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25 – 13 – 36 (Seitz)

Ω

PROFESSOR
FRANZ VON SEITZ
DIREKTOR DES
HOFTHEATERS
1817 – 1883
UND SEIN SOHN
RUDOLF VON SEITZ
AKADEMIEPROFESSOR
UND KONSERVATOR
1842 – 1910

Ω

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Franz von Seitz

* 31.12.1817 (München)
† 13.4.1883 (München)
Kostümbildner, Lithograph, Maler, Theaterdirektor und Zeichner

Allgemeine Deutsche Biographie (1891)

Seitz: Franz v. S., Maler, Kunstgewerbemeister und Kostümier, geb. am 31. December 1817 zu München als der zweite Sohn von Joh. Bapt. Seitz (s. u. S. 663), dessen Vielseitigkeit und Uebermaß von Talenten völlig auf Franz sich vererbte. Da der Vater außer seinen prächtigen Jungen mit keinen besonderen Glücksgütern gesegnet war, so suchte jeder derselben baldigsten Verdienst und Erwerb auf eigenen Wegen. Keiner schreckte vor einer Arbeit zurück, die, je ungewöhnlicher, doch nur um so größeres Vergnügen bereitete und wie spielend aus der Hand lief. Franz half seinem Vater bei dessen mechanischem Theater, machte Figuren aus Pappe und lieferte ganze Regimenter Soldaten aus demselben Stoffe, leitete die Productionen im damaligen »Schwarzen Adler«, ging dann mit dem ganzen Apparat auf Reisen, nach Salzburg, Linz und Wien, von wo er aber ziemlich abgekühlt und ausgestöbert nach München zurückkehrte. Hier mag der angehende Künstler heimlich manche Firma heruntergepinselt, manch' rauchenden Türken als Wahrzeichen einer Tabakniederlage gemalt haben. Nach dem Beispiel seines Bruders Alexander kam Franz gleichfalls frühzeitig auf die Akademie und zu Professor Schlotthauer (vgl. A. D. B. XXXI, 554–61), hielt aber nicht lange aus und stellte sich schon auf eigene Füße, ehe er die volle Beherrschung der Form erreichte – ein Mißstand, welcher ihm lange noch fühlbar genug nachging; seiner eminenten Begabung wäre bei gründlicher Schulung manch bittere Erfahrung erspart geblieben. Aber das Leben machte seine Rechte geltend und S. war nicht der Mann, demselben aus dem Wege zu gehen; er wagte den Kampf um's Dasein, wobei sein leichter Sinn und seine elastische Phantasie ihm hülfreich zur Seite standen: und schlug sich tapfer durch. Es gehört auch zu den charakteristischen Zügen dieses Originals, daß S., natürlich ohne die gehörigen Mittel, in einem Alter von zweiundzwanzig Jahren einen eigenen Herd gründete. Seine wackere Frau Wilhelmine, die Tochter des Kronfiscalrathes Königer, theilte redlich die Sturm-, Regen- und Sonnentage ihres Gatten; sie hat das anfangs wohl auch auf hochgehenden Wogen tanzende Schifflein ihres Haushaltes mit weiser Kunst gesteuert. S. arbeitete aber auch, »vor keiner Mühe bleich«, für die Seinen, immer mit Lust und Freude. Eine unübersehbare Reihe von Zeichnungen und Projecten, erst nach fremder, dann immer nach eigener Erfindung, auf Stein und Holz, bezeichnen seinen Weg. So lithographirte S. die »Judith« und die »Fischerfamilie« von Riedel für Piloty und Löhle's Verlag, dann die »Geusenfahrt« nach C. Scheuren und die »Brandschatzung eines Klosters« nach Max Heß (im König-Ludwig-Album), führte die Radirnadel (Porträt des Lithographen Bodmer), lieferte Illustrationen zu dem gereimten »Theater-Katechismus« von Franz Loehle (München 1840), zu Blumauer's »Aeneide« (Lpz. 1842) und erfand, anlehnend an Eugen Neureuther's Vorbild, »Umrisse zu Franz von Kobell's Gedichten in altbaierischer Mundart« 1842 (München 1843 bei Lindauer). Nach der Skizze des Grafen Franz Pocci fertigte S. die große Zeichnung zu dem vom Juwelier Jaud in Silber ausgeführten »Ehren-Schilde«, welchen der baierische Adel dem Kronprinzen Maximilian zu dessen Vermählung 1842 verehrte (Abbildung in Nr. 61 der Illustrirten Zeitung, Leipzig vom 31. August 1844. III. Band, S. 141). Dazu kam das »Preisdiplom des Münchener Jockey-Club« (1844). Mit diesen Arbeiten, welchen alsbald ähnliche folgten, betrat S. zuerst jenes Gebiet der kunstgewerblichen, stylgerechten Zeichnungen, worin er in der Folge so unvergleichlich durch originelle Schönheit, Frische und überraschende Phantasie excellirte. Beim Beginne der »Fliegenden Blätter« betheiligte sich auch S. mit Zeichnungen, übernahm dann 1848 die artistische Leitung der von Emil Roller in fünf Bänden redigirten, zahlreich mit Holzschnitten illustrirten »Leuchtkugeln« (1848 bis 1851) und skizzirte, gleichfalls für Roller's ziemlich radicalen Verlag, einen gegen Alfred Rethel's gleichnamige großartige Composition gerichteten »Todtentanz« (1849), welcher zur Ehre aller Betheiligten besser unterblieben wäre. Außerdem war S. auch an Trautmann's »Nürnberger Trichter« mit satyrischen, jene politisch wirre Zeit sattsam charakterisirenden Beiträgen thätig. Seine stark sarkastische Laune gab ihm gerne den Stift zu muthwilligen Caricaturen, mit welchen der doch so gutmüthig und jovial angelegte Mann die Lachlust der Beschauer kitzelte. Außer dem Crayon handhabte er auch das Modellirholz und schuf die köstlichen Charakterfiguren eines Südsee-Insulaner-Paares, eines Chinesen und hausirenden Tabulet-Krämers für die Schaufenster einer Handlung. Indem er wie ein Operateur an alte Gypsfiguren das anatomische Messer legte, hier Arme, Köpfe, Füße abnahm, durch anders bewegte Gliedmaßen ergänzte und neue Attribute beifügte – auf solche Manier construirte er auch eine auf kostbaren Tieger-(Katzen-)Fellen ruhende kleine Bacchantin – bildete sein neckischer Humor allerlei possirliche Gestalten zu Zier-, Haus- und Tafelschmuck. S. ätzte und tauschirte mittelalterliche Waffen, Hellebarden, Helme und Brustpanzer, schnitt in Holz und Elfenbein und imitirte oder restaurirte altdeutsche Plastik so verständnißinnig, daß Manches davon, gegen den Willen seines Urhebers, durch Zwischenhändler verbreitet und von gewiegten Kennern als ächt erklärt, zu hohen Ehren gelangte, darunter beispielsweise ein kleiner »St. Georg«, welcher, schließlich in Rothschilds Besitz, unter dem Namen eines noch unentdeckten, altdeutschen Meisters ersten Ranges auf einer Pariser Exposition prangend, seinem überraschten Verfertiger wieder begegnete. Seiner Vielseitigkeit einen neuen Tummelplatz zu öffnen, betrieb S. auch die Oelmalerei. Er begann mit kleinen Cabinetsbildern, wobei Gisbert Flüggen anfänglich als Corrector noch die Freundeshand bot: Zuerst 1846 mit einem »Architekturbild«, 1849 kam ein »Nächtlicher Ueberfall auf einem Schloß«, 1851 eine »Einquartirung« und eine »Maurische Halle«, 1852 ein unter seinen Schätzen eingeschlafener »Alterthums-Sammler«; 1856 malte er einen »Mundschenk«, eine »Architektur-Partie« aus einem Kloster, einen »Zeitungsleser am Kamin« und 1859 und 1860 zwei große »Weihnachtsbilder« (in Aquarell). S. wäre, wenigstens theilweise nach der Wahl seiner Stoffe, ganz auf demselben Wege gewesen, wie Meissonier, nur hielt den Deutschen die ungeduldige Rast und die zersplitternde Ubiquität von jeder strengeren Vertiefung zurück. Aber eben diese Vielseitigkeit in allen Gebieten wußte der scharfblickende Dingelstedt zu