich bereits des Breiteren über Sophie Schröder gesprochen. Die Leser jener Artikel mögen beurtheilen, ob ich seitdem zugelernt, und wenn meine allmälig reifende Ansicht durch Widerspruch berichtigt wird, so dient dieß dem Buche zum Vortheile, welches aus den theatergeschichtlichen Artikeln in der »Oesterreichischen Revue« und in den Feuilletons dieses Blattes entsteht.

Sophie Schröder ist in Westphalen geboren, unweit des Teutoburger Waldes, in Paderborn, am 29. Februar 1781. Ihre Eltern waren Schauspieler; Bürger hieß ihr Vater. Antoinette Sophie Bürger wurde sie getauft. Ihre spätere Gestalt und ihr Wesen hatte viel vom niederdeutschen Typus: ich weiß nicht, woher ihre Eltern stammten, und es wäre interessant, dieß zu erfahren. Den Vater hat sie früh verloren, und ihre Erziehung, namentlich auch die künstlerische, verdankt sie ihrer Mutter, welche tragische Rollen gespielt hat. Diese Mutter heirathete einen Schauspieler Keilholz und ging mit ihm nach Petersburg zur Tilli'schen Gesellschaft.

Hier hat die kleine Sophie Kinderrollen gespielt und ist einmal von der Kaiserin Katharina ausgezeichnet worden. Die Gesellschaft ist von Petersburg nach Reval gegangen, und hier hat Sophie Bürger, noch sehr jung – es heißt vierzehn Jahre alt, also ungewöhnlich früh körperlich entwickelt – den Schauspieler Stollmers geheirathet. Stollmers war sein Kunstname, er hieß eigentlich Smets, war aus guter bürgerlicher Stellung zur Bühne gegangen und ist auch später wieder von der Bühne zurückgetreten in ein politisches Amt. Er ist für ihre allgemeine Bildung sicherlich von Wichtigkeit gewesen. Ein Sohn stammt aus dieser Ehe, Wilhelm Smets, der katholischer Geistlicher und Liederdichter geworden. Er lebte lange in Köln, und seine Lieder sollen Einfluß geübt haben auf den jungen Poeten Heinrich Heine. Ich erinnere mich, daß die alte Frau Sophie zum Oefteren von diesem Sohne in Köln gesprochen.

In Reval hat Kotzebue, der ja aus Rußland zu uns kam, die junge Sophie gesehen, welche naive und Singspielrollen spielte, und er hat sie nach Wien empfohlen. Ueber Stettin, wo sie noch eine zeitlang spielte, ist sie, achtzehn Jahre alt, zum erstenmale nach Wien gekommen und hat als Frau Stollmers die Margarethe in Ifflands »Hagestolzen« und ähnliche Rollen gespielt.

Alles, was ich über diese ihre erste Wiener Zeit gelesen, lautete dahin, daß sie nicht besonders gefallen habe. Ein Artikel im »Fremdenblatt« (Mittwoch, 26. Februar, Abendblatt), offenbar von kundiger Hand geschrieben, sagt zu meiner Ueberraschung das Gegentheil. Es wäre wünschenswerth, daß der Verfasser näher angäbe, was ihm zu diesem abweichenden Berichte Veranlassung gegeben.

Jedenfalls blieb sie kaum ein Jahr in Wien und ging nach Breslau. Immer noch waren naive Rollen und Gesangsrollen ihr Fach; namentlich die Hulda im »Donauweibchen« spielte und sang sie den Breslauern zu Dank.

Ihre Ehe mit Smets-Stollmers wurde in Breslau aufgelöst, und sie geht 1801 nach Hamburg unter die Direction des berühmten Ludwig Schröder. Aber nicht von ihm stammt ihr Name, sondern von einem Tenoristen Schröder, welchen sie 1804 heirathete. In diese erste Hamburger Zeit nun fällt ihr Uebergang zum tragischen Fache. Vielleicht hat die Scheidung von Smets tiefere Gedanken in ihr geweckt – wenigstens wird sie oft melancholisch genannt um jene Zeit – vielleicht hat Director Schröder sie darauf hingewiesen. Auch Kotzebue soll schon früher behauptet haben, daß ihr Talent am stärksten in der Tragödie sein werde – kurz, in dem Jahrzehnt von 1803 bis 1813 entwickelte sie in Hamburg ihre tragischen Anlagen. Alle die damals entstehenden schönen Schöpfungen – Schiller schrieb ja von 1799 bis 1805 jedes Jahr eine neue Tragödie – brachten ihr wichtige Aufgaben. Als erste tragische Rolle, welche sie gespielt, wird die Zimmermeisters-Tochter genannt in »Julius von Sassen,« einem Stücke, das untergegangen ist. Amalie in den »Räubern,« Louise in »Kabale und Liebe,« Beatrice in der »Braut von Messina,« die Jungfrau von Orleans, die Turandot hat sie damals in Hamburg gespielt.

Sie stammt also wohl im Wesentlichen aus Ludwig Schröders Schule, denn wir wissen ja aus dem Meyer'schen »Leben Schröders,« wie aufmerksam dieser sich seiner Mitglieder angenommen in Unterweisung, Bemerkungen und Winken.

1813 verließ sie Hamburg. Sie hatte sich auf der Scene als Patriotin compromittirt vor den Franzosen, welche unter Davoust Hamburg besetzt hatten und so lange besetzt hielten. Wunderlich genug soll dieß durch eine russische Cocarde geschehen sein, welche sie in einem Kotzebue'schen Gelegenheitsstücke: »Die Russen in Deutschland,« auf der Scene getragen hatte, als Tettenborn eben vorübergehend mit Kosaken nach Hamburg gekommen war. Sie hatte russische Jugend-Erinnerungen, und die Russen waren damals unsere Verbündeten gegen die Franzosen. Davoust zwang sie, mit der französischen Tricolore aufzutreten, und soll sie auch weiter bedroht haben.

Da verließ sie Hamburg, gastirte eine zeitlang und ließ sich in Prag nieder. Von da kam sie 1815 zum zweitenmale nach Wien und wurde im Burgtheater engagirt.

Hier fand sie wieder einen wichtigen artistischen Führer in Schreyvogel, und fand für große Stücke das schöne Theater an der Wien, welches damals unter einer Cavalier-Direction mit dem Burgtheater verbunden war.