schätzen, welcher als Hoftheater-Intendant in S. den rechten, langersehnten Mann für seine reformatorischen Projecte erblickte. Dingelstedt legte vorerst die Kostümbranche in seine Hand und übertrug ihm weitere, damit zusammenhängende Obliegenheiten im Gebiete der Beleuchtung und Decoration. S. bethätigte mit der am 13. Mai 1855 nach Dingelstedt's Bearbeitung erfolgten ersten Darstellung des »Macbeth«, eine bahnbrechende, virtuose Kenntniß. Außer Heinrich Wagner's »Trachtenbuch des Mittelalters« (München 1830) und Hefner-Alteneck's »Trachten des christlichen Mittelalters« (Frankfurt 1840–55, in 3 Bänden) existirte damals noch kein wissenschaftlicher Apparat; S. blieb eben auf eigene Studien angewiesen. Und doch war seine Regeneration des Bühnenwesens durchschlagend und erweckte auch bei dem ferner stehenden Laien die Ueberzeugung, daß die ganze vordem verwendete Garderobe der Rumpelkammer verfallen sei und bei weiterem Gebrauche höchstens die Heiterkeit und Lachlust des Publicums reize. S. kam oft genug in den Fall, seine Zeichnungen selbst mit der Scheere in der Hand demonstriren und die Stoffe eigenhändig zuschneiden zu müssen. Seine Bemühungen um Inscenirung der »Antigone«, bei Shakespeare's »Sturm« u. A. ernteten die lauteste Anerkennung und zogen dem Künstler viele Aufträge von auswärts zu; seine Skizzen wurden bald nach Paris, London, Meiningen, Wien und Berlin verlangt und bestellt. So kostümirte er beinahe alle Tondichtungen Richard Wagner's: »Tannhäuser«, und »Lohengrin«, die »Meistersinger«, »Tristan«, den »Fliegenden Holländer«, »Rienzi« und die ganze Trilogie vom »Ring des Nibelungen« – letztere freilich nur für München, da für Baireuth ein anderer Künstler beliebt wurde. Es war eine Freude, ihm zuzuschauen, wie er mit wenigen Andeutungen z. B. aus Ferd. Keller's Pfahlbauten-Funden, Lindenschmit's »Alterthümern der heidnischen Vorzeit« und etlichen Abhandlungen über die sog. Bronze-Zeit, das ihm nöthige Material schöpfte, geistvoll belebte und für seine Zwecke wirksam gestaltete. Was seine sprudelnde, augenblicklich auffassende Phantasie gestaltete, floß wie ein Spiel aus dem Stift und gewann, in Form von leicht aquarellirten Skizzen, Wahrheit und Leben. Außer den genannten Opern lieferte er auch seinen Antheil für »Wilhelm Tell«, die »Afrikanerin« und den »Nordstern«, den nach Dr. Grandauer's Bearbeitung neu inscenirten »Don Juan«, zu den Dramen von Ibsen und Björnson »Bergkönig's Braut«, zur »Aida«, Zenger's »Wieland der Schmied«, zur »Königin von Saba« u. dgl. S., welcher seit 1855 eine bleibende Stellung am Hof- und Residenz-Theater, 1858 den Professor-Titel und am 1. Januar 1859 die Ernennung zum Kostümier erhielt, war lange schon der artistische Director, bevor ihm am 16. Januar 1869 endlich der Förmlichkeit wegen auch dieser Titel übertragen wurde. Seine Thätigkeit blieb unermüdlich. Was leistete er bei eigenen Familienfesten und den Freudentagen der Freunde! Zu seinen »noblen Passionen« als Jäger und Fischer kam die exquisite Kenntniß in culinarischen Künsten, die der als Gourmand bekannte heitere Mann zum Erstaunen der Beglückten gerne spielen ließ. Er nahm dann nach saueren Wochen des angestrengtesten Fleißes keinen Anstand – was theilweise auch zu seinen erquickenden Morgenspaziergängen gehörte – den Markt selbst zu besuchen und manch' taugsamen, mit Kennerblicken ausgewählten Leckerbissen eigenhändig einzuheimsen und die selbst bereiteten Köstlichkeiten mit strahlendem Bewußtsein aufzutischen. Und wie bethätigte sich S. bei den Gesellschaftsabenden fröhlicher Genossenschaften als Arrangeur, Decorateur und Universalgenie, wie fesselte er Aug' und Ohr mit Ueberraschungen, wie stand ihm dann in Prosa und Versen die immer skurrile Rede mit aphoristischen Impromptus zu Gebote, Eingebungen der jovialsten Laune und des blühenden Mutterwitzes, die stets einen stürmischen Jubel zündeten. Auf einem Album-Blatt (das Farbendruck-Facsimile in der Zeitschrift des Kunstgewerbe-Vereins 1883, Tafel 19) hat er sich in ganzer Figur abconterfait; bepackt, ausgerüstet und beladen mit allen möglichen Requisiten: Da liegen zu seinen Füßen die von ihm gezeichneten Tarockkarten, daneben die dampfende Pfanne und der zur Fixirung von Wandbildern durch Wasserglas (er rühmt sich in den das Ganze exegesirenden Versen als einen Maler »in Wasser und Glas«) nöthige Trittapparat mit Gummischlauch und Zerstäuber, dahinter Tafelaufsätze und Pokale; dann Partisanen, ritterliche Stech-Helme und Degen, welche er aus der ächtesten Pappe aufs täuschendste fabrizirte, dazu ein mit Perlen, Email und Edelstein verziertes Schmuckkästchen; er selbst führt in der Rechten den Malstock mit Palette und Pinseln zu allerlei Bedarf; an der Seite hängt der Fischreusen nebst dem stattlichen Zwilling, Angelstock und Netz, welche den Sportsmann kennzeichnen, während ein mächtiger, auf den Rücken hinabhängender Landsknechthut mit wallender Feder sowohl den Kostümier bedeutet, wie auch an das bewegte Sturmjahr (1848) erinnert, in welcher das schmucke Corps der Münchener Künstlerschaft auch als taktischer Körper hervortrat und unnöthiger Weise eine Menge guter Zeit verlor, – unter dem Arme schleppt S. schwere Albums und Prachtbände; die Linke faßt die Maler-Leinwand-Zange, während zwei andere mächtige Waffen in Gestalt von Schneiderscheere und Küchenmesser die anderweitigen Obliegenheiten unverkennbar andeuten. Und dann erst der Meister selbst: Wie lacht aus dem ganzen Mann mit den behäbigen, rundlichen Formen eine Lebensfrische, eine gewinnende Güte und Bonhommie? Das Blatt giebt den Künstler wie ein ganzes Programm, es ist die echteste Autobiographie! Als seine vielseitigen Gaben einmal ruchbar geworden, da gab es, etwa vom Ende der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts durch drei Decennien in München keine Veranstaltung öffentlicher Lustbarkeiten und feierlicher Manifestationen zur Ehrung im Bereiche der Kunst, der Wissenschaft und der Politik, welche nicht den Stempel der Erfindungsgabe unseres Künstlers an sich getragen hätte. Wie glänzte S. als Arrangeur bei den Festen der Gesellschaft »Frohsinn«, wovon heute noch die Tradition zu erzählen weiß. Hier inscenirte er mit gleich veranlagten Genossen, wie ehedem der erfindungsreiche Piero da Cosimo zu Florenz, unerhörte Faschingsfreuden, Festzüge und Turniere, oder stellte auch zur Abwechselung »plastische Darstellungen aus der Passion nach classischen Vorbildern« (1845). Ein Beispiel seiner Leistungsfähigkeit aber gab S. mit dem großen historischen Festzug beim siebenhundertjährigen Jubiläum der Stadt München (1858), welcher, obwohl einzelne Künstler die befreundete Hand boten und mithalfen, doch in der ganzen Idee und ihrer detaillirtesten Durchführung als sein eigentliches Verdienst zu betrachten ist. Er verstand dabei, trotz aller Prachtentfaltung und obwohl der Festzug größere Dimensionen annahm als anfänglich projectirt war, doch innerhalb der Kosten des Voranschlags und der vom Magistrat bewilligten Summe zu bleiben. – Was den genialen Mann in allen Kreisen so beliebt machte, war sein eigenartiges Talent aus dem unscheinbarsten Material und den primitivsten Behelfen – womit übrigens, wie seine Brunnenprojecte, Festaufbauten, Prunkwagen und Denkmale beweisen, auch Albrecht Dürer zu handiren verstand – wahre Musterleistungen hervorzuzaubern. Mit geringen Mitteln konnte der zunächst »aus Holz und Grünzeug« bestehende Grundstock beschafft werden, welcher für S. der Hauptsache nach hinreichte, um einem Saale oder einem Hintergrunde festliches Gepränge zu verleihen; das übrige Beiwerk ergab sich dann schier von selbst. Welch' eine Anzahl von neidenswerthen Interieurs schuf S. auf diese Manier aus altem Urväter-Hausrathe, der ohne seine belebende Künstlerhand im Staube der Vergessenheit verschollen geblieben wäre. Er bewährte seine malerische Begabung für Decoration sowohl mit Salonarbeiten, als mit monumentalen Fresken, wozu die Façade und der Thurm des alten Münchener Rathhauses Platz und Gelegenheit boten (1862). Für sich selbst baute S. auf einem von König Maximilian II. geschenkten Restchen des früheren »Holzgartens« ein längst ersehntes eigenes Gelaß, einem stattlichen Patricier-Herrenhaus vergleichbar, und gestaltete die Räumlichkeiten mit Atelier und Garten, heimlich, vergnüglich und imposant zu einem wahren Künstlerheim. Daß ein Mann mit solcher Begabung zur Uebung des Kunsthandwerks ganz geschaffen war, ist selbstverständlich, er gehörte auch mit zu den Gründern des Kunst-Gewerbe-Vereins, dessen Ziele und Bestrebungen S. mit freudiger Begeisterung förderte. In der Zeitschrift des besagten Vereins publicirte er eine Reihe von köstlichen Zeichnungen, z. B. zu Innungsschilden für Zimmerleute und Maurer (1853), allerlei Mustervorlagen für Damastwebereien, zu Tafelaufsätzen, Urkundenrollen, Festdiplomen und anderen Ehrengaben, Projecte zu Prachtkerzen, Standarten (1856), Messer- und Tisch-Nécessaire, für Silberarbeiter und Juweliere (1865). Besondere Erwähnung verdienen das von einem wilden Mann getragene Straußenei (als Trinkgefäß 1870) und ein »Schiff« mit den in die silbernen Wellen des Fußes eingelegten grünen Römern, welches, meisterlich durch Harrach ausgeführt, als Ehrengeschenk des deutschen Bühnenvereins dem Frhrn. von Hülsen in Berlin zu dessen fünfundzwanzigjährigem Dienstjubiläum 1876 übersendet wurde (abgebildet in der »Zeitschrift des Münchener Kunstgewerbe-Vereins« 1877. Tafel 3). Die Krone aller dieser Erzeugnisse bildete aber jenes Album, welches die baierische Armee ihrem Feldmarschall, dem Prinzen Karl, bei dessen Ausscheiden aus dem Heer überreichte (1867), ein Werk, welches erfunden von Franz Seitz und ausgeführt von dessen Bruder Max Joseph Seitz – welcher, ein Meister der Kleinkunst, die minutiös durchgebildeten Waffentrophäen ciselirte –, von Rockenstein und Anderen (die Eckbilder malte Franz Adam), als ein unschätzbares Kleinod bezeichnet werden muß (photographirt in 2 Blättern von J. Albert) und nach dem Ableben des Prinzen in das Nationalmuseum als bleibendes Zierstück gestiftet und somit dem Publicum zugänglich gemacht wurde. Auch die Miniaturen auf der innen liegenden Adresse malte Franz Seitz, der sich ebenso leicht und gewandt im feierlichen Charakter des Rundbogenstyles, wie in zierlicher spitzbogiger Ornamentik, im heiteren Spiele des graciösen Cinquecento, wie im ausgelassenen Muthwillen der Renaissance und der späteren Perückenzeit bewegte. Eine im Style des königlichen Schlosses Schwanstein ausgestattete Urkunde wurde 1869 in das Fundament dieses märchenhaften Bauwerkes eingeschlossen. Heiteres Gepränge trug die Adresse zu Baron von Perfall's zehnjähriger Bühnenleituug, jene zur goldenen Hochzeitsfeier des Herzog Maximilian (1878, wobei Emil Kirchner den landschaftlichen Theil übernahm), die von den städtischen Collegien Münchens aus gleichem Anlaß an Kaiser Wilhelm I. nach Berlin übersendete Beglückwünschung, die Adresse des oberbaierischen Landraths an den Regierungspräsidenten Freiherrn von Hermann etc. Geradezu unzählig aber ist die Menge der Diplome, Eintritts- und Einladungskarten, Menu-Zettel, welche S. zu Ernst und Scherz, bei Künstler- und Kellerfesten, Zweckessen, Bällen und sonstigen Faschingsfreuden, zu den Banketts der fröhlichen »Pappenheimer« bereitwillig beisteuerte, immer neu, gefällig und sinnig. Manches davon verwahrt nun die im Besitze der Stadt befindliche »Maillinger-Sammlung«, deren Vorbild auch für andere Städte nachahmenswerth wäre, wie denn überhaupt nicht genugsam empfohlen werden kann, Alles mit Umsicht und Achtsamkeit zusammenzutragen, was sich auf unsere Vergangenheit und Gegenwart bezieht. S. entwarf die Zeichnungen zu den Kostümen der Banner- und Preiseträger und Zieler beim alljährigen Octoberfest (1840), für die Livreen und den artistischen Haushalt des Prinzen Adalbert (1856). Auch der höchst geschmackvolle Kronleuchter im Volkstheater am Gärtnerplatz (nun durch die elektrische Beleuchtung beseitigt) war sein Werk. Was er berührte, sei es zum Hausgebrauch oder zu Schmuck und Zier, erhielt unter seiner Hand eine neue, immer anmuthig-gefällige, geistreiche Form. Auch zu Grabdenkmalen wurde seine Erfindungsgabe in Anspruch genommen, wie denn S. auch beim Ableben seiner Gattin (1880) über sein Familiengrab einen Stein setzte, welcher durch ein sinnreiches, schmiede-eisernes Kreuz in originellster Ornamentirung bekrönt ist. Sehr Vieles entstand im Auftrage König Maximilian II. wie z. B. die Uniformirung der Hartschiere und die malerische Tracht der Georgsritter; auch die Restauration einiger Prachtsäle der alten Residenz. Ebenso wußte König Ludwig II. ein solches Talent zu schätzen und durch zahlreiche Aufträge zu ehren. Im Jahre 1876 wurde S. (gleichzeitig mit seinem berühmten Namensvetter, dem Genremaler Anton Seitz, Hofrath Hanfstängl und Alexander Duncker) Ehrenmitglied der Akademie, nachdem ihm schon früher der Michaels-Orden, das Ritterkreuz der baierischen Krone und der spanische Isabellen-Orden zutheil geworden. Mit seinem Eintritt in den Ruhestand am 1. Mai 1880 erfolgte die Ludwigs-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Nun erst gedachte S. mit ungebrochener Kraft und einer immer gleichbleibenden Jugendlichkeit und Frische die wohlverdiente Ruhe für neue Arbeiten auszubeuten. Er schuf mit neuem Frohsinn und Gelingen. Eine Trübung brachte der nach schwerem Leiden 1880 erfolgte Tod seiner Gattin, welche in musterhaftester Weise das Hauswesen geleitet hatte. Sein Trost, seine Freude und sein Stolz blieb sein Sohn Rudolph, welcher längst schon durch tüchtige Leistungen einen guten Namen errang. Aber nicht lange dauerte die Freude der innig zusammenwirkenden Thätigkeit. Am 13. April 1883 endete eine Herz-Degeneration nach kurzer aber qualvoller Krankheit seine ruhmvolle Künstlerlaufbahn. Auf seinem Arbeitstische lag eine erst begonnene Adresse zur Feier von Franz Lachner's achtzigstem Geburtstage. – Rudolph S. vollendete selbe im Geiste des Vaters.