Vierzehn Jahre dauerte dieß Engagement, und in diesem Engagement erst hat sie allmälig dasjenige Fach in sich ausgebildet, welches sie zur großen Schauspielerin gemacht hat – das Fach der Heldenmütter. Denn weder als naives Mädchen, noch selbst als tragische Liebhaberin, sondern als Heldin und Heldenmutter steht sie obenan in der deutschen Theater-Geschichte.

Ihr Uebergang dazu ist ganz organisch geschehen. Sie hat erst Lady Milford, die Imperiali, Phädra, die junge Medea im ersten Theile des »Goldenen Vließes« und die Maria Stuart gespielt, ehe sie zur Sappho, zur Lady Macbeth, zur Königin Elisabeth, zur Isabella in der »Braut von Messina« gelangt ist.

1829 heirathete sie plötzlich – ihr zweiter Gatte Schröder war 1818 gestorben – den Heldenspieler Kunst, von heftiger Leidenschaft für den schönen Mann getrieben. Schon nach wenigen Wochen erfolgte die Trennung, und in demselben Jahre verließ sie Wien.

Sie reiste und gab zwei Jahre lang Gastrollen. 1831 trat sie ins Münchener Hoftheater. 1833 kam sie zum drittenmale nach Wien, trat im Josephstädter Theater auf und dann erst in der Burg, ging aber wieder nach München zurück und kam erst 1836 zum viertenmale wiederum als engagirtes Mitglied des Burgtheaters nach Wien.

Aus dieser letzten Engagementszeit fehlt es nicht an Nachrichten, welche sie als mißvergnügt schildern, als nicht ganz zufrieden mit der Theilnahme des Publicums, und ihren letzten Abgang nach einigen Jahren motivirt man mit einer peinlichen Scene. Die beinahe sechzigjährige kleine Frau habe die Elisabeth in »Maria Stuart«" gespielt und bei Leicesters Rede im zweiten Acte:

»Ja – wenn ich jetzt die Augen auf dich werfe –
Nie war'st du, nie zu einem Sieg der Schönheit
Gerüsteter als eben jetzt –«

habe das Publicum gelacht. Im Innersten empört, habe sie da den Entschluß gefaßt, von dannen zu gehen und hiemit von der Bühne abzutreten.

Achtundzwanzig Jahre noch hat sie – anfangs in Augsburg, dann in München – in der Stille gelebt. 1859 zum Schillerfeste nur ist sie auf höheren Wunsch noch einmal in München auf der Scene erschienen und hat das »Lied von der Glocke« vorgetragen. Bald darauf kam sie auch noch einmal nach Wien und sprach auch hier die »Glocke« und Klopstock'sche Oden. Dann blieb sie ganz in der Münchener Zurückgezogenheit, unterrichtete mitunter junge Schauspielerinnen und schrieb, wie man sagt, ihre Memoiren. Sind sie geschrieben, dann erscheinen sie jetzt hoffentlich im Druck.

Was war nun, fragen wir im Hinblick auf dieß lange, reiche Leben, was war nun der Grundcharakter ihrer Kunst und wodurch ist sie für uns die große Schauspielerin geworden?

Ihr Grundcharakter war schwerer Ernst, und durch den Vortrag in erster Linie ist sie die große Schauspielerin geworden.

Ihr Organ war sonor, ihr Accent rein, ihre Eintheilung der Rede meisterhaft. Sie stammte aus der guten Zeit, welche gespannten Sinnes eine neue Literatur aufnahm, welche jedes schöne Wort begrüßte, welche die Bedeutung eines jeden Wortes genau würdigte. Eine solche Zeit spricht in ihrer Redekunst so klar als möglich, sie sucht für jede Wendung des Satzes den entsprechenden Ton. Sie stammte ferner aus einer Zeit, welche neben der ideal auffliegenden Literatur doch in der Schauspielschule von Schröder und Iffland einen realen technischen Boden hatte. Diesen Boden durften damalige Schauspieler nicht leicht verlassen in unverstandener Ueberschwenglichkeit. Leute wie Schröder und Iffland verlangten auch für die Ueberschwenglichkeit Erklärung, Motivirung und stufenweisen Gang.

Aus diesen Einflüssen ist Sophie Schröder in ihrem Schauspiel-Charakter hervorgegangen. Dieser Charakter war nicht so bloß ideal, wie jetzt oft behauptet wird; er ruhte auf einer sehr realen technischen Grundlage; er holte sich gar manche Begründung oder Ausschmückung vom realen Felde.

Die nächste Frage ist: War sie nur declamirend, oder war sie zu sehr declamirend, wie ihr neuerdings nachgesagt wird?

Die letzte Frage wird sein: Hatte sie Leidenschaft genug? Entwickelte sie Schönheit genug?

Ich erinnere mich ihrer Isabella ganz deutlich, und ich muß sagen: Ihre Declamation drängte sich nicht vor, löste sich nicht ab vom dramatischen Charakter. Sie sprach schön, sie sprach – man empfand es wohl – mit Bewußtsein, daß die Art des Sprechens eine Hauptsache wäre, aber sie hielt die Verbindung mit dem dramatischen Gedanken und Gange unzweifelhaft fest, sie sprach dramatisch schön.

Die große Rede im ersten Acte der »Braut von Messina« hätte vielleicht noch mannichfaltigcr sein können; es blieb vielleicht zu wünschen übrig, daß noch ein starker Puls geistiger Lebhaftigkeit hervorträte – aber diese Wünsche entstanden wohl nur, weil man einer solchen Künstlerin gegenüber alle ersinnlichen Anforderungen stellt. Im letzten Acte, bei dem Schrei: »Es ist mein Sohn!« vergaß man all diese fragenden Verlangnisse. Dieser Schrei, allerdings rhetorisch vorbereitet, war nicht bloß rhetorisch, er enthüllte die ganze Macht des dramatischen Momentes.

Ich ging aus dem Theater mit dem zweifelfreien Gedanken, eine classische Darstellerin der Isabella gesehen zu haben. Nur anfangs hatte ich bedauert, daß ihr nicht eine stattlichere äußere Erscheinung verliehen war. Das Bedauern war indessen nicht lebhaft gewesen und wurde bald völlig vergessen.