Vgl. Nagler 1846. XVI, 225 und dessen Monogrammisten 1860. II, 884 (Nr. 2481). – Seubert 1879. III, 296. – Maillinger, Bilder-Chronik der Stadt München 1876. II, 249. – Grandauer. Chronik des Hof- und Nationaltheaters in München. 1878. S. 159 und 205. – Nekrologe in Nr. 104 der Münchener »Neuesten Nachrichten« vom 14. April 1883. Nr. 54 »Sammler« Augsburg, 3. Mai 1883. Lützow. 1883. XVIII, 495. Beil. 158 »Allgemeine Zeitung« 8. Juni 1883 und »Zeitschrift des Kunstgewerbe-Vereins« 1883. S. 61–67.

Hyac. Holland.

Dr. phil. Hyazinth Holland: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig, 1891.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Seitz Franz, von, 1817 (München) – 1883, Maler und Kunstgewerbler, artistischer Direktor des Hoftheaters und Professor; er war ein Sohn des Kupferstechers Max Josef S. und studierte auf der Münchner Akademie, je nach den Umständen war er Maler, Lithograph, Xylograph, Ziseleur, Zeichner, Modelleur, Graveur, Dekorateur, Architekt und schließlich Kostümierer, als welcher er auf Empfehlung des Prinzen Adalbert ins Hoftheater aufgenommen und 1859 engagiert wurde, seit 1868 war S. technischer Direktor des Hoftheaters, das ihm in bezug auf szenische Arrangements und Komparserie viel zu verdanken hatte.

Hauptwerke: Lithographien: Judith, Fischerfamilie, Brandschatzung eines Klosters; Illustrationen zum »Theater-Katechismus« von F. Loehle, zu Franz von Kobells Gedichten in bayerischer Mundart; Zeichnungen für die »Fliegende Blätter« und »Nürnberger Trichter«; Bilder: Nächtlicher überfall auf ein Schloß, Altertumssammler, Zeitungsleser am Kamin; Kostümierung von fast allen Tondichtungen Richard Wagners.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.

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Rudolf von Seitz

* 15.6.1842 (München)
† 18.6.1910 (München)
Akademieprofessor, Genremaler und Konservator

Münchner Neueste Nachrichten (20.6.1910)

Theater- und Kunstnachrichten.
München, 18. Juni.

Professor Rudolf v. Seitz †

München, 18. Juni. Wie wir unmittelbar vor Redaktionsschluß hören, ist Professor Rudolf v. Seitz, Ehrenkonservator des Nationalmuseums, Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste, einer der populärsten Münchener Künstler, heute Abend gegen 11 Uhr im Kreise seiner Freunde in der Allotria einem Schlagfluß erlegen.

Münchner Neueste Nachrichten No. 282. Montag, den 20. Juni 1910.

Münchner Neueste Nachrichten (21.6.1910)

Lokales.
München, 20. Juni.

Professor Rudolf v. Seitz †. Se. k. Hoh. der Prinz-Regent hat an die Witwe des Professors v. Seitz nachstehendes Handschreiben gerichtet:

Meine liebe Frau v. Seitz! Schmerzlich ergriffen durch die Nachricht von dem so plötzlichen, unerwarteten Hinscheiden Ihres Gatten, des k. Akademieprofessors und Ehrenkonservators- des Bayerischen Nationalmuseums Rudolf Ritter von Seitz, den Ich erst vor wenigen Tagen in bester Gesundheit und Frohsinn bei Mir zu sehen die Freude hatte, spreche Ich Ihnen, liebe Frau von Seitz und Ihrer Familie Meine innige, tiefgefühlte Teilnahme aus. Ich bedaure von Herzen den Heimgang dieses trefflichen Mannes, der durch sein tatkräftiges Wirken und segensreiches Schaffen sich so hervorragende Verdienste um das Kunstleben Münchens erworben hat. Wie Ich dem Lebenden aufrichtig zugetan war, werde Ich dem Dahingeschiedenen jederzeit ein ehrendes Andenken bewahren. Möge diese Versicherung Ihnen einigen Trost in Ihrem herben Schmerze bieten und möge Gott Ihnen Kraft in diesen schweren Tagen verleihen. Mit huldvollen Gesinnungen.

München, 19. Juni 1910.

gez.: Luitpold, Prinz von Bayern.

Sonntag Nachmittag ließ der Regent eine herrliche Kranzspende an der Bahre des Professors v. Seitz niederlegen.

Eine eingehende Würdigung des Schaffens und Wirkens von Rudolf v. Seitz werden wir im nächsten Morgenblatt veröffentlichen.

Münchner Neueste Nachrichten No. 283. Dienstag, den 21. Juni 1910.

Münchner Neueste Nachrichten (21.6.1910)

Rudolf v. Seitz †

Eine der markantesten, der münchnerischsten Gestalten unserer Künstlerschaft ist dahingegangen: Rudolf v. Seitz! Und mitten in dem Kreise, der ihm der liebste war, hat ihn der Tod überrascht, in seiner Allotria! Ein rascher, schmerzloser und gütiger Tod war dem Schönheitsfrohen beschicken, ein Tod ohne die Häßlichkeiten des Sterbens. Klänge es nicht frivol, so möchte man sagen, dieser Tod hatte Stil, wie der ganze Mann, von dem man sagen darf, daß sein Leben ausschließlich dem Schönen geweiht war, der kein Ding, keine Betätigung menschlicher Kraft unter einem anderen Gesichtswinkel anzusehen vermochte als unter dem der Schönheit. Was schön war, war ihm gut, war ihm heilig; für alles, was ihm schön erschien, war er zu haben. Der schlichte, liebenswürdige, kerndeutsche und gesunde Mann war ein Priester der Schönheit — freilich ohne Hohepriesterallüren und Prophetengebärden. Freudig griff er zu, wo man ihn haben wollte, irgend etwas in seinem geliebten München würdig und schmuck zu gehalten — mit Feuereifer und fast fanatischer Energie, wenn es galt, Schönes vor dem Untergang zu retten, heilige Güter zu schirmen. Rudolf Seitz war ein Idealist vom reinsten Wasser, immer um die gute Sache selbst bemüht, in ihr aufgehend, durch sie glücklich. Und diese reine, flammende Begeisterung mag weiter wirken auch in einer Zeit, deren Kunst andere Quellen und andere Ziele sucht als er! Dieser Idealismus, diese freudige und selbstlose Hingabe an die Sache ist das beste Element im besonderen Wesen der Münchner Kunst; sie ist das, was ihr im heißen Wettbewerb der Gegenwart noch immer den Vorrang in Deutschland bewahrt hat!

Rudolf Seitz war der echte Sohn und Erbe seines Vaters Franz v. Seitz, dem er am 15. Juni 1842 geboren wurde. Die Generation von heute weiß kaum mehr, was dieser in allen Sätteln gerechte, an Schätzen der Phantasie unerschöpflich reiche Künstler für die Entwicklung des Geschmacks in München getan hat, sei es in fünfundzwanzigjähriger Tätigkeit als technischer Direktor des Hoftheaters, sei es als Förderer des Kunsthandwerks, dem er zusammen mit Gleichgesinnten neue Bahnen wies aus einer Zeit der Oede und Armut heraus. Sein Sohn Rudolf, in Pilotys Schule weitergebildet, nahm die Waffen des Vaters auf, und Wort für Wort paßt auf ihn alles, was Georg Hirth im Januar 1884 in seiner begeisterten Gedächtnisrede auf Franz v. Seitz und Lorenz Gedon von diesen beiden gesagt hat. Wir finden den Nachruf in Hirths »Wegen zur Kunst«. Da heißt es:

»In ihnen war wieder aufgelebt jener alte göttliche Kunstgeist, der da über alles menschliche Wesen und Schaffen seine Fittiche ausbreitet und, indem er dem kleinsten wie dem größten Dinge von Menschenhand den Stempel künstlerischer Empfindung verleiht, unser ganzes Dasein verschönert, adelt, in höhere Regionen erhebt. Es ist der Kunstgeist der Bramante und Giulio Romano, der Dürer und Holbein, der Jamnitzer und Peter Candid, welcher in unseren beiden abgeschiedenen Freunden seine Auferstehung gefeiert, welcher sie zugleich mit hoher Begeisterung und ungewöhnlicher Energie erfüllt hatte. Es ist, wenn ich so sagen darf, die Kunst als Religion, die Kunst unter dem Dreigestirn Glaube, Liebe, Hoffnung.«

Der persönliche Stil von Rudolf v. Seitz war ganz auf die Verehrung jener großen Alten gestellt. Ihm stand unverrückbar fest, daß sie allein zu gelten hätten als ewig unübertreffliche Vorbilder, und in die Formensprache dieser Vorbilder war er so eingearbeitet, daß sie die Muttersprache seiner eigenen Kunst wurde. Aber nur in der Form lehnte er sich an — als Erfinder war er ein Eigener, ein Unerschöpflicher. Wäre er in der großen Zeit der Renaissance geboren worden, aus ihrem Stil heraus — statt in ihn hineingewachsen, sein Name hätte noch ganz anderen Klang. Man muß aber immer wieder darauf hinweisen, daß die Rückkehr zum Alten, für die sich die beiden Seitz und ihre Freunde begeisterten, kein Rückschritt, sondern ein gewaltiger Fortschritt war. Ein Fortschritt zur Schönheit überhaupt!