Hatte sie Leidenschaft genug? Die Darstellung der Isabella gibt wohl Anhalt zur Beantwortung dieser Frage, aber doch nur Anhalt. Mit diesem Anhalt würde ich mir zu sagen getrauen: Ja, sie hatte Leidenschaft genug. Ihre persönliche Bekanntschaft gibt mir weitere Anhaltspunkte mehrfacher Art. Sie war eine tief ernsthafte, strenge Natur und hat mich in ihren Aeußerungen wohl an puritanische Leidenschaften aus Cromwells Nähe erinnert. Nicht an die Leidenschaft des Südens, wohl aber an die schonungslos leidenschaftlichen Ausbrüche der Nordlandsrecken. Das beliebte Schlagwort älterer Leute heißt »dämonisch,« wenn sie von diesen Schröder'schen Ausbrüchen sprechen. Ich glaube, sie haben nicht ganz Unrecht, aber auch kaum ganz Recht. Wir suchen im »Dämonischen« ein gutes Theil wilder Phantasie, weltstürmenden, völlig unabhängigen Gedankens. Den gerade hab' ich nie wahrgenommen in ihr; ich habe sie nie gedankenreich, nie ungestüm und dreist in der Gedankenwelt gefunden. Ihre Kraft war die eines starken Willens, mächtiger, unnahbarer Entschlüsse. In diesem Bereiche werden sich auch ihre stärksten Rollen finden, und man spricht gewiß mit Fug und Recht von ihrer außerordentlichen Lady Macbeth.

Eine rationell erwachsende Leidenschaft besaß sie gewiß in starkem Grade. Deßgleichen die Leidenschaft eines herben, ja harten Naturells. Schwerlich die einer warmen Gluth.

Und nun endlich: Besaß sie Schönheit genug? Man wird die Frage nicht mißverstehen und an die bloß äußerliche Schönheit der Erscheinung denken. Diese besaß sie bekanntlich nicht. Sie war klein und mehr robust als schön gebaut. Auch im Antlitz waren starke Knochen und eine kurze Nase dem schönen Eindrucke nicht förderlich. Das Alles hindert nicht, im Ganzen und namentlich in der Bewegung des Körpers ästhetisch schön zu wirken. Das vermochte sie. Sie hatte eine so lange, so mannichfache und so gründliche Schule durchgemacht, daß ihr volles Ebenmaß der Haltung und des körperlichen Ausdrucks ganz und gar zu eigen war. Alle Schilderungen ihrer antiken Röllen stimmen darin überein, und ihre Isabella hat es mir in allen Richtungen bestätigt.

Was die Schönheit in mehr äußerlicher Bedeutung betrifft, in der Bedeutung, daß die bloße Erscheinung gewinnend und liebenswürdig sei, darüber ist sie selbst bei Zeiten streng gegen sich gewesen im eigenen Zutrauen. Das alte Soufflirbuch des »Goldenen Vließes« in der Abtheilung »Die Argonauten« hat mir darüber einen merkwürdigen Aufschluß gegeben. In diesen »Argonauten« ist vielfach von dem, wenn auch wilden, Mädchenreize der Medea die Rede in den Liebesscenen mit Jason. Mit Schrecken sah ich, daß all das gestrichen war. Was auf Medcas Liebreiz nur irgendwie hindeutete, war ausgelöscht. Das hatte Sophie Schröder nicht passend erachtet für sich. Es blieb nun freilich unklar auf Kosten der Dichtung, woher denn wohl die Neigung Jasons stammte; aber die Darstellerin der Medea war nun gesichert, daß man ihr nichts von einer Liebhaberin zutrauen durfte. Sie war damals vierzig Jahre alt und spielte noch zahlreiche tragische Liebhaberinnen. Man sieht hieraus, daß sie bei Zeiten, wo es irgend anging, den Schönheits-Prädicaten auswich. Ich habe deßhalb gewiß auch in ihrem Sinne gesagt, daß ihre volle und reine Größe erst begann, als sie zum Fache der Heldin und Heldcnmutter überging. Hier konnte sich von ihrem durchwegs strengen Naturell Alles vollständig geltend machen, hier konnte die seltene große Schauspielerin entstehen.

Das ist sie gewesen. Das Wesen einer Heroine erschien in ihr echt und natürlich und hoch erhoben durch ihre Darstellungskunst. Eine Anzahl ihrer strengen Rollen wird in unserer Theater-Geschichte immer Schröderisch genannt werden, und Schröderisch wird so viel bedeuten als classisch.

In ihrem eigentlichen Fache steht sie unerreicht und einzig da, ein Vorbild für die deutsche Schauspielerwelt.

(Heinr. Laube in der »Neuen Fr. Presse.«)

Wochenausgabe der Augsburger Allgemeinen Zeitung Nr. 10. Stuttgart, den 6. März 1868.

Kreuzerblatt (1868)

Ein König und eine Königin. Wenige Tage bevor die deutsche Kunst in dem großen König Ludwig von Bayern einen ihrer wärmsten Freunde und verständnißreichsten Förderer verloren, hat man in München eine hochbejahrte Frau begraben, die gleichfalls einst eine Königin gewesen, eine machtvolle Herrscherin im schönen Reiche der Kunst und des Gedankens. Hätte Sophie Schröder nichts Anderes geleistet, als daß sie ihre große Tochter, die ihr im Tode längst vorangegangene Wilhelmine Schröder-Devrient erzogen und gebildet hat, ihr Name würde für ewig in die Geschichte des deutschen Geisteslebens verflochten sein. Sie war aber mehr als das, sie war selber eine große schöpferische Künstlerin, die noch in ihren vorgerückten Jahren die Jugend zur Bewunderung hingerissen hat und von der unsere Alten und Aeltesten mit wehmüthiger Begeisterung sagen, daß der hohe und reine Glanz ihrer künstlerischen Erscheinung unerreicht geblieben bis auf den heutigen Tag.

Sophie Schröder ist in ihrem achtundachtzigsten Jahre gestorben, eine kurze Skizze ihres mannigfach bewegten Lebens ist bereits in den verschiedensten Tageblättern zu finden. Sie war noch eine Zeugin unserer klassischen Literaturepoche und bereits vierundzwanzig Jahre alt, als Schiller starb. Ursprünglich in naiven Rollen und als tragische Liebhaberin beschäftigt, hat sie erst später ihre eigentliche Bestimmung, das Fach der tragischen Heldinnen ergriffen. Phädra, Medea, Lady Macbeth, Merope, Sappho, Johanna von Montfaucon und Isabella in der Braut von Messina waren ihre gedenkwürdigsten Schöpfungen. Schon seit 1840 von der Bühne zurückgetreten, brachte die beinahe Achtzigjährige noch im Jahre 1850 bei dem hundertjährigen Geburtstage Schillers in München durch den Vortrag der »Glocke« einen unvergeßlichen Eindruck hervor. Seitdem lebte sie ganz zurückgezogen und schrieb, wie man sagt, ihre Memoiren.