Was Rudolf v. Seitz alles geschaffen hat an kunstgewerblichen Werken und Entwürfen, an Wandgemälden, an Festdekorationen u. s. w., das kann man hier unmöglich aufzählen. Er hat nicht viele eigentliche Staffeleibilder gemalt nach seinem ersten Historienbilde »Peter Vischer zeigt den Bestellern den Entwurf des Sebaldusgrabes«. Die meisten seiner Gemälde trugen dekorativen Charakter; darunter sind Wandbilder im Landshuter Rathaus zu nennen, andere im Hause Thomas Knorr, im Münchner Kaufmannskasino, schöne Stilleben im Dampfer »Bavaria« u. s. w. Seitz hat unzählige Entwürfe für alle Zweige des Kunsthandwerks gefertigt, die oft von köstlicher Liebenswürdigkeit und Heiterkeit der Erfindung sind; ein gemütvoller Humor kennzeichnet sie ebenso wie eine erstaunliche Sicherheit der stilistischen Handschrift. Dr. Georg Hirth besitzt zwei Bände solcher Entwürfe, die zu durchblättern ein hoher Genuß ist. Einen richtunggebenden Einfluß gewann R. Seitz auf das Buchgewerbe, als auch dies hier in München seine Auferstehung feierte. Seine schönen Kalenderentwürfe für die Buchdruckerei von Knorr & Hirth sind in ganz Deutschland bekannt geworden und ebenso unendlich viele stilvolle Zeichnungen für Buchschmuck und Kunstdruck. Für Bayreuth, speziell für den Parsifal, hat R. Seitz Kostüme entworfen — er war eben überall zur Stelle, wo es galt, der Kunst, irgend einer Kunst zu dienen.

Seine geradezu rührende Begeisterung für die kunstgewerblichen Schöpfungen unserer Vorfahren und seine umfassenden Kenntnisse auf diesem Gebiete legten es nahe, daß er als Konservator in unser Nationalmuseum gerufen wurde, und als die herrliche Sammlung in das neue Heim an der Prinz-Regentenstraße übersiedelte, war er mit unendlicher Liebe und Aufopferung um die künstlerische Aufstellung dieser Schätze und um die Ausschmückung der Räume besorgt. Dafür wurde ihm zum Danke der Titel eines Ehrenkonservators verliehen. Seit dem Jahre 1888 war Rudolf v. Seitz auch Professor an der Münchner Kunsthochschule. Er war in der Münchner Monumentalbaukommission tätig — ein Ding, das sich von selbst verstand. Denn seit Jahrzehnten war er ja immer vorn dran, wo es galt, seiner Vaterstadt ihr Recht auf Schönheit zu wahren und sie vor Verunstaltung zu schützen.

Mit dem stolzen Rufe Münchens, ein Hort der Kunst und der vom Geschmack geadelten Lebensfreude zu sein, wird der Name Rudolf v. Seitz auch für immer untrennbar verbunden bleiben!

F. v. O.

Münchner Neueste Nachrichten No. 284. Dienstag, den 21. Juni 1910.

Münchner Neueste Nachrichten (22.6.1910)

Professor Rudolf v. Seitz †
München, 21. Juni.

Die Münchner Künstlerschaft hat seit Lenbachs Tod wohl keinem ihrer Vertreter mehr eine so imposante Trauerfeier veranstaltet, wie dem so plötzlich aus ihrer Mitte gerissenen Rudolf von Seitz, der am Dienstag Nachmittag im südlichen Friedhof zur ewigen Ruhe gebettet wurde. Zu beiden Seiten des in weitem Bogen abgesperrten, mit Lorbeer- und Blumenspenden prächtig gezierten Grabes hatten Studierende der Akademie mit brennenden Flambeaux Aufstellung genommen, beim Herannahen des Leichenzuges, der - um sich entfalten zu können – einen weiten Umweg zum Grabe nehmen mußte, stimmte der Hofopernchor einen erhebenden Trauergesang an.

An der Spitze des Zuges schritten der große Kondukt der Dompfarrei, flammbeauxtragende Akademiediener und die Schar der Kranzträger. Den Sarg, zu dessen Seiten Mitglieder der Allotria mit brennenden Fackeln schritten, trugen Diener des Nationalmuseums. Mit den Angehörigen folgten der Bahre die sämtlichen Professoren der Akademie der bildenden Künste mit dem Direktor Ferdinand v. Miller, Geheimrat v. Klug, der Präsident der Akademie der Wissenschaften Geheimrat Dr. v. Heigel, als Vertreter des Kultusministeriums Ministerialrat Dr. Winterstein, für das Ministerium des Innern Ministerialrat Kahr, für die Oberste Baubehörde Ministerialrat von Stempel, für die Gemeindeverwaltung Oberbürgermeister Dr. v. Borscht, Rechtsrat Wölzl, die Magistratsräte Birk und Nagler, der 2. Vorstand des Gemeindekollegiums Huber und die Gemeindebevollmächtigten Kellner, Schweiger und Ullmann, ferner Graf Max v. Moy, Dr. Georg Hirth, Prof. v. Hauberrisser, Baurat Grassel und zahlreiche sonstige Trauergäste aus der Gesellschaft. Die Einsegnung nahm Dompfarrer Domkapitular Hartl vor, der auch die Grabrede hielt.

Nach Beendigung der kirchlichen Zeremonien trat Akademiedirektor v. Miller ans Grab und legte namens der Akademie der bildenden Künste einen mächtigen Lorbeerkranz nieder. In bewegten Worten schilderte er die seltenen Charaktereigenschaften des Entschlafenen, mit dem ihn schon die innigste Freundschaft in der gemeinsam verlebten Jugend verband, und schloß mit den Worten: »Ich möchte ihm danken im Namen der Akademie für all' das, was er geschaffen, was er getan hat für uns, für seine Schüler, für die Allgemeinheit. Er war nie müde, er hatte nie Ruhe und so wünsche ich ihm: Möge Gott ihm die Ruhe geben, die er sich selbst nicht gegönnt hat.«

Direktor Dr. Stegmann widmete hierauf namens des Bayerischen Nationalmuseums unter Würdigung der unvergänglichen Verdienste Seitzens um das Museum einen Kranz, indem er versicherte, der Geist des verstorbenen Künstlers werde fortleben in dem von ihm so heißgeliebten Museum: »Die Treue, die er bis zum letzten Tage dem Museum bewahrt hat, wollen wir Ueberlebenden ihm vergelten, wir wollen in Treue seiner gedenken, in Treue gedenken seiner hingebenden Liebe und ihm nacheifern in gleicher Liebe und in gleichem Eifer« — so schloß die tiefempfundene Gedächtnisrede.

Die »Allotria« ließ durch Professor Dr. Gabriel v. Seidl dem unvergeßlichen Freund und Mitbegründer die letzten Grüße, den letzten Dank für die so lange Jahre bewiesene Treue übermitteln. Kunstgewerbeschuldirektor v. Lange widmete namens eines weiteren Freundeskreises, des »Bundes der Humpenburger«, Kranz und Nachruf. Ebenfalls unter ehrenden Nachrufen legten noch Kranzspenden nieder Generalkonservator Dr. Hager für das Generalkonservatorium der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns, Prof. Hans v. Petersen für die Münchner Künstlergenossenschaft, Professor v. Habermann für die Münchner Sezession, Professor Emanuel v. Seidl für den Künstlerhausverein, Profesior Wenglein für den Isartalverein, Professor v. Defregger für die Äkademieprofessoren, geistl. Rat Standhammer für die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst, Kunstmaler Scheuermann für den Münchner Künstler-Unterstützungsverein, Konservator Dr. Halm für die Beamten und das Personal des Nationalmuseums, Universitätsprofessor Dr. Karl Mayr für den Historischen Verein für Oberbayern, Professor Pfeifer für den Bayerischen Kunstgewerbeverein. Dr. Georg Hirth legte im Namen seiner »Jugend«, welche den Verstorbenen zu ihren, wenn auch seltenen Mitarbeitern zählte, einen Lorbeerkranz nieder mit den Worten: »Lieber Rudolf, Dein liebliches Bild wird unauslöschlich unseren Herzen eingeprägt bleiben, und wir wollen dafür sorgen, daß auch unsere Kinder und Kindeskinder, wenn von den interessantesten und besten Münchnern dieser Zeit gesprochen wird, Deiner stets in Liebe und Achtung gedenken.«

Endlich ehrten noch die Schüler Seitzens und die Studierenden der Akademie der bildenden Künste das Andenken des verehrten Meisters durch Widmung von Kranzspenden. Der Hofopernchor beschloß die eindrucksvolle Trauerfeier mit dem Vortrag eines Grabliedes. Von der Fülle von Kranzspenden, die schon vor der Beerdigung an der Grabstätte niedergelegt worden waren, seien hier noch erwähnt die des Regenten, des Prinzen Rupprecht, der Stadtgemeinde München, der Monumentalbankommission, des Vereins für Volkskunst und Volkskunde, Franz v. Stucks, Thomas Knorrs, des Grafen Max v. Moy, der Frau v. Lenbach, der Zettlerschen Hofglasmalerei und des Vereins für freiwillige Armenpflege.

* * *

Im Magistrat widmete Oberbürgermeister Dr. v. Borscht dem verstorbenen Prof. R. v. Seitz heute folgenden, ehrenden Nachruf:

Am vergangenen Samstag Abend, mitten im geselligen Kreise seiner Freunde, ist einer unserer hervorragendsten Mitbürger und Künstler, Herr Professor Rudolf v. Seitz, plötzlich einem Schlagfluß erlegen.

Er war unser nach seiner Geburt, unser nach seinem ganzen Wirken, unser mit seinem ganzen Herzen. Wo die Gemeinde seiner künstlerischen Kraft bedurfte, ist er ihr uneigennützig und erfolgreich zur Seite gestanden. Er gehörte dem Verwaltungsrate der Prinz-Regent-Luitpold-Stiftung seit ihrer Gründung und ebenso dem Ausschusse des gemeindlichen Kunstfonds als bewährtes, treues Mitglied an. Bei fast allen künstlerischen Konkurrenzen, welche die Stadt veranstaltete, war er ihr Beirat und übernahm stets bereitwilligst die oft mühevolle Aufgabe eines Preisrichters.

Seitz stand in vorderster Reihe, als zu Beginn der 70er Jahre Kunst und Kunstgewerbe in München zu neuem Leben erweckt wurden, und wenn heute das Münchner Kunsthandwerk sich in aller Welt des höchsten Ansehens erfreut, wenn die von hier ausgegangenen Bestrebungen, die Kunst in bestem Sinne des Wortes zum Gemeingute zu machen, den Ruhm unserer Stadt als erster Pflegestätte deutscher Kunst nachhaltig zu fördern und zu mehren, von dem größten Erfolge begleitet waren, so ist dies in hervorragendem Maße ein Verdienst des Dahingeschiedenen.

Obwohl sein Leben reich an Ehren und Auszeichnungen war, ist er immer der bescheidene, anspruchslose Künstler geblieben, der durch seine Liebenswürdigkeit und Leutseligkeit sich die Herzen aller gewann, die ihm persönlich nahegetreten sind. Sein Tod bedeutet nicht nur einen großen Verlust für die Kunstwelt, sondern auch für unsere Stadt, die ihm stets ein dankbares Andenken bewahren wird.

Zum äußeren Zeichen ihrer Anteilnahme werden die städtischen Kollegien sich an der Beerdigung durch Deputationen beteiligen, die Aussegnungshalle im südlichen Friedhof wird von der Stadtgärtnerei geschmückt und ein Kranz am Grabe niedergelegt werden.

Das Plenum erhob sich der Aufforderung des Oberbürgermeisters entsprechend zu einem Trauersilentium von den Sitzen.

Münchner Neueste Nachrichten No. 286. Mittwoch, den 22. Juni 1910.

Münchner Neueste Nachrichten (28.6.1910)

Buntes Feuilleton

M. F. Rudolf v. Seitz und der Autographensammler. Ein noch nicht 15 Jahre alter Junge war von einigen Bildern des jüngst verstorbenen Meisters Rudolf v. Seitz so begeistert, daß er danach trachtete, des Professors Handschrift in seinen Besitz zu bekommen. Da er sich aber nicht getraute, dem Künstler sein Anliegen selbst vorzutragen, so schrieb er ihm einen Brief des Inhalts, er habe ein Kiste mit zwölf Weinflaschen an einen Herrn Seitz gesandt. Da die Kiste aber nicht angekommen sei, so erlaube er sich die Anfrage, ob nicht der Herr Professor sie irrtümlicherweise erhalten habe. Der Knabe dachte, Professor v. Seitz werde ihm zurückschreiben, er habe die Kiste nicht erhalten. Dann hatte er ja das Autogramm!

Aber es kam anders. Professor v. Seitz erschien nämlich selbst in der Wohnung des »Weinsenders«. Er wurde von der Mutter des Knaben empfangen. Der wahre Sachverhalt stellte sich bald heraus. Professor v. Seitz ließ sich den Autographensammler rufen und las ihm gehörig die Leviten. Am nächsten Tage gelangt an die Adresse des Knaben ein Brief mit folgendem Inhalt:

Es kommt sehr häufig vor auf Erden,
Daß kleine Spitzbub'n später große werden,
Drum willst Du wirklich Autographen fangen,
So schwindle nicht, Du kannst sie ehrlich auch erlangen.

München, den 26. August 1901.

Rudolf von Seitz.

Münchner Neueste Nachrichten No. 295. Dienstag, den 28. Juni 1910.

Allgemeine Zeitung (2.7.1910)

Kunst und Literatur

Rudolf von Seitz †.