Das Leichenbegängniß der großen Schauspielerin war ein wahrhaft königliches. Nachdem am Grabe der Geistliche die Verdienste der Hingeschiedenen als Künstlerin, Mutter und Christin gepriesen hatte, ergriff der Hoftheaier-Regisseur Richter das Wort und wies darauf hin, daß Tausende heute durch ihre Anwesenheit bewiesen hätten, was die große Tragödin ihren Zeitgenossen gewesen sei. Auch die Hoftheater von Berlin uno Dresden hatten Lorbeerkränze und Palmen gesendet. »Und so lege ich denn, Sophie Schröder,« so schloß Herr Richter, »mit unserer Liebe, unserer Bewunderung diese Ehrenzeichen auf Deinen Sarg. Du erhabenes Vorbild, Du Fürstin im Gebiete der dramatischen Kunst! Ihr irdischen Ueberreste Sophie Schröder's, lebt wohl, auf ewig wohl!«

Kreuzerblatt Nro. 9. Eine Wochenschrift für Jedermann. Augsburg, 1868.

Allgemeine Zeitung (15.3.1868)

Danksagung.

Jenen hochgeehrten HH. Hoftheater-Intendanten welche beim Tod unserer geliebten unvergeßlichen Mutter,

Frau Sophie Schröder, pens. Hofschauspielerin,

derselben so ehrend und anerkennend gedachten, unseren tiefempfundenen Dank!

Hamburg, Coburg-Gotha, Bogenhausen nächst München, im März 1868.

Elisabeth Scheidt, geb. Schröder, Arztens-Gattin.
August Schlönbach, geb. Schröder, herzogl. sachsen-coburg-gothaische Hofschauspielerin.
Alexander Schröder, quittirter pens. bayer. Major.

Allgemeine Zeitung Nr. 75. Augsburg; Sonntag, den 15. März 1868.

Deutscher Bühnen-Almanach (1.1.1869)

Nekrologe.

Sophie Schröder.

Die große deutsche Tragödin Sophie Schröder ist am 25. Februar 1868 in München im Greisenalter von 87 Jahren gestorben. Sie wurde 1781 in Paderborn geboren. Ihre Mutter, welche sich nach dem Tode ihres ersten Mannes, eines Schauspielers, Namens Bürger, mit dem rühmlich bekannten Schauspieler Keilholz verheirathete, folgte einem Rufe nach Petersburg. Sie hatte zwar die damals zwölfjährige Sophie, obgleich diese schon als Kind in kleinen Rollen Talent bewiesen, noch nicht für die Bühne bestimmt, da aber das Personal der Tylli’schen Schauspielergesellschaft in Petersburg sehr beschränkt und zufällig das Fach der jugendlichen Rollen in Oper und Schauspiel unbesetzt war, so gab sie den Bitten der bedrängten Directrice nach, und Sophie begann in der Dittersdorf’schen Oper »Das rothe Käppchen« als Lina ihre theatralische Laufbahn. In Reval, wohin die Gesellschaft später reiste, heirathete sie als fünfzehnjähriges Mädchen den Schauspieler Stollmers. Hier lernte sie auch Kotzebue kennen, und erhielt auf seine Empfehlung eine Anstellung bei dem Wiener Hoftheater. Sie spielte damals noch ausschließlich naive Rollen und gefiel in ihren Debüts als Margarethe in den »Hagestolzen« und Gretchen in den »Verwandtschaften« sehr. Nach einem Jahre ging sie jedoch nach Breslau, wo sie vorzugsweise für die Oper engagirt wurde und besonders als Hulda im »Donauweibchen« viel Glück machte. 1801 unter sehr vortheilhaften Bedingungen nach Hamburg berufen, betrat sie hier die Bahn, auf welcher sie als ein Stern erster Größe glänzte; sie wechselte nämlich das naive Rollenfach mit dem tragischen. Häuslicher Kummer hatte ihren sonst heiteren Geist in eine melancholische Stimmung versetzt und den schlummernden Funken zur Flamme entzündet. Ihre erste Rolle in diesem Fache war die Zimmermeisterstochter in »Julius von Sassen.«

1804 heirathete sie ihren zweiten Gatten, den Schauspieler Schröder, und lebte unter den günstigsten Verhältnissen in Hamburg, bis die kriegerischen Begebenheiten im Jahre 1813 sie bestimmten, diese Stadt zu verlassen.

Nachdem sie eine glänzende Kunstreise gemacht, spielte sie anderthalb Jahre in Prag und folgte dann einem Rufe zu dem Wiener Hoftheater, dessen Zierde in hochtragischen Rollen sie war. Ihre Phädra, Lady Macbeth, Merope, Sappho, Johanna von Montfaucon waren meisterhafte Gebilde. Von hier aus zog sie mehrmals im künstlerischen Triumph durch Deutschland, gastirte an allen größern Bühnen und erwarb sich Ruhm und Ehre im höchsten Grade.

1829 vermählte sie sich zum dritten Male mit dem ungleich jüngeren, bekannten Heldenspieler Wilhelm Kunst, doch ward diese unhaltbare, von blinder Leidenschaft geschlossene Ehe schon nach wenigen Wochen, wenn nicht gerichtlich, so doch factisch durch die Abreise des Gemahls wieder gelöst. Den Namen ihres dritten Mannes legte sich Sophie Schröder niemals bei, doch wurde sie in der That erst 1859 durch W. Kunst’s Tod Wittwe im eigentlichen Sinne des Wortes.

Sie ging später noch an das Hoftheater in München über, von wo sie aber dann nach Wien zurückkehrte und dort in ihren früheren Wirkungskreis nochmals eintrat.