Im Alter von 68 Jahren ist in München am 18. Juni Professor Rudolf von Seitz gestorben. Mitten aus dem ihm seit vielen Jahren innig vertrauten Kreise der Künstlergesellschaft »Allotria« hat ihn der Tod mit sich genommen. Von Rudolf von Seitz kann man sagen: Als er starb, war sein Tagewerk getan. Das Schicksal hat ihn nicht aus einer aufsteigenden Entwicklung gerissen; er schied nicht von einem halbvollendeten Werk, sondern er hat die Früchte mühevoller Arbeit alle reifen sehen. Rudolf Seitz war der Sohn des als Kunstgewerbler hochgeschätzten Malers Franz von Seitz, und seine eigenen Verdienste liegen auf dem Gebiete des Kunstgewerbes. Was er als Maler in Wand- oder Staffeleibildern geschaffen hat, besitzt nicht Ewigkeitswert, aber die Anregungen, die er dem Kunstgewerbe gegeben hat, behalten ihre Bedeutung. Wie Franz Lenbach, mit dem ihn treue Freundschaft und Geistesverwandtschaft verband, ging Seitz von der Renaissance aus; sie erschien ihm als der niemals übersteigbare Höhepunkt der Kunst. Daher förderte er in Kunst und Kunstgewerbe jene im Grunde unselbständige Richtung, die in allem streng auf die Meister der Renaissance zurückging, die aber wenigstens in der Ausgestaltung durch souveräne Geister (namentlich Gedon!) Eigenart und Charakter hatte. Jedenfalls gelang es Seitz im Verein mit seinen Freunden, den Sinn für historische Kunstwerte wieder zu wecken, und – hierin liegt sein größtes Verdienst — den entsetzlich verwahrlosten Geschmack des kunstkonsumierenden Publikums jener Zeit wieder zu heben. Gewiß war die »altdeutsche Überflutung« nichts an und für sich Erfreuliches; aber sie war doch die Erlösung von dem grenzenlosen Ungeschmack und Schund der ihr voraufgehenden Epoche der siebziger Jahre. Vor allem: sie brachte dem Publikum wie den Kunsthandwerkern wieder die Ehrfurcht vor gediegener und ordentlicher Arbeit bei, die verschwunden war, seitdem die Biedermeierzeit gewesen war. Weiter ist es eine große Tat des Kreises, in dem Rudolf von Seitz Führer war, daß man wieder gutes Material nicht nur schablonenhaft verwendete, sondern auch auf weitere Möglichkeiten studierte; dadurch ist zweifellos das moderne Kunstgewerbe, mit dem im übrigen die Schule Seitz nichts zu tun haben wollte, in seiner raschen Entwicklung wesentlich gefördert worden, und das sollten auch die Jungen, die tatsächlich weitergekommen sind als Rudolf von Seitz, diesem nicht vergessen.

Im Lebenswerk des nun Verstorbenen darf nicht übergangen werden, was er für das bayerische Nationalmuseum getan hat. Als Gabriel von Seidl, der zu dem festgeschlossenen kleinen Kreise der maßgebenden Künstler Münchens gehört, den Auftrag erhalten hatte, den Neubau des Nationalmuseums zu entwerfen und auszuführen, stellte er Rudolf von Seitz neben sich. Seitz ist – das darf man wohl sagen – der geistige Vater der inneren Einrichtung dieses eigenartigen Museums. Er hielt die übliche museale Zusammenstellung von historisch oder sachlich zusammengehörigen Objekten für falsch und schuf, wo das nur anging, ein Milieu: ein Rokokomilieu, Säle, Kostüme, Kunstgewerbe, ein Empiremilieu, ein Renaissancemilieu usw. So bekamen die einzelnen Räume des Museums ihren »Stil«. Was nicht in den »Stil« paßte, wurde ausgeschaltet, und wo zum »Milieu« etwas Wesentliches fehlte, da wurde eine Nachbildung aufgestellt oder hingehängt, von der sich zwar nicht der Laie, wohl aber der Kenner mit Entsetzen abwendet. Es ist viel über das »System« des Nationalmuseums gesprochen und geschrieben worden; die Kunsthistoriker haben es nicht so bedingungslos anerkannt wie harmlose Besucher: unter allen Umständen war es eine höchst originelle Idee, mit dem traditionellen massenhaften Vereinigen zwecklich gleichgearteter Objekte aus verschiedenen Perioden in endlosen Räumen zu brechen und geschlossene Bilder des künstlerischen und kunstgewerblichen Standes der einzelnen Epochen zu geben, die mit dem vollen Reiz des Zusammengestimmten, organisch Lebendigen zu wirken vermochten. Wir glauben nicht, daß die Ausführung der Idee durch Seitz über alle Bedenken erhaben ist oder daß sein System ohne weiteres überall »Schule machen« wird; fraglos aber wird es alle künftigen Museumsbauten beeinflussen und überall da auch an gewendet werden, wo es — vielleicht mit mehr innerer Berechtigung als in München — angewendet werden darf.

Als »Ehrenkonservator« des Bayerischen Nationalmuseums wird Rudolf von Seitz unvergessen sein; denn seinem Findertalent, seinem ordnenden Geschmack und seinem feinen, sicheren Urteil verdankt das Museum einen guten Teil seines wohlbegründeten Ruhmes. Zum zweiten ist ihm die Stadt München verpflichtet, für deren Verschönerung er unermüdlich tätig gewesen ist, sei es durch eigene Werke oder durch weisen Rat zur Erhaltung oft unscheinbarer, aber doch wertvoller Kunstdenkmäler aus alter Zeit, sei es durch seine eifrige Mitarbeit bei der Monumentalbau-Kommission. Mich dünkt, bei soviel echtem Verdienst mindert es den Wert des Toten nicht, wenn man von ihm ehrlich sagt, daß er kein Gefühl hatte für das, was eine jüngere Künstlergeneration wollte und – konnte.

Pietro Aretino.

Allgemeine Zeitung Nummer 27. München; Samstag, den 2. Juli 1910.

Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München (1983)

Seitz Rudolf, von, 1842 (München) – 1910, Genremaler, Akademieprofessor und Konservator; er war Schüler seines Vaters Franz von S. und der Münchner Akademie, vor allem bei K. von Piloty; zusammen mit Gabriel von Seidl gründete S. ein Atelier für Innendekoration, er war auch Seidls Mitarbeiter bei der Innengestaltung des Bayerischen Nationalmuseums, seit 1883 war S. Konservator am Bayerischen Nationalmuseum, seit 1888 Akademieprofessor, seit 1900 geadelt.

Hauptwerke: vier mythologische Deckengemälde im nordwestlichen Eckpavillon der Münchner Residenz, Kartons zu den Glasfenstem im Sitzungssaal des neuen Münchner Rathauses, Apsisgemälde der St.-Anna-Pfarrkirche in München (Hauptwerk); Altarbilder in der Kirche des neuen Hl.-Geist-Spitals und in der Kapelle der Chirurgischen Klinik an der Nußbaumstraße, Fassadenmalereien am Deutschen Haus am Karlsplatz und am Marienplatz (hl. Onuphrius), Fresken im Rathaus zu Landshut a. d. Isar, allegorische Gemälde im Rathaussaal von Nürnberg und vier Kaiserbilder im Kaiserzimmer der Nürnberger Burg; Ss. Wirken zur Hebung des Kunstgewerbes in München war von ausschlaggebender Bedeutung.

© Dr. phil. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke Verlag; 4. Auflage. Würzburg, 1983.



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