1840 wurde sie pensionirt und seitdem lebte sie zurückgezogen von der Oeffentlichkeit Anfangs in Augsburg, zuletzt in München, wo sie nur bei Gelegenheit des hundertjährigen Schiller-Jubiläums im November 1859 vorübergehend noch einmal sich dem Publikum im Theater zeigte, indem sie auf höheren Wunsch »das Lied von der Glocke« vortrug, in dessen Recitation sie von jeher meisterlich Vollendetes leistete. Sophie Schröder war im Rechte, als sie an der Feier von Schiller’s Geburtstag thätigen Antheil nahm, denn sie war bereits noch zu Lebzeiten des großen Dichters in Activität auf der Bühne. Persönlich nahe trat sie ihm zwar niemals, doch schuf sie seit 1801 noch in Hamburg ihre Amalie in den »Räubern«, Louise in »Kabale und Liebe«, Beatrice in der »Braut von Messina«, Jeanne d’Arc und Turandot, sowie dann in Wien ihre Maria Stuart und ferner auch die Elisabeth in demselben Drama, die seitdem nie wieder so groß gesehene Lady Macbeth in der Schiller’schen Bearbeitung, die Lady Milford, die Isabella in der »Braut v. Messina«, und ebenso auch verschiedene episodische Gestalten, wie Agnes Sorel, Gräfin Terzky, Julia Jmperiali in »Fiesco« und Armgart in »Tell.«

Keine deutsche Künstlerin dürfte wie sie fast die ganze Gallerie Schiller’schen Frauengestalten auf der Bühne verkörpert haben. Sophie Schröder war in der deutschen Kunst eine der ersten, von denen, die im Gegensatz zum Realismus der Iffland’schen Schule einer mehr idealistischen Spielweise zum Siege verholfen. Statt allzustrenger Natürlichkeit fand man bei ihr großartige Austastung und Ausmalung gewaltiger Leidenschaften, wodurch der etwas pedantisch und farblos gewordenen Menschendarstellung auf der Bühne Schwung und Poesie zurückgegeben ward, wenn auch hinwiederum die Gefahr nahe lag, daß der nun auf den Theatern herrschende pathetische Styl hier und da die Grenzen überstieg und an Stelle der Einfachheit und schlichten Wahrheit hochtrabendes Wesen trat. Partien der idealen Gattung, wie Iphigenia, Medea, Phädra, Sappho, Merope, Lady Macbeth und Isabella in der »Braut von Messina«, stellte Sophie Schröder mit einer poetischen Gewalt dar, die den Zuschauer gewaltsam zur Höhe dieser idealheroischen Spielweise emporriß und ihre Leistungen zu den unvergeßlichen stempelten.

Am 27. Februar 1868 Nachmittags 4 Uhr wurde Sophie Schröder zur Erde bestattet. Ein Meer von Menschen wogte nach dem Friedhofe, nicht von der Neugierde getrieben, sondern von dem Drange, der großen Künstlerin das letzte Ehrengeleite zu geben. An der Spitze des gesammten Hoftheaterpersonals und des Hoforchesters befand sich der Intendant Freiherr von Perfall in seiner Kammerherrenuniform und legte einen Lorbeerkranz auf den mit Lorbeern und Blumen schon dicht umhüllten Sarg nieder. Im Namen Sr. Majestät des Königs war der Flügeladjutant Hauptmann v. Sauer, ebenfalls den Sarg bekränzend, anwesend. Mit dem Glockenschlage 4 Uhr setzte sich der Riesenzug in Bewegung. Voraus ein Musikcorps, Beethoven’s Trauermarsch spielend, hinter diesem das Kreuz mit dem Decane, dann der Sarg, umgeben von den Regisseuren, welche brennende Wachskerzen, und von zwölf Hofschauspielern und Hofopernsängern, welche Palmenzweige trugen. Alle hatten um die Brust lange Trauerschärpen. Hinter dem Sarge schritten mit den Leidtragenden Frhr. v. Perfall, ihm folgten schwarz gekleidete Damen der Hofbühne; eine Deputation des Aktientheaters und sämmtliche Mitglieder des Theaters und der Hofkapelle, Celebritäten der Kunst und Wissenschaft, hohe Staatsbeamte und Offiziere aller Waffengattungen, zum Schlusse eine Armee von Trauernden. Nachdem der Sarg in das Grab gesenkt war, hielt Hr. Dechant Hayer eine tiefergreifende Rede, die Verdienste der dahingeschiedenen Mitschwester als Künstlerin, Mutter und Christin preisend. Hierauf ergriff Hr. Regisseur Richter in, alle Anwesenden mächtig erschütternder Rede das Wort; er betonte, wie wenig Künstlern es vergönnt ist, einen Ruhm, wie Sophie Schröder, sich zu erwerben, und der beste Beweis, was die große Tragödin ihren Zeitgenossen ist und war, sei die Anwesenheit der Tausende; aber auch die immer wachsenden Beweise von Theilnahme, welche von Außen dem Tode der Künstlerin gezollt würden, seien sprechende Zeugen, was Sophie Schröder der Mitwelt war und der Nachwelt bleiben wird. Die Hoftheater von Dresden und Berlin sendeten diese Lorbeerkränze und die Palmen, um sie als , sichtliche Zeichen der letzten Anerkennung auf das Grab der greisen Tragödin zu legen. »So lege ich denn, Sophie Schröder, mit unserer Liebe, unserer Bewunderung, diese Ehrenzeichen auf Deinen Sarg. Du erhabenes Vorbild, Du Fürstin im Gebiete der dramatischen Kunst; ihr irdischen Ueberreste Sophie Schröder’s, lebt wohl! Auf ewig wohl!« Kein Auge blieb nach diesen Worten trocken. Die würdevolle Feier schloß ein gemischter Chor mit Horn- und Posaunenbegleitung von einem Zeitgenossen der großen Verstorbenen, dem Hofkapellmeister Stuntz.

Deutscher Bühnen-Almanach. Berlin, den 1. Januar 1869.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale (1893)

Die Premiere der Grillparzer'schen Tragödie »Sappho« brachte ein helles Gestirn an unsere Bühne: die unvergleichliche Sophie Schröder. Die Künstlerin wurde am 2Z. Februar 1781 geboren und sah sich, durch mißliche Verhältnisse gezwungen, bereits als zehnjähriges Kind auf der Bühne. Ihre Eltern, die einer wandernden Künstlertruppe angehörten, durchzogen damals mit der kleinen Sophie das russische Reich. Schon in dieser Zeit trat das ungewöhnliche Talent des Wunderkindes zu Tage. In Reval, wohin sich die Gesellschaft wandte, wurde Sophie im fünfzehnten Lebensjahr (1796) die Gattin des verwittweten Stollmers, aus welcher Ehe ein Sohn entstammte. Doch bereits nach drei Jahren wurde dieses unglückliche Band wieder getrennt und Stollmers entsagte der theatralischen Laufbahn, um als Smets von Ehrenstein wieder in die Laufbahn eines Juristen zurückzukehren. Sein Söhnchen Wilhelm folgte ihm. Erst spater war es der Mutter vergönnt, in dieses trübe, eheliche Bild durch den warmen Herzenserguß des Sohnes, der sich dem priesterlichen Stande gewidmet, eine Tröstung fallen zu sehen. Wilhelm Smets, nicht unbekannt als Dichter, war in Aachen Domkapitular und schrieb ihr:

»Sie haben so ganz Ihr treues Mutterherz gegen mich ausgesprochen und dann aber auch wieder jenes zweifache Verhältniß meiner zu Ihnen nur zu lebhaft mich empfinden machen. Daß Sie meine Mutter und eine große außerordentliche Frau sind, Ersteres zieht mich so nahe an Sie und — dieses bringt eine Schüchternheit hervor, die um des Ersteren willen nur desto origineller ist; doch der schlichte Sinn, den Sie bei Ihrer Größe als Künstlerin sich gewahrt haben, giebt mir wieder Muth und ich fühle mich ganz als Ihr Sohn.«

Im Jahre 1804 lernte Sophie in Hamburg den Schauspieler Schröder (kein Verwandter des berühmten Schröder) kennen und ging eine zweite Ehe mit ihm ein. Aus dieser stammen vier Kinder, darunter die älteste Wilhelmine, die unter dem Namen Schröder-Devrient unsterblich wurde. Das Ehepaar Schröder vollzog nach seinem Scheiden von Hamburg Gastspiele an den verschiedensten Bühnen Deutschlands, doch war es erst die Wiener Epoche 1815–1829, die der Sophie Schröder den Ruhm einer großen Tragödin in ganz Deutschland ausbreitete und befestigte. Während dieser Zeit (1818) starb Schröder an einem unheilbaren Leiden und Sophie ging trotz der Warnung treugesinnter Freunde mit dem hochbegabten Heldendarsteller Wilhelm Kunst 1825 eine dritte eheliche Verbindung ein. Der unüberlegt geschlossene Bund löste sich bei der Disharmonie ihrer Naturen schon in demselben Jahre wieder auf.

Außer dem Gastspiel, das Sophie Schröder 1818 an unserer Hofbühne absolvirte, trat sie am 24. Februar 1831 bei uns als engagirtes Mitglied auf, um sich nach fünfjähriger Wirksamkeit wieder nach Wien zu wenden. Sophie Schröders geniale Kunst fand an allen Stätten die ungetheilteste Verehrung und Bewunderung. Ein Vorbild für die deutsche Schauspielerwelt, eine Gestalt voll Weihe und Größe, besaß sie in einem Grade wie Niemand mehr, die hinreißende Kunst der Declamation. Bestimmt und deutlich sprach sich der Gehalt des bezeichnenden Wortes aus und wo Gefühl und Leidenschaft zu Tage traten, schoß kein Laut über das rechte Ziel hinaus. Ihr war vollständig jene würdevolle, heilige Ruhe eigen, welche die beredte Verkünderin des herrlichsten inneren Lebens ist, sie war die Trägerin des vollendetsten, anbetungswürdigsten Idealismus.

Als Schröder als Isabella in Schillers »Braut von Messina« auftrat, schrieb ein Kritiker damaliger Zeit: »Wer möchte es unternehmen, aus einem so vollkommenen Ganzen alle die einzelnen wunderbar ergreifenden Momente aufzuzählen? Nur des einen will ich gedenken, wo sie die Leiche des Manuel erblickt. Dieser herzzerreißende Aufschrei: »O himmlische Mächte!« und dann mit tonloser Stimme: »Es ist mein Sohn« — es war, als ob die Sonne des Lebens in einen Abgrund endlosen Wehs versänke. Nicht ein ganzes Meer von Thränen hätte besser ein gebrochenes Mutterherz bezeugen können.«

Sophie Schröder kam 1857 wieder nach München und betrat hier zum letztenmal die Bühne. Es war anläßlich des hundertjährigen Geburtstages Schiller's, wo sie auf der Hofbühne das »Lied von der Glocke« zu ergreifendem Vortrag brachte. Von da ab lebte Sophie Schröder an der Seite ihres Sohnes in München. Die achtzigjährige Greisin sah ihre letzten Lebensjahre durch ein schlimmes Augenleiden heimgesucht. Zwar gelang es dem unvergeßlichen Professor Dr. Nußbaum, dem eben jetzt die dankbare Nachwelt ein Denkmal gesetzt, durch eine geschickte Operation das Leiden zu entfernen, aber dieser Lichtpunkt dauerte nur wenige Monate, am 25. Februar 1868 hörte dieses große Herz zu schlagen auf und die Augen schlossen sich für immer.

Wer auf dem südlichen Friedhofe Münchens durch die Prachtreihen herrlicher Denkmale dahinwandert, kommt auch zur Grabstätte Sophie Schröder's. Ueber dem Denkmal erhebt sich die Marmorbüste, aus weißem carrarischen Marmor gefertigt, und trägt unter der Brust den Namen »Sophie Schröder«. Im oberen Theil des aus gelbrothem Marmor hergestellten Postaments ist in Lapidarschrift zu lesen: Geboren am 1. März(Das richtige Geburtsdatum ist der 23. Februar 1781) 1781 zu Paderborn, gestorben am 25. Februar 1868 zu München. Auf dem unteren Theil stehen die Worte: »Dem Andenken der großen Tragödin von ihren deutschen Kunstgenossen!« Generalintendant Baron von Perfall hat den Impuls zur Errichtung dieses Erinnerungssteines gegeben und diese edle Aufforderung fand bei allen Hoftheatern und hervorragenden Künstlern freudiges Echo. Das Monument selbst ist von Professor Zumbusch ausgeführt worden, dessen ideale, schönheitdurchwehte Gestalten ihren Schöpfer längst zur Berühmtheit krönten.

Die Scheinwelt und ihre Schicksale. Eine 127jährige Historie der Münchener kgl. Theater im populärer Form und als Jubiläums-Ausgabe. Zu Ehren des fünf und zwanzigjährigen Dienst-Jubiläums Seiner Excellenz des Herrn General-Intendanten Freiherrn von Perfall von Max Leythäuser. München; 1893.

Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne (1903)

Schröder Sofie, geborene Bürger, geboren 1781 zu Paderborn. Sie war ein Schauspielerkind und wurde namentlich das Talent ihrer Mutter außerordentlich anerkannt. Sch. beteiligte sich zwei Jahre lang am Wanderleben der Eltern, wurde auf kurze Zeit zu einer Verwandten in Pflege gegeben, kam jedoch, als ihre Mutter mit dem Schauspieler Keitholz eine zweite Ehe schloß, wieder zu der Wandertruppe zurück. Von ihrem zehnten Jahre an, wirkte sie in Kinderrollen mit und war es im Jahre 1793, wo sie in Petersburg bei der Tillyschen Gesellschaft plötzlich und unvorbereitet in der Rolle der »Lina« in der Dittersdorfschen Oper »Das rote Käppchen« zum erstenmal als Liebhaberin die Bühne betrat. Die Schauspielerin, welche sie damals ersetzen mußte, war die Frau des Schauspielers Stollmer, deren Nachfolgerin sie auch in der Ehe wurde (1795). Kotzebue, der das große Talent der jungen Frau in Reval erkannt hatte, empfahl ihr Engagement ans Hofburgtheater, wo sie ausschließlich in naiven Rollen zu wirken hatte, ohne sonderlich zu gefallen. Sie blieb daselbst kaum ein Jahr, dann vertauschte sie Wien mit Breslau, wo sie namentlich für die Oper verwendet werden sollte. In Breslau 1799 wurde die Ehe mit Stollmer (eigentlich Smets) wieder getrennt und schon zwei Jahre später trat sie ihr Engagement in Hamburg an (Antrittsrollen: »Kathinka« in »Das Mädchen von Marienburg«, »Margaretha« in »Die Hagestolzen«). Ihr Wunsch, sich im eigentlich tragischen Fache zu versuchen, in welchem sie seinerzeit die größte Stufe der Berühmtheit erstieg, sollte erst 1803 erfüllt werden, als die Darstellerin der Titelrolle in »Johanna von Montfaucon« erkrankte, und ihr diese Partie zugeteilt wurde. Sie erzielte einen großartigen sensationellen Erfolg mit dieser Darstellung, und nun war des Ruhmes Bahn geöffnet. Nichtsdestoweniger wurde sie noch immer im naiven, ja selbst im komischen Fache, sowie in der Oper verwendet. 1804 heiratete sie zum zweiten Male und zwar den in Hamburg angestellten Baritonisten und Schauspieler Friedrich Schroeder. Dieser Name blieb unserer Künstlerin, und mit ihm sollte sie der Unsterblichkeit überantwortet werden. Die Gewalt ihrer tragischen Darstellungen gewann ihr immer mehr Verehrer und ergriff auch die Massen. 1813 mußte sie Hamburg, die eigentliche Schule ihrer großen Kunst, verlassen. Nach einem kurzen Gastspiel auf verschiedenen deutschen Bühnen kam sie nach Prag, wo sie zwei Jahre zum Entzücken der Prager wirkte. Einem in Wien gegebenen Gastrollenzyklus (»Maria Stuart«, »Ophelia«, »Orsina«, »Phädra« etc.) folgte ein Engagement am Hofburgtheater. Von Wien aus verbreitete sich rasch der Ruhm der Künstlerin – bisher unerreicht im tragischen Fache – über ganz Deutschland. 1818 ging Sch. für immer (ihre volle gedrungene Gestalt mag die Ursache gewesen sein) in das Heldenmütterfach über. Unheilvoll war das Jahr 1825 für die Künstlerin, in welchem sie (zum dritten Male) eine Ehe mit dem damals bestbekannten Schauspieler Wilhelm Kunst (s. d.) einging, denn schon wenige Wochen nachher wurde diese Ehe getrennt. 1829 verließ sie Wien, um ein Gastspiel in Petersburg zu absolvieren, kehrte jedoch an das Hofburgtheater vorläufig nicht mehr zurück. 1830 langte sie auf ihren ruhmreichen Künstlerfahrten in München an, wo König Ludwig die damals erste Tragödin Deutschlands trotz ihres vorgerückten Alters mit Pensionsbewilligung engagierte. Sie blieb nur fünf Jahre und wollte 1836 wieder ihre Stelle im Hofburgtheater einnehmen. Obwohl sie sieben Jahre früher einen entschiedenen Kontraktbruch begangen hatte, verzieh ihr der gütige Kaiser Franz mit den Worten: »No, weil's die Schröder is«, und veranlaßte ihr Engagement. Allein der Wirkungskreis der Künstlerin war bei ihrem dritten Engagement nur ein beschränkter. Da befiel die Künstlerin Unlust, auch glaubte sie, für die damals gangbaren Schau- und Lustspiele nicht den richtigen Ton zu finden, und so kam sie schon nach drei Jahren aus Gesundheitsrücksichten um Entlassung und Pensionierung ein. Beides wurde ihr huldreichst gewährt, und so trat sie in gesicherten Verhältnissen ins bürgerliche Leben zurück. Sie ließ sich zuerst in Augsburg und dann in München nieder, wo sie auch starb. Zum letzten Male erschien sie auf der Bühne Hamburgs als »Claudia Galotti« am 16. August 1847. Damit schloß ihre schauspielerische Wirksamkeit eigentlich ab. Dann betrat sie noch zweimal in ihrem Leben die Bühne, und zwar in Wien 1854 und in München 1859 gelegentlich der hundertjährigen Geburtsfeier Schillers. Beide Male erschien sie als Meisterin im »Lied von der Glocke« und wurde, trotz ihres Greisenalters der Aufgabe in unnachahmlicher Weise gerecht. Fortab trat sie mit dem Publikum nicht mehr in Berührung. Es entwickelte sich eine Gesichts- und eine Gehörschwäche, die sie von nun an ans Zimmer fesselte. Geistig jedoch blieb sie bis zu ihrem Tode frisch. Derselbe trat infolge eines Halskatarrhs im 87. Jahre ihres Lebens ein. Sie verschied in den Armen ihres Sohnes am 25. Februar 1868. Sch. war von mittelmäßigem, fast kleinem Wuchs. Ihre Gesichtszüge nicht schön, aber ihr Auge ausdrucksvoll, gebietend. Auch besaß keine Schauspielerin die Gabe der malerischen Stellungen in so hohem Grade wie sie. Bewundernswert war auch ihr Organ, und wo sie es mit all seinem eigentümlichen Zauber walten ließ, war es unwiderstehlich. In ihrer Kunst schloß sie sich dem idealen Aufschwung der Weimarer Schule an, ohne den Grundsätzen der Hamburger zu entsagen, ja sie machte sich die ideale Form derartig zu eigen, daß sie zu ihrer zweiten Natur geworden zu sein schien. Sch. war es, die wieder die Idealität auf die Bühne brachte, und die natürliche Darstellung durch die Kunst veredelte, ohne die Wahrheit zu verletzen. So apostrophiert sie Anschütz in seinen »Erinnerungen« mit folgenden Worten »Wer dich nicht gekannt hat in den Jahren deiner Kraft und deiner künstlerischen Entfaltung, der wird sich kaum ein vollständiges Urteil bilden können über den Höhepunkt und die möglichsten Grenzen tragischer Darstellung. Wer dich aber gekannt hat, der neigt sich vor dir ohne Neid und Eifersucht mit dem Bekenntnis: Bis hierher muß der Genius der Kunst dringen, aber er kann auch nie mehr erringen.« Laube bespricht sehr eingehend die künstlerische Individualität der Sch. und forscht, wodurch sie die große Schauspielerin geworden ist. Als Grundcharakter ihrer Kunst erklärt er den schweren Ernst und meint in erster Linie ist sie durch den Vortrag die große Schauspielerin geworden. Auch sucht er nach den Einflüssen, aus welchen die Sch. in ihrem Schauspielcharakter hervorgegangen ist und deduziert weiter: »Ihre Deklamation drängte sich nicht vor, löste sich nicht ab vom dramatischen Charakter. Sie sprach schön, sie sprach, man empfand es wohl, mit dem Bewußtsein, daß die Art des Sprechens eine Hauptsache wäre, aber sie hielt die Verbindung mit dem dramatischen Gedanken und Gange unzweifelhaft fest. Sie sprach dramatisch schön. Sie war eine tiefe, ernsthafte, strenge Natur und hat mich in ihren Äußerungen wohl an puritanische Leidenschaften aus Cromwells Nähe erinnert. Nicht an die Leidenschaft des Südens, wohl aber an die schonungslos leidenschaftlichen Ausbrüche der Nordlandsrecken. Das beliebte Schlagwort älterer Leute heißt »dämonisch«, wenn sie von diesen Schröderschen Ausbrüchen sprechen. Ihre Kraft war die eines starken Willens mächtiger, unnahbarer Entschlüsse. In diesem Bereiche werden sich auch ihre stärksten Rollen finden, und man spricht gewiß mit Fug und Recht von ihrer außerordentlichen Lady Macbeth. Eine rationell erwachsende Leidenschaft besaß sie gewiß in starkem Grade. Desgleichen die Leidenschaft eines herben, ja harten Naturells.« Zum Schlusse seiner Ausführungen stellte er durch Beweise fest, daß »ihre volle und reine Größe erst begann, als sie zum Fache der Heldin und Heldenmutter überging. Hier konnte sich von ihrem durchwegs strengem Naturell alles vollständig geltend machen, hier konnte die seltene große Schauspielerin entstehen. Das ist sie gewesen. Das ergibt sich schon für mich aus den geringen Erfahrungen, welche ich persönlich von ihrer Darstellung gewonnen habe. Das Wesen einer Heroine erschien in ihr echt und natürlich und hoch erhoben durch ihre Darstellungskunst. Eine Anzahl ihrer strengen Rollen wird in unserer Theatergeschichte immer schröderisch genannt werden, und schröderisch wird so viel bedeuten als klassisch. In ihrem eigentlichen Fache steht sie unerreicht und einzig da, ein Vorbild für die deutsche Schauspielerwelt.« Auch Eduard Devrient spricht voll Wärme und Innigkeit über diese merkwürdige Frau. Er erwähnt ihre sinnliche Lebenswärme, ihre tiefe Innerlichkeit und überwältigende Eigenschaft des Ausdrucks und sagt weiter: »Hinreißend im Sturm der Zärtlichkeit, erschütternd im Schmerze, wahrhaft Schrecken und Grauen erregend im Zorn, Haß und Verachtung hatte sie gleichwohl in der Rezitation des Verses eine Würde, Anmut und Flüssigkeit erworben, die kein Zögling der Weimarschen Schule erreichte. Freilich war sie dabei von Sprachorganen und einer Stimme unterstützt, welche an Kraft und Weichheit, Umfang und Biegsamkeit alle Forderungen beschämte, aber ihr Gebärden- und Mienenspiel war nicht weniger mächtig, obschon die etwas vollen Formen ihrer untersetzten Gestalt dem Adel ihrer Haltung und Bewegung nicht günstig waren und ihr Mienenspiel, wenn gleich von dem gewaltigen Blicke des schönen Auges unterstützt, den etwas unedlen Ausdruck des breiten Mundes zu überwinden hatte.« Allerdings beklagt Devrient, daß es Sch. in der zweiten Hälfte ihrer Laufbahn, wie fast allen Meistern in allen Künsten erging, daß ihre schönsten Effekte zuletzt zur Manier ausarteten. Allein das hinderte ihn nicht, der Künstlerin die größte Bewunderung zu zollen, und Grillparzer setzte dieser größten tragischen Schauspielerin, welche Deutschland jemals besessen, ein herrliches literarisches Denkmal mit den Worten:

»Zwei Schröder, Frau und Mann,
Umgrenzen unsres Dramas höhern Lauf;
Der eine stand in Kraft als es begann
Die andre schied, – da hörts wohl,
fürcht’ ich, auf.«

Ludwig Eisenberg’s Grosses Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig, 1903.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Schröder Sophie, 1781 (Paderborn) – 1868, Hofschauspielerin; als Tochter des Schauspielers Gottfried Bürger begann sie 1793 in St. Petersburg (= Leningrad) in der Dittersdorffschen Oper »Das Rote Käppchen« mit der Rolle der Lina ihre Bühnenlaufbahn; in Reval heiratete sie Stollmers, den Direktor der dortigen deutschen Bühne, mit dem sie 1798 an das Wiener Hoftheater kam, wo sie naive Rollen spielte, dann wurde Sch. in Breslau vornehmlich für die Oper engagiert; in Hamburg (seit 1801) wechselte sie ins tragische Fach, und damit begann ihre Karriere; nach einer längeren Kunstreise – u. a. spielte sie in Prag – kam sie 1815 wieder ans Wiener Hoftheater, bis sie schließlich 1831 Mitglied des Münchner Hoftheaters wurde (von 1836/40 war sie zum dritten Mal in Wien); sie besaß ein gewaltiges und doch wohlklingendes Organ, ein wirksames Auge und ein durch Übung zu großer Sicherheit entwickeltes Talent, der Darstellungskunst gab sie Poesie und Schwung in Ausmalung gewaltiger Leidenschaften.

Hauptrollen: Phädra, Medea, Lady Macbeth, Merope, Sappho, Johanna von Montfaucon und Isabella (Braut von Messina); Ludwig I. nannte Sch. »Teutschlands größte Tragödin«.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



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